120 Jahre. Baujahr 1880 JUBILÄUMS-AUSGABE. FRIEDRICHKurier

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Transkript:

120 Jahre FRIEDRICHKurier JUBILÄUMS-AUSGABE Baujahr 1880

Bremische Gesellschaft zur Erhaltung der Großen Hafenrundfahrt MS FRIEDRICH e.v.

INHALT Editorial... 1 Von Hamburg nach Bremen... 2 Grosse Hafenrundfahrt... 8 Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag... 10 Dem Schneidbrenner entrissen... 12 Erinnerungen an Friedrich, oder wieso Friedrich eine wilde Sau genannt wurde... 28 Die Schlachte ein kurzer Blick zurück... 30 DER oder DIE FRIEDRICH?... 34 Im Geradeauslauf nicht unbedingt ein Prachtstück... 36 Technische Daten... 38 Impressum Herausgeber: Bremische Gesellschaft zur Erhaltung der Großen Hafenrundfahrt MS Friedrich e.v., Osterdeich 86a, 28205 Bremen, Telefon: 4992136, 0170 9574228 (Mobil an Bord) Bankkonto: Sparkasse in Bremen, Konto-Nr. 12293692, BLZ 29050101 Texte: Fotos: Repro: Gestaltung: Druck: Klaus Auf dem Garten, Günter Benja, Kurt Kohlring, Hans-Jürgen Paape, Rolf B. Tiesler, Holger Weinert Dietmar Gode, Wilhelm Gartung, Weser-Kurier, FRIEDRICH Archiv Familienarchiv Grell, Archiv Quast, Hamburg Hauschild Verlag, Bremen Mit Koggen zum Marktplatz Walter Breymann, Elke Vagt Heinrich Staar Druckwerkstatt Schmidtstraße 28, 28203 Bremen

EDITORIAL 1 Liebe FRIEDRICH, dem Ereignis angemessen, haben wir versucht, Dich in einer außergewöhnlich umfangreichen Festschrift besonders zu würdigen. Dabei kann sicherlich keine Dokumentation auch nur annähernd ausführlich beschreiben, was Dir im Laufe Deiner nun 120 Lebensjahre so alles widerfahren ist. Trotzdem haben einige Deiner Freunde wichtige Stationen auf Deinem Lebensweg etwas näher beschrieben. Und Freunde, Du konntest Dich selbst an Deinem Geburtstag am 24. Juni überzeugen, gibt es in Deiner langjährigen Heimatstadt eine große Zahl. Fast alle Binnen- und Butenbremer haben genau Dein Bild im Kopf, wenn Sie den Namen Friedrich hören. Eine große Zahl hat an Deinem Festtag Dich persönlich besucht, auf Deinen stählernen Planken gestanden und Dir zugeprostet. Du hast, und darauf kannst Du ruhig ein wenig stolz sein, Dich sehr gut präsentiert. Rüstig und bei bester Gesundheit wirktest Du regelrecht tatendurstig und neugierig auf all das, was Dir an Deinem neuen alten Liegeplatz an der Schlachte in der Zukunft noch so alles widerfahren wird. Wir wünschen Dir für die nächsten Jahrzehnte alles Gute, bleib so wie Du bist und wir haben keine Bedenken, dass Du auch weiterhin immer genug Freunde und Förderer finden wirst, die für Dein Wohlergehen sorgen werden. Übrigens, versprochen, in spätestens fünf Jahren werden wir uns alle wieder bei Dir einfinden. Dein Holger Weiss Holger Weiss, 1. Vorsitzender

2 Von Hamburg nach Bremen. Versuch einer Darstellung von Hans-Jürgen Paape. Wer in den fünfziger Jahren in Hamburg mit der Hochbahn vom Baumwall in Richtung Landungsbrücken fuhr, der hörte oft genug die Niethämmer der Werften auf der anderen Elbseite. Zum Schichtwechsel strömten die Arbeiter eilig vom Bahnhof zum Fähranleger unten an den Landungsbrücken, um mit den HADAG-Dampfern zur Arbeit zu fahren. Nicht wenige aber gingen auch zu Fuß zum Elbtunnel oder fuhren mit dem Fahrrad. Das waren meist Leute, die in Hafennähe wohnten. Die Hafenarbeiter und Schauerleute, die waren schon am Baumwall ausgestiegen. Dort, im Becken des alten Binnenhafens, über den die Hochbahn hinwegfuhr, lagen unzählige Hafenbarkassen, die sie an ihre Arbeitsplätze in den Schuppen und auf den Schiffen brachten. Zwischen Baumwall und Landungsbrücken beginnt auch die Geschichte unseres FRIEDRICH: Den Vorsetzen gegenüber, auf dem Steinwärder, wohnte in den fünfziger Jahren des 19. Jahrhunderts der Kapitän Johann Heinrich Grell, der vom Hamburger Senat die Konzession zum Betrieb von Fährbooten erworben hatte. Grell vermietete diese Boote an die Arbeiter der Werften, die am Ufer der Elbinseln Steinwärder, dem kleinen Grasbrook und dem diese Elbinseln trennenden Reiherstieg lagen. Diese Werftarbeiter mussten die Boote bei Wind und Wetter, aber auch bei Schnee und Eisgang selber rudern, oft genug kamen sie deshalb zu spät oder überhaupt nicht zur Arbeit. Schon bald kam ihm die Erkenntnis, schreibt Grell in seinen Erinnerungen, daß mit Handruderbooten nicht viel anzufangen sei: Ich liess daher, obschon ich die ganz neu angeschafften Ruderboote mit grossem Verlust verkaufen musste, im Jahre 1862 den ersten Schraubendampfer erbauen. Es war die auf der Reiherstiegwerft gebaute Louise. Doch der experimentierfreudige Grell war mit dem Schiff nicht sehr zufrieden, mangelte es doch an genügender Manövrierfähigkeit, und im Winter taugte es als Eisbrecher, wie er ihn einsetzen wollte, auch nur wenig. Es folgten die Peute und die Theodor Körner. Aber erst die im Jahre 1880 in Dienst gegangene Süd-Hamburg unser heutiger Friedrich brachte den Erfolg.

Das Schiff Süd-Hamburg hat bis zum heutigen Tage von seinem Ruf, das beste Fährboot der Elbe zu sein, nichts eingebüßt, denn je mehr Menschen sich auf dessen Deck heraufdrängen, desto fester liegt es auf dem Wasser. Es kann mit Sicherheit 450 Personen über die Elbe fahren; wodurch also andere Schiffe rank werden oder rollen, schwanken und zu kentern drohen, dadurch wird dieses stabiler", schrieb Grell rückblickend zehn Jahre später. Grell ließ seine ersten vier Schraubenfährdampfer bis 1880 bei der traditionsreichen Reiherstiegwerft und Maschinenfabrik bauen. Die jeweilige Schiffsform modulierte er, wie er sagte, selbst. Die 1706 von der Patrizierfamilie Roosen gegründete Werft gehörte ab 1849 der Hamburger Firma J.C.Godeffroy & Sohn, die 1861 den Standort auf den kleinen Grasbrook mit Helgen zur Norderelbe verlagerten um sich fortan ganz dem Eisenschiffbau zu widmen. Das mag den experimentierfreudigen Grell veranlasst haben, seine neuen Fährboote dort bauen zu lassen. Wer mit unserem FRIEDRICH fährt und sich umschaut, dem wird auffallen, daß unser kleines Schiffchen eigentlich über viel zu groß ausgelegte Feuerlöscheinrichtungen verfügt. Der Fährdampfer Süd-Hamburg diente von seiner Indienststellung bis zum Verkauf nach Bremen im ersten Weltkrieg in Hamburg auch als Feuerlöschboot. 1871 hatte Johann Heinrich Grell mit dem Senat ein Übereinkommen geschlossen, wonach seine Dampfboote und deren Ausrüstung, vor allem aber die Dampfpumpen, für den Löschdienst gegen Entgelt herangezogen werden konnten. In 9 des Fährkontraktes heißt es unter anderem: Die Pumpen nebst den dazugehörigen Einrichtungen müssen nach näherer Anweisung der Deputation für das Feuerlöschwesen von den Concessionairen hergestellt und unterhalten werden. Die Lieferung der Schläuche und Strahlrohre geschieht seitens des Feuerlöschwesens; doch haben die Concessionaire dieselben an Reiherstiegwerft nach 1868. Zeichnung nach einem alten Foto 3

