Warum gibt es so wenig Juraprofessorinnen? Ergebnisse des Projekts JurPro Professorinnen in der Rechtswissenschaft Ulrike Schultz FernUniversität in Hagen
Statistik Frauen in juristischen Berufen (2011) Anteil Frauen 1. und 2. jur. Examen 55 % Dissertation 36,6 % Habilitation 7 % - 16 % Professorinnen C4/W3 (C3/W2) 10 % (15 %) 1.097 insges. 936 m, 90 w incl. FH Prof. mehrere Fakultäten (von 42) mit 1 Professorin 2 ohne 1. Professorin 1965, 2 Professorinnen 1972 (0,2%) 2013: 7 im Alter von 65 plus (ca. 1 %)
Frauenanteil an bestandenen Doktorprüfungen ausgewählte Fakultäten, Prüfungsjahr 2011 Datenquelle: Statistisches Bundesamt; J. Roloff
Statistik Frauen in der Wissenschaft (2011) Anteil an Promotionen 36,6% 12% der Frauen promovieren, 20% der Männer Noten Frauen Männer Summa cum laude 17,3 % 22,6 % Satis bene/rite 6 4 Habilitation ohne Bewertung
Frauenanteil der Habilitationen ausgewählte Fakultäten 1) 2011 1) Ohne Humanmedizin: hier hatte sich im Jahr 2011 keine Frau habilitiert. Datenquelle: Statistisches Bundesamt; J. Roloff
Forschungspakete/Stand der Arbeiten Literaturanalyse Frauen in der Wissenschaft Auswertung Statistiken Literatur zur jur. Lehre Analyse Frauenbild in jur. Lehrmaterialien 93 Interviews 20 GBs Fak GBs, zentrale GBs 2 sonst. Personen in Gleichstellung 49 Interviews mit Wissenschaftlerinnen (22 Professorinnen) davon 8 Pionierinnen 22 Interviews mit Wissenschaftlern Lebensläufe aller Juraprofessorinnen 2013 Analyse gleichstellungsrelevanter Regelungen Handlungsempfehlungen zum Abbau von Karrierehindernissen Diverse Veröffentlichungen
Quantitativ Methoden Auswertung der vorhandenen Hochschulstatistiken >> Horizontale und vertikale Segregation Qualitativ Narrative Interviews mit Lehrenden, wissenschaftlichem Nachwuchs, Ausgeschiedenen, den Pionierinnen (Akteursebene) (71 Interviews) >> Karrierestrukturen Experteninterviews (Dekane, Hochschulleitungen, Gleichstellungsbeauftragte) (Sichtweise der Organisation) (22 Interviews) >>Karrierestrukturen und Fördermaßnahmen Dokumentenanalyse >> Fakultätskultur >> Gleichstellungsinstrumente und -verfahren
Bonn
Osnabrück
Passau
Bucerius Law School
Spezifika der Rechtswissenschaft Organisation: feste Strukturen Veränderungsresistenz Beibehaltung der Staatsexamina Initiationsritual der juristischen Prüfungen, identitätsstiftend Keine Grade inflation Promotionen als Titel für die Praxis Habilitation erforderlich Tabu der Hausberufung Zwar Juniorprofessuren, aber nicht mit Tenure Track Wenig Drittmittelprojekte Dafür Gutachten Klassische Publikationsformen: Lehrbücher, Kommentare, Urteilsanmerkungen Fachzeitschriften mit Schriftleitungen, reviews unüblich Großer Durchlauf an Wiss. Mit.
Spezifika der Rechtswissenschaft Wissenskultur Ausbildung für die Praxis Justizorientierung Das Wissen abstrakt, generell Erziehung zum Juristen Besonderer Habitus Neutralitätsgebot Jurist ein desexualisierter Mann (Fabricius) Position des Absoluten: Wir definieren die Welt Position der Überheblichkeit/Arroganz: Besser Wissen, verpeilter Humor Konservatives Weltbild Frauenbild in Lehrmaterialien
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Spezifika der Rechtswissenschaft Geschlechterkonstruktionen Konstruktion von Männlichkeit in Lehrmaterialien Festschriften, Biographien, Monographien Der ideale Juraprofessor in Nachrufen Traditionen; Soziale Reproduktion Meister Lehrling Beziehung ( mein verehrter akademischer Lehrer ) Familien, Netzwerke und Stammbäume ( mein akademischer Milchbruder Charismatische Lehrkultur/Habitus Do ut des Prinzip (Schwarz schreiben) Vormodern
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Berlin: de Gruyter 2007 /2010, 46 m und 2 w Autoren, 38 Zivilrechtslehrer Hadding, Walter, Hrsg.: Zivilrechtslehrer 1934/35. Berlin: de Gruyter 1999, 740 S.
