Bielefeld, : demonstrieren gegen Nazi-Aufmarsch Ein Zeichen gesetzt Ja, aber verhindert leider nein!

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Transkript:

Bielefeld, 24.12.2011: 6.500 demonstrieren gegen Nazi-Aufmarsch Ein Zeichen gesetzt Ja, aber verhindert leider nein! Für den 24.12.2011 hatten Nazis aus dem Umfeld von Autonomen Nationalisten und freien Kameradschaften zu einem Marsch durch Bielefeld aufgerufen. Die Demonstration sollte zum autonomen Arbeiterjugendzentrum (AJZ) führen, dessen Schließung die Nazis forderten. Dagegen hatte ein breites Bündnis ( Bielefeld stellt sich quer ), unterstützt von Parteien, Sportverbänden, Tageszeitungen, Gewerkschaften, Kirchen, AWO, Buchläden Migrantenorganisationen und antifaschistischen Initiativen zum Protest aufgerufen. Unter der Parole Faschismus ist keine Meinung sondern ein Verbrechen wurde dazu aufgerufen die Naziaufmärsche verhindern! Mehr als 6.500 Menschen sind dem Aufruf gefolgt und sind an Heilig Abend auf der Straße gegangen. Sie haben damit ein deutliches Zeichen gesetzt gegen den mörderischen Terror der Nazis, der in den letzten Wochen das Land erschüttert hat. Trotzdem herrschte unter vielen Demonstranten ein Gefühl der Ohnmacht und Hilflosigkeit. Denn anders als der Aufruf nahe gelegt hatte, wurde der Aufmarsch von 68 Nazis nicht verhindert. Angesichts der großen gesellschaftlichen und politische Breite der Bewegung, die sich gegen die Nazi-Demo stellte, hatten sich allzuviele in Sicherheit gewähnt und die Polizei auf ihrer Seite verbucht. Doch die Polizei hatte gar nicht vor als verlängerter Arm der Antifa zu agieren. Stattdessen hat die Polizeileitung einen ganzen Stadtteil vom Ostbahnhof (dem Ankunftsort der Nazis) bis zum AJZ (dem Ziel der Nazi-Demo) abgeriegelt, damit 68 Nazis aus dem politischen Umfeld der Zwickauer Terrorzelle der NSU ungestört von Protesten demonstrieren konnte. Für Antifaschisten war das Gebiet no-go Area. Herein kam man nur als ausgewiesener Nazi. Und das in einem rot-grün regierten Bundesland, das erst kurz zuvor einen Aktionsplan gegen rechts beschlossen hatte, mit dem die Versäumnisse der Vergangenheit im Kampf gegen die Nazi-Gewalt endlich behoben werden sollten. Zur Vorgeschichte: Erfolgreiche Blockade im August In den letzten Jahren hat sich der niedersächsische Ort Bad Nenndorf im August zu einem Wallfahrtsort der Nazis entwickelt. Auch 2011 demonstrierten am 8. August dort wieder 650 autonome Nationalisten und NPD ler. Auf der Rückfahrt aus Niedersachen machten ca. 170 Nazis am Bielefelder Hauptbahnhof halt. Von dort hatten sie eine Demonstration durch Bielefeld unter der Parole das AJZ schließen angemeldet. Ein Bündnis aus SPD, Grünen, LINKEN, Gewerkschaften und Kirchenvertretern hatte dagegen eine Kundgebung vor dem Hauptbahnhof angemeldet. Aufgrund der polizeilichen Auflagen sollte die Kundgebung eine Stunde vor Ankunft der Nazis enden. Anschließend war eine Gegendemo weit ab von der Route der Nazi-Demo angemeldet worden. Nach Ende der Kundgebung ignorierten die mehr als 500 Demonstranten jedoch die Aufforderung der Polizei den Bahnhofsvorplatz zu verlassen und blieben einfach da. Als die Nazis eine Stunde später eintrafen, konnten sie aufgrund der Blockade das Bahnhofsgelände nicht verlassen. Die Polizei sah es als zu gefährlich an, die Gegendemonstration aufzulösen oder die rechte Truppe daran vorbeizuführen. Nach einer weiteren Stunde mußten die Nazis deshalb frustiert und wütend wieder unverrichteter Dinge aus Bielefeld abziehen. Am nächsten Tag kündigten sie an, ihre Demo am 24. Dezember oder an Sylvester zu wiederholen. Ende November meldete Sven Skoda eine Demonstration gegen das AJZ an. Sven Skoda ist ein Nazi aus dem Rheinland. Laut WDR-Magazin westpol trat er im November 2009 als Redner auf einer Veranstaltung der

