Vergleichstest Oberklasse-Coupés Fast Perfect Vermutlich gibt es kaum Autos, die ein Facelift so wenig nötig hatten wie Audi S7 Sportback und Mercedes CLS 500 4Matic. Dennoch wurden sie behutsam modellgepflegt. Welches Allrad-Coupé bietet nun mehr? 72 1/2015
IM VERGLEICH AUDI S7 SPORTBACK: 450 PS, 0 100 km/h in 4,4 s, ab 82 300 Euro MERCEDES CLS 500 4MATIC: 408 PS, 0 100 km/h in 4,9 s, ab 84 074 Euro 1/2015 73
Vergleichstest 0 100 km/h 4,4 s Testverbrauch 12,6 l/100 km Spitze 250 km/h Audi S7 Das Coupé auf Basis des A6 zeigt alle Stärken des aktuellen Audi-Designs: klare Linien, eindeutige Erkennbarkeit, muskulöse Eleganz, wenig Effekthascherei Es gibt einiges, was man mit dem Audi S7 Sportback als netter Mensch nicht unbedingt tun sollte. Etwa ein befreundetes britisches Paar vom Flughafen abholen, das noch nie eine deutsche Autobahn vom Rücksitz eines 450-PS-Autos erlebte: Oh, das ist aber ein hübscher Audi, ist der erste Kommentar nach dem Einsteigen in den rot tapezierten Fond. Ach, kein Diesel der zweite, als der Achtzylinder losbrummt. Parkhausschranke, Terminalstraße, A 92 Richtung Westen, kein Tempolimit. Der S7 zischt lässig auf die linke Spur, Tacho 200, wenig Verkehr, Stille im Fond. Dann Kreuz Neufahrn, A 9, wieder kein Tempolimit, fast leere vier Spuren, 230. Rechts wischt ein roter Lichtschimmer durchs Bild. Was war das?, fragt sie. Allianz-Arena, sagt der männliche Gast. Dann Tempo 80, bremsen, Mittlerer Ring, Tunnel im Neonlicht. Stille auf den Rücksitzen. Wow, bemerkt er dann, ich hatte keine Ahnung, wofür ihr diese Autos baut. Im Mercedes CLS 500 4Matic wäre das Erlebnis möglicherweise einen Hauch weniger nachdrücklich, doch wahrscheinlich wäre es kein Unterschied gewesen: 408 oder 450 PS, auf diesem Niveau sind rund zehn Prozent Leistungsunterschied nicht der Rede wert. Vor den jüngsten Modellpflegemaßnahmen war diese Differenz noch geringer, doch der Audi bekam 30 PS dazugepackt, beim Mercedes blieb es bei 408. Eine weitere Neuerung hätten die Besucher aus England besser beobachten können: Seit dem Facelift gibt es für den S7 das bereits beim A8 viel gelobte Matrix-LED-Licht. Adaptive LED-Scheinwerfer offeriert Mercedes seit dem Sommer auch für den CLS. Dort heißt das System Multibeam, kostet knapp 1900 Euro Aufpreis (fast einen Tausender mehr als bei Audi) und taucht bei Nachtfahrt die Autobahn in ebenso gleißend weißes Leuchtdioden-Licht. Adaptives LED-Licht überzeugt Beide Systeme zeigen den aktuellen Stand der Technik welches tatsächlich mehr bietet, müsste ein ausführlicher Lichttest zeigen. Subjektiv gefällt das Matrix-Licht des Audi besser, weil seine Adaptivfunktionen ruhiger und weniger ruckartig ablaufen. Ein Plus des Multibeam im CLS dagegen ist die Autobahnfunktion, mit der ausschließlich der Bereich links bis zur Mittelleitplanke hell angeleuchtet wird. Ansonsten bleiben die Modellpflegemaßnahmen bei beiden Coupés sehr dezent, abgesehen von den Scheinwerfern halten sich die Designänderungen in Grenzen. Interessanter wird es da schon beim Interieur. Info- 12,6 s benötigt der S7 für die ersten 400 Meter, der CLS 0,6 Sekunden mehr. Werte, die noch vor wenigen Jahren nur echte Supersportwagen erreichten 1 ams-messwerte auf Seite 75 74 1/2015
