Arbeitsrecht aktiv Arbeitsrecht optimal gestalten und erfolgreich anwenden 01.06.2010 Beratungspraxis Bildungsurlaub - Das müssen Sie wissen! von RiArbG Dr. Guido Mareck, Iserlohn Gerade in Zeiten der Krise bleibt die Fortbildung der ArbN wichtig. Für den Bildungsurlaub regeln die Arbeitnehmerweiterbildungsgesetze (kurz: AWbG) der einzelnen Bundesländer NRW, Hessen, Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen- Anhalt und Schleswig-Holstein die Voraussetzungen, unter denen Bildungsurlaub zur politischen und/oder beruflichen Bildung genommen werden kann. Diese sind in Bezug auf bezahlten Bildungsurlaub in den einzelnen Landesgesetzen nahezu identisch geregelt, sodass hier exemplarisch vom AWbG-NRW ausgegangen wird. Nur in Kleinbetrieben mit weniger als zehn ArbN ist nach 2, 3 AWbG dem ArbG die Gewährung von Bildungsurlaub freigestellt. In allen größeren Betrieben besteht ein Rechtsanspruch des ArbN, der im Einzelnen dezidiert geregelt ist. Für welche Veranstaltungen ist Bildungsurlaub möglich? Nach 1, 9 AWbG gelten nur solche Veranstaltungen für den Bildungsurlaub als anerkannt, die der beruflichen und/oder der politischen Weiterbildung dienen. Dabei muss das Seminar folgende Voraussetzungen erfüllen: Voraussetzungen für Bildungsurlaub Das Seminar muss innerhalb Deutschlands stattfinden (Ausnahmen gelten aber für Seminare in den Niederlanden, Belgien, dem grenznahen französischen Straßburg oder Luxemburg), von einer anerkannten Einrichtung nach den Regeln des AWbG durchgeführt werden (s.u.) und insbesondere allgemein zugänglich sein. Diese Jedermann-Zugänglichkeit der Veranstaltung muss etwa in Annoncen oder Angaben im Internet oder Programmheften klar hervortreten. Sie ist auch zu bejahen, wenn ein gewerkschaftlicher Veranstalter mit Rücksicht auf geleistete Mitgliedsbeiträge den Gewerkschaftsmitgliedern die Erstattung der Hotelkosten in Aussicht stellt.
Politische Arbeitnehmerweiterbildung liegt vor, wenn das Verständnis der Beschäftigen für gesellschaftliche, soziale und politische Zusammenhänge verbessert und dadurch die Mitsprache und Mitverantwortung im Staat durch Gesellschaft und Beruf gefördert wird. Eine berufliche Arbeitnehmerweiterbildung liegt insbesondere vor, wenn die berufsbezogene Handlungskompetenz gefördert und die berufliche Mobilität durch das Seminar verbessert wird. Dabei ist der Seminarinhalt nicht auf die bisher ausgeübte berufliche Tätigkeit beschränkt, er muss aber zumindest zu einem mittelbar wirksamen Vorteil des ArbG verwendet werden können. Ob diese Voraussetzungen im Einzelnen vorliegen, ergibt sich im Wesentlichen aus dem Seminarablaufplan und den Erläuterungen des jeweiligen Veranstalters. Nicht der beruflichen und/oder politischen Bildung dienen Veranstaltungen, die auf Erholung und Erhaltung, private Haushaltsführung, Körper- und Gesundheitspflege, künstlerische, sportliche oder kunsthandwerkliche Zwecke ausgerichtet sind. Beispiele: Kein Anspruch auf Bildungsurlaub Veranstaltung für Anlage und Pflege von Hecken in der freien Landwirtschaft Mit dem Fahrrad auf Gesundheitskurs Rund um den ökologischen Alltag Das Meer - Ressource und Abfalleimer an der Costa Brava Studienseminar auf Kuba Sind die Voraussetzungen erfüllt, hat der ArbN Anspruch auf bezahlte Freistellung zum Besuch der Bildungsveranstaltung. Das Arbeitsentgelt ist nach den Regelungen des EFZG für diesen Zeitraum weiterzuzahlen, ohne dass die Zeit der Veranstaltung auf den Erholungsurlaub angerechnet werden darf, der anderen Zwecken als dem Bildungsurlaub dient. Welche Träger sind anerkannt? Das Seminar muss durch eine Volkshochschule oder eine nach dem Weiterbildungsgesetz anerkannte Einrichtung durchgeführt werden. Achtung: Die Anerkennung einer Einrichtung nach dem AWbG erfolgt durch einen Bescheid des Ministeriums für Schule und Weiterbildung, Wissenschaft und Forschung bzw. im Fall der Übertragung durch die Bezirksregierung. Daher sollte dieser Bescheid in der Bildungseinrichtung abgefragt werden. Das Seminar muss darüber hinaus durch die anerkannte Einrichtung durchgeführt werden und darf nicht lediglich nur in deren Namen stattfinden. Das bedeutet, dass die anerkannte Einrichtung bestimmenden Einfluss über das Ob und Wie der Veranstaltung, also deren Inhalte und die Person der Referenten hat. Dieser Einfluss darf nicht bei den Kooperationspartnern liegen. Ob dies der Fall ist, ergibt sich aus dem Anerkennungsbescheid und gegebenenfalls aus Seminarablaufplänen. Wer hat Anspruch auf Bildungsurlaub?