4 Bord der Fährboote nach näherer Anweisung der gedachten Deputation aufzubewahren. Der Unternehmer ist verpflichtet, an den von der Feuerlöschdeputation gewünschten Stellen auch bei Nacht stets ein Dampfboot unter Dampf zu halten, so daß dieselben vorkommenden Falls sofort zum Löschdienst in Thätigkeit treten können. An bestimmten Stellen lagen die Dampfer dann, um im Alarmfall mit Feuerwehrleuten bemannt zu werden und an den Brandort zu fahren. Hamburg ist von vielen Fleets und Kanälen durchzogen. Es gibt dort mehr Brücken als in Venedig. Schon vor dem großen Brand von 1842 waren an geeigneten Stellen 11 sogenannte Schutensprützen stationiert, mit Rädern darunter, um als Amphibienfahrzeuge auch von Landseite eingesetzt werden zu können. Diese Ruderboote mit Handspritzen genügten bald nicht mehr. Die steigende Zahl an Dampfschiffen und die durch den Bau neuer Häfen und Kaianlagen zunehmenden Entfernungen zwangen 1872 zur Gründung der Berufsfeuerwehr. Grell war es, der seine Fähren als erster mit Dampfspritzen ausrüstete. 1881 hatte die Bürgerschaft den Zollanschluß an den Deutschen Zollverein gebilligt und sich nach Verhandlungen mit dem Reichskanzler Bismarck ein weiträumiges Freihafenareal für zollfreien Warenumschlag und -verarbeitung gesichert. Rund 20.000 Bewohner des Katharinenviertels mussten in andere Stadtteile umziehen. 930 Grundstücke erwarb die Stadt und brach die Häuser ab. Kanäle wurden zugeschüttet und neue gegraben. Die Speicherstadt enstand. Nun war Grell nicht der einzige Fährunternehmer. Noch drei andere bemühten sich um attraktive Anlegeplätze und fuhren mit seinen Schiffen um die Wette. Weil diese vier sich nicht rechtzeitig auf einen gemeinsamen Fahrplan einigen konnten, gründeten Kaufleute, Industrielle und Werftbesitzer 1888 die Hafendampfschiffahrt-Actiengesellschft, die HDAG, später in HADAG umbenannt. Mit der schloß die Finanzdeputation einen neuen Fährkontrakt ab, um einen einheitlichen

Fährbetrieb im gesamten Hafen zu gewährleisten. Am 23. Januar 1889 übernahm die HDAG Grells Fährflotte. 9 Schiffe wechselten den Besitzer, darunter auch die Süd-Hamburg. Dafür erhielt er 250.000 Goldmark. Den Verlust seiner Schiffe hat er nie verwunden, berichtet die Familie. Das letzte Jahrzehnt des 19. und das erste des 20. Jahrhunderts brachten Hamburg gewaltige Umschlagszuwächse durch Hafenerweiterung. Dann kam der Erste Weltkrieg mit seinen erheblichen Beförderungseinschränkungen, zum einen hervorgerufen durch blockadebedingt niedrige Umschlagszahlen und zum anderen durch geringes Verkehrsaufkommen, weil das Hafenpersonal zum Heeresdienst eingezogen worden war. Als der Senat aus politischen, aber auch sozialen Gründen eine deutliche Tariferhöhung verweigerte, stand sogar eine Liquidation der Gesellschaft zur Diskussion. Die HDAG mußte einen Teil ihrer Schiffe verkaufen. In Bremen hielt der Reeder Bernhard Wilhelm Riedemann für die Zeit nach dem Kriege einen Boom für wahrscheinlich. Der Sohn des Geestemünder Petroleumkönigs Wilhelm Anton Riedemann, der zusammen mit Franz Schütte die Deutsch-Amerikanische- Petroleum-Gesellschaft gegründet hatte und aus der später die ESSO hervorgegangen ist, wollte seine Geschäftsfelder ausweiten. Angesichts des Aufschwungs, den auch die stadtbremischen Häfen nach Abschluß der Weserkorrektion durch Ludwig Franzius von 1895 bis Kriegsbeginn 1914 genommen hatten, waren derartige Hoffnungen aus damaliger Sicht vor dem Kriegsende offiziell und sehr verbreitet. Riedemann kaufte der Hamburger HDAG die Süd-Hamburg ab, ließ sie nach Bremen überführen und hier mit dem Namen Nord-Bremen am 6. Mai 1918 beim Registergericht eintragen. Wann die Überführung erfolgte und unter welchen Umständen, wird noch zu erforschen sein. Ist der kleine Dampfer an Cuxhaven vorbei aussen herum über See nach Bremerhaven gelaufen? Der möglicherweise Verminung und der Gefahr feindlicher Angriffe wegen sicherlich nicht ungefährlich. Bis in die 60er Jahre gab es einen Schiffahrtsweg durch das Duhner Watt in Richtung Großer Knechtsand und dann zum Wurster Arm. Hat unser Dampfer diesen Weg genommen? Er war ausgeprickt und spezielle Wattlotsen brachten Binnenschiffe von Cuxhaven nach Bremerhaven und retour. Oder ist er durch den Hadeler und Bederkesa-Geeste-Kanal gefahren? Eher unwahrscheinlich, denn dieser Kanal ließ nur einen Tiefgang von 1,30 m zu. 1920 wird Riedemann in den Bremer Rhederverein aufgenommen und rich- 5

6 tet zunächst eine Linie nach Bremen-Nord, dann einen Hafenrundverkehr ein. Horst Adamietz berichtet, daß die Reederei Riedemann mit einem Fährdampfer in halbstündiger Rundfahrt die Plätze Gröpelingen, Lankenau, Getreideverkehrs- anlage, Zollschiff, Hafen II und Nordseite Hafen II miteinander verbunden habe. War das unser Dampfer, der seit dem 11. Juni 1925 Friedrich heißt? Hafen- und Werftarbeiter nannten ihn des Rundkurses wegen damals ironisch Große Hafenrundfahrt, erzählen ältere Bremer. Als Riedemann den FRIEDRICH auch für Ausflugsfahrten durch die Häfen einsetzte, versuchte er damit schon einen sich abzeichnenden geschäftlichen Niedergang aufzuhalten. In den Registerakten sowohl des FRIEDRICH, als auch anderer Schiffe, die Riedemann einmal gehörten, finden sich seit 1924 immer wieder Hypothekeneinträge. Banken, die Sparkasse, Schiffsausrüster, Kohlelieferanten und sogar der Bremische Staat ließen sich zur Absicherung ihrer Forderungen Pfandrechte eintragen. Hinzu kam, daß ihm Konkurrenz erwachsen war. Aus Brandenburg waren Schleppschiffer, die Gebrüder Schreiber, nach Bremen gekommen und hatten 1926 die Reederei Otto W.A. Schreiber gegründet, um auf der Weser Ausflugsfahrten zu unternehmen. Sehr erfolgreich, und zu Lasten Riedemanns. Unter Datum vom 15. September 1932 sind Friedrich Weber und Louis Arneke je zu einem Viertel und Schreiber zur Hälfte als Käufer eines Teils der Flotte Riedemanns eingetragen, Otto Schreiber kaufte zwei Schiffe, eines davon war unser Friedrich. 1937 wurde die Firma Riedemann aus dem Handelsregister gelöscht. Nachtrag: Zu erwähnen ist, daß zwei weitere von der Reiherstiegwerft gebaute Flußschiffe heute noch existieren. Der Alsterdampfer St. Georg, heute vom Hamburger Verein Alsterdampfschiffahrt betrieben, wurde 1875 unter der Baunummer 294 gebaut und 1876 unter dem Namen Falke in Dienst gestellt. Der gleiche Verein entdeckte vor einigen Jahren im Duisburger Hafen den Schiffskörper des Alsterdampfers Winterhude, 1880, Baunummer 318, der zusammen mit unserem Süd-Hamburg, 1879, Baunummer 330, einem weiteren Fährdampfer und sechs Schuten als letzte Flusschiffe gebaut wurde. Die Werft, 1879/80 von einer Personen- in eine Aktiengesellschaft umgewandelt, betrieb danach nur noch Seeschiffbau. Während die Winterhude und Süd-Hamburg gebaut wurden, gab es auch eine Umgestaltung der Anlagen. Aus fünf kleinen Helgen wurden zwei

