Festkolloquium - Eigenspannungsseminar Kritische Anmerkungen zur Berücksichtigung von Eigenspannungen bei der schwingfesten Auslegung von Schweißkonstruktionen nach aktuellem Regelwerk Manfred Kaßner, ALSTOM Transport Deutschland GmbH, Salzgitter
Gliederung Einfluss von Mittel- und Eigenspannungen bei der schwingfesten Auslegung von Schweißverbindungen Berücksichtigung im geltenden Regelwerk Aussagen aus Untersuchungsergebnissen Mögliche Auswirkungen von Eigenspannungen auf Verlauf von Wöhlerlinien für Schweißverbindungen und Anrissort Lage des Abknickpunktes der Wöhlerlinen --> Dauerfestigkeit Neigung von Wöhlerlinien Zusammenfassung und Schlussfolgerungen
Berücksichtigung des Mittel- und Eigenspannungseinflusses in Richtlinien und Vorschriften Schwingfestigkeitsauslegung basierend auf Festigkeitswerten von Kleinprobenprüfungen - Schienenfahrzeugbau: DVS 1612 und DVS 1608 - Druckbehälter: AD-Merkblätter - Kranbau: DIN 15018 --> mittelspannungsabhängige Schwingfestigkeitswerte Bemessungsrichtlinien basierend auf bauteilbezogene Schwingfestigkeitswerten - IIW-Empfehlungen zur Schwingfestigkeit geschweißter Verbindungen und Bauteile - Eurocode 3: Bemessung und Konstruktion von Stahlbauten Teil 1.9: Ermüdung - Eurocode 9: Ermüdungsfestigkeit geschweißter Al-Bauteile - FKM-Richtlinie: Rechnerische Festigkeitsnachweis für Maschinenbauteile --> mittelspannungsunabhängige Schwingfestigkeitswerte
Schwingfestigkeitswerte bezogen auf Mittelspannung Vergleich von DIN 15018 und Eurocode 3 Entnommen aus: Petersen, C.: Stahlbau. Vieweg-Verlag, Braunschweig 1993
Berücksichtigung von Mittel- und Eigenspannungseinfluss IIW-Empfehlungen bauteilbezogene Schwingfestigkeitswerte: in geschweißten Bauteilen i.d.r. hohe Zug-Eigenspannungen σ ES R e Ausgangspunkt: Bauteilversuche u.a. von Fisher These der konstante Oberspannung in Höhe der Streckgrenze Mittelspannungsunabhängigkeit σ-konzept Schwingfestigkeit bei R = 0,5 maßgebend Nachauswertung von Versuchen zur Mittelspannungsunabhängigkeit: geschweißte Bauteile können mittelspannungsabhängige Schwingfestigkeitswerte aufweisen abhängig von Bauteilform und Belastungsrichtung: Veränderung bzw. Abbau von Eigenspannungen DVS-Berichte Band 234: Eigenspannungseinfluss auf Schwingfestigkeit und Bewertung in geschweißten Bauteilen IIW Doc. XIII-2126-06/XV-1220-06 bzw. Welding in the World No. 7/8 2007
IIW-Empfehlungen: Erhöhungsfaktor f(r) in Abhängigkeit vom Spannungsverhältnis und Eigenspannungszustand Kategorie I: - Grundwerkstoff und Walzprodukte mit vernachlässigbaren ES (< 0,2 R e ), - entspannte Bauteile mit Berücksichtigung bei der Berechnung von Effekten, wie erzwungene Verformungen und sekundäre Spannungen: f(r) = 1,0...1,6 Kategorie II: - dünnwandige geometrisch einfache Bauteile mit kurzen Schweißnähten, - Bauteile mit thermisch geschnittenen Kanten f(r) = 1,0...1,3 Kategorie III: - komplexe zwei- oder dreidimensionale Bauteile, - Bauteile mit globalen Eigenspannungen, - dickwandige Bauteile: f(r) = 1,0 - keine Erhöhung
