Werner Schwipps Wright in Deutschland

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Transkript:

Werner Schwipps Wright in Deutschland 2. ergänzte Auflage Sonderausstellung Wright und Lilienthal Otto-Lilienthal-Museum Anklam 2013 3

"Wright A" in der Nikolaikirche Anklam, 2013 Foto: Gehrke 4

Inhaltsverzeichnis Lilienthal und Wright Vorwort zur 2. Auflage...7 Wright in Deutschland Vorwort zur ersten Auflage...9 1. Ehrendoktorwürde aus München für die zwei Gentlemen in Dayton...11 2. Auf den Spuren Lilienthals: Über den Gleitflug zum Motorflug...13 3. Was die Wrights von Lilienthal wussten...19 4. Frühe Berichte über die Wrights in Deutschland..28 5. Verkaufsofferte an die deutsche Regierung 1906. 34 6. Erfolglose erste Verkaufsverhandlungen in Deutschland 1907...40 7. Die Wrights fliegen öffentlich im Jahre 1908...45 8. Die Wright-Flugmaschine in zeitgenössischer Beschreibung...49 9. Gründung der Flugmaschine Wright GmbH in Berlin 1909...53 10. Orville Wright fliegt in Berlin im September 1909...57 11. Der Original Wright-Apparat im Deutschen Museum...63 12. Erfolgreicher Start des Unternehmens Flugmaschine Wright GmbH...65 13. Gute Erfolge, aber auch erste Rückschläge 1910/11...69 14. Absturz in die Bedeutungslosigkeit im Jahre 1912...77 15. Die Flugzeuge der deutschen Wright-Gesellschaft...84 Doppeldecker Typ A, 1909...85 Typ A, 1910...86 Doppeldecker Typ B, 1911...88 Renn-Doppeldecker, 1911...89 Doppeldecker Typ C, 1912...90 Militär-Doppeldecker, 1912...90 16. Die Flugschule Wright in Johannisthal...92 17. Das deutsche Wright-Patent von 1904...96 18. Das Patentamt gibt 1912 der Nichtigkeitsklage statt...100 19. Die Revisionsentscheidung des Reichsgerichtes 1913...104 20. Epilog 1914...107 Literatur...109 Personenregister...110 Quellen...114 5

Denkmal am Ort der ersten Flüge der Gebrüder Wright: Kitty Hawk, North Carolina. Foto: Lukasch, 2011 6

Lilienthal und Wright Vorwort zur 2. Auflage Wohl keine andere technische Entwicklung hatte in dem Maße den Charakter eines öffentlich ausgetragenen Wettstreits wie die Entwicklung des Flugzeugs: der erste Start, die ersten 100 Meter, der erste Kreisflug, der erste Passagier, die Überquerung des Ärmelkanals.... Gerade in der Entwicklung der Luftfahrt wird Geschichte als Durchbruch geschrieben: Lilienthal - der erste Flieger, die Brüder Wright Verwirklicher des Motorflugs. Beides ist nicht unumstritten. Von Sagen und Legenden, von Ikarus und Dädalus, von Wieland dem Schmied, von bemannten Drachen im alten China bis zum Schneider von Ulm reichen Überlieferungen fliegender Menschen. Immer wieder angezweifelt wird auch der Triumph der Gebrüder Wright vom 17. Dezember 1903. Grund sind die umstrittenen Flüge von Ader in Frankreich, von Pearse in Neuseeland, von Jatho in Deutschland oder von Weißkopf in Amerika. Selbst Lilienthal ist bereits mit Motor geflogen. Die Leistung der Wrights wurde deshalb genauer definiert: der erste eigenstartfähige Flugapparat, gesteuert und aus eigener Kraft mehr als 100 Meter weit geflogen. Aber auch die Kriterien führen zu berechtigtem Widerspruch: An der Eigenstartfähigkeit war der kräftige Wind an der Küste North Carolinas nicht unbeteiligt. Lilienthal und Wright bei aller Unklarheit über Prioritätsansprüche erster Flüge, es sind diese beiden Namen, die markante Entwicklungsschübe und damit Epochen in der Entwicklung zum heutigen Flugzeug prägten. Die Entwicklung verlief mit großer Geschwindigkeit, entsprechend kurz waren die Zeiträume, die durch die Flüge Lilienthals und die der Wrights geprägt wurden. Die Fotos des Preußischen Ikarus und die Nachrichten über seine Flüge gingen ab 1893 um die Welt, illustrierten Titelseiten populärer Zeitschriften und Nachrichtenspalten nicht nur wissenschaftlicher Zeitungen. Sie prägten die etwa 10-jährige Epoche der Gewissheit Der Mensch kann fliegen, die Epoche zwischen den als artistisch verstandenen Leistungen Lilienthals und dem vor allem militärisch nutzbaren Produkt Flugzeug. Zum zunächst geheimen Produkt wurde es durch die Wrights, die nach der Nachricht ihres erfolgreichen Motorflugs die weitere Erprobung zunächst in größter Geheimhaltung vollzogen. Der Ingenieur Lilienthal folgte in Bezug auf seine Forschungen den Intensionen des Wissenschaftlers. Er war an weitestgehendem fachlichen Austausch interessiert. Obwohl er sein Flugzeug zum Patent anmeldete und am Verkauf einer Lizenz interessiert war, stand das Publizieren seiner Erkenntnisse, die Suche nach Mitstreitern und Nachahmern im Vordergrund. Die einzige für ihn vorstellbare Verwendung seiner Erfindung war der persönliche Kunstflug. Anders die Brüder Wright. Die Autodidakten arbeiteten mit großer Ingenieurskunst an der Entwicklung eines verkaufsfähigen Produkts. Die Geheimhaltung der Jahre 1903 bis 1908 war diesem Ziel geschuldet. Als aussichtsreichste Käufer sahen die Wrights zutreffenderweise das Militär. Erst im Angesicht wachsen- 7