große. Die Hamburger Reiherstiegwerfte und Maschinenfabrik AG, die ja eigentlich schon seit 1856 Eisenschiffe gebaut hatte, galt damals neben dem Stettiner Vulcan (seit 1854) als eine der modernsten Werften. Hier war man über die Kinderkrankheiten hinaus, schrieb Walter Kresse, in den 1960er Jahren Kustos am Museum für Hamburgische Geschichte. Berichtenswert ist in diesem Zusammenhang, daß wir, als wir im Mai vergangenen Jahres unseren Friedrich auf dem Slip hatten, die Schiffsuntersuchungskommission die Dicke der Schiffshaut gemessen hat. Dabei wurde registriert, daß diese an der dünnsten Stelle von ursprünglich 10 Millimetern noch 7,6 betrug. Am Schiffskörper des Alsterdampfers Winterhude, den die Hamburger in Dresden wieder herstellen lassen wollen, wurde ähnliches festgestellt. Für den 1876 unter dem Namen Falke in Dienst gegangenen und heute als St. Georg laufenden Dampfer gilt das nicht. Mit dem Schiff hat der Verein arge Korrosionsprobleme. Sind hier womöglich unterschiedliche Stahlsorten verwendet worden. 7 Quellen: Schiffspapiere, Registerakte Zeitschrift: Antrieb, Heft 3 / 88 S. 2, Bremen Christine Reinke-Kunze: Hamburger Hafenschiffe, Koehler, Herford 1989 Wilh.Chr.K.Stammer: Hamburgs Werften 1635-1993,Selbstverlag, Hamburg 1994 Horst Adamietz: Gezeiten der Schiffahrt, Saade, Bremen 1984 Walter Kresse: Aus der Vergangenheit der Reiherstiegwerft in Hamburg, Hrsg. Deutsche Werft, Hamburg, o.j. (nach 1960?) Arnold Kludas: Hundert Jahre HADAG-Schiffe 1888-1988, Koehler, Herford 1988 Günter Benja: Niederweser Lustfahrten, Schünemann, Bremen 1983 Manfred Gihl - Harry Braun: Feuerwehr im Hafen, Die Geschichte der Hamburger Feuerlöschboote, Kabel, Hamburg 1991 Behn - Elsner - Loop - Lutz - Schwanke: Hamburgs Nahverkehrsmittel, in: Verkehrshistorische Reihe, Nr. 6, Hamburg o.j. Die Hafenfähren und ihre Zubringer, Herausg. Verein Verkehrsamateure und Museumsbahn, Hamburg, o.j. Werner Kloos - Reinhold Thiel: Bremer Lexikon, Hauschild, Bremen, 1997

8 Grosse Hafenrundfahrt Lustfahrten mit FRIEDRICH von Rolf B. Thiesler Lustig waren seine ersten Jahre sicher nicht. FRIEDRICH begann seine Karriere als Fährdampfer in Hamburg und rackerte brav Schicht für Schicht. Über 400 Werftarbeiter und Schauerleute beförderte täglich zu ihren Arbeitsplätzen. Und auch nach seiner Übersiedlung an die Weser blieb er zunächst ein Arbeitsschiff. Seine grosse Stunde als Lustdampfer schlug, als der Reeder Bernhard Wilhelm Riedemann 1925 in das Geschäft mit den Hafenrundfahrten einstieg. Auf seiner eigenen Werft am Hohentorshafen liess er FRIEDRICH ein zweites, damals noch offenes Deck aufpacken. 1932 verkauft Riedemann den FRIEDRICH an seine erfolgreicheren Konkurrenten auf dem Hafenrundfahrtmarkt, die Gebrüder Schreiber. Die hatten sich sechs Jahre zuvor als Binnenländer an der Weser niedergelassen, einen 40 Jahre alten Zweischraubendampfer aus einem Konkurs erstanden und sich beharrlich eine beachtliche Position in der Unterweser- Passagierschifffahrt erarbeitet. In seiner 1983 erschienenen, sehr informativen, aber leider vergriffenen Chronik Niederweser Lustfahrten schreibt Günter Benja: Bei Schreiber ging es von Beginn an betulich voran. Im April 1932 liefen die Bremer Hafenrundfahrten mit dem schon 52 Jahre alten Doppeldeck-Dampfer FRIEDRICH sowie dem neun Jahre jüngeren Franzius an. Beide waren für jeweils nur 12000 Reichsmark durch Otto W.A. Schreiber erworben worden. Für 3000 Reichsmark gingen das Fahrkartenhaus unterhalb der Kaiserbrücke und für 9000 Reichsmark der Hafenrundfahrt- Vertrag ebenfalls in Schreibers Hände über. Zwar war die Mobilität der Menschen bei weitem nicht so ausgeprägt wie

heutzutage. Doch herrschte schon allerlei Bewegung. Kurze Schiffsreisen und Ausflüge auf dem Wasser boten Erholung und Abwechslung. Die Passagiere entdeckten an Bord immer wieder die erhoffte Geselligkeit. Weniger durch die Zeit gehetzt, wollte man gemütlich beieinander sein. Was bot sich mehr an als ein Weserschiff, besonders im Sommer? Musikkapellen boten Unterhaltung und Tanz, die Restauration gehörte zum Vergnügen dazu. Ab Mitte de 30er Jahre beherrschte Schreiber das Feld. Die Flotte wurde mit zwei Neubauten vergrössert. Für eine Reichsmark kam man damals per Schiff von Bremen nach Vegesack, Blumenthal oder Farge, nach Bremerhaven kostete es 2,50 Reichsmark. Grosse Hafenrundfahrten, Mondscheinfahrten, Kaffeefahrten, Fahrten in See, die Reederei Schreiber hatte alles im Programm. Und FRIED- RICH war immer dabei bis der Krieg den lustigen Weserfahrten ein Ende setzte. Unmittelbar nach Kriegsende waren Hafenrundfahrten von der alliierten Militärverwaltung verboten. Erst ab 1949 konnten sich die Bremer die Ruinenlandschaften um die bremischen Seehäfen von der Wasserseite aus ansehen. Die ehemalige Kaiserbrücke wurde 1952 als Bürgermeister-Smidt-Brücke wiedereröffnet, aber hier durften keine Schiffe mehr abgefertigt werden. FRIEDRICH und die übrige Weisse Flotte bekamen einen ständigen Stadtliegeplatz am neuen Martini-Anleger. 1963 war für den FRIEDRICH dann vorläufig Schluss mit lustig. Fest vertäut am Dalben des Martini-Anlegers dümpelte er als schwimmendes Depot mit Werkstatt im Weserstrom einem ungewissen Schicksal entgegen. Der betagte Rentner hatte wahrlich mehr als seine Pflicht getan, wie Günter Benja 20 Jahre später schreibt. "Nahezu eine Million Fahrgäste hatten sich ihm und seiner Besatzung anvertraut. Lediglich Ebbe und Flut dürften in ihm Erinnerungen an einstigen Wellenschlag wecken... Nichts da. Dank einer Schar unermüdlicher Enthusiasten erstrahlt der 120 Jahre alte Oldtimer heute in frischem Glanz und stellt sich neuen Aufgaben, für jedermann sichtbar, in bester City-Lage. 9

