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Transkript:

Dr. Helmut Bauer Dr. Peter Gauweiler, MdB Kunsthistoriker und Stv. Vorsitzender des Museumskurator Ausschusses für Kultur Marschnerstraße 35 und Medien Promenadeplatz 9 81245 München 80333 München Deutsche Bahn AG Hartmut Mehdorn Vorsitzender des Vorstandes Potsdamer Platz 2 10785 Berlin München, 05. Dezember 2003 Sehr geehrter Herr Vorstandsvorsitzende Mehdorn, gerne erinnern wir uns Ihrer Zusage im Brief vom 19. Dezember 2002 bei der Ausschreibung des Architektenwettbewerbs für die Neugestaltung des Münchner Hauptbahnhofs eine sichtbare Auseinandersetzung mit dem nach 1945 an gleicher Stelle abgerissenen - von Friedrich Bürklein erbauten einstigen Münchner Centralbahnhof zu fordern. Sie, sehr geehrter Herr Mehdorn, hatten uns auf unsere diesbezügliche Initiative für das neue Münchner Bahnhofsgebäude folgendes geschrieben: Die Schaffung der erforderlichen Signifikanz, die das neue Bahnhofsviertel prägen soll, ist Bestandteil der Aufgabenstellung für den Architektenwettbewerb. N:\Produktionen\Internet\Gauweiler\Dateien von Wanner\BriefGauMehdornHauptbahnhof-DB4_1203.doc Ausdruck: 23.02.2004

Seite 2 In diesem Zusammenhang wollen wir Ihre Anregung aufnehmen und in Abstimmung mit der Landeshauptstadt München den Auslobungstext dahingehend ergänzen. Im Ergebnis erwarten wir Gestaltungsvorschläge mit Zitaten der Bürklein Fassade, die im Kontext zu den historischen Nordund Südbauwerken stehen und gestalterisch in die zeitgemäße Architekturprägung integriert werden können. Welche architektonische Aura den einstigen Münchner Central Bahnhof kennzeichnete, kann bis zum heutigen Tag in der Münchner Maximilianstraße besichtigt werden, wo der Architekt Friedrich Bürklein zum ersten Mal den sogenannten Maximilianstil entwickelt hat. In der Süddeutschen Zeitung vom 4. Dezember 2003 werden unter dem Titel Hauptbahnhof der Zukunft die drei von der Jury als beste Entwürfe ausgewählten Bahnhofsmodelle vorgestellt. Unser Anliegen, bei einem Neubau den Lokalkolorit Münchens zu berücksichtigen, ist bei keinem dieser Vorschläge erkennbar. Die Münchner Bürger müssen nun befürchten, dass wir einen Bahnhof bekommen, der in seiner äusseren Erscheinungsform überall auf der Welt, vielleicht in Hongkong, in Sidney oder Montreal stehen könnte. Dem neuen Bahnhof fehlt das Gesicht. Als gesichtslose Architektur werden Bauten bezeichnet, die unabhängig vom besonderen Ort, ohne Geschichte existieren. Tankstellen zum Beispiel! Der wichtige Moment eines jeden Reisenden nicht allein über das Ortsschild, sondern vor allem über ein Merkmal den Charakter einer Region, einer Stadt zu erkennen, ist bei diesen Bahnhofsentwürfen nicht möglich. Die Entwerfer, zweifellos namhafte Architekten, haben sich, das zeigen die Vorschläge eindeutig, auf den besonderen Standort, auf unser München überhaupt nicht eingelassen. Der Ort, der alte Bahnhof, der ja hundert Jahre lang Münchens

