DIE EUROPÄISCHE ROUTE DER BACKSTEINGOTIK

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Transkript:

DIE EUROPÄISCHE ROUTE DER BACKSTEINGOTIK

Zum Geleit Rot leuchten die Bauten der Backsteingotik, die das Bild vieler Städte entlang der Ostseeküste und deren Hinterland prägen. Mächtige Kathedralen beherrschen die Silhouette der Altstädte, gleichsam den Einfluss der Kirche auf das mittelalterliche Leben symbolisierend. Der wachsende Machtanspruch des aufstrebenden Bürgertums zeigt sich in prachtvollen Fassaden von Rats- und Wohnhäusern der wohlhabenden Kaufleute der Hanse. Trotz der Wirren der Geschichte und der an der Bausubstanz nagenden Umwelteinflüsse ist uns eine Vielzahl von gotischen Kirchen, Klöstern, Bürgerhäusern und Stadttoren aus Backstein erhalten geblieben. Noch heute kann sich so der Betrachter von der Schönheit dieser Bauten faszinieren lassen und die Kunst mittelalterlicher Bauleute bewundern. Seit der deutschen Einheit und der EU-Erweiterung nach Osteuropa rücken die Regionen der Backsteingotik verstärkt in den Mittelpunkt des Interesses. Die Bedeutung dieses Baustils als Zeugnis des länderübergreifenden, mittelalterlichen Kulturaustauschs spielt im öffentlichen Bewusstsein wieder eine wichtige Rolle. Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz unterstützte schon bald nach der Wiedervereinigung vor allem in den neuen Bundesländern ideell und finanziell die Restaurierung bedürftiger Backsteinbauten. Darüber hinaus gelang es ihr, durch eine gezielte Öffentlichkeitsarbeit das Wissen um die Backsteingotik als europäisches Kulturgut einer breiten Öffentlichkeit nahe zu bringen. Als folgerichtige Entwicklung dieser Initiativen wurde 2007 die Europäische Straße der Backsteingotik als selbständiger Verein gegründet. Seine Mitglieder Städte, Kirchgemeinden, Tourismusvereine, Denkmalpfleger usw. in Polen, Dänemark und Deutschland setzen sich für ein einzigartiges europäisches Kulturerbe ein. Für jeden kunstinteressierten Freund des Ziegels bietet sich eine Reise zu den Stätten der Backsteingotik an, zumal sich diese in reizvollen, von der Eiszeit geformten Landschaften befinden. Vielfältige Informationen dazu bietet die Europäische Route der Backsteingotik unter www.eurob.org an. Die vorliegende Broschüre gibt einen kleinen Einblick in die Vielfalt der Bauten der Backsteingotik und soll neugierig darauf machen. In diesem Sinne wünschen wir unseren Mitgliedern, Partnern und allen Freunden des Ziegels ein erfolgreiches neues Jahr. Bundesverband der Deutschen Ziegelindustrie e.v., Bonn Titelfoto: Altes Rathaus in Frankfurt/Oder Links: Altar im Dom St. Petri in Schleswig Rückseite: Treptower Tor in Neubrandenburg

Die Europäische Route der Backsteingotik ein faszinierender Baustoff erzählt Geschichte Rot leuchten die Kirchtürme und Stadttore, die Bürgerhäuser und Klostermauern. Die Landschaften rings um die Ostsee sind geprägt von mittelalterlichen Backsteinbauten, ihrer einzigartigen Architektur und warmen Ausstrahlung. Wo es kaum Naturstein gibt, entwickelte sich eine Bauweise, die auf der wieder entdeckten antiken Tradition der gebrannten Abb. 01 Lehmquader fußte und doch in eine neuartige Formensprache führte. Das Farbspiel des gebrannten Tons, seine raue Oberfläche und die gestalterische Variationsbreite, die der flache Stein zulässt, machen den Backstein zu einem faszinierenden Baustoff. Seriell gefertigte Formsteine ermöglichten eine spielerische Kombination unterschiedlicher Einzelformen. In den mittel- und nordeuropäischen Küstenländern um die Ostsee erlebte der mittelalterliche Backsteinbau seine bedeutendste und flächendeckende Ausprägung. Diese zahlreichen Beispiele der Backsteingotik entlang der Küsten und bis weit ins Binnenland hinein zeugen von einer reichen und beeindruckenden Baukultur. Innerhalb der europäischen Architektur kommt der Backsteingotik eine Sonderstellung zu. Ihre Entwicklung ist eng mit der Geschichte der nordwest- und nordosteuropäischen Staaten zwischen dem 13. und 16. Jahrhundert und der Entwicklung der Hanse verknüpft. Im 13. Jahrhundert führten die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den Ländern der Ostsee und den westlichen Ländern der heutigen Niederlande, Belgiens, Abb. 02 Abb. 01: Burg des Ermländischen Kapitels in Allenstein (Olsztyn) Abb. 02: St. Marien in Lübeck

