Energieeffiziente Herstellung von Kupferrohren

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Transkript:

Energieeffiziente Herstellung von Kupferrohren von Stefan Beer, Patrick Schneider Die Induktionstechnik ist ein leistungsstarkes Verfahren, das in Zusammenspiel mit bestimmten Prozessen energetische Vorteile ermöglicht. Der nachfolgende Artikel beschreibt ein Anlagenkonzept, welches für die wirtschaftliche Herstellung von Kupferrohren mit geringeren bis mittleren Produktionsmengen eingesetzt werden kann. Durch das integrierte Fertigungsverfahren mit direkter Umformung entfallen Fertigungsschritte, welche bei konventionellen Verfahren in der Kupferrohrherstellung notwendig sind. Energy efficient production of copper tubes Induction technology is a powerful technology which enables energetic advantages in special production processes. The following article describes a plant concept which can be used for the economic production of copper tubes at a low or medium production volume. Due to the integrated production method of combined casting and milling processes, some production steps which are necessary regarding conventional copper tube production are omitted here. Kupferrohre verwendet man gewöhnlich als Wasserleitungsrohre in der Hausinstallation. Da der Werkstoff Kupfer teuer ist, werden zunehmend Leitungsrohre aus Kunststoff hergestellt. Des Weiteren werden Kupferrohre aufgrund der hervorragenden Wärmeleitfähigkeit bei Klimageräten und Wärmetauschern eingesetzt. Der Bedarf steigt weltweit. Aber auch hier gilt das Motto, den Rohrbedarf mit möglichst wenig Kupfer zu decken. Das gelingt nur mit engsten Toleranzen bei Durchmesser und Wanddicke. Aufgrund der Marktentwicklung entstand in den letzten Jahren eine besondere Herausforderung für Kupferrohrhersteller. Einerseits müssen die Umwandlungskosten reduziert und andererseits muss die Qualität in Bezug auf Rohrgeometrie deutlich verbessert werden. Also weg vom typischen Massenprodukt und hin zu hochpräzisen, dünnwandigen Kupferrohren. Bei kleineren Produktionsmengen und dünnwandigen Rohren mit kleinem Durchmesser ist der Weg über eine horizontale Stranggießanlage im sogenannten directube 1 - Verfahren sinnvoll. Bei diesem neuen Verfahren nutzt man die horizontale Stranggießtechnik, um direkt endabmessungsnahe Vorrohre zu gießen. Anschließend wird das Rohr im Planetenschrägwalzwerk zum Mutterrohr ausgewalzt und dann durch Ziehen auf seine endgültige Rohrgeometrie 1 directube ist eingetragenes Markenzeichen der SMS Group gebracht. Die Warmumformung entfällt. Im Vergleich zum herkömmlichen Prozessweg über Bolzengießen, Bolzenerwärmung mit anschließendem Strangpressen entsteht damit ein äußerst kompaktes Verfahren, welches für kleinere und mittlere Kapazitäten besonderes wirtschaftlich ist. Das directube-verfahren umfasst im Wesentlichen zwei Fertigungsstufen. In der ersten Stufe werden Kupferkathoden eingeschmolzen und in einer horizontalen Stranggießanlage zu dickwandigen Rohren, den sogenannten Luppen gegossen. Nach einem integrierten Schälschritt, um die hauchdünne Oxidschicht abzutragen, geht es in die zweite Stufe, dem Planetenschrägwalzwerk. Hier wird die Luppe zum ziehfähigen Mutterrohr umgeformt [1]. FERTIGUNGSSCHRITT 1: SCHMELZEN UND GIESSEN Wie gelingt es, qualitativ hochwertige Mutterrohre herzustellen? Der Prozess startet beim Schmelzen. Hier wird die Materialqualität maßgeblich bestimmt. Kupfer in seiner flüssigen Form neigt dazu, Luftsauerstoff aufzunehmen und Kupferoxide zu bilden. Das wird über zwei Ansätze verhindert. Zum einen wird Phosphor in definierter Menge in die Schmelze hinzugegeben. Es entsteht ein Phosphoroxid, das als Schlacke aufschwimmt und weitestgehend abgeschöpft werden kann. 51

