Rheumatologie. Zeitschrift für. Elektronischer Sonderdruck für. H. Thabe. Endoprothetische Versorgung der rheumatischen Fingergelenke



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Zeitschrift für Rheumatologie Elektronischer Sonderdruck für Ein Service von Springer Medizin Z. Rheumatol. 2011 70:400 405 DOI 10.1007/s00393-011-0798-2 Springer-Verlag 2011 zur nichtkommerziellen Nutzung auf der privaten Homepage und Institutssite des Autors Endoprothetische Versorgung der rheumatischen Fingergelenke www.zeitschriftfuerrheumatologie.de

Leitthema Z Rheumatol 2011 70:400 405 DOI 10.1007/s00393-011-0798-2 Online publiziert: 23. Juni 2011 Springer-Verlag 2011 Redaktion J. Grifka, Bad Abbach W. Rüther, Bad Bramstedt Klinik für Orthopädie und Rheumaorthopädie, Diakonie Krankenhaus, Bad Kreuznach Endoprothetische Versorgung der rheumatischen Fingergelenke Neben den Handgelenken gehören die Fingergelenke zu den häufigsten von der chronischen Polyarthritis befallenen Extremitätengelenken. Die synoviale Schwellung manifestiert sich bereits frühzeitig zu 30 35% im Sinne der Erstlokalisation an den Fingergrund- und -mittelgelenken [26]. Der isolierte und auch der Mitbefall des Daumensattelgelenks sind eher eine Seltenheit. Die Frühmanifestation der rheumatoiden Arthritis (RA) findet sich in den Beugesehnenscheiden der Hohlhand, noch ehe synoviale Schwellungen streckseitig über den Hand- und Fingergelenken sichtbar werden. Der Beugesehnenbefall beeinflusst die Fingerfunktion wesentlich. Im Laufe der Erkrankung werden dann die Fingergelenke zu über 90% vom rheumatischen Entzündungsprozess betroffen, wobei die MCP-Gelenke mit 80% häufiger befallen sind als die Fingermittelgelenke mit 63% [26]. Entzündliche bzw. destruktive Veränderungen der DIP-Gelenke sind eher bei der Polyarthrose anzutreffen. Beim Vollbild der chronischen Polyarthritis finden sich zu 50 65% typische entzündliche Veränderungen der Sehnen und Sehnenscheiden [8, 15]. Dieses Vollbild tritt im Zeitalter der Biologicals nicht mehr so häufig in Erscheinung, sodass auch frühe destruktive Veränderungen an den Gelenken und dadurch operative Synovektomien in den vergangenen Jahren immer seltener geworden sind. Die rheumaorthopädische operative Intervention verlagert sich zunehmend in den Bereich der rekonstruktiven Eingriffe; präventive Eingriffe werden leider erst sehr spät bei manifesten Läsionen am Kapselbandapparat und den Gelenken operativ korrigiert. Aber gerade im Bereich der Fingergelenke sind präventive Korrekturen zur Vermeidung von Destruktion und Deviation vom Erhalt der Bindegewebsstrukturen abhängig. Differenzialdiagnose rheumatischer Fingerdeformitäten Die frühe Beugesehnensynovitis imponiert klinisch durch synoviale Schwellungen der proximalen und distalen Beugesehnenfächer mit tastbarer Verdickung und Krepitation, proximal als typisches Engpasssyndrom des N. medianus und Thenaratrophie in bis zu 60% der Fälle [18, 25], distal als Verklebungen der Sehnen und Sehnenscheiden mit Behinderung des Sehnengleitmechanismus sowie entsprechenden schmerzhaften Funktionsstörungen der Langfinger (. Abb. 1). Abb. 1 9 Beugesehnenbefall, intratendinös, auch mit Irritation des Ringbands Kontrakte Beugesehnenveränderungen sollten immer vor einer endoprothetischen Versorgung der Fingergelenke korrigiert werden, da sie ansonsten die Ergebnisse der Prothesenimplantationen erheblich verschlechtern. Bei der stenosierenden distalen Beugesehnensynovitis sollte die stabilisierende Funktion der Ringbänder beachtet werden. Die Artikulotenosynovitis