Kamerdschaft Köln auf. Ebenfalls dort anwesend: Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt, also das Terror-Trio vom Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) Eine breite, aber richtungslose Mobilisierung zum 24.12. Als klar war, dass die Nazis am 24. Dezember eine Demo in Bielefeld anmelden wollten, formierte sich eine breite Bewegung dagegen. Während im Sommer vor allem der linke Rand der Grünen, Anhänger der LINKEN und Migrantenorganisationen auf der Straße waren, griff die Mobilisierung nun viel weiter aus bis weit ins Spektrum der Sozialdemokraten und zum Teil bis in bürgerliche Kreise hinein. Dafür verantwortlich war nicht nur der Umstand, dass sehr bald neben politischen Parteien und Gewerkschaften auch Sportvereine, AIDS-Hilfe, Kirchen, die Stadtwerke und viele andere gesellschaftliche Gruppen zu Protesten aufriefen. Auch die größte Tageszeitung, die sozialdemokratische Neue Westfälische (NW) beteiligte sich massiv an der Mobilisierung. Endscheidend war aber auch das geänderte politische Klima seit dem November. Die Aufdeckung der Zwickauer Terrorzelle und ihre staatlich bezahlten Kolloborateure hatte vielen klar gemacht, dass auf den Staat kein Verlaß im Kampf gegen die Nazi-Gefahr ist sondern eigenes Engagement erfordert. Die Empörung über Nazis ist so groß wie schon seit langem nicht mehr. Das hat dazu geführt, dass am 24.Dezember soviele Menschen gegen rechts auf die Straße gegangen sind wie noch nie zuvor in Bielefeld. Politisch war das Bündnis von an Anfang fest in der Hand von SPD und vor allem den Grünen. Die LINKE war politisch kaum präsent. Wie und mit welchem Ziel die LINKE im Bündnis agieren sollte, blieb völlig unklar. Das Bündnis hatte mehrere Kundgebungen angemeldet, alle weit ab vom Ankunftsort der Nazis (Ostbahnhof) oder dem Ziel ihrer Demo (AJZ). Zwar wurde u.a. auch von der LINKEN dazu aufgerufen sich ab 10:00 Uhr im Cafe des Ostbahnhofs zu versammeln, da die Nazis dort um 12:15 Uhr eintreffen würden. Aber anders als im Sommer hatte man erst gar nicht in Erwägung gezogen, dort eine eigene Kundgebung anzumelden. Begründet wurde das damit, dass eine solche Kundgebung nicht erlaubt würde, da dort ja schon eine Demo angemeldet sei, die der Nazis. Wer der Aufforderung des Bündnisses und auch der Linken gefolgt war und es geschafft hatte vor der Errichtung der Polizeisperre das Cafe des Ostbahnhofs zu erreichen, sah sich dort in der Falle. Damit die Nazis ungestört ihre Demo abziehen konnten, durften die Antifaschisten auf Anweisung der Polizei das Cafe nicht verlassen. So sieht die neue rot-grüne Strategie gegen rechts in NRW aus! Auf den Gedanken, dass man aufgrund der öffentlichen Auseinandersetzung um die Zwickauer Terrorzelle in einer politisch ganz anderen Ausgangslage war wie noch im Sommer, sind die Organisatoren des Bündnisses gar nicht gekommen. Genauso wenig scheint man auf den Idee gekommen zu sein, das Erfolgsmodell vom Sommer zu wiederholen, indem eine Kundgebung vor der Nazi-Demo beantragt wird, etwa um 10:00 Uhr und anschließend bleiben alle da. Dann hätte die Polizei politisch erheblich größere Schwierigkeiten gehabt, das ganze Gelände für Antifaschisten abzuriegeln. Aber offensichtlich wollten SPD und Grüne gerade das nicht, fürchteten die politische Auseinandersetzung darum. Denn dann wäre nicht nur der Nazi-Marsch effektiv blockiert worden. Auch die Polizei, die erklärt hatte, sie müsse das Recht der Nazis auf freie Meinungsäußerung schützen, wäre dann nicht einfach als antifaschistischer Bündnispartner erschienen. Und die Polizei hatte allen Grund ihr ramponiertes Image aufzupolieren. Schließlich standen in den letzten Wochen nicht nur die Nazis im Zentrum der öffentlichen Aufmerksamkeit. Auch die Polizei stand unter Kritik, weil