Dirk Looschelders, Düsseldorf Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Internationales Privatrecht und Rechtsvergleichung sowie Privatversicherungsrecht
Fabian Wittrek Münster Öffentliches Recht, Rechtsphilosophie und Verfassungsgeschichte
Maderl un Buam Phillip Hellwege, Augsburg Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Wirtschaftsrecht und Rechtsgeschichte
Warum gibt es so wenig Juraprofessorinnen Historisch: Exklusion Zulassung zum Jurastudium 1908 Zulassung zu den juristischen Berufen 1922 Argumente: Frauen sind zu emotional, nicht objektiv zu gut unerwünschte Konkurrenz im bürgerlichen Ernährermodell Entfremdung?
Bis 1980 8 Professorinnen an rechtswissenschaftlichen Fakultäten RECHTSWISSENSCHAFTLICHE FAKULTÄT Name, Geburtsjahr Habilitation Ruf Fach Magdalene Schoch 1932 - Internationales Recht Gerda Krüger 1938/1946 - Rechtsgeschichte Gertrud Schubert-Fikentscher DDR 1946 1948 Bürgerliches Recht/Rechtsgeschichte Lola Zahn DDR 1949 1951 Ökonomie/Jura Anne-Eva Brauneck 1959 1965 Gießen Kriminologie Marie Luise Hilger 1959 1962 Hon Prof. Göttingen Arbeitsrecht, 1959 Richterin am BArbG Hilde Kaufmann 1961 1966 Kiel Strafrecht/Strafprozessrecht Anita Grandke DDR 1964 1966 HU Zivilrecht, Familienrecht Ilse Staff, 1928 1969 1971 Frankfurt Staatsrecht, kumulativ habilitiert Marianne Bauer 1969 1970 Bonn Zivilrecht Brigitte Knobbe-Keuk 1970 1975 Köln Steuerrecht Jutta Limbach, 1934 1971 1972 FU Berlin Zivilrecht, Rechtssoziologie 1972 1973 1973 1975 1976 Ingeborg Puppe, 1941 1977 1977 Strafrecht, Strafprozessrecht 1978 Gisela Zenz, 1938 1979 1982 Ffm Prof. Sozialpädagogik und Recht, FB Erziehungswiss. koop. Jura Heide Pfarr, 1944-1979 HH Arbeitsrecht, Ruf HH, nicht habilitiert Diemut Majer, 1946 1980 1980/1986 Titularprof. Bern
Auf Lehrstühlen in habilitiert Jahr rechtswiss. Fakultäten 10 11 2000 8 9 2001 4 12 2002 6 12 2003 6 12 2004 4 (minus 1) 10 2005 2 7 2006 1 10 2007 1 5 2008 3 6 2009 5 9 2010 RECHTSWISSENSCHAFTLICHE FAKULTÄT 2 2011 13 2012
Warum gibt es so wenig Juraprofessorinnen? strukturelle Gründe für Unterrepräsentanz Lange Ausbildungsdauer und Qualifikationsphase 8 10 bis zum 2. Staatsexamen Promotion Habilitation Durchschnittsalter bei ersten Ruf 37/39 Stellenunsicherheit Befristung bis Promotion 6 Jahre plus 2 pro Kind (WissZeitVG) Befristung bis Habilitation 6 Jahre plus 2 pro Kind Kein strukturiertes Qualifikationsverfahren, (fast) keine Promotionskollegs Keine Juniorprofessur mit Tenure Track
Warum gibt es so wenig Juraprofessorinnen? strukturelle Gründe für Unterrepräsentanz Mobilität Keine Hausberufung Wanderzirkus der Wissenschaftler/innen Niedriges Einkommen Teilzeitarbeit, Teilverträge Stipendien Kein/geringer Aufbau von Altersversorgung Attraktive Alternativen Justiz, für Männer: Notariat Andere Positionen im höheren Dienst Geschlechtsneutrale Bezahlung Mutterschutz, Elternzeit Bessere Besoldungsordnung: R und A versus E Familie
Warum gibt es so wenig Juraprofessorinnen? individuelle Gründe für Unterrepräsentanz Geringeres akademisches Kapital? Examensnoten? Anzahl der Publikationen Sichtbarkeit Vorträge Übernahme zusätzlicher Funktionen Lehrstuhlvertretungen Keine/wenig Rollenmodelle Einsamkeit, Isolation in der Qualifikationsphase? Geringere Karrieremotivation und -orientierung? Geringere Selbstwirksamkeitserwartung Geringeres Selbstvertrauen Stärkerer Fach-/Sachbezug, inhaltliche Orientierung Männer stärkere positionale Motivation Festhalten an traditionellen Geschlechterrollen? Vereinbarkeit Familie und Beruf?