10 Herzlichen Glückwunsch zum 120. Geburtstag! von Holger Weinert Eine Schönheit ist FRIEDRICH nie gewesen. Stets war ihm die einfache Herkunft anzumerken: Der Hamburger Hafen-Fährdampfer, Baujahr 1880, kam nach dem Ersten Weltkrieg an die Weser. Hier wurde er umgetauft von Süd Hamburg in Nord Bremen und alsbald in FRIEDRICH. Der schlichte Einschraubendampfer wurde Anfang der 20er Jahre umgebaut zum Lustschiff. Das Oberdeck, das ihm die Bremer dabei aufbürdeten, schien ihm fortan über den Kopf zu wachsen. Seine Bauart wirkt abenteuerlich. Kurz, breit und hoch, voller Biegungen und Rundungen von Schnittigkeit keine Spur. Bügeleisen wurde er genannt, auch Badewanne, und einer Berlinerin fiel bei seinem Anblick Klappstulle ein. Er hat etwas von einer Gartenlaube. Der Gernegross ist bloss knappe 18 Meter kurz und deshalb schwer auf Geradeauskurs zu halten. Doch, kaum zu glauben, ein ganzes Bürohaus passte personell in den Lustzwerg. 298 Menschen

11 durften früher auf ihm fahren. Alles in allem hat er weit über eine Million kutschiert. Als die Sicherheitsbestimmungen schärfer wurden, war FRIEDRICHS Schicksal besiegelt. Er wurde auf 98 Personen heruntergerechnet und war somit unrentabel. Das wurde so errechnet: Wenn die 100 Personen oben alle auf einer Seite stehen, dann kippt er um, erzählte Wilhelm Schleppegrell, ehemaliger Inspektor bei der Schreiber-Reederei, in deren Diensten FRIEDRICH über 50 Jahre stand. Seiner Höhe wegen lag FRIEDRICH früher häufig schief, und über den niedrigen Freibord schwappte auch mal Wasser, aber an Umkippen war dennoch nicht zu denken. Mit 2,80 Meter Tiefgang galt FRIE- DRICH als krängungssicher". Ausserdem hatte er ja gewichtigen Ballast im Rumpf, die Dampfmaschine. Bis 1950 war FRIEDRICH ein echter Smöker mit Schornstein. Danach bekam er einen Dieselmotor. Das Denkmal wiegt sich in den Weserwellen und macht zirka zwei Minuten nach Betreten Magenziehen. Weil es ein Kielschiff ist, heisst es an Bord sogleich. Kenner schwärmen von dem 12 Millimeter dicken Eisen, aus dem FRIEDRICHS Rumpf genietet ist, noch nicht geschweisst wie heute, wo man auch nur sechs Millimeter veranschlagt. Den kannste auf 'ne Sandbank juckeln, und er bleibt dort 100 Jahre stehen, sagte mal eine alter Fahrensmann. Lieber nicht. Wir wünschen dem Opa noch ein paar schöne Jahre an der Schlachte. Holger Weinert

12 Dem Schneidbrenner entrissen Eine kleine Vereinsgeschichte von Klaus Auf dem Garten Ganz am Anfang war nur Vergangenheit, ein bißchen Wehmut und ein bißchen Lachen. So berichtete eine Bremer Tageszeitung im März 1983 unter der Überschrift Friedrich ist schon 103 : Friedrich paßt gut vor Bremens Weserkulisse: altertümlich wie so einiges in dieser Stadt. Eine Reliquie, die anderswo längst weggeschmissen wäre. Als Werkstatt und Reparaturschiff dümpelt der Greis am Martinianleger vor sich hin, seit 20 Jahren Rentner... Der Lustdampfer hat wohl immer belustigt ein Schiffchen wie aus dem Kinderbuch. Friedrich stimmt fröhlich. Schon bevor die Rede auf Nostalgie kam und das Fritzchen noch fuhr, wollten die Leute mit ihm am liebsten auf Hafenrundfahrt gehen. Heute, da aller Glanz von Friedrich gefallen, wirkt er hauptsächlich kurios. Bremen-Besucher bestaunen den Opa: Daß so eine Antiquität hier schwimmt! Ältere Bremer besinnen sich wehmütig: Da sind wir früher mit gefahren. Immer wieder kreuzen Leute auf, die den Friedrich kaufen wollen: als Vereins- oder Restaurantschiff. Der Artikel, in dem eine Bremensie des früheren Marineoffiziers Günter Benja über Niederweser-Lustfahrten angekündigt wird, schließt mit dessen Bemerkung, er finde den FRIEDRICH museumsreif: Er sollte an Land eine Ruhestätte finden. Das triste Dümpeln des FRIEDRICH als Werkstatt am Martini-Anleger

Fünf Jahre später dichtete derselbe Günter Benja: Der FRIEDRICH auf der Akschen Noch nie in meinem Leben nich hing ich an einem Kran, die Bremer, die erregen sich: Was wird aus dem Ur-Ahn? Was dran ist, sei von mir gesagt, ich werde renoviert, mit mir wird sich herumgeplagt, doch ich bin motiviert. Die AG Weser war bereit, und nahm mich auf spontan als erstes Schiff nach langer Zeit, das hat ihr wohlgetan. Hier bleibe ich ein halbes Jahr, der Kran mich wieder krallt, setzt ab mich dann als Gala-Star, als der noch nie ich galt. Ich liege in Vereines Hand, und der meints gut mit mir, bin ich erstmal gesetzt instand, mich länger nicht mehr zier. In neuem Glanze ich ersteh, lieg dann zur Fahrt bereit, der Diesel meine Schraube dreh, so wie in alter Zeit." 13 Dies kleine Gedicht erschien im Friedrich-Kurier Nr. 4; die Großwerft AG Weser hier liebevoll Akschen genannt war freilich 1988 schon seit Jahren geschlossen, aber auf ihrem ehemaligen Gelände regte sich neues Leben durch die Ansiedlung verschiedener Firmen. Auch in den Friedrich war offenbar neues Leben gekehrt. Was war seit der Bemerkung Benjas vor fünf Jahren geschehen? Und was geschah danach? Davon soll im folgenden die Rede sein. Am Pier der Akschen angekommen.

