Agammaglobulinämie. Auch zur Verfügung: DAS VARIABLE IMMUNDEFEKT-SYNDROM DER SCHWERE KOMBINIERTE IMMUNDEFEKT DIE CHRONISCHE GRANULOMATOSE

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Transkript:

AGAMMAGLOBULINÄMIE Diese Broschüre wurde für Patienten und ihre Familie verfasst und ist nicht als Ersatz für eine Beratung durch einen klinischen Immunologen zu betrachten 1

Auch zur Verfügung: DAS VARIABLE IMMUNDEFEKT-SYNDROM DER SCHWERE KOMBINIERTE IMMUNDEFEKT DIE CHRONISCHE GRANULOMATOSE DAS HYPER-IgM-SYNDROM DAS WISKOTT-ALDRICH-SYNDROM Graphic Project & Printing: TIP. ALA snc (ITALY) www.tipolito-ala.it 2

AGAMMAGLOBULINÄMIE Der Grunddefekt bei Agammaglobulinämie besteht in einer Unfähigkeit der B-Lymphozyten-Vorläufer, zu B-Lymphozyten und in weiterer Folge zu Plasmazellen heranzureifen. Da im Körper jene Zellen fehlen, die für die Produktion von Immunglobulinen zuständig sind, weisen die an dieser Erkrankung leidenden Patienten einen schweren Immunglobulinmangel auf. DEFINITION Die X-chromosomale Agammaglobulinämie (XLA) wurde erstmals im Jahr 1952 von Dr. Ogden Bruton beschrieben. Diese Krankheit, die auch als Brutonsche Agammaglobulinämie oder kongenitale Agammaglobulinämie bezeichnet wird, war eine der ersten identifizierten Immundefizienzerkrankungen. Die XLA ist eine vererbte Immundefizienzerkrankung, bei der der Körper unfähig ist, Antikörper zu produzieren-proteine, die den Gammaglobulin- oder Immunglobulinanteil im Blutplasma ausmachen. Antikörper sind ein wesentlicher Bestandteil des körpereigenen Abwehrmechanismus gegen Mikroorganismen (z.b. Bakterien, Viren). Bei Infektionen sind sie maßgeblich am Heilungsprozess beteiligt, darüber hinaus schützen sie davor, dass bestimmte Infektionen mehr als einmal auftreten. Es gibt Antikörper, die speziell dafür konzipiert sind, mit jedem Mikroorganismus eine Kombination, ähnlich wie Schlüssel und Schloss, zu bilden. Wenn sich Mikroorganismen wie Bakterien auf der Schleimhaut festsetzen oder in den Körper gelangen, haften Antikörpermoleküle, die speziell für diesen Mikroorganismus vorgesehen sind, an seiner Oberfläche an. Wenn sich ein Antikörper an die Oberfläche eines Mikroorganismus bindet, kann das eine oder mehrere nützliche Auswirkungen haben. Einige Mikroorganismen beispielsweise müssen auf den Körperzellen haften, um eine Infektion bewirken zu können. Der Antikörper aber verhindert, dass sich der Mikroorganismus auf der Zelle festklebt. Durch das Binden der Antikörper an die Oberfläche mancher Mikroorganismen werden noch weitere Abwehrmechanismen des 3

Körpers aktiviert (z.b. eine Gruppe von Blutproteinen, Serumkomplement genannt), durch die die Bakterien oder Viren direkt abgetötet werden können. Mit Antikörpern beladene Bakterien können von den weißen Blutkörperchen (Phagozyten) wesentlich leichter aufgenommen und abgetötet werden als jene, die es nicht sind. Alle diese Maßnahmen verhindern ein Eindringen der Mikroorganismen in die Körpergewebe, wo sie schwere Infektionen verursachen könnten. Der Grunddefekt bei XLA besteht in der Unfähigkeit, Antikörper zu produzieren. Antikörper sind Proteine, die von spezialisierten Zellen im Körper, den Plasmazellen, produziert werden. Die Entwicklung von Plasmazellen aus Stammzellen im Knochenmark geht in einer festen Abfolge vor sich: Die Stammzellen produzieren unreife Lymphozyten, die als Pro-B-Lymphozyten bezeichnet werden. Aus diesen Pro-B-Lymphozyten gehen Prä-B-Lymphozyten hervor, die wiederum zu B-Lymphozyten heranreifen. Jeder B-Lymphozyt trägt auf seiner Zelloberfläche jenes Immunglobulin, das er produzieren kann. Dieses Immunglobulin auf der Zelloberfläche kann sich an Fremdkörper, Antigene genannt, binden. Kommt der B-Lymphozyt mit dem speziellen Antigen in Kontakt, etwa dem Pneumococcus oder dem Tetanus-Toxoid, reift er zu einer Plasmazelle heran, die Antikörper ausschüttet. Die von den B- Zellen produzierten Antikörper (oder Immunglobuline) unterscheiden sich alle geringfügig voneinander, so dass der Körper auf Millionen von verschiedenen Fremdkörpern reagieren kann. Die meisten Patienten mit XLA weisen B-Lymphozyten-Vorläufer auf, aber nur sehr wenige davon entwickeln sich zu B-Lymphozyten weiter. Somit besteht der Defekt, der der XLA zugrundeliegt, in der Unfähigkeit der B-Lymphozyten- Vorläufer, zu B-Zellen heranzureifen. Patienten mit XLA weisen Mutationen in jenem Gen auf, das für eine normale Entwicklung der B-Lymphozyten erforderlich ist. Dieses im Jahr 1993 identifizierte Gen wurde nach dem Entdecker der Erkrankung, Colonel Ogden Bruton, M.D., mit BTK oder Bruton-Tyrosinkinase benannt. Wie bereits der Name der Erkrankung sagt, befindet sich das BTK-Gen auf dem X-Chromosom. 4