Anteil Frauen und Männern an wiss. Publikationen JZ - JZ Aufsätze Besprechun gsaufsätze Rechtsprech ungsbericht Buchbespre chungen Urteilsanmer kungen m w m w m w m w m w 2000 73 8 11 0 3 0 71 2 91 2 2005 75 8 9 2 6 0 53 3 2010 102 10 9 0 6 1 42 1 53 4 Folie 27
Warum gibt es so wenig Juraprofessorinnen? Barriere Fachkultur Traditionelle Fachkultur Ernährermodell Damen zur Verschönerung des Hörsaals und die Petersilie Charakteristische, informelle, männlich konnotierte Codes Initiationsritual der juristischen Prüfungen, Völlige Hingabe an die Wissenschaft, Dr. Faust Syndrom Opfer für Aufstieg Autoritäre Disziplin mit Dominanzverhalten Charismatische Lehrkultur / Habitus
Warum gibt es so wenig Juraprofessorinnen? Barriere Fachkultur Geschlechterstereotype Frauen für die FH Männer für die richtige Karriere Diskriminierung Unterschiedliche Kulturen in den verschiedenen Fächern Öffentliches Recht v Zivilrecht v Strafrecht Horizontale Segregation? Verschiedene Chancen in den verschiedenen Fächern? Gute Chancen evtl. in Steuerrecht Prozessrecht Versicherungsrecht Römisches Recht
Martina Benecke, Augsburg Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Handels-, Arbeits- und Wirtschaftsrecht
Persönliche und biografische Faktoren Wer macht Karriere? Schicht und Familie Töchter und Ehefrauen/Partnerinnen Familienstand Keine Kinder Späte Mutterschaft (40 plus) Geschieden Alleinlebend Typisierungen? Die Konservative, Ökofrau, Alt-68erin, Praktikerin, Pragmatikerin, Powerfrau/tough woman, Sorgende (Thornton: body beautiful, dutiful daughter, adoring acolyte) Bedeutung von Förderern und Unterstützungssystemen
Fachkultur: Frauen die anderen? Die besseren? Verändern sie die Fach- und Lehrkultur? Weniger autoritär und arrogant? Orientierung an abstrakt/generellen Regeln (Dogmatismus) v. Lebensbezug? Höhere Investitionen in die Lehre? Methodisch anschaulicher? Bessere Betreuung der Studierenden? Genderthemen in der Lehre? Oder Verlust an Prestige und Einkommen?
Stärkerer Lebensbezug? RECHTSWISSENSCHAFTLICHE FAKULTÄT
Faktoren für den Wandel Professorinnen in der Fakultät ein Gebot der Zeit Der Fall Dora D Druck von außen (Forschungsgemeinschaften, internationales Beispiel) Finanzielle Förderung von Geschlechterforschung Gleichstellungsarbeit? Bohren dicker Bretter Geld als Anreiz für Fakultäten Wandel der Geschlechterbilder in der Gesellschaft Anstieg von Frauen mit hoher Qualifikation Töchter und Enkelinnen
Ulrike Schultz FernUniversität in Hagen Rechtswissenschaftliche Fakultät Lehrstuhl für Deutsches und Europäisches RECHTSWISSENSCHAFTLICHE FAKULTÄT Kontakt Verfassungs- und Verwaltungsrecht Postfach 940 D 58084 Hagen Tel.: *49 2331 / 987 4215 / 870811 E-Mail: Ulrike.Schultz@FernUni-Hagen.de www.fernuni-hagen.de/rechtundgender www.fernuni-hagen.de/jurpro www.ulrikeschultz.de