Grundsätzlich haben nach 2, 3 AWbG ArbN, deren Beschäftigungsverhältnisse ihren Schwerpunkt in Nordrhein-Westfalen haben, entsprechend nach dem AWbG der eingangs erwähnten weiteren Bundesländer dort, Anspruch auf fünf Tage Bildungsurlaub pro Jahr, womit Arbeitstage gemeint sind. Gleichgestellt sind den ArbN die in Heimarbeit Beschäftigten, ihnen Gleichgestellte und arbeitnehmerähnliche Personen. Der Anspruch entsteht nach einer Beschäftigungszeit von sechs Monaten und hängt von Betriebsgröße und eventueller eigener Bildungsveranstaltungstätigkeit des Betriebs ab, die im Umfang von bis zu zwei Tagen auf die fünf Arbeitstage des AWbG angerechnet werden kann. Dies gilt jedoch nur, wenn der ArbG eigene Bildungsveranstaltungen in dem Jahr durchführt, in dem Bildungsurlaub genommen werden soll und die ArbN hierfür unter Fortzahlung der Vergütung freistellt. Eine solche Anrechnung erfolgt hingegen nicht automatisch oder zwingend. Nicht anrechenbar sind Seminare, die ausschließlich der beruflichen Tätigkeit dienen, für die der ArbN gerade nicht freigestellt wird und deren Teilnahme zwingend ist. Darüber hinaus haben in Betrieben mit weniger als zehn Beschäftigten die ArbN keinen Rechtsanspruch auf Freistellung für Bildungsurlaub. In diesen Betrieben ist Bildungsurlaub nur eine freiwillige Leistung des ArbG. In Betrieben von zehn bis fünfzig Beschäftigten gilt eine Belastungsgrenze von maximal 10 Prozent. Dies bedeutet konkret, dass maximal zehn Prozent der ArbN pro Kalenderjahr im Betrieb Bildungsurlaub beantragen können. Es muss also vor dem in Aussicht genommenen Bildungsurlaub abgeklärt werden, ob schon 10 Prozent der ArbN im laufenden Kalenderjahr für Arbeitnehmerweiterbildung freigestellt wurden. Bei Ausschöpfung des Kontingents ist eine Teilnahme nur möglich, wenn der ArbG sie ausdrücklich genehmigt. Bei der Verweigerung durch den ArbG muss der ArbN für dieses Jahr verzichten und für das nächste Jahr eine Bildungsurlaubsveranstaltung aussuchen, die früher im Jahr liegt, um dann bei den ersten zehn Prozent zu sein. Betriebe mit mehr als fünfzig Beschäftigten unterliegen hinsichtlich der Gewährung von Bildungsurlaub keinen Einschränkungen. Wie lang darf der Bildungsurlaub dauern? Die fünf Arbeitstage im Kalenderjahr brauchen nicht zusammenhängend genommen werden. Geeignet sind Seminare, die in der Regel an mindestens drei aufeinanderfolgenden Tagen stattfinden. Der jährliche Anspruch auf Bildungsurlaub verfällt am Jahresende, wenn Bildungsurlaubstage aus zwei Jahren nicht zusammengefasst genommen werden. Falls beabsichtigt ist, zehn Tage Bildungsurlaub aus zwei Jahren zu nehmen, kann dies in Absprache mit dem ArbG im Rückgriff auf das vergangene Jahr oder im Vorgriff auf das künftige Jahr erfolgen. Der ArbN kann hingegen die Übertragung der fünf Tage aus dem laufenden ins kommende Kalenderjahr gegen den Willen des ArbG nur beanspruchen, wenn dies ausdrücklich noch im laufenden Jahr erklärt wird (BAG NZA 93, 1086). Bei dieser Erklärung ist nicht erforderlich, dass bereits im laufenden Jahr die geplante Veranstaltung angegeben wird. Diese muss auch nicht zehn Tage dauern, sondern es können auch mehrere kürzere Seminare absolviert werden, wenn ein sachlicher Zusammenhang besteht.