KLINISCHES BILD Patienten mit X-chromosomaler Agammaglobulinämie (XLA) sind anfällig für Infektionen, da sie zu wenig Antikörper besitzen. Diese Infektionen treten meist auf oder nahe den Schleimhautoberflächen auf, beispielsweise im Mittelohr, den Nasennebenhöhlen und der Lunge. In manchen Fällen sind sogar der Blutstrom oder innere Organe betroffen. Das heißt, XLA-Patienten können Infektionen der Nasenebenhöhlen (Sinusitis), der Augen (Konjunktivitis), der Ohren (Otitis), der Nase (Rhinitis), der Atemwege, die zur Lunge führen (Bronchitis) oder der Lunge selbst (Pneumonie) entwickeln. Auch gastrointestinale Infektionen können ein Problem darstellen, insbesondere jene, die durch den Parasiten Giardia verursacht werden. Giardia kann Bauchschmerzen, Durchfall, mangelhaftes Wachstum und den Verlust von Serumproteinen wie Gammaglobulin bewirken. Manche Patienten mit XLA leiden auch an Hautinfektionen. Bei Patienten, die keine Antikörper aufweisen, können alle diese Krankheitserreger in den Blutstrom gelangen und sich auf andere Organe ausweiten, die sich tief im Inneren des Körpers befinden, etwa Knochen, Gelenke oder das Gehirn. Infektionen bei XLA-Patienten werden für gewöhnlich durch Mikroorganismen verursacht, die bei gesunden Menschen von den Antikörpern sehr effizient vernichtet werden. Die häufigsten Bakterien, die eine Infektion verursachen, sind Pneumococcus, Streptococcus, Staphylococcus und Haemophilus influenzae. Auch einige spezielle Arten von Viren können bei diesen Patienten schwere Infektionen hervorrufen. Bei einer Körperuntersuchung zeigt sich bei den meisten XLA-Patienten, dass ihre Mandeln und Lymphknoten (die Drüsen im Hals) sehr klein sind. Das liegt daran, dass die Mandeln und Lymphknoten zum Großteil aus B-Lymphozyten bestehen. Sind keine B-Lymphozyten vorhanden, verringert sich die Größe dieser Gewebe. DIAGNOSE Die Diagnose einer XLA sollte bei jedem Jungen erwogen werden, der an wiederkehrenden oder schweren bakteriellen Infektionen leidet, insbesondere 5