Frankreichs und Englands auch zu einem Austausch kultureller Entwicklungen bis weit in das Baltikum hinein. In der Mitte des 13. Jahrhunderts griffen Klerus und Baumeister für den Kirchenbau das französisch-flandrische Bauschema der repräsentativen Kathedralbasilika auf. Von Lübeck gingen mit dem Bau von St. Marien die stärksten Impulse für diesen Typus aus. Nach ihrem Vorbild entstanden große Basiliken in Wismar, Stralsund, Riga, Malmö oder Gnesen. Viele Hansestädte wählten für ihre Hauptkirchen den aufwändigsten,»vornehmsten«typus aller gotischen Sakralbauten, die dreischiffige Querhausbasilika mit Umgangschor und Kapellen, äußeren Strebepfeilern und Querschiff. Abb. 03 Parallel entwickelte sich bei Land- und Stadtpfarrkirchen eine Vorliebe für Hallenkirchen, die dem längsgerichteten, gestuften Raumschema der Basiliken einen breitgelagerten und gleichgerichteten Raum entgegenstellten. Die Konkurrenz der Raumformen»Halle«und»Basilika«entfaltete ein reiches Spektrum an Variationen. Auch die Hallenkirchen entwickelten ähnlich differenzierte Grundrisse, ebenfalls mit Umgangschor und Kapellenkranz, wie die Marienkirchen in Rostock und Danzig. Im Binnenland und insgesamt seit dem 15. Jahrhundert wird die Halle zum beherrschenden Bautyp. Abb. 04 Die klösterliche Bautätigkeit, die sich je nach Ordenszielen entweder auf abgeschiedene Landstriche oder auf die geistliche Betreuung der wachsenden Städte richtete, hinterließ eine Vielzahl von bedeutenden Kirchen und Klosteranlagen. Seit der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts entfaltete sich ein reicher Schmuckstil, der vor allem die Giebelflächen belebte. Bedeutende Beispiele finden sich in Abb. 03: St.-Nikolai-Kirche in Wismar Abb. 04: Mit Tau -Ziegeln verziertes Portal des Kalandhauses in Lüneburg

Abb. 05 Neubrandenburg, Greifswald, Thorn und Marienburg. Gedrehte Profile, das sogenannte»tau- oder Stabwerk«, setzen an Portalen, Fenstern und Vorlagen Akzente. In Schwarz, Braun oder Grün schillernde Glasuren beleben in kunstvollen Formen als mehrschichtiges Gitterwerk die Wandflächen. Namentlich die Bauten des Baumeisters Hinrich Brunsberg zeichnen sich durch einen besonders reichen Zierstil aus. Zu den schönsten Motiven des Backsteinbaus gehören die Stern- und Schlinggewölbe, die seit Ende des 13. Jahrhunderts vor allem im ehemaligen preußischen Ordensland entstanden. In Litauen prägte sich ein spätgotischer Stil aus, der zu den expressivsten Variationen der Backsteingotik gehört. Das Meisterwerk dieser Epoche ist das Ensemble der St.-Annen-Kirche und der St.-Bernhardus-Kirche in Vilnius, die enge Parallelen zur flämischen Backsteingotik aufweisen. Wenngleich die Städte und Regionen politisch und wirtschaftlich konkurrierten, zeugt die gemeinsame Architektursprache doch von einem koordinierten kulturellen Verständnis. Noch heute erlebt der Besucher die Bauten als etwas Vertrautes und Neues zugleich. Ihre identitätsstiftende Funktion über Grenzen hinweg, früher aus religiösen und wirtschaftlichen Gründen motiviert, wirkt bis heute und ist ein zentraler Gedanke der Europäischen Route der Backsteingotik. Die gemeinsame Kultur ist noch immer am deutlichsten anhand der Architektur der Hansestädte ablesbar. Die großen Kathedral- und Stadtkirchen dominieren die Silhouetten. Repräsentative Rathäuser mit dekorativen Schaufassaden entstanden als Ausdruck des wirtschaftlichen Selbstbewusstseins. Wallanlagen und Stadttore sind vereinzelt Abb. 06 Abb. 07 Abb. 05: Sterngewölbe in der St. Nicolai-Kirche in Lüneburg Abb. 06: Schaufassade des Rathauses der Hansestadt Stralsund Abb. 07: Burg Stargard bei Neubrandenburg

Abb. 09 Abb. 08 als geschlossene Ensembles erhalten, überwiegend jedoch als einzelne Festungstürme oder Tore. Gotische Wohn- und Geschäftshäuser mit charakteristischen Treppengiebeln zeugen vom Anspruch und Selbstbewusstsein des Wirtschaftsbürgertums. Das Selbstverständnis der Europäischen Route der Backsteingotik Dem Charme dieser großartigen Bauwerke kann sich heute, Jahrhunderte nach deren Entstehung, kein Besucher oder auch Einheimischer entziehen. Die Backsteingotik steht für eine Region, die mit aktuellen Länder- und Staatengrenzen nicht zu beschreiben ist. Dies erkannten schon die Deutsche Stiftung Denkmalschutz und ihr 2011 verstorbener Vorsitzender, Professor Gottfried Kiesow, als sie sich ab den 1990er Jahren für den Erhalt unter anderem Dutzender Bauwerke der Backsteingotik vor allem in den ostdeutschen Bundesländern einsetzten. Besonders in Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und Sachsen-Anhalt findet sich eine Unzahl dieser mittelalterlichen Kleinode. Mit den Wegen zur Backsteingotik und der Ausstellung Gebrannte Größe im Jahr 2002 zielte die Stiftung auch darauf ab, das Wissen um und die Begeisterung für die Backsteingotik in ganz Deutschland zu fördern. Die konsequente Ergänzung dieser Initiative war der Aufbau der Europäischen Route der Backsteingotik von 2002 bis 2007. Sie entsprang dem Gedanken, dass die Verbreitung dieses Kulturerbes weder an den Grenzen der großen Hansestädte noch Mecklenburg-Vorpommerns, Brandenburgs oder Deutschlands endete spielten doch heutige Grenzen zum Entstehungszeitpunkt dieser Bauten kaum eine Rolle. Darüber hinaus führte die EU-Osterweiterung 2004 dazu, dass mit Polen und den baltischen Staaten Regionen in Abb. 08: Uenglinger Tor in Stendal Abb. 09: Wulflamhaus in Stralsund

Abb. 10 den Fokus der europäischen Öffentlichkeit rückten, die bis dahin touristisch kaum eine Rolle gespielt hatten. Mit seiner Gründung eines gemeinnützigen Vereins am 26. September 2007 stand die Europäische Route der Backsteingotik endgültig auf eigenen Beinen. Fünf Jahre später repräsentiert er 32 aktiv mitwirkende Städte in Dänemark, Polen und Deutschland, die Insel Rügen, das Land Mecklenburg-Vorpommern sowie mehrere fördernde Mitglieder. In ihm haben sich Mitglieder zusammengefunden, die sich des Wertes und der auch kulturtouristischen Bedeutung ihrer backsteingotischen Bauten bewusst sind, die ihre Ressourcen bündeln und das Bewusstsein für ihr Kulturerbe in der europäischen Öffentlichkeit schärfen wollen. Städte und Stätten auf der Europäischen Route der Backsteingotik Die Gastgeber auf der»europäischen Route der Backsteingotik«sind Dänemark, Polen und Deutschland. Doch auch Litauen, Estland und Finnland empfehlen sich mit gebauter mittelalterlicher Hochkultur aus Backstein. Zur Route gehören die wichtigsten Hafenstädte des Hansebundes, darunter die Welterbestädte Wismar und Stralsund, aber auch Anklam, Greifswald, Stettin (Szczecin) und Danzig Abb. 10: Europäische Route der Backsteingotik

Abb. 11 Abb. 12 Abb. 13 Abb. 14 Abb. 15 (Gda sk). Andere Hafen- und Handelsstädte gehörten offiziell nicht zur Hanse, spielten aber eine wichtige Rolle: Wolgast, das dänische Haderslev und Schleswig. Hier wie dort sind die Kirchen die zentralen Bauwerke und reihen sich ein in eine Galerie backsteingotischer Perlen. Doch das Netzwerk der Hanse umfasste keineswegs nur Seehäfen. Städte im Binnenland von Ost- und auch Nordsee waren entscheidende Akteure in ihrem Handelsnetz. Viele von ihnen sind Städte der Backsteingotik mit mittelalterlichen Wahrzeichen. So waren Buxtehude, Lüneburg und Bardowick, Stendal, Brandenburg an der Havel, Frankfurt (Oder), Stargard in Abb. 16 Abb. 11: Kirche St. Marien in Anklam Abb. 12: St.-Petri-Dom in Schleswig Abb. 13: St. Marienkirche, ein bedeutendes Beispiel einer Hallenkirche in Greifswald Abb. 14: Marienkirche in Stendal mit Rathaus im Vordergrund Abb. 15: Friedenskirche (Nikolaikirche) in Frankfurt/Oder Abb. 16: Stadtpanorama in Kulm (Chełmno)