Seite 3 Stadtbild wesentlich prägte, schien ihnen egal, vielleicht auch zu schwierig oder nicht en vogue genug, um ihren Entwurf mitzutragen. Wir bedauern dies sehr, weil wir grundsätzlich der Meinung sind, dass sich bei einem gelungenen Entwurf immer alle drei Dimensionen der Zeit verdichten sollen: Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Die ausgepreisten Entwürfe vermitteln jedoch ganz vehement ein zu starkes Übergewicht in eine Richtung, welche diese Architekten für zukunftsfest halten. Es ist merkwürdig, dass sie auf eine Weise in die Zukunft planen, die aus dem Blickwinkel der Architekturgeschichte auf ein Formenvokabular basiert, das heute längst als traditionell im negativen Sinn von rückständig gewertet und hinterfragt wird. Die Orientierung an der in den 1970er Jahren ultramodern eingeschätzten Stilrichtung High Tech oder an Stilarten der 1950er Jahren spiegelt deutlich die Beliebigkeit von Architekten wider, nach Lust und Laune auf die Baukästen der Moderne zurückzugreifen, um letztlich international und unisono der Tradition eines Architekturstils zu huldigen, der in den 1920er Jahren mit dem Bauhaus begründet wurde. Bitte verstehen Sie uns nicht falsch, wir wollen hier nicht die vor achtzig Jahren geleisteten Innovationen in Architektur und Design in Frage stellen. Wir wissen um Qualität und um die damalige Notwendigkeit, formal klar und funktional zu gestalten. Wir verstehen nur nicht, dass die Entwerfer, das zeigen die neuen Bahnhofsentwürfe ganz deutlich, sich auf die Vokabulare einer verblichenen Moderne zurücklehnen und so neuen Experimenten mit historischen Zitaten aus dem Weg gehen. Unser Vorschlag, fern jeder Tradition und Mode historische Situationen am Beispiel unseres Bahnhofs in die Entwurfspraxis einzubeziehen, hätte innovatives Entwerfen gefördert. Es geht doch heute nicht mehr um ideologische Auseinandersetzungen, welche Stil modern oder zeitgemäß ist, sondern vielmehr darum, eine dem Ort adäquate architektonische Form auf experimentellem Wege zu finden. Auf so ein Experiment haben sich diese traditionsbewussten Architekturbüros nicht eingelassen.

Seite 4 Wir befürchten nun, dass nun auch in München erneut ein Weg beschritten wird, wie er sich auch anderswo veranschaulichen lässt. Wo in den letzten Jahren eine Vielzahl an Gebäuden entstanden sind, die sich alle allzu stark ähneln. Wo schnell und renditeträchtig gebaut wird und die Fassaden meist gänzlich aus Glas sind. Alle neuen Bauten spiegeln sich gegenseitig. Aber der Betrachter verliert die Orientierung, ist froh um jedes originelle Haus, das ihm sagt, wo er ist. Was wir wollen ist doch nur ein Münchner Bahnhof, einer, der für alle heute funktioniert und der das Stadtbild Münchens bereichert. Wir wollen mit dem Bahnhof ein Wahrzeichen unserer Heimat. Keine gesichtslose Architektur aus Stahl und Glas, sondern ein zeitgemäßes Tor in die Welt und zu uns herein. Nürnberg, Frankfurt, Köln, Budapest, Paris/Gare de l Est sind nur einige wenige Beispiele, in denen Ankunft und Abfahrt zum Erlebnis werden, in dem ich erfahre, wo ich bin. Diese schlichte aber wesentliche Erkenntnis ist nicht allein für die Reisenden wichtig, sondern auch für die Geschäftsinhaber, die sich im neuen Bahnhof niederlassen werden. Wichtig auch für Besucher, die den Bahnhof als Treffpunkt wählen. Alle werden zur Atmosphäre des besonderen Orts beitragen, alle den Lokalkolorit Münchens mitbestimmen. Alle werden beitragen den Ort, an dem sich Geschichte und Zukunft Münchens im Augenblick der Gegenwart erleben lassen, zu gestalten. Deshalb sind wir überzeugt, dass die Besinnung auf und Zitate der Erinnerung an den alten Bürkleinschen Bahnhof einerseits, der Mut zu einem innovativen Baukonzept andererseits zu einem zukunftsträchtigen Bahnhof für München führen könnte.

Seite 5 Die Notwendigkeit zur Innovation sehen wir nun nach Veröffentlichung der ausgewählten Entwürfe um so deutlicher. Mit freundlichen Grüßen...... Dr. Bauer Dr. Gauweiler Abdruck dieses Schreibens geht an: Herrn Bundesminister Manfred Stolpe Herrn Dr. Otto Wiesheu, Bayerischer Staatsminister für Wirtschaft und Verkehr Herrn Oberbürgermeister Christian Ude Herrn Eduard Oswald, MdB, Vorsitzender des Ausschusses für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen