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Transkript:

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2 Menschenhandel Bundeslagebild 2014 INHALT 1 Vorbemerkung 3 2 Darstellung und Bewertung der Kriminalitätslage 3 2.1 Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung 3 2.2 Menschenhandel zum Zweck der Ausbeutung der Arbeitskraft 8 3 Kriminelle Erträge aus dem Menschenhandel 8 4 Gesamtbewertung 9 Impressum 10

3 Menschenhandel Bundeslagebild 2014 1 VORBEMERKUNG Das Bundeslagebild Menschenhandel enthält in gestraffter Form die aktuellen Erkenntnisse zu Lage und Entwicklung im Bereich des Menschenhandels zum Zweck der sexuellen Ausbeutung sowie des Menschenhandels zum Zweck der Ausbeutung der Arbeitskraft. Die Aussagen hinsichtlich des Menschenhandels basieren auf den Meldungen der Landeskriminalämter zu den im Jahr 2014 abgeschlossenen polizeilichen Ermittlungsverfahren gem. 232, 233, 233a StGB. 2 DARSTELLUNG UND BEWERTUNG DER KRIMINALITÄTSLAGE 2.1 MENSCHENHANDEL ZUM ZWECK DER SEXUELLEN AUSBEUTUNG Rückgang der Ermittlungsverfahren Im Jahr 2014 wurden 392 Ermittlungsverfahren im Bereich des Menschenhandels zum Zweck der sexuellen Ausbeutung abgeschlossen, knapp 8 Prozent weniger als im Vorjahr. Damit bewegt sich die Verfahrenszahl deutlich unter dem Durchschnittswert der letzten fünf Jahre (452 Ermittlungsverfahren). Ermittlungsverfahren nach Bundesländern 2014 13 39 7 22 Abgeschlossene Ermittlungsverfahren 2010-2014 470 482 491 425 392 74 23 50 0 1 68 8 4 368 373 382 353 309 10 6 102 109 109 2010 2011 2012 72 83 2013 2014 Verfahren ausschließlich mit deutschen Opfern Verfahren mit ausländischen und deutschen Opfern Der erneut relativ niedrige Stand der Verfahrenszahlen bedeutet nicht, dass sich die Situation im Bereich des Menschenhandels entspannt hat. Vielmehr ist zu vermuten, dass Probleme im Bereich der Verfahrensführung in Verbindung mit dem in der Praxis schwierig anzuwendenden Straftatbestand für diese niedrigen Zahlen ursächlich sind und daher auf einfacher anzuwendende Straftatbestände ausgewichen wird. 17 0 bis 10 11 bis 20 21 bis 30 31 bis 40 über 40 Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung findet nahezu ausschließlich im Prostitutionsmilieu statt. Die unterschiedliche Belastung der Bundesländer rührt daher, dass Länder mit einem größeren Rotlichtmilieu naturgemäß stärker betroffen sind. 50

4 Menschenhandel Bundeslagebild 2014 Vielfältige Begleitdelikte Im Zusammenhang mit den Ermittlungsverfahren wegen Menschenhandels zum Zweck der sexuellen Ausbeutung wurden folgende Begleit- und Logistikstraftaten polizeilich ermittelt : Gewaltdelikte (94 Ermittlungsverfahren) Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung (82) Freiheitsberaubung (22) Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz (19) Schleusungsdelikte (16) Eigentumsdelikte (9) Fälschungsdelikte (8) Waffendelikte (6) Erneuter Rückgang der Tatverdächtigenzahlen Im Jahr 2014 wurden in den polizeilich abgeschlossenen Verfahren 507 Tatverdächtige und damit 19 % weniger als im Vorjahr (625) registriert. Deutsche Tatverdächtige (24 %) umfassten wie im Vorjahr (28 %) den größten Anteil. Von den 120 deutschen Tatverdächtigen hatten 18 Personen eine abweichende Geburtsstaatsangehörigkeit, darunter türkisch (7) und libanesisch (2). Neben deutschen waren rumänische (21 %, 2013: 15 %) und bulgarische (20 %, 2013: 23 %) Tatverdächtige von Bedeutung. 80 % der Tatverdächtigen waren männlich, 19 % weiblich. 