Das rot gesteppte Interieur gefällt nicht jedem. Bei der Bedienbarkeit hat der modellgepflegte S7 ein wenig gewonnen, die Grundstruktur des MMI-Systems blieb erhalten. Der Vierliter-Achtzylinder hat jetzt 450 PS, die Kraftportionierung übernimmt ein Siebengang-Doppelkuppler. LED-Matrix-Licht gibt es für 960 Euro tainment-systeme der neuesten Generation bieten den Insassen in beiden Fällen zeitgemäße Rundumversorgung mit Connectivity auf hohem Niveau. Ein wenig schwächelt hier der Mercedes, weil er keine Musik aus dem Internet streamt. Neu im CLS ist der jetzt frei stehende Monitor im Acht-Zoll- Format, der allerdings mit einem schwarzen Rand versehen ist und nur einen Teil der Fläche tatsächlich für Anzeigen nutzt. Der Audi kommt mit der neuesten Generation des MMI Touch. Es kann alles, was man sich von einem multimedial vernetzten Auto wünscht: von der superschnellen LTE- Verbindung ins Internet bis zum WLAN- Hotspot, der die Mobilgeräte der Mitreisenden mit dem Web verbindet, inklusive Audio-Strea ming aus dem Netz. Hervorragend arbeiten in S7 und CLS im Übrigen die Spracherkennungssysteme. Wer sich einmal mit Linguatronic (Mercedes) oder der Sprachbedienung im Audi vertraut gemacht hat, wird vermutlich nie mehr Navi-Ziele, Radiosender oder Anrufe per Dreh-Drück-Steller abrufen. Alles schön und gut, doch was können die Luxuscoupés nun auf der Straße? Eigentlich ließe es sich in einem Satz zusammenfassen, aber dann wäre der Text hier zu Ende: Der Audi ist der fahraktive Sportwagen, der Mercedes der entspannte Reiseglei- VERBRAUCHSMESSUNG Fahrzeug Verbrauch in l/100 km Audi S7 12,6 8,6 12,8 15,8 Merc edes CLS 500 4M 12,5 8,5 12,7 15,7 Testverbrauch Zusammensetzung: 15 % Eco-Verbrauch, 15 % Sportfahrer, 70 % Pendler Eco Besonders sparsam gefahrene Runde (275 km) Pendler Typische Fahrt vom Wohnort zur Arbeit (ø 21 km) Sportfahrer Sportliche Fahrweise mit häufig hohen Geschwindigkeiten DATEN UND Fahrzeugtyp Audi S7 Sportback Mercedes CLS 500 4MATIC Antrieb Motorbauart/ZylinderzahlV /8 V /8 Hubraum cm 3 3993 4663 Leistung kw (PS) bei 1/min 331 (450) 5800 300 (408) 5000 max. Drehm. Nm bei 1/min550 bei 1400 600 bei 1600 KraftübertragungAllradantrieb, Siebengang- DKG Allradantrieb, Siebengangautomatik Testwagenbereifung vorn hinten 255/40 R 19 Y 255/40 R 19 Y Bridgestone Potenza S001 255/35 R 19 Y 285/30 R 19 Y Pirelli P Zero Maße/Gewichte Leergewicht/Zuladung kg1991 2 /574 1922 /503 Länge Breite mm 4981 1911 4937 1881 (mit Spiegeln) Höhe (2139) 1398 (2075) 1418 Radstand mm2917 2874 Wendekreis links/rechts m12,2 /12,3 11,3 /11,2 Gepäckraum l/vda535 /1390 520 Anhängelast/gebremst kg750 /2100 / Innenbreite v./h. mm1540 /1490 1505 /1500 Innenhöhe v./h. mm1005 /930 1000 /920 Normsitzraum mm770 710 Verbrauch/Reichweite/CO 2 Testverbrauch l/100 km 12,6 12,5 ams Eco-Drive 8,6 8,5 ams Pendler-Verbrauch ams Sportfahrer-Verbrauch 12,8 15,8 12,7 15,7 CO 2 -Ausstoß im Test g/km 293 291 NEFZ-Verbrauch l/100 km Super Plus Stadt/über Land/gesamt 13,2 /7,0/9,3 SchadstoffeinstufungEuro 6 Euro 6 CO 2 -Ausstoß (NEFZ) g/km215 224 Effizienzklasse E E Tankinhalt l75 80 Reichweite km595 640 Beschleunigung/Höchstgeschwindigkeit Beschleunigung 0 80 km/h 0 100 km/h 0 130 km/h 0 160 km/h 0 180 km/h 0 200 km/h 0 400 m -MESSWERTE s 3,1 4,4 6,9 10,1 12,6 15,9 12,6 Super 13,4 /7,4 /9,6 3,7 4,9 7,6 11,0 13,8 17,0 13,2 Zwischenspurt s 60 100 km/h 80 120 km/h 2,3 2,9 2,4 3,0 Höchstgeschw. km/h250 250 Bremswege aus 100 km/h kalt m 36,1 35,7 aus 130 km/h kalt/warm aus 190 km/h kalt 60,9 /59,8 128 60,4 /60,4 128 Innengeräusche bei 80 km/h Stufe D 63 66 bei 100 km/h db(a) 66 67 bei 130 km/h bei 160 km/h 68 69 70 71 Fahrversuche Slalom 18 m TC/ESP ein/aus 