ist Wegbereiter für Gelenkdeformierungen und die ulnare Deviation der Langfinger mit einer volaren Subluxationsstellung bzw. Luxationsstellung der Fingergrundgelenke, die letztlich in der Schwanenhalsdeformierung endet. > Die Artikulotenosynovitis ist Wegbereiter für Gelenkdeformierungen und die ulnare Deviation der Langfinger Die zweithäufigste rheumatische Fingerdeformität mit einer Inzidenz von etwa 36% [4, 9] ist die Knopflochdeformität. Die Funktionseinbußen durch die Knopflochdeformität sind anfänglich nur gering, da lange Zeit wichtige Fingerfunktionen wie der Faustschluss erhalten bleiben und Spitz- und Breitgriff dank der Überstreckung des Fingerendgelenks möglich bleiben. Wesentlich einschneidendere Funktionseinbußen resultieren aus der Schwanenhalsdeformität. Differenzialdiagnostisch abzugrenzen von den chronisch-entzündlichen Fingergelenkerkrankungen sind die sog. Fingergelenkpolyarthrosen mit dem gehäuften isolierten Befall der DIP-, PIP-, MCCund STT-Gelenke. 400 Zeitschrift für Rheumatologie 5 2011

Zusammenfassung Abstract Die synoviale Hypertrophie führt primär über die entzündliche intraartikuläre Druckerhöhung [7] zu einer Überdehnung und Schwächung der kapsuloligamentären Strukturen. Die Folgen sind eine auf artikulärer Ebene beginnende volare Subluxation der Grundphalanx und eine ulnare Deviation der Langfinger. Einmal überdehnte Bindegewebsstrukturen können nur noch operativ suffizient korrigiert werden, gerade deshalb ist die rechtzeitige Indikation zu stellen. Die Überdehnung bzw. Perforation der Streckerkappe (. Abb. 2), das palmare Abrutschen der volaren Platte, die Retraktion der Intrinsic-Muskulatur [16] und sekundäre knöcherne Destruktionen der palmaren Abschnitte des Metacarpale-Köpfchens führen schließlich zur Überspannung des Streckapparats und zur Schwanenhalsdeformität. Bei zusätzlichen Gelenkdestruktionen können ungekoppelte Endoprothesen als Gelenkersatz implantiert werden. Die Ergebnisse stehen und fallen aber mit dem Erfolg der Weichteilrekonstruktion. E Ursache der Knopflochdeformität der Langfinger ist meistens eine Destruktion des Streckapparats auf Höhe des Fingermittelgelenks. Die synoviale Hypertrophie mit Ausbildung sog. Synovialhernien und Infiltration des Sehnengewebes führt zur mechanischen Überdehnung bzw. progressiven Destruktion des zentralen Streckerzügels einschließlich der deszendierenden, aszendierenden und transversalen Verbindungsfasern zum seitlichen Streckerzügel [13, 17]. Mit fortschreitender Überdehnung der Streckerkappe rutschen die seitlichen Streckerzügel nach volar, wirken primär als Beuger und verstärken die Beugefehlstellung des PIP-Gelenks. Solange diese Deformationen noch passiv korrigierbar sind, sind Weichteilmaßnahmen noch erfolgversprechend, danach sind nur noch aufwändige Rekonstruktionen und plastischer Ersatz möglich. Der Daumen ist für 40 50% der Handgelenkfunktion verantwortlich [2, 12, 13, 19], deshalb wiegt gerade hier ein Funktionsverlust besonders schwer. Die 90-90-Deformität (Typ 1; [13]) ist gekennzeichnet durch ein Streckdefizit im Daumengrundgelenk mit sekundärer Überstreckung im Interphalangealgelenk, vergleichbar der Knopflochdeformität der PIP-Gelenke. Die Schwanenhalsdeformierung des Daumens (Typ II) ist geprägt durch die destruktiven Veränderungen des Daumensattelgelenks. Neben der muskulären Dysbalance im MCC-Gelenk ist die Überstreckung des Daumengrundgelenks auch im Sinne eines Kompensationsmechanismus zu interpretieren. Die ulnare Seitenbandinstabilität des Daumengrundgelenks hat