02 Die Zahl der Begleitdelikte hat gegenüber dem Vorjahr geringfügig (- 5 %) abgenommen. 01 Nationalität der Tatverdächtigen 2014 Große Bedeutung der polizeilichen Milieupräsenz Neben der polizeilichen Präsenz im Prostitutionsmilieu ist vor allem die Strafanzeige der Opfer ausschlaggebend für eine mögliche Verfahrensinitiierung. Wie in den Jahren zuvor spielt der Aspekt der Kontaktinitiierung zwischen den Opfern des Menschenhandels und der Polizei eine wichtige Rolle. Dieser resultierte bei den Verfahren des Jahres 2014 in 200 Fällen (51 %) aus polizeilichen Maßnahmen, die in 142 Fällen aufgrund von Hinweisen oder Anzeigen erfolgten. In 58 Fällen ging die Polizei eigeninitiativ oder anlassunabhängig vor. Zu den restlichen Verfahren liegen keine Informationen vor. In 193 Fällen (49 %) wurde der Kontakt durch das Opfer initiiert. Dabei erschienen die Opfer entweder allein (116 Fälle), in Begleitung von Betreuern von Fachberatungsstellen (21) oder in Begleitung sonstiger Dritter wie beispielsweise von anderen Prostituierten oder Freiern (56). Im weiteren Verlauf der Verfahren wurden die Opfer in 128 Fällen (33 %) von Fachberatungsstellen betreut, während dies in 183 Fällen (47 %) nicht der Fall war. In den übrigen Fällen liegen dazu keine Informationen vor. 7 % 13 % 5 % 4 % 6 % 20 % 24 % 21 % Nationalität der Tatverdächtigen 2013-2014 Deutschland Rumänien Bulgarien Sonstige unbekannt/ungeklärt Türkei Ungarn Nigeria 2014 2013 Anzahl % Anzahl % EUROPA 437 86,2 % 555 88,8 % Deutschland 120 23,7 % 176 28,2 % (darunter Geburtsort nicht in Deutschland) (18) (3,6 %) (31) (5 %) Rumänien 106 20,9 % 93 14,9 % Bulgarien 102 20,1 % 144 23 % Türkei 29 5,7 % 21 3,4 % Ungarn 27 5,3 % 38 6,1 % Polen 14 2,8 % 20 3,2 % Sonstige 39 7,7 % 63 10,1 % AFRIKA 20 3,9 % 24 3,8 % darunter Nigeria 18 3,6 % 19 3 % AMERIKA 1 0,2 % -- -- ASIEN 11 2,2 % 12 1,9 % Unbekannt/ungeklärt 38 7,5 % 34 5,4 % Gesamt 507 100 % 625 100 % 01 Mehrfachnennungen möglich. 02 Zu einem Prozent aller Tatverdächtigen erfolgten keine Angaben zum Geschlecht.

Menschenhandel Bundeslagebild 2014 5 Je Ermittlungsverfahren wurden durchschnittlich weniger als zwei Tatverdächtige ermittelt. Es ist aber davon auszugehen, dass sich hinter dem Delikt des Menschenhandels zur sexuellen Ausbeutung durchaus auch komplexe Täterstrukturen und Organisationen verbergen. Es handelt sich um Netzwerke von Zuhältern, Geldwäschern, Urkundenfälschern und teilweise von Schleusern. Diese Erkenntnis resultiert aus dem notwendigen arbeitsteiligen Vorgehen bei der Anwerbung und Auswahl der Opfer, beim Fälschen von Ausweisen und bei der Einreise nach Deutschland aus Drittstaaten (NichtEU-Staaten). Die Anzahl und Bandbreite der Begleit- und Logistikstraftaten verdeutlichen dieses Opferzahlen leicht angestiegen Im Jahr 2014 wurden 557 Opfer des Menschenhandels zum Zweck der sexuellen Ausbeutung ermittelt, knapp 3 % mehr als im Vorjahr. Es handelte sich nahezu ausschließlich um weibliche Opfer (95 %). Nationalität der Opfer 2013 2014 2014 Anzahl % Anzahl % 501 89,9 % 469 86,5 % Rumänien 211 37,9 % 125 23,1 % Bulgarien 89 16,0 % 143 26,4 % Deutschland 88 15,8 % 90 16,6 % Ungarn 40 7,2 % 33 6,1 % Polen 21 3,8 % 19 3,5 % Tschechische Republik 9 1,6 % 11 2,0 % Ukraine 6 1,1 % 3 0,6 % Sonstige 37 6,6 % 44 8,1 % 32 5,7 % 32 5,9 % 18 3,2 % 15 2,8 % 6 1,1 % 4 0,7 % EUROPA AFRIKA darunter Nigeria AMERIKA ASIEN Zwei Drittel der Opfer stammen aus Osteuropa Unbekannt/ungeklärt Wie in den Vorjahren stammte der weit überwiegende Teil (90 %) der Opfer aus Europa. Mehr als zwei