wenn er kleine oder gar keine Mandeln und Lymphknoten besitzt. Als erster Test sollte die Bewertung des Serum-Immunglobulins erfolgen. Bei den meisten Patienten mit XLA sind alle Immunglobuline (IgG, IgM und IgA) in deutlich geringerer Zahl oder überhaupt nicht vorhanden. Es gibt jedoch Ausnahmen-bei einigen Patienten produziert der Körper gewisse Mengen an IgM oder IgG. Dazu kommt, dass bei gesunden Babys der Körper in den ersten Lebensmonaten nur geringe Mengen an Immunglobulinen bildet. Somit ist es schwierig, ein gesundes Baby, bei dem die Immunglobulinproduktion in normalem Maß verzögert ist, von einem Baby zu unterscheiden, das tatsächlich eine Immundefizienz aufweist. Sind die Serumimmunglobuline nur spärlich vorhanden oder hegt der Arzt einen Verdacht auf XLA, sollte ein Test zur Ermittlung der Anzahl an B-Zellen im peripheren Blut durchgeführt werden. Als typisches und verlässlichstes Ergebnis von Labortests bei XLA-Patienten zeigt sich eine geringe Anzahl von B-Zellen (nahezu vollständiges Fehlen) im Blut. Hat ein männliches Baby einen Bruder, Cousin oder Onkel mütterlicherseits, der an XLA erkrankt ist, besteht die Möglichkeit, dass es auch von XLA betroffen ist. Daher sollten seine Familie und seine Ärzte sofort eine Ermittlung des Anteils an B-Zellen im Blut veranlassen, damit bereits vor dem Auftreten der ersten klinischen Zeichen eine Behandlung eingeleitet werden kann. Die Diagnose von XLA kann durch den Nachweis des Fehlens des BTK-Proteins in den Monozyten oder Blutplättchen oder auch durch Ermittlung einer Mutation im BTK-Gen der DNA bestätigt werden. Fast jede Familie weist im BTK-Gen eine andere Mutation auf, innerhalb derselben Familie jedoch handelt es sich in der Regel um dieselbe Mutation. VERERBUNG Die X-chromosomale Agammaglobulinämie (XLA) ist eine genetische Erkrankung und kann innerhalb der Familie vererbt werden. Sie wird durch X-chromosomale, rezessive Vererbung weitergegeben. Es ist wichtig, die Art der Vererbung zu kennen, damit Familien verstehen, warum ein Kind erkrankt 6

ist, aber auch, wie groß das Risiko ist, dass nachfolgende Generationen davon betroffen sein können, und was dieser Umstand für andere Familienmitglieder bedeutet. Heute, da das XLA verursachende Gen identifiziert ist, können bei weiblichen Geschwisterkindern (Schwestern) eines XLA-Patienten und anderen weiblichen Verwandten, etwa den Tanten mütterlicherseits, Tests durchgeführt werden, um zu ermitteln, ob diese die Krankheit in sich tragen oder nicht. Frauen, die XLA in sich tragen, entwickeln keine Symptome, es besteht aber bei jedem Sohn eine Wahrscheinlichkeit von 50%, dass er die Krankheit erbt. In manchen Fällen ist es auch möglich, festzustellen, ob das Baby einer Frau, die die Krankheit in sich trägt, mit XLA auf die Welt kommen wird. Diese genetischen Tests werden aber derzeit nur in wenigen Laboren durchgeführt. BEHANDLUNG Es gibt heute noch keine Möglichkeit, Patienten mit X-chromosomaler Agammaglobulinämie zu heilen. Das defekte Gen kann weder repariert oder ersetzt werden, noch kann die Reifung der B-Lymphozyten-Vorläufers zu B- ymphozyten und Plasmazellen ausgelöst werden. XLA-Patienten können jedoch einige der fehlenden Antikörper verabreicht werden. Die Antikörper werden in Form von Immunglobulinen (oder Gammaglobulinen) direkt in den Blutstrom (intravenös) oder unter die Haut (subkutan) injiziert. Die Immunglobulinpräparate enthalten Antikörper, die jene ersetzen, die der Körper des XLA-Patienten nicht selbst produzieren kann. Darüber hinaus enthalten sie Antikörper gegen eine Reihe von Mikroorganismen. Immunglobuline verhindern besonders effizient die Ausweitung von Infektionen in den Blutstrom und in die tiefer liegenden Körpergewebe oder Organe. Einige Patienten nehmen als Schutz vor Infektionen oder zur Behandlung einer chronischen Sinusitis oder Bronchitis täglich orale Antibiotika ein. Patienten mit XLA sollten keine Impfungen mit Lebendviren erhalten, beispielweise jene mit Polio-Lebendviren oder die Masern-Mumps-Röteln- Impfung (MMR-Impfung). Es ist nämlich möglich, wenn auch selten, dass Lebendimpfstoffe (insbesondere die Polio-Schluckimpfung) bei 7

Agammaglobulinämie-Patienten genau jene Erkrankungen übertragen, die sie verhindern sollten. AUSSICHTEN Der Großteil der Patienten mit X-chromosomaler Agammaglobulinämie (XLA), die regelmäßig Immunglobuline erhalten, können ein relativ normales Leben führen. Sie müssen nicht in Isolation leben oder auf ein aktives Leben verzichten. Vielmehr sollte zur aktiven Teilnahme an Mannschaftssportarten ermutigt werden. Treten Infektionen auf, benötigen die Patienten mitunter besondere Aufmerksamkeit, im Allgemeinen jedoch können XLA-Patienten im Kindesalter an allen Schul- und Freizeitaktivitäten teilnehmen und sich im Erwachsenenalter beruflich entfalten und eine Familie gründen. Ein aktiver Lebenswandel sollte gefördert und als selbstverständlich betrachtet werden! 8