im Wesentlichen traumatische Ursachen (Skidaumen). Im Vordergrund für die Indikation zur rheumaorthopädischen Versorgung stehen somit der Schmerz und das Funktionsdefizit. Kosmetische Aspekte spielen eine untergeordnete Rolle. Fingergelenkdeformierungen allein sind keine zwingende Operationsindikation, solange sie funktionell kompensiert werden können. Versorgungsmöglichkeiten Die Fingergrundgelenke spielen eine entscheidende Rolle für die Funktion und Stabilität der Langfinger. Die Kenntnis der multifaktoriellen Pathologien auf der Ebene der Fingergrundgelenke mit nachfolgender Ulnardeviation und volarer Subluxationsstellung machen ein differenziertes stadienabhängiges Therapiekonzept erforderlich. Bei stabilen Achsverhältnissen im Handgelenk und ulnarer weichteilbedingter Abweichung in der MCP-Reihe kann die Intrinsic-Plus-Deformierung durch ein Release der Intrinsic-Muskulatur sowie einen Transfer auf die radiale Seite der Streckerkappe korrigiert werden [24]. Diese weichteilkorrigierenden Maßnahmen werden mit einer kompletten und radikalen Synovektomie kombiniert. In den fortgeschrittenen Stadien 4 und 5 müssen sie mit einer Resektionsinterpositions- oder Alloarthroplastik kombiniert werden. Bei der Resektions- oder Resektionsinterpositionsarthroplastik erfolgt eine möglichst sparsame Knochenresektion, kombiniert mit einem Weichteilinterponat. Heute hat die Resektionsinterpositionsarthroplastik nur noch ein begrenz- Z Rheumatol 2011 70:400 405 DOI 10.1007/s00393-011-0798-2 Springer-Verlag 2011 Endoprothetische Versorgung der rheumatischen Fingergelenke Zusammenfassung Ein achsstabiles Handgelenk, sei es arthrodesiert, im Krankheitsverlauf ankylosiert oder auch mit einer stabilen Prothesenimplantation versorgt, ist biomechanisch eine wichtige Voraussetzung für gute Fingergelenkfunktionen. Der destruierende Befall der Weichteile an den Fingergelenken kann nicht allein durch prothetische Maßnahmen korrigiert werden. Die Qualität der Endoprothesenversorgung hängt im Wesentlichen von der Rekonstruierbarkeit auch der Weichteile ab. Anderenfalls sind nur noch Arthrodesen Methoden der Wahl, um eine ausreichende Restfunktion der Finger zu gewährleisten. Die gekoppelte Silastikprothesenversorgung bleibt in späten Versorgungsstadien Goldstandard. Mit ungekoppelten Systemen lassen sich nur mit guten Weichteilrekonstruktionen in früheren Stadien gute Ergebnisse erzielen. Resektionsarthroplastiken bleiben eine Ausnahme und sind nur für das Daumensattelgelenk Standard. Schlüsselwörter Fingergelenke Swanson-Silastik-Prothese Rheumatoide Arthrirtis Resektionsinterpositionsarthroplastiken Arthrodesen Endoprosthetic replacement of rheumatoid finger joints Abstract Resection arthroplasty, arthrodesis and prosthetic reconstruction are able to guarantee the maintenance of good functional ability of finger joints even in late stages and with severe destruction. Destruction of soft tissues of the finger joints cannot be corrected by prosthetic measures alone. A stabile situation of the wrist joint is one of the most important prerequisites for a normal performance of daily life activities. Silastic endoprostheses are still the gold standard for finger replacement in rheumatoid arthritis. Keywords Finger arthroplasty Silastic prosthesis Resection arthroplasty Rheumatoid arthritis Arthrodesis Zeitschrift für Rheumatologie 5 2011 401

