Predigt über 1. Korinther 13,9-13 von Pfarrer Thomas Lunkenheimer Liebe Gemeinde! Der eine oder andere hat heute Morgen schon mal das Konfirmationsbild aus der Tasche geholt um zu sehen, wer von den Mitkonfirmanden sich wie verändert hat. Das Konfirmationsfoto ist eine nette Erinnerung. Wenn man es gemeinsam anschaut, kommt man gleich ins Erzählen. Kleidung, Haartracht, das war damals schon ein bisschen anders als heute. Auch heute wird bestimmt wieder ein Foto von Ihnen, gemacht. Zur Erinnerung an die Jubiläumskonfirmation. Doch beide Fotos, das alte wie das neue sind nur Momentaufnahmen. Wenn Sie sie später beide neben einander halten, dann werden Sie manche Veränderung feststellen. Auf dem neuen Bild sind nicht mehr alle Mitkonfirmanden dabei. Einige sind gestorben, andere können aus gesundheitlichen Gründen nicht mitfeiern. Manche mochten nicht kommen. Und einige haben wir nicht ausfindig machen können. Im Vergleich mit dem Bild von damals wird jedem natürlich auch auffallen, dass Sie 50 bzw. 60 Jahre älter geworden sind. Das Leben hat seine Spuren hinterlassen. Bilder können manches über uns sagen. Und doch halten sie immer nur einen ganz kleinen Ausschnitt unseres Lebens fest. Selbst wenn wir ganz viele Bilder hintereinander legen würden oder eine Videokamera mitlaufen ließen. Immer wäre unser Leben nur aus einem ganz bestimmten Blickwinkel betrachtet. Wir sehen nie das Ganze, sondern immer nur einen winzigen Ausschnitt unseres Lebens. Eine ähnliche Erfahrung drückt der Apostel Paulus im 1. Korintherbrief so aus: Denn unser Wissen ist Stückwerk und unser prophetisches Reden ist Stückwerk. Wenn aber kommen wird das Vollkommene, so wird das Stückwerk aufhören. 1 von 6
Als ich ein Kind war, da redete ich wie ein Kind und dachte wie ein Kind und war klug wie ein Kind; als ich aber ein Mann wurde, tat ich ab, was kindlich war. Wir sehen jetzt durch einen Spiegel ein dunkles Bild; dann aber von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich stückweise; dann aber werde ich erkennen, wie ich erkannt bin. Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; aber die Liebe ist die größte unter ihnen. (1. Korinther 13,9-13) Paulus vergleicht die Momentaufnahmen unseres Lebens mit einem Blick in den Spiegel. Und in der Tat lässt sich da ja einiges entdecken. Mein Spiegelbild sagt etwas darüber, in welcher Verfassung ich gerade bin. Doch letztlich bleibt es, wie jedes Bild, an der Oberfläche. Unser Spiegelbild gehört zu uns. Aber es zeigt eben nur eine Seite der Wirklichkeit. Paulus sagt: So ist das immer in unserem Leben. Das, was wir erkennen können, ist nur Stückwerk. Die Bilder, die es von uns gibt oder die wir uns von uns machen, geben nur einen Bruchteil von dem wider, was unser Leben ausmacht. Ihre Konfirmationsbilder verraten nichts über ihre Kindheit, über die bösen Kriegsjahre, die sie miterlebt haben. Über die schlechten Jahre danach. (Zum Glück auch nichts davon, wie oft Sie ihren Pfarrer geärgert oder im Unterricht nicht aufgepasst haben.) Und auch das Bild, das heute gemacht wird, kann nichts davon erzählen, was Ihr Leben in den zurückliegenden Jahren geprägt hat. Was Ihnen wichtig geworden ist. Auf wen oder was Sie sich haben verlassen können. Oder welche Verluste und Enttäuschungen Sie verkraften mussten. Und erst recht kann ein Bild uns nicht Auskunft darüber geben, wohin unsere Lebensreise geht. Wie unsere Zukunft aussieht. Denn unser Wissen ist Stückwerk und unser prophetisches Reden ist Stückwerk. Paulus mahnt uns, nicht bei den Momentaufnahmen unseres Lebens stehen zu bleiben. Nicht bei dem, was wir jetzt sehen, jetzt erkennen, jetzt für wichtig halten. Er schreibt: Wenn aber kommen wird das Vollkommene, so wird das Stückwerk aufhören. 2 von 6