Mittelspannungsabhängigkeit nach DVS-Wöhlerlinienkatalog aus DVS Berichte Band 234
Wechselfestigkeit und Erhöhungsfaktor aus DVS-Berichte Band 234 R w bei R=-1 und R A bei R=+0,1
Eigenspannungseinfluss und Erhöhungsfaktor in Abhängigkeit von Bauteilform und Belastung nach IIW Doc. XII-2126-06 / XV-1220-06
Schwingfestigkeit in Abhängigkeit vom Spannungsverhältnis und Eigenspannungszustand in Normen und Richtlinien IIW Doc. XII-2126-06 / XV-1220-06
Berücksichtigung von Eigenspannungen --> Beurteilung von Eigenspannungsänderungen bei schwingender Belastung Wesentliche Einflussfaktoren für Eigenspannungsänderungen bzw. -abbau bei schwingender Belastung - Verbindungsgeometrie: Bauteilform, Wanddicke - lokale Kerbschärfe der Schweißnaht - ein- oder mehrachsiger Eigenspannungszustand - Belastungsart und -richtung: ein- o. mehrachsig, konst. o. variable Lastsamplitude - Werkstoffeinfluss - z.b. Unterschiede zwischen Stahl u. Al-Legierungen Möglichkeiten zur Beurteilung von Eigenspannungsänderungen bei schwingender Belastung - bisher wenige Untersuchungen - Problem u. a. Konstruktionsvielfalt - laufendes Forschungsvorhaben im DVS-Fachausschuss 9 - Bewertung über Mehrachsigkeitsgrad bzw. -faktor??? --> Mehrachsigkeitssituation in Schweißkonstruktionen mit FEM einschätzbar
Beispiel für behinderten ES-Abbau aus AiF-Verbundprojekt Festigkeit geschweißter Bauteile, Teilprojekt IMAB der TU Clausthal)* )* DVS Berichte Band 256 Detail aus Drehgestellrahmen eines Schienenfahrzeugs: --> eingeschweißtes Rundrohr im Kastenprofil des Querträgers
Beispiel für behinderten ES-Abbau aus AiF-Verbundprojekt Festigkeit geschweißter Bauteile, Teilprojekt IMAB der TU Clausthal Untersuchte Rohrverbindung: eingeschweißtes Rundrohr in Vierkantrohr Eigenspannungen am Nahtübergang vor Lastbeginn, nach 50.000 LW u. 100.000 LW
Wöhlerliniennetz der IIW-Empfehlungen Einheitliche Festlegung für alle Wöhlerlinien: Abknickpunkt bei 10 7 Schwingspiele und Neigung k = 3,0
Erkenntnisse aus AiF-Verbundforschungsprojekt zum Verlauf der Wöhlerlinie Unterschied zu IIW-Empfehlungen nach DVS Berichte Band 256: --> Abknickpunkt der Wöhlerlinien: maßgebende Schwingspielzahl der ermittelten Wöhlerlinien N k variiert zwischen 1 10 6 N k 1 10 7 --> Neigung der Wöhlerlinien k ist von der Blechdicke t abhängig
Ergebnisse der Schwingfestigkeitsprüfung von Stumpf- und Kreuzstoßproben des Schienenfahrzeugbaus Stumpfstoßverbindungen, Blechdicke t = 10mm Abknickpunkt der Wöhlerlinie: Stumpfstoß 2*10 6 Schwingspiele Kreuzstoß 10 7 Schwingspiele Kreuzstoß mit Kehlnaht, Blechdicke t = 10 mm Neigung der Wöhlerlinie: Stumpfstoß k = 4,4 Kreuzstoß k = 3,5
Versuchsergebnisse von Stumpf- und Kreuzstoßverbindungen nach Maddox)* Abknickpunkt der Wöhlerlinie Stumpfnaht Flachproben - ca. 2*10 6 Schwingspiele Kreuzstoßverbindungen - ca. 5*10 6 Schwingspiele Stumpfnaht Rohrproben - ca. 10 7 Schwingspiele )* Maddox, S. J.: Key developments in fatigue design of welded constructions. IIW International Conference, Bucharest 2003