14 1. Ein Verein entsteht die "optimistische" Phase. Einer mußte anfangen, damit es nicht bei ein bißchen Wehmut und ein bißchen Heiterkeit blieb. Dieser eine war Wolfgang Petschenik, der als Siebzehnjähriger 1962 nach Bremen gekommen war und sich für Geschichte und Technik interessierte. Er studierte an der Schiffbauabteilung der damaligen Bremer Ingenieurschule und absolvierte anschließend das Studium der Lehrfächer Technik und Geschichte an der Universität Bremen. Ein längerer Englandaufenthalt Ende der 70er Jahre vermittelte ihm die Kenntnis vieler Stätten englischer Industrie- Archäologie und der Anstrengungen, die in England zur Erhaltung von Technik-Denkmälern gemacht wurden. Wolfgang Petschenik Es konnte wohl nur der Blick des Neu-Bremers und Technikhistorikers sein, der in dem seit 1963 als Werkstattschiff der Schreiber-Reederei dienenden und mitten in der Stadt am Fahrgastschiff-Ponton bei der Martinikirche liegenden Friedrich mehr sah als ein nun ja: altes Schiff, das bestenfalls als kurioses Restaurant-Gehäuse an Land noch zu gebrauchen gewesen wäre. Der Gedanke, das Schiff zu erwerben und es als Museumsschiff herzurichten und zu betreiben, wurde zur Tat, nachdem Petschenik sich 1981 mit der Eröffnung einer Werkstatt und eines Ladens für Modellschiffe, -autos und -dampfmaschinen selbständig gemacht hatte. In seinem neuen Geschäft bahnten sich naturgemäß schnell Kontakte zu gleichermaßen maritim und technisch Interessierten an. Zwei von ihnen erwärmten sich für die Idee mit dem FRIEDRICH: Walter Kienzle, der aus dem Schwarzwald stammende studierte Geograph und Dampflok-Fan; und Dieter Palkies, ein Lufthansa-Flugingenieur auf der Suche nach Literatur für ein geplantes Buch über die Weser-Schlepper. Diese Drei konnten zwar entgegen Kurt Tucholskys Ausspruch, wonach drei Deutsche, wenn sie sich treffen, sogleich einen Verein gründen noch keinen Verein gründen (dafür sind mindestens sieben Personen notwendig), aber sie konnten und wollten seine Gründung vorbereiten. Jetzt wurde auch ein erster Kontakt zur Schreiber-Reederei und ihrem Geschäftsführer Wilhelm Richter sinnvoll und notwendig. Im Frühjahr 1985 gingen Petschenik und Palkies voller Optimismus und im Bewußtsein, daß die Reederei nicht Geld, sondern eine Werkstatt brauchte, zu Richter. Es entspann sich der ebenso kurze wie folgenreiche Dialog: Petschenik: Ich will das Schiff! Richter: Was kriege ich dafür? Petschenik: Die Werkstatt Richter: Dann können Sie das Schiff haben.

Eine Werkstatt auf dem oder dicht am Anleger ihrer Weißen Flotte war für die Schreiber-Reederei conditio sine qua non; da war nun guter Rat teuer: würde nicht die Aufstellung etwa eine Containers an dieser Stelle endlose Auseinandersetzungen mit zahlreichen Behörden bedeuten? Woher also der Optimismus unserer Drei? Walter Kienzle konnte als Mitglied im Ortsverein Altstadt der SPD nützliche Kontakte zu diversen Genossen knüpfen und auch nutzen, und tatsächlich: die Erlaubnis für die Aufstellung eines Werkstatt-Containers direkt auf dem Anleger wurde schnell und unbürokratisch zugesagt. Denn der Zeitpunkt der Initiative war günstig: in den Gehirnen auch von Politikern begannen damals die ersten Ideen von der Aktivierung der vernachlässigten altstädtischen Weserfront, der Schlachte, herumzugeistern. War die Rückbesinnung auf den Ort des einstigen Bremer Haupthafens an dieser Stelle, also auf den Quellpunkt bremischer See- und Handelsgeltung, angesichts des Bedeutungsverlustes der stadtbremischen Hafenreviere nicht ein Gebot der Stunde? Brauchte man dazu nicht auch einige attraktive, historische Schiffe? Weil das mittlerweile nicht wenige Bremer so sahen, kam das Projekt Friedrich auf die gleichsam öffentlich-rechtliche Schiene. Das ursprüngliche Konzept Petscheniks, das Schiff mit Hilfe von zwei oder drei privaten Groß-Sponsoren in wenigen Monaten auf einer Werft renovieren und fahrbereit machen zu lassen, war damit ad acta gelegt. Der Tausch Schiff gegen Werkstatt war möglich ; jetzt konnte der Trägerverein gegründet werden. Der Vereinsname sollte besonders auffällig sein, also kam es zu dem Langnamen "Bremische Gesellschaft zur Erhaltung der Großen Hafenrundfahrt MS Friedrich". Dementsprechend mußte auch ein besonderer Rahmen für die erste öffentliche Informationsveranstaltung gewählt werden ein Saal im gerade eröffneten Innenstadt-Hotel Plaza. Einige Dutzend Personen 15

16 folgten der Einladung, etwa 20 von ihnen trugen sich als ernsthafte Interessenten und potentielle Vereinsmitglieder ein. Die eigentliche Gründungsversammlung fand dann am 15. Juli 1985 im Lokal Poffertje statt; die Unterschriftsliste des harten Kerns von acht Personen, aus dem sich später auch der erste Vorstand rekrutierte, stellt gleichsam die Ur-Urkunde des Vereins dar. Ins Register eingetragen wurde er am 23. September 1985. Die Gründungsurkunde Jetzt ging es schnell weiter: am 10. Oktober brachte die Barkasse Butt einen Container an den Martinianleger, wo ihn ein Autokran auf den Ponton hievte. Bereits am 1. November erfolgte der Tauschakt Werkstatt gegen Schiff, symbolisiert durch einen Flaggentausch zwischen Reederei und Verein; am 12. Dezember wurde der eigentliche Tauschvertrag vor dem Notar unterzeichnet. Walter Kienzle erinnert sich: Der Umbau des Containers zur Werkstatt bereitete uns Probleme. Aufgrund der wenigen Mitglieder und der geringen Bereitschaft mitzuarbeiten, ging es nur schleppend voran. Unverhofft kam Hilfe von dem Verein 'Hal över' (der damals die traditionsreiche Sielwallfähre über die Weser betrieb, d. Verf.): ein Mitarbeiter baute fachgerecht Türen und Fenster ein, isolierte und täfelte die neue Werkstatt für die Schreiberreederei. Bei einem Tag des offenen Schiffes während des Kajenmarktes bekamen wir die Zusage des Senators für Arbeit für 10 ABM-Kräfte. Christian Weber (heute Präsident der Bremischen Bürgerschaft, d. Verf.) vermittelte seine Jugendwerkstätten zur Durchführung der Renovierung. Dieter

Palkies schätzte die Materialkosten auf ca. 100000 DM. Der damalige Leiter des Ortsamtes Mitte, Herbert Wulfekuhl, unterstützte das Vorhaben und schlug vor, einen entsprechenden Antrag an die Stiftung Wohnliche Stadt (die Lotto- und Spielbankmittel verwaltet, d. Verf.) zu stellen. Der Antrag fand Zustimmung, und wir hatten eine Sorge weniger." 17 Nach Unterzeichnung des Tauschvertrages sollte es noch über zwei Jahre dauern, bis der FRIEDRICH endlich seinen Platz am Martinianleger verlassen konnte: am 17 März 1988 wurde das Schiff an der Seite des Schleppers "Fortuna" der SBU (Schleppbetrieb Unterweser GmbH u. Co.) flußabwärts zum Gelände der ehemaligen AG Weser verholt. Am nächsten Tag hob es der 500 t-bockkran auf den Platz der Firma Grunau, wo die Grundrenovierung einschließlich Sandstrahlen vor sich gehen sollte. Der "Weser-Kurier" von diesem Tag schrieb: Am Morgen schien noch die Sonne, doch als die Leinen in diesem Falle ein paar verrostete Eisenketten endlich los waren, setzte heftiges Schneetreiben ein. So startete gestern kurz nach Neun der Ausflugsdampfer FRIEDRICH nach 23 Jahren Arrest am 1. November 1985: Flaggentausch. Von links: Walter Kienzle, Vorsitzender des Vereins Volker Kröning; Innensenator Wilhelm Richter, Geschäftsführer der Schreiber-Reederei