Unser Leben ist mehr als die Abfolge einzelner Bilder. Weil Gott die einzelnen Teile und auch die Bruchstücke unseres Lebens zu einem Ganzen zusammenfügen will. Auch wenn wir nur die einzelnen Bilder sehen können, so hat Gott doch das Ganze im Blick. Das, was wir brauchen, um das Leben zu bestehen. Das, was unser Leben kostbar macht. Und vor allem: Das, was bleibt. Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei, aber die Liebe ist die größte unter ihnen. Wenn das wahr ist, was Paulus schreibt, dann hat das Konsequenzen auch im Blick auf die Momentaufnahmen unseres Lebens. Für mich lautet die erste Konsequenz: Wir sind nicht ein für allemal festgelegt auf dieses oder jenes Bild von uns. Auch nicht auf das Bild, das andere von uns haben. Zum Beispiel der Ehepartner, die Kinder, die Mitbewohner, die Geschwister, die Nachbarn. Unser Leben ist immer reicher und vielfältiger als das, was andere von uns wahrnehmen. In Gottes Augen ist unser Leben unendlich kost-bar und unverwechselbar. Wie sehr bemühen wir uns oft, nach außen hin zu glänzen, gut dazustehen. Wir möchten eine gute Figur abgeben. Doch das Streben danach, macht die meisten nicht glücklich. Wichtig ist nicht unser Erscheinungsbild, sondern das, was uns ausfüllt, was uns Halt und Trost gibt. Danach zu suchen und danach zu streben, das lohnt sich. Und das hat Gott eben im Blick, wenn er uns ansieht. Die Worte des Paulus lassen mich noch eine zweite Konsequenz erkennen im Blick auf die Momentaufnahmen meines Lebens. Wenn Gott das Bruchstückhafte zusammenfügt, dann kann ich auch die unschönen Bilder meines Lebens annehmen. 3 von 6
Wenn wir uns Fotos von uns selbst anschauen, dann gibt es immer wieder welche, die uns nicht gefallen. Auf dem einen gucke ich so komisch. Und auf einem anderen habe gerade die Augen zu. Und auf jenem wirke ich so unvorteilhaft. Aus einem Stapel Fotos können wir solche Bilder, die nichts geworden sind, einfach aussortieren. Bei den Momentaufnahmen unseres Lebens geht das nicht. Da können wir nichts ungeschehen machen. Diese Bilder können wir nicht auslöschen. Sie gehören zu unserem Leben dazu. Doch ich vertraue darauf, dass Gott sich auch meiner Fehler und Versäumnisse annehmen wird. Beim Fotografieren lässt sich ein Bild doppelt belichten. Dann sind darauf zwei Motive gleichzeitig zu erkennen. Ich glaube, manches unserer Lebensbilder belichtet Gott auch ein zweites Mal. Und dann sind da nicht nur unsere Fehler zu sehen, sondern auch das, was Gott daraus gemacht hat. Vielleicht entdecken wir erst im Nachhinein, wie sich manches, was schief gelaufen ist, doch noch zum Guten gewendet hat. Nicht, weil ich die Sache wieder in den Griff gekriegt habe, sondern weil Gott sich in mein Leben eingemischt hat. Bei Gott müssen wir uns nicht ins rechte Licht rücken, um ein möglichst gutes Bild abzugeben. Wir dürfen so sein, wie wir sind. Denn er ist es, der uns kennt wie kein anderer. Und der für uns da ist, wie kein anderer. Darum schreibt Paulus: Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; aber die Liebe ist die größte