65,0/65,1 62,7/64,1 Doppelter Spurwechsel km/h 135,2/136,1 129,4/133,3 Fahrdynamikbewertung ø ø Lenkpräzision indirekt/direkt Balance unter-/übersteuernd ESP konservativ/sportlich Beherrschb. leicht/anspruchsv. Fahrzeugkonzept konservativ/sportl. Kosten Festkosten Euro Steuer Haftpfl icht Teilkasko 1) Vollkasko 2) 320, 488, 380, 920, 352, 506, 343, 916, Unterhaltskosten im Monat 3) bei 15 000 km/jahr Euro 416, 425, bei 30 000 km/jahr Euro 733, 738, Grundpreis Euro 82 300, 84 074, 1) ohne SB; 2) mit 150 Euro SB; 3) ohne Wertverlust 1 1/2015 75
Vergleichstest 0 100 km/h 4,9 s Testverbrauch 12,5 l/100 km Spitze 250 km/h Mercedes CLS 500 4Matic Bereits der erste CLS wurde zur Designikone, die zweite Generation variiert das Thema geschickt, aktuell einer der schönsten Mercedes ter. Ganz so einfach ist es natürlich nicht, und deshalb lohnt es sich weiterzulesen. Geschmeidiger Mercedes Das beginnt schon damit, dass der S7, wenig überraschend, das etwas schlechter federnde Auto der beiden ist. Er hat serienmäßig ein speziell abgestimmtes Luftfahrwerk, das um einiges steifbeiniger auf Unebenheiten reagiert als die ebenfalls serienmäßige Airmatic des CLS 500. Freilich ist der Audi keine bockelharte Kiste, ein Teil dieser Charakteristik dürfte zudem auf die serienmäßige 19-Zoll-Bereifung zurückzuführen sein. Geschmeidiger tigert in jedem Fall der Mercedes CLS über den Asphalt, doch die Unterschiede sind gering, keines der beiden Coupés reagiert unangenehm, auch nicht, wenn die maximale Zuladung von 574 kg (S7) oder 503 kg (CLS) voll ausgenutzt wird. Das bleibt natürlich nicht ohne Auswirkungen auf die Fahreigenschaften. Mit der strafferen Grundabstimmung und der geringeren Wankneigung durcheilt der S7 Kurven deutlich behänder. So bewältigt er Slalom und doppelten Spurwechsel mit leicht höherer Geschwindigkeit, am Lenkrad immerhin fühlt sich der Unterschied nach deutlich mehr an, als es dann auf der Stoppuhr tatsächlich ist. Denn der Mercedes ist keineswegs langsam, er verfügt zudem über die zwar weniger direkte, dennoch feinfühligere und bessere Lenkung. Die adaptive Servolenkung des S7 verlangt merklich weniger Lenkarbeit, doch fühlt sie sich dabei synthetisch an, das erhöhte Rückstellmoment im Sportmodus wirkt künstlich und unangebracht. Das ist allerdings Meckern auf sehr hohem Niveau, der CLS hinterlässt hier vor allem den harmonischeren Eindruck. Womit wir bei den Motoren wären. Und bei den Fahrleistungen, bei denen sich erwartungsgemäß kein wirklich entscheidender Unterschied auftut. Der Audi ist mit dem doch leistungsstärkeren V8 kaum mehr als einen Hauch schneller als der Mercedes, und genau eine halbe Sekunde fixer auf 100 km/h das war schon beim Vorgängermodell mit 420 PS nicht anders. Noch geringer sind die Differenzen beim Durchzug von 60 auf 100 und 80 auf 120 km/h, es ist jeweils eine Zehntelsekunde, Kommentar überflüssig. Sparsame Achtzylinder Doch auch hier kommt es mehr darauf an, wie es sich anfühlt: Der S7 scheint heftiger zu beschleunigen, was aber wohl vor allem an der wichtigtuerischen Geräuschkulisse seines Vierliter-Biturbos liegt. Der hämmert bei Vollgas wie ein Dragstrip-Achtzylinder, obwohl er im Grunde ein sozialverträglicher moderner V8 ist mit Zylinderabschaltung 1991 kg wiegt der Audi S7, womit er fast 70 kg schwerer ist als der Mercedes CLS 500 4Matic, der mit 1922 kg keineswegs sehr leicht geraten ist 2 ams-messwerte auf Seite 75 76 1/2015