18 Martinianleger in ein buntes Wettermix so abwechslungsreich wie seine 108jährige Geschichte... Mit dem Reparaturbeginn wird auch ein Kooperationsvertrag zwischen dem Friedrich-Verein und den Bremer Jugendwerkstätten wirksam. Dabei fungieren die Jugendwerkstätten als Träger etlicher Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen für Schweißer, Tischler, Bauschlosser oder Maler. Mindestens ein Jahr lang werden ABM-Fachkräfte mit Unterstützung von Azubis der Jugendwerkstätten brauchen, um den Dampfer total zu überholen. Geschäftsführer Christian Weber: Unsere Ausbildungsmeister, von denen früher etliche auf der Akschen gearbeitet haben, sind schon ganz heiß auf den Friedrich. 17.März 1988: Noch braucht FRIEDRICH Schlepperhilfe

19 Und Walter Kienzle: Fachgerecht aufgebockt stand der FRIEDRICH einsam auf dem Gelände, wo noch vor nicht langer Zeit Riesentanker gebaut wurden. Als erste Maßnahme untersuchte die Schiffsuntersuchungskommission den Friedrich. Der Rumpf zeigte keine Schäden, und auch die Materialdicke war überall ausreichend. Gleichzeitig bekamen wir wichtige Hinweise für die Restaurierung. Warten auf die Grundüberholung auf der Akschen. Mit der Arbeit an dem nun hoch auf dem Trocknen liegenden Schiff begann auch ein neues Kapitel in der Geschichte des mittlerweile schon kräftig angewachsenen Vereins. Es begann der Kampf mit der Zeit, der Kampf um (mehr) Geld, der Kampf mit den Tücken des Materials und jedesmal war es auch ein Ringen mit den beteiligten Menschen innerhalb und außerhalb des Vereins. Menschliche Enttäuschungen blieben dabei nicht aus, manche Hoffnungen wurden nicht erfüllt, viele warfen das Handtuch...

20 2. Der Verein in der Bewährung die heroische Phase Zur Zeit, als FRIEDRICH an Land kam, zählte der Verein bereits ca. 70 Mitglieder, obwohl das Schiff von irgendeiner Nutzung durch den Verein noch weit entfernt war ein Zeichen dafür, daß es den wohl meisten Mitgliedern vor allem darauf ankam, die ehemalige Große Hafenrundfahrt vor weiterem Verfall und schließlicher Verschrottung zu bewahren und damit für Bremen und die Weser zu erhalten. Persönliche Erinnerungen an Fahrten mit dem Schiff mögen ebenfalls eine Rolle gespielt haben. Natürlich, wenn später eine sinnvolle Nutzung des FRIEDRICH möglich werden würde um so besser! Die Mitglieder konnten erwarten, vom Vorstand über alles, was mit der Wiederherstellung und Erhaltung ihres Schiffes zusammenhing, informiert zu werden. Zu diesem Zweck entstand der Friedrich-Kurier, der mit seiner ersten Nummer am 1. Oktober 1987 erschien das alles kostete den Vorstand und die kleine Aktivitas viel Arbeit und Geld, wobei letzteres bei dem lächerlich geringen Jahresbeitrag von 20 DM an allen Ecken und Enden fehlte. Denn mit den von der Stiftung Wohnliche Stadt" und durch Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen Erste Ausgabe des FRIEDRICH-KURIER Spendenübergabe auf dem Werftgelände. Von l.: Gastwirt Heiko Vosteen, Walter Kienzle, Dieter Flöthe

finanzierten laufenden Renovierungsarbeiten auf dem Werftgelände war es ja nicht getan: da eine originalgetreue Wiederherstellung gleichsam in der Ur-Form des 19. Jahrhunderts nicht in Betracht kam, mußte man sich Gedanken über die zukünftige Gestalt des Schiffes machen, die der Großen Hafenrundfahrt" möglichst ähnlich, in Hinblick auf zukünftige Nutzungen möglichst zweckmäßig sein mußte. Dies alles erforderte unzählige interne Diskussionen, laufende Abstimmungen mit den Ausführenden und Lieferfirmen, aufwendige Such- und Beschaffungsaktionen für fehlende Ausrüstungsteile, die nicht einfach gekauft werden konnten, weil es sie nicht mehr gab oder weil sie zu teuer waren. Das Protokoll der Vorstandssitzung vom 7. Juli 1989 enthält z. B. folgende Besprechungspunkte: Sandstrahlrechnung der Fa. Grunau Frostschutz Lüftung Bordnetz Heizung - Pumpen Brennstoffpumpe Bugraum Bodenwrangen Überprüfung der Schotte Malerarbeiten Poller Schiffschraube Schweißarbeiten Zusätzliche Nebenkosten ABM-Kräfte Lieferungs- und Finanzierungsengpässe. Bei allen technischen Fragen leisteten die Vorstandmitglieder Bodo Wenz und Dieter Flöthe hervorragende Dienste, weil sie beruflich mit Werften zu tun hatten und deshalb viel sahen und erfuhren, was für den Verein und sein Schiff nützlich war. Wenz war Versicherungskaufmann für die Binnenschiffahrt, Flöthe belieferte mit seiner Firma Werften mit Schweißzubehör. Ganz wichtig wurden diese Kenntnisse und Beziehungen, als die von 1929 stammende und durch die Jugendwerkstätten gründlich überholte Hauptmaschine bei einem Probelauf im Herbst 1990 Totalschaden erlitten hatte. Der im folgenden abgedruckte Artikel von Bodo Wenz im Friedrich-Kurier" Nr. 12 vom Juli 1991 zeigt, wie kompliziert die Beschaffung eines Ersatzmotors war und wieviele Menschen und Institutionen daran mitwirkten. Ausbau der alten Maschine 21

22 Nachdem Ende September 1990 die Maschinenanlage Totalschaden erlitt, versuchten wir bei vielen Maschineninstand- setzungsfirmen einen passenden Ersatzmotor zu beschaffen. Durch die Abwrackaktion im letzten Herbst in der Binnenschiffahrt wurden uns viele Maschinen zu hohen Preisen angeboten. In den Binnenschifffahrtsnachrichten bot eine Kölner Bunkerfirma einen MWM-Motor zum Verkauf an. Ein telefonischer Kontakt mit der Firma wurde schnell hergestellt und wir erhielten sofort alle technischen Daten. Da der hohe Preis zunächst vom Vorstand nicht akzeptiert wurde, wurde weiterhin nach einem Ersatzmotor gesucht. Die Zeit sprach für uns. Wir verhandelten weiter mit der Firma Weber in Köln per Telefon. Auch die Finanzierung stand zunächst in Frage. Um nunmehr Nägel mit Köpfen zu machen, fuhren Dieter Palkies und Bodo C. Wenz nach Köln, um mit Herrn Weber ein Verkaufsgespräch zu führen. Eine Besichtigung der Maschine bei der Kölner Schiffswerft Deutz fand statt. Der neue Motor schwebt ein Wir entschlossen uns zu dem Kauf, denn nicht nur die Maschine stand zum Verkauf, sondern auch ein Aggregat, ein Anker mit Kette, eine Schiffschraube, Originalersatzteile usw. Für das Verpacken der Maschine in eine extra angefertigte Transportkiste verlangte die Werft Vorauskasse. Nach Prüfung der Rechnungen durch das Hafenamt konnte Herr Schnitzler (vom Hafensenator) die Gelder von der Stiftung anfordern und dann die Überweisung vornehmen. So vergingen auch einige Tage. Die Maschinenanlage sowie alle anderen Teile standen zum Abtransport bei der Werft in Köln bereit. Überlegungen von uns, einen Miet-LKW zu nehmen, wurde durch das Gesamtgewicht von 8,5 to und der Größe der Transportkiste (5 m x 1,70 m x 1,80 m) zunichte. Wir erhielten den Hinweis, daß wir einen