Beachte: Die Übertragung der fünf Tage in das folgende Jahr muss aber spätestens im Dezember des laufenden Jahres geltend gemacht werden, sonst verfällt der Bildungsurlaubsanspruch am Jahresende. Checkliste und Zeitablauf für den Antrag auf Bildungsurlaub Schritt 1: Unterlagen des Seminarveranstalters besorgen Mindestens zwei Monate vor der geplanten Veranstaltung sind Unterlagen über das gewünschte Seminar vom Seminarveranstalter anzufordern, die dem ArbG zusammen mit der Inhaltsangabe und einem Nachweis über die Anerkennung der Bildungsveranstaltung vorzulegen sind. Dies hat unter Einhaltung einer Mindestfrist von sechs Wochen zu geschehen, in der der Antrag beim ArbG zu stellen ist. Schritt 2: Antrag auf Bildungsurlaub beim ArbG stellen Der Antrag auf Bildungsurlaub ist schriftlich unter der Ausführung zu stellen, dass die Freistellung nach dem AWbG beansprucht wird. Darüber hinaus muss der Antrag den Zeitraum der gewünschten Freistellung und die Unterlagen des Seminarveranstalters (Programmheft, Nachweis über die Anerkennung der Bildungsveranstaltung) enthalten. Der ArbG ist auf Wunsch des ArbN verpflichtet, den Empfang der Unterlagen auf einer Empfangsbestätigung zu quittieren. Eine solche ist zu Beweissicherungszwecken bei späteren Streitigkeiten ratsam. Schritt 3: Nach drei Wochen: Reaktion des ArbG prüfen Innerhalb von drei Wochen, gerechnet ab Eingang des vollständigen Antrags, ist der ArbG verpflichtet zu reagieren. Genehmigt er den Bildungsurlaub, ist damit der Weg zur Teilnahme am gewünschten Seminar offen. Äußert er sich nicht, gilt sein Schweigen nach dem Gesetz als Zustimmung. Die Genehmigung des Bildungsurlaubs wird dann fingiert. Dies gilt auch, wenn nach Ablauf von drei Wochen ab Eingang des Antrags der Bildungsurlaub abgelehnt wird. Die Freistellung gilt kraft Gesetzes als erteilt. Lehnt der ArbG den beantragten Bildungsurlaub aus betrieblichen Gründen ab, ist es aus Gründen des Betriebsfriedens sinnvoll, bei Nachvollziehbarkeit der Gründe in Absprache mit dem ArbG einen neuen Termin zu suchen. Darüber hinaus kommt in diesen Fällen die Übertragung des Bildungsurlaubs auf das Folgejahr in Betracht. Führt der ArbG bei der Ablehnung keine nachvollziehbaren betrieblichen Gründe an, kann innerhalb einer Woche eine Gleichwohl-Erklärung abgegeben werden. Hierbei muss der ArbN dem ArbG mitteilen, dass er gleichwohl am Seminar teilnehmen wird. Eine solche Erklärung nach Ablauf der Wochenfrist ist nutzlos. Aus Beweissicherungsgründen ist wichtig, dass die Einhaltung der Wochenfrist nachgewiesen werden kann. Dies geschieht am besten in Form einer Empfangsbestätigung, Quittung oder unter Zeugen. In diesen Fällen darf der ArbN ausnahmsweise trotz Weigerung des ArbG den Bildungsurlaub antreten, wenn der ArbG keine einstweilige Verfügung gegen die Seminarteilnahme beim zuständigen Arbeitsgericht erwirkt. In der Praxis ist dieser Weg schwer gangbar, da an die Darlegung von Verfügungsgrund und -anspruch hohe Anforderungen gestellt werden. Schritt 4: Nachweis der Teilnahme Nach dem Seminarbesuch ist dem ArbG die Seminarteilnahme durch eine Bestätigung des Bildungsträgers zur Einreichung beim ArbG nachzuweisen. Folgt im Rahmen einer Gleichwohl-Erklärung keine Zahlung, ist der ArbN auch im
anschließenden Prozess vor den Arbeitsgerichten wegen Entgeltfortzahlung für diesen Zeitraum gehalten, nachzuweisen, dass die Voraussetzungen nach dem AWbG vorgelegen haben. Gelingt dies nicht, bleibt die Teilnahme eine Art von unbezahltem Sonderurlaub. Fazit Für ArbG, die nicht unter den Ausnahmebereich der Kleinbetriebsklausel fallen, ist es ratsam, sich hinsichtlich der zeitlichen Lage mit dem weiterbildungswilligen ArbN gütlich zu einigen. Die Teilnahme lässt sich - von den beschriebenen Ausnahmen abgesehen - ohnehin nicht verhindern. Quelle: Ausgabe 06 / 2010 Seite 92 ID 136089 http//www.iww.de/aa/archiv/beratungspraxis-bildungsurlaub--das-muessen-siewissen-f4624