Viel Holz und viel Leder im Interieur, dennoch wirkt die Verarbeitung nicht ganz so hochwertig wie im S7. Der V8 mit 408 PS kooperiert im 4Matic noch mit der Siebengangautomatik. Die voll adaptiven LED- Scheinwerfer (Multibeam) kosten 1892 Euro extra, die LED-Highperformance-Scheinwerfer sind Serie und Start-Stopp-Automatik. Der CLS-Achter macht weniger Aufhebens und kann fast alles genauso gut. Beim Spritkonsum, da liegen sie mit Testverbräuchen von rund 12,5 Litern auf Augenhöhe, der S7 benötigte hier wie bei anderen Messungen ein Zehntelchen mehr. Sicherlich kein kaufentscheidendes Kriterium, ebenso wenig wie die Listenpreise. Bei knapp über 80 000 Euro fängt der Spaß an, der S7 ist etwas günstiger, da er Feinheiten wie 19-Zoll-Räder, schlüsselloses Starten und elektrisch bewegte Heckklappe serienmäßig an Bord hat. Die Grenzen nach oben sind fließend, der Audi S7 auf diesen Seiten kostet 120 420 Euro, beim kaum weniger opulenten CLS 500 4Matic wird es nicht günstiger sein. Bei Nennung dieses Preises verstummt der Besuch aus England vollends. Doch für das viele Geld gibt es ja nicht nur zwei hervorragende Premium-Coupés, sondern dazu ein Stück feinster deutscher Automobil-Lebensart. Text: Heinrich Lingner Fotos: Dino Eisele Fazit 1 Audi Mit dem besseren Raumangebot und den sportlicheren Fahreigenschaften gewinnt der S7 diesen Vergleich. Zudem ist er mit seiner großen Heckklappe und dem gen Ladeabteil sehr üppipraktisch. SEigenschaftsieger 2 Mercedes Das kommodere Fahrwerk und die diskreter zu Werke gehende Antriebseinheit sprechen für den CLS 500 4Matic. Platzangebot, Raumgefühl und Übersichtlichkeit könnten jedoch besser sein. ERGEBNISSE Fahrzeugtyp * Bester erhält volle Punktzahl (Maximalpunktzahl) Audi S7 Sportback Mercedes CLS 500 4Matic Karosserie Raumangebot (20) 10 9 Außenabmessungen (10) 4 4 Kofferraum (15) 7 7 Zuladung (10) 7 6 Variabilität/Funktionalität (10) 9 7 Instrumente/Anzeige (5) 5 4 Bedienung (10) 9 8 Rundumsicht (10) 8 7 Qualitätsanmutung (10) 10 9 Summe (100) 69 61 Sicherheit Sicherheitsausstatt./-assistenz (40) 14 16 Licht (10) 9 9 Bremsweg kalt (100 km/h) (10) 3 4 Bremsweg kalt (130 km/h) (5) 2 2 Bremsweg warm (130 km/h) (10) 6 6 Verzögerung 190 km/h (5) 5 5 Pedalgefühl (5) 5 5 Fahrsicherheit (15) 15 15 Summe (100) 59 62 Komfort Federungskomfort (25) 20 22 Sitze vorn (15) 13 14 Sitze hinten (10) 8 7 Multimedia (20) 20 18 Komfort-Assistenzsysteme (10) 9 10 Klimatisierung (10) 10 10 Innengeräusch-Messwerte (5) 4 3 Geräuscheindruck (5) 5 5 Summe (100) 89 89 Antrieb Laufkultur (10) 9 10 Durchzugskraft (10) 10 10 Leistungsentfaltung (5) 5 5 Schaltung/Getriebeabstufung (10) 8 9 Beschl./Höchstgeschwindigkeit (15) 12 11 Zwischenbeschleunigung (5) 4 4 Testverbrauch (20) 3 3 Lademöglichkeiten (10) 0 0 Reichweite Elektro (10) 0 0 Reichweite (5) 3 3 Summe (100) 54 55 Fahrverhalten Fahrdynamik (20) 13 11 Handling/Fahrspaß (25) 22 20 Lenkung (20) 14 16 Wendekreis (10) 0 2 Traktion/Wintertauglichkeit (15) 14 14 Geradeauslauf/Windempfi ndl. (10) 5 5 Summe (100) 68 68 Umwelt Well-to-Wheel-CO2-Emission (30) 5 5 Emissionen nach NEFZ (15) 5 5 Stand- und Fahrgeräusch (5) 4 4 Summe (50) 14 14 Eigenschaftswertung (550) 353 349 Kosten Grundpreis * (25) 25 23 Ausstattung * (10) 10 10 Aufpreisgestaltung (5) 4 4 Wiederverkaufschancen (10) 7 7 Festkosten für 5 Jahre * (10) 10 10 Wart./Rep. 100 000 km * (15) 15 15 Kraftstoffkosten 100 000 km * (15) 15 15 Garantie (10) 5 5 Summe (100) 91 89 Gesamtwertung (650) 444 438 1 2 1/2015 77