Spediteur finden müssen, der auch Empfangsspediteur in Köln ist. Durch mehrere Telefonate bekamen wir Kontakt zu dem Spediteur Harry Müller in Bremen. Herr Horst Müller war sofort bereit, gegen eine Spende die gesamten Teile der Maschine nach Bremen zu überführen. Der Transport wurde reibungslos durchgeführt. Die Teile wurden zu den Jugendwerkstätten gebracht. Diese paßten das alte Fundament im Schiff anhand der Abmessungen des Generalplanes des neuen Motors an. Das nächste Problem war für uns, den Motor von den Jugendwerkstätten zur AG- Weser-Werft und in den FRIE- DRICH zu bringen. Es wurde so gelöst: Bodo C. Wenz ist Mitglied im Technischen Hilfswerk (THW) und konnte im Ortsverband Huchting bei unserem Problem Hilfe finden. Es wurde ein Termin ausgemacht. Die Jugendwerkstätten besorgten einen LKW, und das THW kam mit einem nagelneuen Mobilkran zur AG-Weser. Herr Rolappe (Betriebsleiter der Jugendwerkstätten) und seine Männer sowie vier Helfer vom THW standen parat, als der Mobilkran die Maschine am 27.5.1991 in den Maschinenraum des FRIEDRICH setzte." Inzwischen waren ca. 200 qm innen und außen gesandstrahlt, lose Nieten festgeschweißt, ein neues Oberlicht fertiggestellt, verschiedene Hilfsmaschinen (Hilfsdiesel, Generator, Kompressor) installiert und drei neue Tanks (für Treibstoff, Frischwasser und Fäkalien) eingebaut worden. Die Räume waren mittels Wasserfüllung auf Dichtigkeit geprüft. Im März 1990 hatte der Wechsel im 1. Vorsitz von Walter Kienzle auf Dieter Palkies stattgefunden, und der Vereinsbeitrag war von 20 auf 30 DM erhöht worden. Palkies ergriff das neue Amt mit solcher Vehemenz, daß einigen innerhalb und außerhalb des Vereins angst und bange wurde... Millimeterarbeit 23

24 Endlich, im Juni 1991, war es soweit, daß das Schiff wieder zu Wasser gelassen werden konnte: am 7. gab die Schiffsuntersuchungskommission (SUK) ihr OK, am 11. verholte der Schlepper Stedingen der URAG den FRIEDRICH in den Kalihafen, wo die Endausrüstung stattfinden sollte. Die Jugendwerkstätten hatten zu diesem Zweck an der Waterbergstraße eine Halle angemietet. Über ein Jahr später, im August 1992, hieß es im Friedrich- Kurier Nr. 14: Mit unseren Friedrich geht es mittlerweile gut voran. Das Wetter spielt dabei sicher auch eine Rolle. Jedenfalls waren die Jugendwerkstätten mit Lust und Laune bei der Sache und schafften sehr viel. Es scheint, daß das Schiff bald fertig wird. Im Februar 1993 war der Ton aber schon wieder gedämpft, denn Palkies mußte den Mitgliedern mitteilen: Leider haben die Jugendwerkstätten Probleme bekommen..konkret bedeutet das die Aufgabe der Halle an der Waterbergstraße zum Ende dieses Jahres, was wiederum das Ende der Zusammenarbeit mit den Jugendwerkstätten bedeuten könnte. Wir werden Zur Ausrüstung im Industriehafen ohnehin zusätzlich einige Arbeiten selbst machen bzw. von Fachbetrieben ausführen lassen müssen. Insbesondere gilt das für die Maschine, die endlich Ende des Monats laufen soll. Was Günter Benja im März 1988 gehofft hatte, als er den FRIEDRICH auf dem Akschen -Gelände sprechen ließ: Hier bleibe ich ein halbes Jahr das hatte nun schon die zehnfache Zeit gefordert. Dennoch: das Ende der Renovierung war in Sicht, FRIEDRICH würde wieder die Weser befahren. Tatsächlich dauerte es dann bis in den Sommer 1994, als endlich alle erforderlichen Genehmigungen, Versicherungen und Ausrüstungen beisammen und vor allem ein (vorläufiger) Liegeplatz am Schlepper-Ponton zwischen großer und kleiner Weser gefunden waren. Aber natürlich war das Schiff noch nicht komplett, v.a. nicht hin-

sichtlich der Einrichtungen für das Publikum; die Ausrüstung allgemein war zu optimieren bzw. Teile zu ergänzen oder zu erneuern, was sich manchmal erst durch die Fahrpraxis erwies. Jetzt zeigte es sich auch, daß es ein Fehler gewesen war, die Beantwortung der Frage nach einem Nutzungskonzept immer wieder aufzuschieben. Hier entstand eine Konfliktlinie innerhalb des Vereins, die zu überbrücken bzw. in einem tragfähigen Kompromiß aufzulösen der alte Vorstand nicht mehr in der Lage war. Worum ging es? Der Initiator des ganzen Unternehmens, Wolfgang Petschenik, strebte als Technikhistoriker mit museumspädagogischen Ambitionen eine Hauptnutzung des FRIEDRICH als Traditionsschiff und als technisches Denkmal an, was die Zusammenarbeit mit einschlägigen bremischen Institutionen, Ausstellungen aller Art an Bord und entsprechende Liegezeiten an einem angemessenen Liegeplatz sowie Fahrten in die Häfen bedeutet hätte. Dagegen war der 1. Vorsitzende Dieter Palkies als "Gesamtverantwortlicher" so verstand er sich - und als "Praktiker" der er war primär daran interessiert, das Schiff erst einmal "völlig fertig" zu haben und mit seinen Fahrten Spender und Sponsoren zu begeistern. In der Tat, das Schiff war nicht "fertig"; es gab kleine und große Pannen, das Dach war undicht, das Geld reichte hinten und vorne nicht, so daß einige Vorstandmitglieder mit privaten Darlehen einspringen mußten. Dazu kamen Ärger mit Behörden und mit nicht abgearbeiteten Mängellisten zu Lasten der Jugendwerkstätten, dauernde Klagen über nicht ausreichendes Engagement der Mitglieder kurz: Immer schöner unter den Händen der Aktiven. Am Poller von l.: Dietmar Gode, Dieter Palkies, Dieter Flöthe 25

26 Anfang 1995 lagen die Nerven der Hauptakteure ziemlich blank; einige Vorstandmitglieder wollen nicht mehr kandidieren, Dieter Flöthe und Wolfgang Petschenik verlassen den Verein sogar ganz. 1996 finden verschiedene Veranstaltungen und Fahrten statt, um über Spenden die notwendigen Gelder zu erhalten. Die Ausrüstung muß fortlaufend verbessert werden, im Sicherheitsbereich gibt es Mängel. Die Maschine hat allerhand Mucken. Es herrscht Funkstille zwischen dem Verein und der neuen Geschäftsführung der Jugendwerkstätten. Als weiteres, komplizierendes Element kommt in diesem Jahr die Diskussion um die Liegeplätze an der neuzugestaltenden Schlachte hinzu. Der wieder amtierende Vorsitzende Palkies hält dann im Sommer 1997 seine weitere Mitarbeit im Verein nicht mehr für möglich, da die gesamte Arbeit nur von ganz wenigen geleistet werde. Die Schreiber- Reederei äußert den Verdacht, FRIEDRICH mache ihr mit den Veranstaltungen eine lt. Tauschvertrag verbotene Konkurrenz. Das Vorstandsprotokoll vom 11. Februar 1998 vermerkt: Im Jahre 1996 gab es 36, 1997 nur 30 Veranstaltungen, davon 18 Fahrten. Mit dem Schiff muß Geld verdient werden. Mit der Absicht des Vorstandes, geschlossen zurückzutreten, kann ein Zeichen gegen das Verhalten der Schreiber-Reederei gesetzt werden. Am 26. März heißt es: Solange das Schiff nicht in Ordnung ist, können keine Fahrten durchgeführt werden. Der Verein hat z.zt. 89 Mitglieder."