sie kaum gegen Nazis vorgeht, nachlässig ermittelt, Opfer kriminalisiert und Gegendemonstranten schikaniert. Die Polizei übernimmt die politische Initiative Angesichts der fehlendem Strategie vom Bündnis und von den LINKEN, war es die Polizei, die in den zwei bis drei Wochen vor der Demo die politische Initiative in der Hand hatte. Zunächst hat die Polizei den Nazi-Aufmarsch verboten. Aber nicht weil, das Ziel der Nazis Einschüchterung ist der Marsch ging durch ein traditionelles Arbeiterviertel mit hohem Migrantenanteil - oder weil der Anmelder in Kontakt mit dem Thüringer Terror-Trio stand. Verboten wurde er vielmehr aus formalen Gründen, dem Feiertagsverbot nach 16:00 Uhr zu demonstrieren. Die Nazis mußten nur noch die Zeit für ihre Demo ändern, damit das Verbot hinfällig wurde. In einem Kooperationsgespräch einigten sie sich mit der Polizei auf eine neue Demonstrationszeit von 12:30 Uhr bis 14:30 Uhr und die Polizei nahm das Demo-Verbot zurück. Polizei und Neonazis einigen sich titelte die NW. Verbot aufgehoben! Da habt ihr die Bescherung, jubelten die Nazis. Gegen die Demo-Auflagen, wie die Begrenzung der Anzahl der Fahnen, das Verwenden nationalsozialistischen Jargons etc. erhoben die Nazis beim Verwaltungsgericht Minden Einspruch. Am 21. Dezember bekamen sie in vollem Umfang recht. Begründung: Schutz der Meinungsfreiheit! So skandalös das Mindener Urteil ist, so falsch ist die öffentliche Darstellung des Bündnisses, dass die Polizei erst durch das Mindener Urteil dazu genötigt worden wäre, die Demo zu genehmigen. Das Bündniss tut bis heute so, als wäre die Polizei unser Bündnispartner, dem lediglich durch die Gerichte die Hände gebunden wären und wirbt um Verständnis für die Polizei. Es wäre nun mal so, dass die Polizei die Meinungsfreiheit garantieren müsse. Faschismus war so auf einmal nicht mehr ein Verbrechen, sondern eine grundgesetzlich zu schützende Meinung! Morgen geht es also nach Bielefeld., freuten sich die Nazis am Vortag der Demo Im Grunde kann nichts mehr viel schief gehen, zumindest wenn die Polizeiführung dieses Mal nicht wieder als verlängerter Arm der Gegendemonstranten dafür sorgt, dass die Demonstrationsstrecke blockiert werden kann. Fakt ist aber, dass die Polizei den Aufmarsch schon vor dem Gerichtsentscheid genehmigt hatte. Das Gericht hatte nur noch zusätzlich die Auflagen der Polizei kassiert. Während der NRW-Innenminister das neue Programm gegen Rechtsextremismus damit begründete, dass damit das gesamte Umfeld des Terror-Trios der NSU aufgedeckt werden sollte, war es seine Polizei in Bielefeld, die eben jenem Umfeld überhaupt erst ermöglicht hat zu demonstrieren. Damit die Nazis ungestört demonstrieren konnten, räumte die Polizei ganze Straßenzüge leer. Gleichzeitig wurde das recht auf Versammlungsfreiheit für Antifaschisten massiv eingeschränkt! Jäger werde sich jedoch an der realen Umsetzung seines Aktionsprogrammes messen lassen müssen, so hatte die Landtagsfraktion der LINKEN in NRW den Acht-Punkte- Plan gegen rechts kommentiert. Die Ereignisse in Bielefeld haben gezeigt, wie recht sie damit hatte. Der Demonstrationstag Die Gegendemonstration am 24.12. war vor allem durch eins gekennzeichnet, Ratlosigkeit und Konfusion. Was an diesem Tag in Bielefeld passierte, hatte fatale Ähnlichkeit mit dem was in Dresden jedes Jahr vor den beiden erfolgreichen Blockanden 2010 und 2011 geschah. Während eine große Demonstration weit ab von der Nazi-Demo ein hilfloses Zeichen gegen

rechts setzt, organisiert eine autonome Minderheit ein ebenso hilfloses Katz- und Maus- Spiel mit den Nazis, statt massenhaft und entschieden die Nazis zu blockieren. Ziellos liefen große Gruppen an Demonstranten zwischen Ostbahnhof, den verschiedenen Kundgebungsorten und dem AJZ hin und her. Derweil zogen die Nazis ungestört vom Ostbahnhof zum Ort der Abschlußkundgebung ca. 50 m vom AJZ entfernt. Dabei skandierten sie immer wieder Nationaler Sozialismus und Tod der roten Pest. Ein Redner soll sogar das Paulchen-Panther -Lied angestimmt haben, das durch die zehn kaltblütigen Morde der NSU traurige Berühmtheit erlangt hat. Auf der halben Demostrecke war es einer kleinen Gruppe von autonomen Gegendemonstranten gelungen, die Nazis von einem Bahndamm aus zu attackieren. Diese wurden jedoch alsbald von der Polizei mit Tränengas und Pfefferspray abgedrängt. Gegen drei Gegendemonstranten laufen Ermittlungsverfahren. In diesem Zusammenhang wurde beobachtet, dass