14 Hypertrophe Narben und Keloide

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Transkript:

47 Hypertrophe Narben und Keloide Häufigkeit Sie kommen weltweit vor, wobei für Afrikaner, Asiaten und Hispanoamerikaner das Risiko deutlich (10- bis 15fach) erhöht ist Auch eine dunklere Hautfarbe ist ein Risikofaktor Besonders gefährdet ist die Altersgruppe der 11- bis 30-Jährigen Geschlechtsverteilung Die Erkrankungszahlen für Frauen liegen höher, was nicht Folge eines geschlechtsspezifischen Risikos ist, sondern Folge der deutlich höheren Zahlen von weiblichen Personen, die sich für das Stechen von Ohrlöchern entscheiden jklinik Hypertrophe Narben und Keloide, die nach Verletzungen, nach Operationen (. Abb..1) oder auch spontan auftreten, imponieren als palpatorisch derbe, knotige, wulstoder plattenartige Hautveränderungen mit glatter Oberfläche. Ihre Farbe ist initial häufig hellrot und blasst im weiteren Verlauf ab. Während hypertrophe Narben auf den Bereich des Traumas beschränkt bleiben (. Abb..2) und im Verlauf die Tendenz zum Abflachen haben, greifen Keloide über diesen hinaus und entwickeln dann auch häufig typische krebsscherenartige Ausläufer (. Abb..3). Eine spontane Regression von Keloiden erfolgt in der Regel nicht. Während sich die hypertrophe Narbe i. Allg. 4 Wochen nach der Hautverletzung ausbildet, beträgt der Zeitraum für Keloide länger. Typisch ist ein Zeitraum von 3 Monaten, wobei ein Keloid in Einzelfällen auch bis zu 1 Jahr nach dem Trauma auftreten kann. Insbesondere bei jungen Hautläsionen besteht häufig ein Spannungsgefühl, Schmerzen und teilweise auch ein sehr intensiver Juckreiz. Während hypertrophe Narben an jeder Lokalisation auftreten können, insbesondere im Bereich der Gelenkstreckseiten, sind die Prädilektionsstellen der Keloide der Brustbereich, hier v. a. die Prästernalregion, der Schulter- und der hintere Halsbereich sowie die Ohrläppchen.. Abb..1 Keloide nach wiederholter Operation. Der gesamte Ohrmuschelrand wird durch eine flächige Aussaat hautfarbener Wülste eingemauert

48 Kapitel Hypertrophe Narben und Keloide. Abb..2 Hypertrophe Narbe. Strangförmige wulstartige entzündlich gerötete Hautveränderung im Bereich einer Kaiserschnittnarbe, die an den beiden Enden noch ersichtlich ist. Abb..3 Keloid. Am Nabeleingang geröteter Narbenwulst mit unregelmäßiger Oberflächenbegrenzung jpathogenese Eine Verletzung der Haut bei prädisponierten Individuen wird als primär verantwortlich gesehen. Die Traumata mit dem höchsten Risiko sind Verbrennungen und Ohrlochstechen. Auch genetische Faktoren scheinen eine ursächliche Rolle zu spielen. Aus hypertrophen Narben und Keloiden isolierte Fibroblasten bilden im Vergleich zu normalen Fibroblasten mehr Typ-I-Prokollagen und sind durch eine höhere Produktion von bestimmten Wachstumsfaktoren wie dem vaskulären Endothelfaktor oder den Transformationswachstumsfaktoren β1 und β2 charakterisiert. Weitere Hinweise für eine Fibroblastendysfunktion sind geringere Apoptoseraten und eine Herunterregulierung von mit der Apoptose in Zusammenhang stehenden Genen, einschließlich p53. jdiagnose Die Diagnosestellung bereitet in der Regel keine Schwierigkeiten. Die Anamnese mit vorausgegangenem Trauma ist typisch. In Einzelfällen können das Dermatofibrom oder das Dermatofibrosarcoma protuberans Schwierigkeiten bereiten (. Tab..1). Das Management von hypertrophen Narben und Keloiden ist identisch, wobei die Therapieergebnisse für erstere besser sind. Es gibt zahlreiche Behandlungsmodalitäten, was nicht zuletzt auf die bis heute fehlenden kontrollierten Studien zurückzuführen ist (. Tab..2). Intraläsionale Steroidinjektionen mit Triamcinolonacetonid werden seit Jahren erfolgreich eingesetzt. Eine Wiederholung alle 4 6 Wochen ist sinnvoll. Mögliche steroidbedingte Nebenwirkungen sind Atrophie und Telean