Dadurch entsteht jedoch das Risiko, dass Schlackepartikel in die Verarbeitung, also ins Rohr, kommen. Hier greift der zweite Ansatz: Man verhindert die Oxidation selbst. Hierzu wird eine dicke Holzkohlenschicht auf der Badoberfläche verwendet, die die Schmelze nicht nur vor Saueraufnahme schützt, sondern auch zur Desoxidation selbst beiträgt. Das wirtschaftlichste Aggregat für diesen Schmelzprozess ist der Rinnenofen, der sich besonders zum kontinuierlichen Schmelzen von Kupfer und Kupferlegierungen eignet, da im Rinnenofen im Gegensatz zum Tiegelofen keine starke Badbewegung erzeugt wird und damit im Zusammenhang mit der Holzkohlenabdeckung die Sauerstoffaufnahme wirksam unterbunden wird. Das eigentliche Schmelzaggregat des Rinnenofens ist der sogenannte Rinneninduktor (Bild 1a und 1b). Der Rinneninduktor ist prinzipiell ein Transformator, dessen Niederspannungsspule aus nur einer Windung, der Rinne, besteht. Da bei diesem Schmelzprozess eine sehr direkte Energieübertragung stattfindet, hat ein Rinneninduktor einen hohen elektrischen Wirkungsgrad von ca. 94 %. In der Rinne befindet sich das flüssige, warmzuhaltende Metall. Die Temperatur des über der Rinne stehenden Metallbades ist abhängig von der über den Induktor zugeführten elektrischen Energie. Zum Schmelzen von 1 t Kupfer wird eine Energie von ca. 280-290 kwh benötigt. Um einen kontinuierlichen Gießprozess zu gewährleisten und als Redundanz für eventuelle Ausfälle des Schmelzaggregats, sind bei den directube-anlagen zwei Schmelzöfen parallel im Einsatz. Beide Öfen werden hierbei parallel mit Kupferkathoden beschickt, welche kontinuierlich geschmolzen werden. Mit einer automatischen Chargierung werden die Kathoden einzeln und senkrecht eingebracht. Die schützende Holzkohlenschicht wird nicht aufgerissen und damit Oxidation der Schmelze vermieden. Für die Überführung des Flüssigkupfers gibt es einen Siphonauslauf mit Überführung über das Drehgelenk des Schmelzofens. Damit werden mögliche Schlackepartikel zurückgehalten und das Risiko der Sauerstoffaufnahme während der Schmelzeüberführung minimiert. Ist ein Ofen komplett befüllt und hat seine Überführungstemperatur erreicht, erfolgt die Überführung der Schmelze in den nachgeschalteten druckbeaufschlagten Vergießofen (Bild 2). Der Überführungsvorgang geschieht mittels beheizter und abgedeckter Überführungsrinne, um den Kontakt der Schmelze mit Luftsauerstoff soweit wie möglich auszuschließen (Bild 3). Als Vergießofen ist ein druckbeaufschlagter Induktionsofen im Einsatz. Dieser Ofen besteht aus einer Einfüll-, Druck-, und einer Gießkammer (Bild 4). Der Ofen hat drei Funktionen: Speichern der Schmelze aus den Vorschmelzöfen Sicherstellung eines konstanten Metallpegels oberhalb der Kokille im Bereich der Gießkammer Temperaturführung im Gießprozess. Aufgrund seiner Konstruktion bietet der druckbeaufschlagte Ofen folgende Vorteile: Schneller Kokillenwechsel aufgrund rascher Absenkbarkeit des Metallspiegels in der Gießkammer durch Ablassen des Drucks Konstante metallostatische Höhe, die einen konstanten metallostatischen Druck gewährleistet a) b) Bild 1a/b: Ansicht Vorschmelzofen (Quelle: IAS GmbH) 52 elektrowärme international 4-2015