Pommern (Stargard Szczeci ski), Schlawe (Sławno), Allenstein (Olsztyn) sowie Kulm (Chełmno) und Thorn (Toru ) an der Weichsel bedeutende Knotenpunkte beim Warentransport von den Seehäfen in Richtung Süden und umgekehrt. Ihren einstigen Reichtum sieht man ihnen deutlich an: Dutzende Kirchtürme aus Backstein ragen in den Himmel und sind weithin sichtbare Landmarken. Jenseits der Zugehörigkeit zur Hanse gab es weitere bedeutende Städte: Güstrow, Neubrandenburg mit Burg Stargard, Parchim, Płock an der Weichsel, Prenzlau, Ribnitz-Damgarten und Schwerin. Eine herausragende Rolle für die Ausbreitung der Hanse, des Christentums und mithin des Baustils Backsteingotik spielten die frühen Klostergründungen. Bad Doberan mit seinem berühmten Münster, der Klosteranlage und dem restaurierten Torhaus ist bis heute ein Schmuckstück, nur wenige Kilometer südlich der Küste. Auch Neukloster, östlich von Wismar gelegen, bietet mit seiner herrlichen Klosteranlage und der charakteristischen Propstei Backsteingotik in Reinstform. In den sechs Lüneburger Klöstern (Ebstorf, Isenhagen, Lüne, Medingen, Walsrode und Wienhausen), die noch heute allesamt aktive Frauenkonvente sind, finden sich in großartiger und anschaulicher Weise alle Stilepochen ab der Backsteingotik wieder. Die Insel Rügen wiederum ist zwar berühmt für ihre Strände, Kreidefelsen, Seebrücken und Ostseebäder. Doch welch wechselvolle Geschichte sie, gegenüber der stolzen Hansestadt Stralsund am Strelasund gelegen, schon im Mittelalter erlebt hat, lässt sich an über 20 kunst- und kulturhistorisch einmaligen Backsteinkirchen auf der gesamten Insel erkennen. Abb. 17 Abb. 17: Doberaner Münster in Bad Doberan

In vielen Städten spiegeln sich bis zum heutigen Tag Machtansprüche und Konkurrenzen von Kirche und aufstrebendem Bürgertum. Die Symbole dafür sind neben den Kirchen Stadttore, Wallanlagen, Rathäuser, Bürgerhäuser, Klöster usw. In diesen Schaltstellen der Macht des Mittelalters lässt sich zudem erleben, Abb. 18 Abb. 19 was in den folgenden Jahrhunderten geschah: Der Niedergang der Hanse spielte vielen übel mit, die Reformation hinterließ ihre Spuren besonders in Kirchen, Handelsströme veränderten sich, Amerika wurde entdeckt, der Dreißigjährige Krieg, Stadtbrände und die Wirren der folgenden Jahrhunderte veränderten die Städte. So erlebt der Besucher heute mal die erhaltenen mittelalterlichen Strukturen einer Hanse-, Hafenoder späteren Residenzstadt, mitunter auch großartige Erweiterungen der Renaissance, des Barock oder Klassizismus, und auch manches Mal Kriegswunden als Zeugen der Geschichte. Impressum Text: Europäische Route der Backsteingotik e. V., Weiterbearbeitung Christoph Pienkoß, Littenstr. 10, 10179 Berlin; info@eurob.org; 030 2061325-55 Fotos:Titelfoto/Abb. 15: Winfried Mausolf; Titelseite innen/abb.05/07/10/12/13/14/18/19: EuRoB; Rückseite: Bernd Lasdin; Abb. 01: Mieczysław Wieliczko; Abb. 02/04: Thomas Berg; Abb. 03: Martin Poley; Abb. 06/09: Tourismuszentrale Stralsund; Abb. 08: Pressestelle Hansestadt Stendal; Abb. 11: Hansestadt Anklam; Abb. 16: Elžbieta Pawelec; Abb. 17: Doberaner Münster Redaktion: Dr. Wolfgang Müller, Weimar; wolfgang.w.mueller@gmx.de Layout: Eva Weeger, Bonn; info@eva-weeger.de Herausgeber: Bundesverband der Deutschen Ziegelindustrie e. V., Bonn, 2012 www.ziegel.de Abb. 18: Propsteigebäude in Neukloster Abb. 19: St.-Johannes-Kirche in Schaprode auf Rügen