Leitthema Abb. 3 9 Präoperativer Funktionsbereich und Bewegungsausmaß (blau), postoperativer Bereich in Langzeitergebnissen (rot) Abb. 2 8 Perforation der Streckerkappe MCP2 durch synoviale Destruktion Abb. 4 8 Zuggurtungsarthrodese für die PIP- Gelenke, Swanson-Ep im MCP-2-Gelenk Abb. 5 8 DIP-Arthrodese mit durchbohrter 2-mm-Kompressionsschraube tes Indikationsspektrum bei extrem luxierten, knöchern fixierten Fehlstellungen der Fingergrundgelenke oder sehr schlechten Knochenqualitäten sowie als Rückzugsmöglichkeit nach Prothesenfehlschlägen [20]. Die Swanson-Silastic-Prothese als dynamischer Platzhalter stabilisiert das Gelenk und vermeidet einen Längenverlust, bis das sich neu entwickelnde kapsuloligamentäre System ( encapsulation process ) die Gelenkführung übernimmt [21]. Dadurch lässt sich eine Verbesserung der Fingerfunktion durch Schmerzreduktion, Korrektur der Fehlstellung und Verlagerung des Bewegungsumfangs in einen funktionell günstigeren Bereich erzielen (. Abb. 3). Bewegungsausmaße von 0/15/60 sind im Langzeitverlauf erreichbar [24]. Andere Autoren [5, 4, 18] haben versucht, echte Prothesenkonstruktionen mit unterschiedlichsten Gleitpaarungen zu entwickeln, jedoch ohne entscheidenden Vorteil. Biomechanische Komplikationen bezüglich der Prothesenverankerung bei schlechter Qualität des rheumatischen Knochens und Abriebprobleme waren ein häufiges Problem, sodass auch heute noch die Swanson-Alloarthroplastik als Goldstandard in der prothetischen Versorgung der MCP-Gelenke angesehen werden kann, an der sich neue Prothesenentwicklungen zu orientieren und im Langzeitverlauf zu bewähren haben. Etwa 34 39% des physiologischen Bewegungsradius der Finger entfallen auf die PIP-Gelenkreihe. Mit Fortschreiten der entzündlichen Destruktionsprozesse steht die Synovektomie mit einer Raffung oder ggf. transossären Refixation des zentralen Streckzügels im Vordergrund. Bei Defekten muss der zentrale Streckzügel rekonstruiert werden, sei es nach Matev [11] oder Heywood [6]. Der Erfolg einer zusätzlichen endoprothetischen Versorgung ist abhängig von der Qualität der Weichteilrekonstruktion. Die fixierte Knopflochdeformität ist eine Domäne der Alloarthroplastik oder der Arthrodese. Die Differenzialindikation ist abhängig vom Grad der Kontraktur, der Knochenqualität und der Rekonstruierbarkeit der Streckerkappe. Ist das distale Interphalangealgelenk instabil und oder knöchern destruiert, bietet sich eine Kombination aus PIP-Arthroplastik mit einer DIP-Arthrodese an. Im Zweifelsfall bzw. bei schwer fixierter Knopflochdeformität ist der Arthrodese der Vorzug zu geben. Die Arthrodesen sollten in den einzelnen Gelenken mit folgender Flexion eingestellt werden: F in 40- bis 45-Grad-Flexion im PIP-2- Gelenk, F 45 50 (PIP 3), F 50 55 (PIP 4), F 55 60 (PIP 5). Die Fixation kann durch 2 parallele Kirschner-Drähte mit anschließender Zuggurtung, in AO-Schraubentechnik oder auch mittels von Shapiro-Staples erfolgen (. Abb. 4). Im DIP-Gelenk bietet die durchbohrte, versenkbare Kompressionsschraube eine elegante Fixationsmöglichkeit (. Abb. 5). Bei der korrigierbaren Schwanenhalsdeformität gelingt es, die PIP-Synovektomie mit einer Dermodese oder Tenodese und in Einzelfällen mit einer DIP-Arthrodese zu kombinieren. Im kontrakten Fall muss die Verkürzung des Streckzügels beseitigt werden. Ist ein weitgehendes Release mit Verlängerung des Streckzügels nicht machbar, ist die Arthrodese Methode der Wahl. Die Ursache für die Schwanenhalsdeformität liegt in Höhe der MCP-Gelenke mit Subluxation und Streckhemmung. In den fortgeschrittenen 402 Zeitschrift für Rheumatologie 5 2011