unter ihnen. Glaube, Hoffnung, Liebe, das ist das größte, was wir in unserem Leben erfahren können. Das hat Bestand. Das zählt wirklich. Doch gerade das lässt sich mit keinem Bild einfangen. Oder vielleicht doch? Das große Kreuz hier im Altarraum will darauf hinweisen: Glaube, Liebe und Hoffnung sind keine leeren Worte. Jesus hat sie mit Leben gefüllt. Was es mit dem Glauben auf sich hat, das sehen wir an Jesus Christus. Er hat seinen Jüngern gezeigt, dass es beim Glauben nicht darum geht, etwas über Gott zu wissen, sondern ihm ganz kindlich zu vertrauen. 4 von 6
Nicht das Auswendiglernen von Sprüchen, Liedern und Katechismus macht uns zu gläubigen Menschen. Es kommt vielmehr auf eine lebendige Beziehung zu Gott an. Dass ich mit ihm spreche, auf ihn höre, mit ihm rechne in meinem Leben. Allerdings kann mir das Gelernte dabei durchaus eine Hilfe sein. An Christus sehen wir zugleich, wie die Hoffnung einem Menschen Halt geben kann. In der Passionszeit haben wir uns daran erinnert, dass auch in Jesu Leben nicht alles glatt gelaufen ist. Dass er sich fragte, warum Gott ihn nicht einen leichteren Weg führt. Doch die Hoffnung, die ihn erfüllte, ließ ihn seinen Weg gehen. Und schließlich sehen wir an Jesus Christus, dass die Liebe stärker ist als alle zerstörerischen Kräfte, ja selbst stärker als der Tod. Das ist die alles entscheidende Grundlage unseres Glaubens und unserer Hoffnung. Darum feiern wir 50 Tage lang Ostern. Bis zum Pfingstfest. Weil nichts so wichtig für unser Leben ist wie die Liebe Gottes, die bleibt - auch wenn alles andere sich verändert und vergeht. Ich finde es nach wie vor spannend, die alten Bilder anzusehen. Auch wenn es mir schwer fallen wird, Sie darauf wieder zu erkennen. Aber ich bin sicher, dabei können Sie mir helfen. So ähnlich ist das auch in unserem Leben. Wir brauchen manchmal einen, der uns dabei hilft, genau hinzuschauen. Dann werden wir auf den Bildern unseres Lebens vielleicht mehr erkennen, als auf den ersten Blick sichtbar ist. Paulus will uns mit seinem Brief die Augen dafür öffnen, auf diesen Bildern auch Christus zu sehen, die Liebe Gottes, das, was bleibt in unserem Leben. Nun mag die eine oder der andere denken: Da-von habe ich aber herzlich wenig in meinem Leben mitbekommen. Ich fühlte mich ganz oft allein und auf mich gestellt. Doch gerade dann kann es wichtig sein, sich noch einmal neu den Segen Gottes zusprechen zu lassen. Und im Abendmahl zu erfahren: Gott will auch mich stärken. 5 von 6
Sie werden heute viele Glückwünsche entgegen nehmen. Und ich hoffe, ganz viele dieser guten Wünsche mögen in Erfüllung gehen. Ich meinerseits wünsche Ihnen und auch unserer ganzen Gemeinde, dass wir uns nicht zufrieden geben mit dem einen oder anderen schönen Bild von uns. Ich wünsche uns, dass wir auf der Suche bleiben oder uns neu auf die Suche machen, nach dem, was unserem Leben wirklich Halt und Hoffnung gibt. Ich wünsche uns, dass Gottes Heiliger Geist in unserer Mitte spürbar wird. Damit wir entdecken, dass unser Leben mehr ist, als die Bilder, die wir oder andere davon haben. Ich wünsche Ihnen, liebe Jubelkonfirmanden, dass Sie es wagen, das Leben in seiner ganzen Tiefe und seiner Fülle zu entdecken. Gott segne Sie dabei. Amen. Predigt über 1. Korinther 13,9-13 anlässlich der Jubiläumskonfirmation am Sonntag Kantate (03.05.2015) in der St. Laurentiuskirche Neuendettelsau von Pfr. Thomas Lunkenheimer 6 von 6