3. Die fällige Wende der pragmatische Kurs Einer von Dieter Palkies angestrebten Auflösung des Vereins stemmten sich schließlich zahlreiche Mitglieder entgegen und waren auch bereit, wieder mitzumachen und Verantwortung zu übernehmen. So kam es nach verschiedenen vergeblichen Anläufen am 27. Juni 1998 endlich zur Wahl eines arbeitsfähigen, fünfköpfigen Vorstands mit Holger Weiss als 1. Vorsitzenden. Seine Politik läßt sich so zusammenfassen: Bereinigung noch schwelender Konflikte mit Behörden und Anbahnung einer neuen, unbelasteten Zusammenarbeit mit den Jugendwerkstätten durch verbindliches, optimistisches Auftreten der neuen Akteure; Ankurbelung der Mitglieder- und Sponsorenwerbung; mit dem dadurch gewonnenen neuen Geld noch einmal die Kraftanstrengung einer durchgreifenden Behebung noch vorhandener Mängel am Schiff; schließlich an die Schlachte. Parallel dazu Diskussionen zu einem Nutzungskonzept, das das Historisch-Museale mit dem ökonomisch Notwendigen pragmatisch verknüpft. Der Erfolg gab dem neuen Vorstand recht: innerhalb von nur zwei Jahren verdoppelte sich die Mitgliederzahl, das Spendenaufkommen wuchs erfreulich, viele Mitglieder waren motiviert zu aktiver Mitarbeit an Bord. Eine überarbeitete, mehr mitgliederfreundliche Satzung wurde beschlossen. Zu seinem 120. Geburtstag wird der FRIEDRICH seinen neuen Liegeplatz an der Schlachte bezogen haben. Möge der Verein auch in den kommenden Jahren seinen klaren Kurs behalten und mit seinem FRIEDRICH einen belebenden und interessanten Teil der neu entstandenen Flotte historischer Schiffe darstellen, der Weser und Bremen zur Ehre! Alter verpflichtet. Ein bißchen Wehmut und ein bißchen Lachen soll auch in Zukunft dabei sein. 27

28 Erinnerungen an Friedrich, oder wieso Friedrich eine wilde Sau genannt wurde von Kurt Kohring Wer aus Bremen und umzu kennt nicht den Friedrich? Nicht irgendeinen Bürger dieses Namens oder den Kaiser Friedrich, der als Bild und Immobilie den Schnoor ziert, nein, den Friedrich, der aus dem erlauchten Kreis der männlichen Schiffe stammend, als Hafenrundfahrt über Jahrzehnte die Weser zwischen Martinianleger und Häfen unsicher machte und sich nun langsam seinem alten Stammplatz an der Schlachte wieder nähert. Der Friedrich ist zwar meines Wissens nie abgesoffen (pardon, gesunken), beziehungsweise in Ereignisse verwickelt gewesen, in deren Verlauf er anderen Schiffen ersthaften Schaden zugefügt hat. Die früheren Kapitäne mögen mir aber das Wort unsicher verzeihen. Es ist im Rahmen meiner Berichterstattung unverzichtbar und soll nachfolgend glaubhaft erklärt werden. Der Stolz unserer Familie war ein Segelboot mit Liegeplatz in Pusdorf. So war es natürlich unvermeidbar, daß sich anläßlich unserer Segelaktivitäten am Wochenende unser Kurs mit dem des Friedrichs häufig kreuzte. Letzterer war nun nicht etwa ein üblicher, der aus der Vogelperspektive betrachtet, in etwa einen Strich unter Wasser ähnelte, sondern, darin waren wir uns alle einig, immer ein mehr oder weniger ausgeprägter Zickzack-Kurs. Mit Friedrichs Kurs-Stabilität hatte es nämlich eine besondere Bewandnis, und die früheren Kapitäne mögen mir noch einmal verzeihen. Auf den meisten richtigen Schiffen, wie z.b. auch auf einem Segelboot, hat der Rudergänger sein Fahrzeug vor sich oder zum mindesten die Hälfte davon, wie bei den meisten Dampfern und konnte über das Schiff peilend fein Kurs halten. Nicht so bei unserem Friedrich. Hier steht der Käpt`n ganz vorne wie ein Straßenbahnfahrer, nur daß ihm keine Schienen als Navigationshilfe zur Verfügung stehen. Der Kapitän des Friedrichs hat jedoch sein Schiff, eine Ladung Binnenländer (und wer weiß was noch) hinter sich und weiß nicht, was hinter ihm vorgeht. Ihm fehlt also eine ordentliche Peilmöglichkeit, an der auch der stummelige Flaggenstock am Bug kurz vor seiner Nase nicht viel ändert, wodurch vorerwähnter Zickzackkurs entstand, der seine Berechtigung eigentlich nur in Kriegszeiten zum Ausweichen von

Torpedos hatte. In Friedenszeiten läßt so etwas eher auf einen beschwipsten Rudergänger schließen. Wenn diese Kursschwankungen allein schon genügten, alle anderen in der Nähe befindlichen Wasserfahrzeuge in erhöhte Alarmbereitschaft zu versetzen, so sorgte die ovale Form dieses Schiffes bei unserer Mutter für helle Panik. Das kam, weil er ihr aus allen Blickwinkeln den Eindruck vermittelte, direkt auf sie zuzukommen, d.h. mit ihr auf Kollisitionskurs sein. Nur durch längere und geschulte Beobachtung konnte der voraussichtliche wahre Kurs Friedrichs, true motion sagt man da heute wohl zu, ermittelt werden. Kurz, wenn Mutter der Hafenrundfahrt ansichtig wurde und ich gerade an der Pinne saß, rief sie stereotyp: Junge paß auf, die wilde Sau kommt! Darauf hatte ich natürlich Rücksicht zu nehmen, und unter Angabe einiger moderater Widerworte, wie: Noch soo weit weg und Platz genug, wählte ich einen Kurs, der Mutters nervlicher Belastbarkeit in etwa Rechnung trug. Üblicherweise bediente sich unsere Mutter einer gepflegteren Ausdrucksweise, doch dieses Schiff brachte sie so weit aus dem Gleichgewicht, daß sie alle gute Erziehung vergaß, die sie versuchte, ihren Kindern angedeihen zu lassen. Am schönsten war es aber, wenn sie in der Kajüte werkelte, und es mir gelang (ohne daß sie es bemerkte), unser Segelboot mit aller gebotenen Vorsicht ganz dicht an den Friedrich heranzumanöverieren. Durch das anschwellende Maschinengeräusch gewarnt, steckte sie dann ihren Kopf durch das Schiebeluk und konnte nur noch fassungslos (sprachlos waren die Frauen unserer Familie nie) registrieren, wie die hohen Aufbauten des Friedrich in einigen Metern Entfernung an ihr vorüberrauschten. Mit einen Junge muß das sein?, zog sie sich, wenn die Gefahr vorüber war, dann in ihre Kombüse zurück. Bei diesen Annäherungsversuchen versäumten wir es nie, wenn es gerade paßte und der Bordanimateur den Landratten was vom Pferd bzw. von den gewaltigen Bremer Häfen erzählte, gemeinsam ein lautes: he lucht zuzurufen, bei dem auch unser Vater gern mitmachte. Das war in den 50er Jahren, und Mutter hat diese und auch andere Schocks gut überstanden. Übrigens ist sie eine geborene Friedrich, Baujahr 1904, aus der Baumstraße vom Scharfen Eck am alten Freihafeneingang und nur wenig jünger als der Friedrich. Sie sind gemeinsam alt geworden, sind beide Bremensien und benötigen als Hochbetagte beide viel Pflege. Kurt Kohring, Dezember 1998 29