Drittel aller Opfer stammten aus Ost- und Südosteuropa, vor allem aus Rumänien und Bulgarien. Der deutliche Anstieg rumänischer Opfer resultiert aus einem Großverfahren in Baden-Württemberg mit fast ausschließlich rumänischen Opfern. Gesamt 165 Deutschland 121 Rumänien 119 Bulgarien 115 Ungarn 53 Nigeria 46 2010 139 1,3 % 9 1,7 % 2,0 % 28 5,2 % 557 100 % 542 100 % 21 88 6 9 40 155 143 98 211 89 128 127 56 7 11 Bedeutende europäische Herkunftsstaaten der Opfer 2014 Entwicklung der Opferzahlen ausgewählter Nationalitäten 2010 2014 211 2013 125 90 89 88 33 40 47 28 13 2011 2012 15 2013 18 2014 Die Begleitumstände der Prostitutionsausübung im Phänomenbereich Menschenhandel unterscheiden sich je nach Herkunftsland der Opfer zum Teil erheblich. Die identifizierten Opfer des Menschenhandels aus Osteuropa (vornehmlich Rumänien und Bulgarien) stammen überwiegend aus schlechten wirtschaftlichen Verhältnissen und sind nicht selten Mitglied einer familiären oder regionalen Clanstruktur. Die Rekrutierung der Opfer sowie die weitere Logistik werden häufig von

6 Menschenhandel Bundeslagebild 2014 Angehörigen dieser Strukturen übernommen. Die enge Einbindung der Opfer in diese Strukturen, verschiedene Bedrohungsszenarien oder die Möglichkeit eines, wenn auch geringen, Verdienstes sind die Hauptgründe für eine oftmals fehlende Aussagebereitschaft der Opfer. Im Jahr 2014 war die Zahl nigerianischer Opfer erneut relativ gering. Trotzdem ist der Bereich des Menschenhandels durch nigerianische Gruppierungen auf europäischer Ebene weiterhin bedeutsam. Die über ganz (West-) Europa verteilten kriminellen Strukturen weisen eine abgeschottete, auf persönlichen Kontakten basierende Organisation aus, die flexibel und zeitnah auf polizeiliche Maßnahmen reagiert. Die Täter agieren grenzübergreifend und verteilen die zumeist jungen Opfer zwischen den EU-Mitgliedstaaten. Einer Statistik von Eurostat 03 zufolge stellen europaweit nigerianische Opfer mit 1.322 identifizierten Opfern die weitaus größte Zahl der Opfer aus EU-Drittstaaten dar, gefolgt von Opfern aus Brasilien (537) und China (504). Anzumerken ist hierbei, dass es sich um Zahlen aller Formen des Menschenhandels handelt, wobei insbesondere nigerianische Frauen überwiegend Opfer der sexuellen Ausbeutung sind. Der Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung zum Nachteil chinesischer Opfer gerät zunehmend in den Fokus europäischer Aktivitäten; im Rahmen der EMPACT 04 -Kooperation wurde ein entsprechendes Unterprojekt eingerichtet. Kriminelle chinesische Tätergruppierungen zeichnen sich durch eine hohe Abschottung sowie eine hierarchische und netzwerkartig aufgebaute Organisationsstruktur aus. Opferaussagen sind in diesem Phänomenbereich sehr schwierig zu erlangen, so dass viele Sachverhalte im Rahmen von Ermittlungsverfahren mit dem Tatvorwurf der Schleusung geführt werden. Altersstruktur der Opfer unverändert Mit 266 Opfern (48 %) war beinahe die Hälfte der Opfer unter 21 Jahre alt. Ursächlich dafür ist mit hoher Wahrscheinlichkeit der Umstand, dass Personen dieser Altersgruppe aufgrund der Strafnormierung des 232 Absatz 1 Satz 2 StGB deutlich einfacher als Opfer von Menschenhandel identifiziert werden können. Ein besonderes Augenmerk liegt wegen ihrer besonderen Schutzbedürftigkeit auf Minderjährigen als Opfer von Menschenhandel. Mit 57 Opfern (10 %) ist ihr Anteil trotz rückläufiger Zahlen noch immer relativ hoch. Die meisten minderjährigen Opfer stammten aus Deutschland (30), gefolgt von Opfern aus Rumänien (8) und Bulgarien (4). Brennpunkt bei den Opfern im Kindesalter war, wie auch in den Vorjahren, Berlin. Alle fünf der unter 14-jährigen Opfer wurden in dort geführten Ermittlungsverfahren festgestellt. Eine mögliche Erklärung hierfür könnte darin liegen, dass Berlin eine Spezialdienststelle für die Bekämpfung dieses Kontrolldelikts eingerichtet hat. Entwicklung der Zahlen minderjähriger Opfer 2010 2014 87 2010 90 2011 100 2012 70 2013 57 2014 Altersstruktur der Opfer ausgewählter Nationalitäten 2014 < 14 Jahre 14 17 Jahre 18 20 Jahre 21 24 Jahre > 24 Jahre unbekannt gesamt N % * N % N % N % N % N % N Gesamt 5 0,9 52 9,3 209 37,5 115 20,6 164 29,4 12 2,2 557 Rumänien 1 0,5 7 3,3 80 37,9 46 21,8 73 34,6 4 1,9 211 Bulgarien -- -- 4 4,5 32 36,0 19 21,3 33 37,1 1 1,1 89 Deutschland 2 2,3 28 31,8 25 28,4 20 22,7 13 14,7 -- -- 88 Ungarn -- -- 2 5,0 31 77,5 6 15,0 1 2,5 -- -- 40 Nigeria -- -- 2 11,1 3 16,7 4 22,2 7 38,9 2 11,1 18 03 Eurostat, Statistical working papers, Trafficking in Human beings, 2014, ISSN 2315-0807. 04 EMPACT = European Multidisciplinary Platform Against Criminal Threats.

7 Menschenhandel Bundeslagebild 2014 Anwerbung und Beeinflussung der Opfer auf vielfältige Art und Weise 05 46 % aller 2014 ermittelten Opfer wurden unter Täuschung zur Prostitutionsausübung verleitet. Dazu zählt auch die Einwirkung auf das Opfer unter Vorspiegelung einer Liebesbeziehung, der sogenannten Loverboy- Methode. 24 % der Opfer gaben an, mit der Aufnahme der Prostitutionsausübung einverstanden gewesen zu sein. 22 % der Opfer wurden professionell angeworben, z. B. durch angebliche Model- und Künstleragenturen oder über Inserate in Zeitungen. Erfahrungsgemäß wurden diejenigen Opfer, die sich mit der Prostitutionsausübung einverstanden erklärten, nicht selten über die tatsächlichen Umstände getäuscht. Vielen ausländischen Opfern wurden hohe Verdienstmöglichkeiten und damit verbunden bessere Lebensbedingungen in Aussicht gestellt. Verschwiegen wurde dabei häufig die Tatsache, dass zunächst ein Schuldenbetrag für z. B. Pass- und Visabeschaffung, Reise-, Verpflegungs- und Unterbringungskosten abzuarbeiten ist, wodurch gezielt ein Abhängigkeitsverhältnis zu den Tätern geschaffen wird. Die Opfer sehen dann keine andere Möglichkeit, als sich auf die Bedingungen einzulassen und der Prostitution nachzugehen. 14 % der Opfer (78 Personen) wurden unter Gewaltanwendung oder androhung zur Prostitution gezwungen. Davon wurde auf 45 Opfer in Form von physischer Gewalt und auf 32 Opfer in Form von psychischer Gewalt eingewirkt 06. Umstände der Prostitutionsausübung 07 Hinsichtlich der Art der Prostitutionsausübung lag der Schwerpunkt wie in den Jahren zuvor auf Wohnungsprostitution (244) sowie Bar- und Bordellprostitution (210). Ebenfalls von Bedeutung waren die Straßenprostitution (56) sowie Haus- und Hotelbesuche (35). Die Erhebung, ob die Prostitutionsausübung der Opfer im Rahmen einer steuer- bzw. gewerberechtlich angemeldeten Tätigkeit erfolgte, ergab, dass 390 Betroffene (70 %) keine Tätigkeit angemeldet hatten. 