Trauerhaus statt Leichenhalle Vor dem Hintergrund einer Baumgruppe und in direkter Sichtbeziehung zu der gegenüberliegenden Pfarrkirche ist im Norden des Friedhofes von Vilsbiburg in Niederbayern ein neues Trauerhaus gebaut worden. Die bisherige Leichenhalle wurde abgerissen. Bei dem Neubau wurden die Backsteinfassaden der spätgotischen Kirche von dem Architekten Stephan Birnkammer in neuer Übersetzung durch ein modernes Klinker- Riegelformat wieder aufgenommen. Unterstrichen wird dieser Dialog zwischen den beiden Häusern durch die Spiegelung der Pfarrkirche in der Glasfassade des Aussegnungsraumes. Sinnhafte Gliederung der Trauer Gestaltqualität und sehr sensibel analysierte Funktionsabläufe ergänzen sich zu einer pietätvollen und zugleich ästhetischen Symbiose dieses ungewöhnlichen Objektes. Eine von Westen nach Osten verlaufende Erschließungsachse verbindet den Aufbahrungsbereich mit dem Verabschiedungsraum im mittleren Teil des Gebäudes und dem dazu gehörenden, der Andacht gewidmeten Innenhof, an den sich schließlich ganz im Osten die Aussegnungskapelle anschließt. Der über Rampen leicht ansteigende Weg dorthin symbolisiert die sinnhafte Gewichtung der drei Stationen. Der Aufbahrungsbereich besteht aus vier umschlossenen Raumeinheiten, die durch Oberlichter indirekt belichtet werden und sich zum Vorraum hin in voll verglasten Türen öffnen. Der im mittleren Gebäudeteil angeordnete Verabschiedungsraum wurde als Haus im Haus konzipiert mit einem inneren Oval aus massiven Wänden, die Halt und Schutz signalisieren sollen. Ein natürlicher Lehmputz vermittelt Erdverbundenheit. Großflächige Verglasungen des zur Meditation einladenden Umganges schaffen den fließenden Übergang zum Innenhof. Die Aussegnungshalle, herausgehoben auf dem höchsten Gelände-Niveau im Osten des Gebäudes, überragt mit ihrer größeren lichten
Höhe das umlaufende Vordach, und wird durch eine breite zweiflügelige Türanlage in der zum Friedhof sich öffnenden gläsernen Front erschlossen. Die Rückwand ist auch hier symbolhaft mit Lehm verputzt; sie trägt ein goldenes Kreuz als Sinnbild der Herrlichkeit Gottes. Materialien mit hoher Gestaltqualität Abgesehen von der nach Süden gerichteten Glasfassade und wenigen, funktionsbedingten kleineren Türen und Fenstern in der Nordwand, sind alle Außenwände dieses neuen Trauerhauses geschlossen. Die aufgehenden Wände im Norden bestehen aus Sichtbeton, ebenso das umlaufende Vordach und die Wandscheibe im Osten. Alle übrigen Fassaden sind mit vorgesetzten Klinkerschalen bekleidet. Verarbeitet wurde hier ein Riegelformat mit den Abmessungen 490 x 115 x 52 mm der Firma GIMA-Girnghuber GmbH in Marklkofen, das als moderne Interpretation des Ziegelthemas aus den Entstehungsjahren der spätgotischen Pfarrkirche von dem planenden Architekten ausgewählt worden war. Das Produkt hat die Werksbezeichnung»Feletto«; seine Oberfläche ist stabilisiert mit einer unverwüstlichen Salzglasur, die in einem heute kaum noch angewendeten Verfahren hergestellt worden ist. Die durch das extrem schmale Riegelformat erreichte signifikante Bänderung ist noch unterstrichen durch die Vermauerung der Klinker mit knirsch gestoßenen Fugen an den Kopfseiten. Um hier dennoch einen eventuellen Wassereintrieb zu verhindern, wurden die Klinker werksseitig mit nach hinten versetzen Mörteltaschen an den Kopfseiten versehen. Ziegel, Beton, Stahl und Glas, - die Materialität zeichnet das neue Gebäude aus. Den Materialien wird hier viel Raum gelassen ihre Kraft zu entfalten. Die Künstler Lutzenberger + Lutzenberger haben diese Haltung aufgenommen und in der inneren künstlerischen Gestaltung fortgeführt. 3.174 Zeichen
Projektdaten Projektname: Bauherr: Architekten: Neubau eines Trauerhauses im Friedhof von Vilsbiburg Pfarrkirchenstiftung Vilsbiburg Architekturbüro Birnkammer, Vilsbiburg Fassadenbekleidung: Klinker: Glas: Tragwerksplanung: Bodengutachten: GIMA Girnghuber GmbH, Marklkofen DERIX Glasstudios, Taunusstein-Wehen Ingenieurbüro Thoralf Fels, Landshut Grundbaulabor München GmbH, München Künstlerische Gestaltung: Lutzenberger + Lutzenberger, Bad Wörishofen Gartengestaltung: Hauptnutzfläche: Stefan J. Hierl, Landschaftsarchitekt, Nittenau 387 qm Bruttorauminhalt: 1.830 m³ Baubeginn: Juli 2009 Fertigstellung: Juli 2010
Trauerhaus in Vilsbiburg Leicht ansteigend reihen sich in wohl durchdachter Sinnhaftigkeit von Osten nach Westen die Funktionen dieses Hauses aneinander: Der Aufbahrungsbereich, der Verabschiedungsraum mit zum Meditieren einladenden Innenhof und schließlich die Aussegnungshalle, die sich nach Süden, voll verglast, zum Friedhof hin öffnet. Architekt: Architekturbüro Birnkammer, Vilsbiburg Foto: GIMA-Ziegel (Toni Ott, Landshut)
Trauerhaus in Vilsbiburg Das nur 52 mm hohe Riegelformat der Fassadenklinker, vermauert mit knirsch gestoßenen Kopfseiten, unterstreicht die Horizontalität des geschlossenen Trauerbereichs als deutlicher Kontrast zu der eher vertikal orientierten Glasfassade der sich zum Friedhof hin öffnenden Aussegnungshalle. Architekt: Architekturbüro Birnkammer, Vilsbiburg Foto: GIMA-Ziegel (Toni Ott, Landshut)
Trauerhaus in Vilsbiburg Das neben Glas und Sichtbeton dominierende Klinkermauerwerk im Riegelformat nimmt das Ziegelthema des dem Trauerhaus im Süden gegenüber liegenden Backsteinbaus der spätgotischen Pfarrkirche wieder auf. Architekt: Architekturbüro Birnkammer, Vilsbiburg Foto: GIMA-Ziegel (Toni Ott, Landshut)