49 Hypertrophe Narben und Keloide. Tab..1 Differenzialdiagnose von hypertrophen Narben und Keloiden und Abgrenzungsmöglichkeiten Diagnose Dermatofibrom Dermatofibrosarcoma protuberans Abgrenzung zu Keloid und hypertropher Narbe Derber, überwiegend rundlicher Knoten Bevorzugt im Bereich der unteren Extremitäten Dermatoskopisch im Randbereich bräunliches Pigmentnetz Jahrelange Wachstumstendenz Kutaner und darunter liegender plattenartiger Anteil. Tab..2 Etablierte Therapien für hypertrophe Narben und Keloide Therapieform Intraläsionale Steroidinjektionen Silikon Kryotherapie Exzision Durchführung Triamcinolonacetonid 10 oder 40 mg (Volon A 10/-40, Triam- Hexal 10/-40) alle 4 6 Wochen In Form eines Gels, 2-mal tgl. Anwendung (Dermatix Gel) oder als Pflaster (Epi-Derm, Standard: 12,5 cm; längliche Narben, z. B. Kaiserschnitt: 3,6 15 cm; große Narben, z. B. Rumpf: 28 40 cm) über 3 6 Monate Applikation des flüssigem Stickstoffs mittel Sprayverfahren, Einwirkzeit in Abhängigkeit des klinischen Befunds, Durchführung alle 4 6 Wochen Durch spezialisierte erfahrene Kollegen immer in Kombination mit adjuvanten Therapiemaßnahmen giektasien. Die Zumischung eines Lokalanästhetikums wie Lidocain zur Schmerzreduktion ist möglich. Silikon wirkt über eine Temperatur- und Hydratationserhöhung und evtl. zusätzliche Sauerstoffspannung im Bereich der zu behandelnden Veränderung. Silikon steht als Narbengel und als Pflaster zur Verfügung. Letztere sollten mind. 12, besser 24 h appliziert werden, wobei die Pflaster täglich mit einem milden Syndet gewaschen werden. Die Pflaster können beliebig auf die optimale Größe zugeschnitten werden, sollten jedoch das zu behandelnde Areal immer vollständig abdecken. In der Regel sind sie selbsthaftend. Eine mehrmalige Wiederverwendung ist möglich, bis der Elastizitätsverlust deutlich wird. Der Anwendungszeitraum beträgt 3 6 Monate. Eine sinnvolle Kombination sind der Einsatz eines Gels tagsüber und eines Pflasters über Nacht. Wie die Steroidinjektionen wird auch die Kryotherapie seit Jahrzehnten eingesetzt, ist jedoch sehr schmerzhaft. Diese Therapie wird v. a. für kleinere Läsionen empfohlen. Als Kühlmittel dient flüssiger Stickstoff und die Applikation erfolgt gewöhnlich durch das Verbringen des Kühlmittels von außen an die Läsion mittels des Sprayverfahrens. Die Kombination der 3 Verfahren führt zu additiven Effekten und ist in der Praxis sinnvoll. Ein realistisches Behandlungsziel dieser oben aufgeführten Therapieverfahren ist eine subjektiv beschwerdefreie, hautfarbene, weiche Narbe. Die Exzision einer hypertrophen Narbe oder eines Keloids birgt ein hohes Risiko für ein Rezidiv, das in der Regel dann klinisch ausgeprägter ist als zuvor. Die operative Entfernung erfolgt immer unter Einsatz verschiedener adjuvanter Therapien zur Rezidivvermeidung. Hierzu können neben den zuvor aufgeführten auch Radiotherapieverfahren, Interferon- oder 5-Fluorouracil-Injektionen gehören. Die Therapie sollte immer nur von erfahrenen Kollegen durchgeführt werden. jprävention Eine wichtige Präventivmaßnahme ist die Vermeidung nicht notwendiger operativer Eingriffe in den Regionen, die mit einem erhöhten Risiko für hypertrophe Narben oder Keloide einhergehen, insbesondere Eingriffe im Brustbereich. Dies gilt analog auch für Patienten, bei denen aufgrund vorheriger Eingriffe diese Neigung bekannt ist. Die für die Behandlung von hypertrophen Narben und Keloiden genannten Therapieverfahren eignen sich alle auch als Präventionsmaßnahmen, wobei unter Berücksichtigung der Praktikabilität der Einsatz von Silikon als Gel oder Pflaster am sinnvollsten ist und 3 Monate postoperativ zum Einsatz kommen sollte. Alle Brandverletzungen, insbesondere im Kindes- und Jugendalter, sollten ebenfalls konsequent über mind. 3 Monate einer Silikonbehandlung zugeführt werden. Literatur Chike-Obi CJ, Cole PD, Brissett AE Keloids (2009) Pathogenesis, clinical features, and management. Semin Plast Surg 23: 178 184 Juckett G, Hartmann-Adams H (2009) Management of keloids and hypertrophic scars. Am Fam Physician 80: 253 260

http://www.springer.com/978-3-642-21139-3