Sehr geringe Einschlussrate von Fremdbestandteilen Vernachlässigbarer Metallabbrand durch Inertgasbeaufschlagung. Im Prinzip arbeitet dieser Ofentyp wie ein System mit zwei korrespondierenden Röhren. Durch eine Druckbeaufschlagung im Bereich der Druckkammer kann der metallo-statische Druck im Bereich der Vergießkammer gesteuert werden. Im Bereich der Gießkammer sind zur Füllstandsüberwachung ein Schwimmersystem sowie ein integriertes Thermoelement vorhanden. Dieser Ofen wird ebenfalls von einem Rinneninduktor beheizt, der servicefreundlich von außen angeflanscht ist. Durch diesen zweiloopingen Induktor wird sichergestellt, dass eine wirksame Temperaturführung möglich ist. Hierbei wir durch eine entsprechende Formgebung der Rinne eine hohe transiente Strömung erreicht, wodurch ein guter Temperaturaustausch im Bereich der Rinne zur Speicherkammer möglich ist. Zur Energieversorgung des Rinnenofeninduktors wird hier ein IGBT-Umrichter eingesetzt, der eine stufenlose Leistungseinstellung gemäß der notwendigen Temperatur- und Prozessführung ermöglicht. Im Bereich der wassergekühlten Kokille gibt es einen Wärmeaustrag aus dem Ofen, der durch die Leistungszuführung kompensiert werden muss. Weiterhin müssen die thermischen Verluste des Ofens ausgeglichen werden sowie Verluste, die bei der Überführung der Schmelze aus den Vorschmelzaggregaten über die Rinnen entstehen. Im beschriebenen Beispiel verfügt der Gießofen über eine installierte Leistung von 400 kw. Im Nennbetrieb liegt die Leistungsaufnahme bei ca. 140-170 kwh/h bei einer Auszugstemperatur von 1.180 C. Im Produktionsprozess wird dem Gießofen die notwendige Schmelzenmenge, die im Bereich der Kokille ausgetragen wird, durch die Vorschmelzöfen zugeführt. In Bild 5a und 5b sind die Betriebsarten Gießbetrieb und Nachfüllen zu sehen. Die Prozessführungsgröße neben der Gießtemperatur ist die Gießgeschwindigkeit. Die Wahl der richtigen Gießgeschwindigkeit bestimmt hier maßgeblich die Standzeiten der Kokille und damit am Ende auch die Wirtschaftlichkeit des Prozesses in der Mutterrohrherstellung. Mit der horizontalen Stranggießanlage werden in einem vollkontinuierlichen Gießprozess Rohrluppen produziert, die später zum Mutterrohr weiterverarbeitet werden. Je nach gewünschter Produktionsleistung können diese Anlagen im Einstrang- oder Mehrstrangverfahren betrieben werden. In Bild 6 ist eine 4-Strang-Variante mit Kathodenchargierung und Schmelzöfen dargestellt. Die Kupferschmelze erstarrt unter kontrollierten Bedingungen zur Rohrluppe innerhalb des Kühlers der Stranggießanlage. Dazu wird eine spezielle Graphitkokille ein- Bild 2: Ansicht Druckvergießofen (Quelle IAS GmbH) Bild 3: Ansicht Überführungen in den Druckvergießofen (Quelle: IAS GmbH) Gießkammer Druckbeaufschlagte Speicherkammer Rinnenofeninduktor Bild 4: Schnitt eines Druckvergießofens (Quelle: IAS GmbH) 53

a) b) Bild 5: a) Normaler Gießbetrieb; b) Erreichen des unteren Füllstandes Nachfüllen (Quelle: IAS GmbH) Chargierung Horizontale Stranggießanlage gesetzt. Der gleichbleibende metallostatische Druck im Gießofen sorgt dabei für einen kontinuierlichen Schmelzezufluss. Durch spezielle, radial angeordnete Bohrungen strömt die Schmelze in den Erstarrungsbereich. Dabei entsteht eine Rührwirkung, welche zu einem feinen Korngefüge und einer hervorragenden Kornverteilung führt. Der Strang wird über eine Zieheinrichtung aus dem Kühler zyklisch abgezogen. Zwischen den Ziehhüben sind Ziehpausen angeordnet, in denen die eigentliche Erstarrung Bild 6: Gesamtanlage mit 4-Strang-Verfahren Schmelzöfen Gießofen stattfindet. Ein kurzer Rückhub vor der Pause vergrößert die Kontaktfläche zur Graphitkokille, wodurch mehr Wärme abgeführt und damit die Erstarrungsgeschwindigkeit erhöht wird. Ein weiterer kurzer Rückhub vor dem Ziehhub verdichtet das soeben erstarrte Material und sorgt für einen