58 Betroffene (10 %) waren angemeldet; in 109 Fällen (20 %) ist dieser Umstand nicht bekannt. In Deutschland wurden die Aufnahme der Prostitution oder ihre Fortsetzung in jeweils 237 Fällen durch Ausnutzung einer Hilflosigkeit bzw. durch Gewalt, in 199 Fällen durch Ausnutzung einer Zwangslage, in 160 Fällen durch List/Täuschung und in 151 Fällen durch Drohung bewirkt. Zu knapp der Hälfte aller Opfer (43 %) lagen Angaben dazu vor, ob seitens der Täter bzw. aus deren Umfeld auf die Aussagebereitschaft bei Polizei oder Gericht eingewirkt wurde, wobei unter dem Begriff Einwirkung jede Art der direkten oder indirekten Beeinflussung des Opfers selbst oder von dessen Familie zu verstehen ist. Bei 25 % der Opfer, zu denen Angaben vorlagen, wurde auf ihre Aussagebereitschaft eingewirkt, was einen leichten Rückgang gegenüber dem Vorjahr (30 %) darstellt. Ermittlungen in diesem Bereich zeigen, dass die Armut in vielen Herkunftsstaaten ausgenutzt wird, um vor allem junge Frauen der Prostitution zuführen zu können. So ergaben die Ermittlungen in einem Fall, dass eine rumänische Beschuldigte in Deutschland das Lebensmittelgeschäft ihrer Mutter in ihrem Heimatort in Rumänien instrumentalisierte, um dort arme Familien abhängig zu machen. Die Familien im Heimatort der weiblichen Opfer wurden durch Lebensmittelgaben und andere Leistungen unterstützt, während die Opfer die entsprechenden Schulden im Bordell abarbeiteten. In diesem Fall und in vielen vergleichbaren Fallkonstellationen erfahren die Familienangehörigen der Opfer nicht, welcher Tätigkeit diese in Deutschland nachgehen. Daraus ergibt sich zusätzlich eine Situation, welche zur Erpressung der Opfer genutzt werden kann und auch häufig genutzt wird. In Verbindung mit den Schulden bei Zuhältern und/oder Bordellbetreibern, welche für die meist wenig gebildeten Opfer kaum nachvollziehbar sind, ergibt sich eine - subjektiv empfundene - Ausweglosigkeit. 05 Mehrfachnennung möglich. 06 Bei einem Opfer erfolgte keine Konkretisierung der zugefügten Gewalt. 07 Mehrfachnennungen möglich.

8 Menschenhandel Bundeslagebild 2014 2.2 MENSCHENHANDEL ZUM ZWECK DER AUSBEUTUNG DER ARBEITSKRAFT Starker Rückgang von Fällen des Menschenhandels zum Zweck der Ausbeutung der Arbeitskraft Im Jahr 2014 wurden 11 Ermittlungsverfahren (2013: 53) im Bereich des Menschenhandels zum Zweck der Ausbeutung der Arbeitskraft abgeschlossen. Hierbei wurden 16 Tatverdächtige (2013: 23) registriert. In den Verfahren wurden 26 Opfer des Menschenhandels zum Zweck der Ausbeutung der Arbeitskraft ermittelt, deutlich weniger als im Vorjahr (61). Ursächlich für den Rückgang ist, dass in das letztjährige Lagebild ein umfangreiches Sammelverfahren einfloss. Die Zahlen für 2014 bewegen sich wieder auf dem Niveau der Jahre vor 2013. Die überwiegende Anzahl der Opfer im Jahr 2014 stammte aus Bulgarien (9), gefolgt von rumänischen und vietnamesischen (jeweils 5) Staatsangehörigen und wurde überwiegend auf dem Bau (9) und in der Gastronomie (8) eingesetzt. Aufgrund der schwierigen Handhabbarkeit des 233 StGB in der Praxis ist von einem großen Dunkelfeld in diesem Phänomenbereich auszugehen. 3 KRIMINELLE ERTRÄGE AUS DEM MENSCHENHANDEL Menschenhandel ist für die Täterseite lukrativ. Die Opfer erwirtschaften durch Prostitution teilweise mehrere Tausend Euro im Monat. Davon bleiben nur geringe Beträge für die Opfer selbst oder deren Familien in den Herkunftsländern. Der Großteil der Gelder dürfte bei den Hintermännern des Menschenhandels verbleiben. Im Jahr 2014 wurden im Rahmen der in Deutschland geführten Verfahren des Menschenhandels zur sexuellen Ausbeutung und zur Ausbeutung der Arbeitskraft in insgesamt 17 Ermittlungsverfahren im In- und Ausland Vermögenswerte in Höhe von rund 700.000 Euro 08 vorläufig gesichert (2013: rund 550.000 Euro). 08 Quelle: Statistik zu Maßnahmen der Vermögenssicherung bei den Polizeien des Bundes und der Länder sowie des Zollfahndungsdienstes für das Jahr 2014 des Bundeskriminalamtes.