Untersuchungsergebnisse an Längssteifen aus DVS Berichte Bd. 234 Schwingfestigkeit von Längssteifen im Schweißzustand und spannungsarmgeglüht nach Harrison 1981 nach Sonsino 1994 spannungsarmgeglüht Schweißzustand spannungsarmgeglüht Schweißzustand
Neigung und Lage des Abknickpunktes der Wöhlerlinien von Schweißverbindungen aus Stahl aus Haibach, E.: Betriebsfestigkeit, VDI-Verlag Düsseldorf 2002 Verbindungstyp Verbindungen mit Nahtübergangsanriss, eigenspannungsarm Verbindungen mit Nahtübergangsanriss, eigenspannungsbehaftet Neigung Lastwechselzahl am Abknickpunkt 3,5 2*10 6 3,5 >6*10 6 Längssteife, eigenspannungsarm 3,0 3*10 6 Längssteife, eigenspannungsbehaftet 3,0 >6*10 6 Verbindungen mit Nahtwurzelanriss, eigenspannungsarm und behaftet 3,5 >6*10 6 Wesentliche Einflussfaktoren vor allem auf Lage des Abknickpunktes der WL --> Dauerfestigkeit: Kerbwirkung der Verbindungsgeometrie lokale Kerbschärfe der Schweißnaht Eigenspannungszustand bzw. mögliche Veränderungen/Abbau von ES
Untersuchungsergebnisse zum Abknickpunkt von Wöhlerlinien aus IIW-Doc. XIII-2171-07/XV-1255-07 Nachauswertung von Schwingversuchen Vorschlag für variablen Abknickpunkt abhängig von der Schwingfestigkeit Vergleichbare Festlegung in Vorschriften für den Brückenbau in USA u. Japan
Beispiel für möglichen Eigenspannungseinfluss auf Anrisslage von Kehlnahtverbindungen Eingeschweißtes Rundrohr in Vierkantrohr mit Kehlnahtverbindung aus AiF-Verbundprojekt Festigkeit geschweißter Bauteile, Teilprojekt des IMAB der TU Clausthal - DVS Berichte Band 256 Anriss am Nahtübergang ungeglüht: - 7 Proben bei R = 0 - alle Proben bei R = 0,5 Anriss an der Nahtwurzel - ungeglüht: 5 Proben bei R = 0 - alle spannungsarmgeglühten Proben FE-Berechnung: --> Nahtwurzel 15% höhere Kerbspannung im Vergleich zum Nahtübergang
Zusammenfassung und Schlussfolgerungen Bewertung von Eigenspannungen erfordert umfangreiche Kenntnisse --> nur bedingt in Normen und Richtlinien allgemein erfassbar Eigenspannungen bedingt durch Herstellung - Schweißprozess: abhängig u.a. vom Werkstoff, technologischen Ablauf - andere Fertigungsvorgänge: z.b. Montage, Reinigungsstrahlen Eigenspannungsveränderungen bzw. -abbau durch äußere Last - Verbindungsgeometrie - lokale Kerbschärfe der Schweißnaht - ein- oder mehrachsiger Eigenspannungszustand - Belastungsart und -richtung: ein- oder mehrachsig, konstante oder variable Lastamplitude Differenziertere Bewertungskriterien des Eigenspannungseinflusses in Normen und Richtlinien wünschenswert bezogen auf Mittelspannungsabhängigkeit Abknickpunkt von Wöhlerlinien --> wichtig für Dauerfestigkeitsnachweis z.b. Einschätzung der Möglichkeit von Eigenspannungsänderungen mit FEM über Beurteilung der Mehrachsigkeitssituation in Schweißkonstruktionen
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