rissfreien Abzug. In Verbindung mit dem hochpräzisen und ruckfreien Antrieb der Zieheinrichtung wird der Strang mit höchster Oberflächenqualität hergestellt. Eine am Kokillenausgang angeordnete Sekundärkühlung umschließt den austretenden Strang mit offenem Wasser, um eine Oxidation der noch heißen Strangoberfläche zu vermeiden (Bild 7). In der Stranggießlinie ist eine fliegende Säge integriert, mit der die Endlosstränge ohne Gießunterbrechung zu Längen von ca. 20 m getrennt werden. Anschließend wird die Oberfläche der Luppe in Linie abgeschält. PROZESSSCHRITT 2: PLANETENSCHRÄGWALZWERK Im Planetenschrägwalzwerk findet die Umformung zum Mutterrohr statt. Hierzu wird die Luppe im Ladebett vor dem Walzwerk über einen Walzdorn gefädelt. Mithilfe einer Vorschubeinheit wird die Luppe dem Umformprozess mit kontinuierlicher Geschwindigkeit zugeführt. Das Umformen selbst erfolgt mit drei konischen Walzen, die in einem Rotor installiert sind (Bild 8). Mit dem Rotor werden die Walzen um das Rohr gedreht. Außerdem drehen sich die Walzen in gleicher Drehrichtung um sich selbst. Die Geschwindigkeit beider Drehbewegungen ist über zwei unabhängige Antriebe einstellbar. Damit kann ein perfektes Abrollen der einzelnen Walzen auf der Rohroberfläche erzielt werden. Außerdem wird 54 elektrowärme international 4-2015

Rotor Walzendorn Walzen Bild 7: Wassergekühlte Kokillen im Bereich des Kokillenfensters (Quelle: SMS group) Bild 8: Walzrotor (Quelle: SMS group) eine Eigenrotation des Rohres vermieden, weswegen man es in Linie aufwickeln kann. Überwacht wird das Ganze über ein Lasersystem im Auslaufbereich. Sollten sich hier Anzeichen einer Eigenrotation zeigen, wird die Drehzahl der Walzenrotation in Millisekunden angepasst. Beim Walzprozess wird die Wanddicke um über 90 % reduziert. Durch diese hohe Umformung wird das Rohr stark erhitzt. Die Kombination aus hoher Temperatur mit dieser massiven Umformung führt zu einer vollständigen Rekristallisation des Gefüges. Um auch hier eine Oberflächenoxidation zu verhindern, ist der Arbeitsbereich des Schrägwalzwerks gekapselt und mit Schutzgas geflutet. Ebenfalls muss die Oberfläche im Rohrinneren geschützt werden, weshalb man durch die Dornstange auch Schutzgas ins Rohrinnere einbläst. Mit einer Kühlstrecke im Anschluss wird das Mutterrohr dann kontrolliert abgekühlt. Es entsteht ein weiches, sehr feinkörniges und ziehfähiges Gefüge. Anschließend wird das Mutterrohr in einen Korb aufgewickelt und kann in einer herkömmlichen Zieherei zur gewünschten Endabmessung verarbeitet werden. FAZIT Aus der Kombination mit horizontaler Stranggießanlage und anschließendem Planetenschrägwalzwerk entsteht im Vergleich zu herkömmlichen Produktionsverfahren ein sehr kompakter und effizienter Prozess, der besonders für kleine und mittlere Kapazitäten sowohl bei der Investition als auch später im Betrieb deutliche Kostenvorteile bietet. Auch die geometrischen Eigenschaften des Mutterrohrs sind besser als beim konventionellen Verfahren. Zum einen ist die Wanddicke sehr viel gleichmäßiger, weswegen weniger Material für die gewünschte Rohrlänge eingesetzt werden muss. Zum anderen werden Mutterrohre mit über 1 t Gewicht hergestellt. Damit sinken die Maschinennebenzeiten beim Ziehen und die Effizienz wird auch im Nachfolgeprozess deutlich verbessert. LITERATUR [1] SMS-Group-Broschüre: Copper Plants Save resources, improve quality AUTOREN Dipl.-Ing. Stefan Beer IAS GmbH Iserlohn Tel.: 02371 / 4346-30 s.beer@ias-induction.com Dipl.-Ing. Patrick Schneider SMS group GmbH Mönchengladbach Tel.: 02161 / 1339 patrick.schneider@sms-group.com 55