Leitthema Abb. 6 8 PIP-Arthroplastik mit Swanson-Implantat, gleichzeitige DIP-Zuggurtungsarthrodese mit temporärer Kirschner-Draht-Fixation Abb. 7 8 IP-Schraubenarthrodese: MCP 2 und 3 mit Swanson-Prothesen versorgt; MCP 4 und 5 mit zementierten, bereits nach 3 Jahren gelockerten Englert-Implantaten versorgt Abb. 8 8 Suspensionsinterpositionsarthroplastik nach Epping Destruktionsstadien 4 und 5 nach LDE ist die Kombination einer Alloarthroplastik der MCP-Gelenke ein- oder zweizeitig mit einer PIP-Gelenk-Arthrodese sinnvoll (. Abb. 6). Um das Problem der ungenügenden Stabilität der Swanson-Prothesen zu lösen, wurden gerade für Knochendefekte bei becherförmigen Mutilationen Grommets entwickelt, die eine Knochenregeneration induzieren sollten. Diese Option hat sich in den Langzeitergebnissen nicht nachweisen lassen. So wurden metallische, Metall-Polypropylen- und Pyrocarbon-Gelenkpaarungen zur Versorgung der PIP-Gelenke entwickelt, die sich aber alle nicht bewährt haben [3]. Die ideale Fingergelenkprothese ist bisher nicht verfügbar. Die Prothesenentwicklungen mit gekoppelten oder teilgekoppelten Konstruktionen konnten keine Verbesserung gegenüber den Swanson-Silastic-Implantaten aufzeigen und sind zudem mit einer Vielzahl biomechanischer Komplikationen verbunden (. Abb. 7). Bei seronegativen Arthritiden, insbesondere bei Spondylitis ankylosans, Kollagenosen und Psoriasisarthritis, ist Zurückhaltung bei der PIP-Gelenk-Arthroplastik angezeigt. Wir sehen insbesondere in diesem Krankengut eine ausgeprägte Tendenz zu Kontrakturen und periartikulären Verkalkungen mit Einsteifung und nachfolgendem unbefriedigendem Bewegungs- und Funktionsbild der Fingermittelgelenke. In Fällen fortgeschrittener radiologischer Destruktionen, Instabilität, Deviation und Subluxation des Endglieds ist die DIP-Arthrodese in Neutral- bis 10-Grad- Flexions-Stellung das Mittel der Wahl, um einen kräftigen Spitz- und Dreipunktegriff zu gewährleisten. > Bei fortgeschrittenen radiologischer Destruktionen, Instabilität, Deviation und Subluxation des Endglieds ist die DIP-Arthrodese Mittel der Wahl Daumen Daumensattel-, -grund- und IP-Gelenk bilden eine funktionelle Einheit, wobei dem Daumensattelgelenk eine Schlüsselfunktion zukommt, da hier entzündlichdestruktive Veränderungen zu erheblichen Funktionseinbußen [1] führen. Die operative Versorgung des Daumensattelgelenks wird demzufolge fast ausschließlich in den späten Destruktionsstadien, häufig bei Kombination mit fortgeschrittener Schwanenhalsdeformität notwendig werden. Die Behandlung des rheumatisch destruierten Daumensattelgelenks umfasst grundsätzlich 2 Operationsoptionen: F Resektionsarthroplastik mit oder ohne Sehneninterposition, F Interpositionsarthroplastik mit einem Silastic-Interponat. Alternativ zur Suspensionsarthroplastik nach Epping (. Abb. 8) verwendeten wir die Silastic-Interponate von Swanson (früher Kessler-Implantate), die die Basis des Metacarpale 1 in eine kugelige Gelenkfläche umformten. Da diese Interponate nicht mehr industriell angeboten werden, lässt sich durch die Suspensionsplastik nach Epping eine sichere und langfristige Stabilisierung des 1. Mittelhandknochens durch transossäre Verlagerung der hälftigen Sehne des Flexor carpi radialis im Sinne der Verstärkung bzw. Rekonstruktion der intermetakarpalen Bandverbindungen erzielen [24]. Die Arthrodese des Daumensattelgelenks ist bei der RA aufgrund des häufigen oder zumindest zu erwartenden polyartikulären Befalls der gesamten Gelenkkette kontraindiziert [4, 14] Die von Swanson [23] zur Behandlung der Rhizarthrose propagierte Resektionsarthroplastik mit Trapezium-Spacer-Interposition