9 Menschenhandel Bundeslagebild 2014 4 GESAMTBEWERTUNG Die Zahl der in Deutschland festgestellten Fälle von Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung ist in den letzten Jahren gesunken und hat im Jahr 2014 den niedrigsten Stand seit dem Jahr 2006 erreicht. Auffallend war ein deutlicher Anstieg bei rumänischen Opfern. Die Mehrzahl der ausländischen Opfer stammt aus EU-Mitgliedstaaten und besitzt somit eine legale Aufenthaltsmöglichkeit in Deutschland. Die damit einhergehenden Schwierigkeiten der Strafverfolgungsbehörden, Opfer des Menschenhandels zu identifizieren und entsprechende Ermittlungen gegen die Täter einzuleiten, sind bekannt und unverändert. Der Personalbeweis in Form von belastenden Aussagen der Opfer ist weiterhin von zentraler Bedeutung und damit auch die Opferbetreuung und Zusammenarbeit der Strafverfolgungsbehörden mit den Nichtregierungsorganisationen. Gleichzeitig besteht ein noch immer hohes Wohlstandsgefälle zwischen den EU-Mitgliedstaaten Osteuropas und Deutschland, welches den Menschenhandel begünstigt. Polizeiliche Kontrollmaßnahmen sind nach wie vor von großer Bedeutung für die Identifizierung von Opfern und die Aufhellung des Dunkelfeldes beim Menschenhandel. Die Polizei kann diesem Phänomen jedoch nicht allein begegnen. Entscheidend ist ein vernetzter Ansatz von Sicherheitsbehörden, Justiz, kommunalen Behörden und Fachberatungsstellen im Sinne einer ganzheitlichen Bekämpfung des Menschenhandels. Mit einer zu erwartenden Regulierung der Prostitution im Rahmen eines Gesetzes dürften sich die Rahmenbedingungen im Prostitutionsmilieu mittel- bis langfristig verändern. Mit Einführung von Erlaubnispflichten und Kontrollmöglichkeiten könnten sich insbesondere auch die Ausbeutungsmöglichkeiten von Prostituierten nachhaltig verringern. Auch die aktuelle Gesetzesinitiative zur Umsetzung der Richtlinie 2011/36/EU wird Einfluss auf die künftige Lageentwicklung des Menschenhandels in Deutschland haben. So sollen unter anderem Fälle des Menschenhandels zum Zweck der Ausnutzung strafbarer Handlungen und der erzwungenen Dienstleistungen, einschließlich Bettelei sowie der Organentnahme in die Strafvorschrift aufgenommen werden. Erste Erfahrungen aus anderen europäischen Staaten, welche die Richtlinie bereits umgesetzt haben, weisen auf ein umfangreiches Ausmaß der organisierten Bettelei hin. Es ist davon auszugehen, dass insbesondere in deutschen (Groß)Städten ähnlich ausgeprägte Strukturen vorhanden sind und somit sowohl die Fallzahlen als auch die Zahlen der Tatverdächtigen und Opfer im Bereich Menschenhandel steigen werden. Die Bekämpfung des Menschenhandels wird auch auf europäischer Ebene (EMPACT) weiter im Fokus der EU- Politik bleiben, was auch Einfluss auf die Kriminalitätsbekämpfung in Deutschland haben wird. Im Bereich des Menschenhandels zur Ausbeutung der Arbeitskraft war ein deutlicher Rückgang der Verfahrenszahlen festzustellen. Die geringen, auf dem Niveau der Jahre vor 2013 befindlichen Fallzahlen lassen sich auf die weiterhin schwierige Handhabbarkeit des 233 StGB in der Praxis zurückführen.

IMPRESSUM Herausgeber Bundeskriminalamt 65173 Wiesbaden Stand 2014 Druck BKA Bildnachweis Fotos: Polizeiliche Quellen

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