die Nazis einen Pressevertreter angegriffen haben, ohne dass die Polizei eingriff. Die Polizeileitung behauptet nichts davon gesehen zu haben. Dabei wäre politisch durchaus mehr drin gewesen, hätte das Bündnis vorher andere Rahmenbedingungen gesetzt. Die große Masse der Gegendemonstranten hatte jedenfalls erheblich mehr politischen Instinkt bewiesen als die Vertreter des Bündnisses. Obwohl vor dem AJZ keine Kundgebung angemeldet war, hatte sich die große Masse der Demonstranten 4.000 von 6.500 angesichts der Unmöglichkeit zum Ostbahnhof zu kommen dort vor dem Zielpunkt der Nazi-Demo versammelt. Die Auswertung der Demonstration wurde ganz von der Neuen Westfälischen und von dem Abfeiern der großen Zahl an Gegendemonstranten geprägt Die Stadt Bielefeld bleibt bunt und Neonazi-Marsch nur ein brauner Fleck, Abfuhr, die Zahlen sprechen für sich, Dafür sei der Polizei gedankt hieß es dort. Alles blieb friedlich, so der Tenor, bis auf ein paar linke Gewalttäter. Das Bündnis ließ sich auch nicht durch den Satz Zahlreiche Polizeibeamte mußten die Neonazis schützen in der NW irritieren, den Tag als vollen Erfolg für die Antifaschisten zu verbuchen. Als besonderer Erfolg galt, dass die Nazis durch menschenleere Straßen demonstrierten. Nur menschleer waren die Straßen nicht nur weil an Heilig Abend um 13:00 Uhr dort ohnehin wenig los ist. Menschenleer waren sie vor allem, weil die Polizei sie für die Nazis abgesperrt hatte. Einem mickrigen Häufchen von gerade einmal 68 Nazis ist damit gelungen, eines ihrer Ziele zu erreichen: Einschüchterung! Anwohner blickten verängstigt hinter ihren Fensterscheiben (NW 27.12.2011) Mittlerweile dämmert es Teilen des Bündnisses vor allem aus dem Bereich der GRÜNEN Jugend nach intensiven Diskussionen auf der Facebook-Seite des Bündnisses, dass der 24.12. doch nicht ein so glorreicher Erfolg für uns war. Ich glaube wir waren doch etwas naiv heißt es da und mittlerweile denke ich auch wir hätten um 10:00 Uhr eine Kundgebung am Ostbahnhof anmelden sollen. Am 29.12. gab das Bündnis eine Erklärung ab, in der Fragen an die Polizei gestellt werden bzgl. des Nazi-Übergriffs auf einen Pressevertreter [http:// bielefeldstelltsichquer.wordpress.com/2011/12/30/pressemiteilung-vom-29-12-2011/ und ein Nachtrag zur Presseerklärung hier: http://bielefeldstelltsichquer.wordpress.com/] Trotzdem wird der Polizeieinsatz als ganzes weiterhin vom Bündnis gerechtfertigt, obwohl dieser den Nazi-Aufmarsch überhaupt erst ermöglicht hat. Tagelang stand auf der Homepage keine eigene Erklärung zur Demo, sondern der offizielle Bericht der Polizei. Einen offiziellen Protest gegen die Einschränkung unseres Demonstrations- und Versammlungsrechts durch die Polizei gibt es bis heute nicht. Für die Landtagsfraktion der LINKEN stellt sich die Frage, ob das Verhalten der Bielefelder Polizei nicht im Landtag thematisiert werden muß.

Und die Linke vor Ort? Die Linke vor Ort muß sich dringend die Frage stellen, warum sie vor, während und nach der Demo im Grunde politisch abgemeldet war. Anders als SPD und Grüne, bei denen der Protest gegen die Nazis von Anfang an zur Chefsache gemacht wurde, liefen die Vorbereitungen dafür von Seiten der LINKEN nur so nebenher. Vom Vorstand der LINKEN ist keinerlei politische Initiative ausgegangen. Für was wir uns im Bündnis einsetzen sollten, blieb völlig unklar. Die Erfahrungen von Dresden spielten überhaupt keine Rolle [http:// christinebuchholz.de/wp-content/uploads/2011/03/auswertung_dresden1.pdf] Der politische Kontext nach dem November 2011 war den meisten offensichtlich vollkommen unklar. Stattdessen dominierte eine Vorstellung vom zu erwartenden Polizeieinsatz, der sich an Fehleinschätzung kaum von dem des Bündnisses unterschied. Gegen Einheimische Gegendemonstranten würde sich die Polizei nicht trauen, mit der gleichen Härte wie gegen Auswärtige vorzugehen, so hieß es vielfach. Ein eigenartiges Argument für ein Protest gegen Nazis und Fremdenfeindlichkeit, die Einteilung in Einheimische und Angereiste!