ist für die RA nicht zu empfehlen. Zementiert verankerte, starre Implantate haben sich ebenfalls aufgrund der biomechanischen Komplikationen und der Verankerungsproblematik im rheumatischen Knochen nicht bewährt. Bei mäßiger Knopflochdeformität mit aktivem Streckdefizit im Grundgelenk und Überstreckung im Daumenendgelenk, bei intakten Gelenkflächen im MCP- 1-Gelenk und erhaltener Seitenbandstabilität ist die Tenodeseoperation nach Nalebuff [12] die Methode der Wahl. In den fortgeschrittenen LDE-Stadien 4 und 5 sind es insbesondere die schweren, passiv nicht korrigierbaren Knopflochdeformitäten oder Instabilitäten des MCP-Gelenks, die eine Arthrodese erfor- 404 Zeitschrift für Rheumatologie 5 2011

derlich machen. Dabei ist auf eine ausreichende Oppositionsstellung für den Spitzgriff zu achten. Durch die Korrektur der Flexionsfehlstellung lässt sich häufig die Überstreckung im IP-Gelenk ausgleichen und somit die wichtige Beweglichkeit im IP-Gelenk erhalten [10]. Bei schwerer Instabilität und Luxationsstellung des Endglieds ist allerdings, insbesondere bei Mutilanzformen, die Doppelarthrodese nicht zu vermeiden. Prinzipiell ist auch eine Alloarthroplastik des Daumengrundgelenks möglich. Swanson [22] sieht die Indikation für die Alloarthroplastik bei Ankylose der proximalen und distalen Gelenke oder für die Knopflochdeformität, die mit einer Arthrodese des IP-Gelenks kombiniert werden muss. Die Arthrodese des MCP-1-Gelenks gewährleistet eine gute Stabilität, Schmerzreduktion und ein akzeptables Funktionsergebnis und gilt nicht umsonst als eine der erfolgreichsten rheumaorthopädischen Handoperationen. Für eine Wiederherstellung der Fingerfunktion in einem alltagstauglichen Funktionsbereich sind das stabile Handgelenk und rekonstruierbare Weichteilverhältnisse an den Fingergelenken unabdingbare Voraussetzungen. Dabei stehen die endoprothetischen Versorgungen an den Fingergrundgelenken im Vordergrund des operativen Vorgehens. Eine Ausnahme bildet dabei das Daumensattelgelenk: Hier zeigen die Resektionsarthroplastiken langfristige und solide Ergebnisse mit optimaler Daumenfunktion. An den Fingermittel- und -endgelenken ist späten Stadien bei fortgeschrittenen Weichteildefekten der Arthrodese der Vorzug zu geben. Fazit für die Praxis Da sich die rheumaorthopädische operative Intervention an den Fingergelenken zunehmend in den Bereich der rekonstruktiven Eingriffe verlagert, werden dringende präventive Eingriffe leider erst sehr spät bei manifesten Läsionen am Kapselbandapparat und den Gelenken operativ korrigiert. Aber gerade im Bereich der Fingergelenke sind präventive Korrekturen zur Vermeidung von Destruktion und Deviation vom Erhalt der Bindegewebsstrukturen abhängig. Sind Bindegwebsstrukturen nicht mehr verlässlich rekonstruierbar, reduziert sich das operative Spektrum auf gekoppelte Varianten von Gelenkersatzmöglichkeiten. Hier bleibt die Silikon-Spacer-Versorgung die Methode der Wahl. Korrespondenzadresse Prof. Dr. Klinik für Orthopädie und Rheumaorthopädie, Diakonie Krankenhaus Ringstr. 64, 55541 Bad Kreuznach info@orthopaedie-kh.de Interessenkonflikt. Der korrespondierende Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht. Literatur 1. Burton RL (1973) Basal joint arthrosis of the thumb. Orthop Clin North Am 4:331 338 2. Clayton ML (1960) Surgery of the thumb in R.A. Clin Orthop 16:136 140 3. Dryer RF, Blair MD, Shurr DG, Buckwalter JA (1984) Proximal interphalangeal joint arthroplasty. Clin Orthop Relat Res 185:187 194 4. 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