der Konkurrenz in Frankreich und Deutschland und zunehmender Skepsis potentieller Käufer entschlossen sie sich zu öffentlichen Vorführungen. Ihre spektakulären Flüge wurden zu Attraktionen und die Flugzeuge ihrer Fabriken, hauptsächlich der in Berlin, dominierten den Markt und die Flugschulen, wenn auch nur für etwa zwei Jahre. Entwicklungsgeschichtlich führt ein direkter Weg von Lilienthal zu den Wrights. Die Brüder knüpften an Lilienthals Forschungen und Veröffentlichungen an und übernahmen, im Gegensatz zu vielen Autoritäten ihrer Zeit seine Methode zur Entwicklung des Flugzeugs über den motorlosen Gleitflug. Der Wiener Meteorologe Raimund Nimführ nennt die Erfolgsgeschichte der Wrights einen Sieg der Schule Lilienthal. Heute sind nur wenige Exemplare Lilienthalscher Flugapparate rudimentär erhalten. Bis auf den Sturmflügel im Technischen Museum in Wien sind es die in Serie gebauten Normalsegelapparate. Fast noch geringer ist die Zahl der Sachzeugen aus der Ära Wrightschen Flugzeugbaus. Als einziges weitgehend erhaltenes Exemplar eines Wright-Flugzeugs befindet sich der Prototyp des in Serie produzierten Model Wright A im Deutschen Museum in München. Es handelt sich um jenes Flugzeug, welches Orville Wright 1909 in Berlin flog. 110 Jahre nach dem ersten Motorflug der Gebrüder Wright im Jahr 1903 zeigt das Otto-Lilienhal-Museum in der Taufkirche Lilienthals in Anklam eine von Udo Jörges im Laufe eines Jahrzehnts verfertigte perfekte Replik der legendären in Berlin gefertigten Maschine. Die Aviat-Stiftung als Eigentümer des Flugzeugs ermöglichte die Ausstellung. Die Stiftung dient der Förderung von Bildung, Wissenschaft und internationaler Verständigung und hat sich bereits mehrfach für die Propagierung der Leistungen Lilienthals in den USA und der der Brüder Wright in Europa eingesetzt. Werner Schwipps (1925-2001), der Autor dieser ersten umfassenden Geschichte des Weges der Wrights nach Deutschland und des Wright-Flugzeugbaus in Berlin ist Verfasser zahlreicher luftfahrthistorischer Schriften, darunter biografischer Arbeiten über Otto Lilienthal und den vermeintlichen Wright-Konkurrenten Gustav Weißkopf. Die Ausstellung in Anklam ist Anlass, seine 1998 erstmals erschienene und seit vielen Jahren vergriffene Arbeit in einer zweiten durchgesehenen und ergänzten Neuauflage vorzulegen. Bernd Lukasch, Otto-Lilienthal-Museum, 2013 8

Wright in Deutschland Vorwort zur ersten Auflage Der Weg zum Motorflug führte über den Gleit- und Segelflug. Otto Lilienthal hatte ihn mit seinen Gleitflugübungen zwischen 1891 und 1896 in der Umgebung Berlins gewiesen; die Brüder Wright haben ihn in den USA von 1901 an beschritten und mit den ersten gelungenen Motorflügen im Dezember 1903 zum Erfolg geführt. Mittler zwischen Lilienthal und den Wrights waren der Franko-Amerikaner Octave Chanute und Augustus M. Herring, die im August 1896 in den Sanddünen am Michigan-See planmäßige Gleitflugversuche anstellten. In Gary im amerikanischen Bundesstaat Indiana ist dieser Anfänge unter dem Motto «100 Jahre Flug- Experimente in den USA» gedacht worden. Es war der gleiche Monat, in dem Otto Lilienthal am Gollenberg bei Stölln im Rhinower Ländchen tödlich abstürzte. Die Wrights haben danach mit öffentlichen Flugvorführungen 1908 in Frankreich und 1909 in Deutschland die Entwicklung des Motorflugs auch in Europa wesentlich mitbestimmt. Einzeluntersuchungen über ihren Einfluss und ihr Wirken in Frankreich und in Großbritannien liegen seit langem vor, doch fehlte es bisher an einer entsprechenden Untersuchung für Deutschland. Das ist um so verwunderlicher, als 1. die deutsche Wright-Gesellschaft erfolgreicher Flugzeuge gebaut und verkauft hat als die Wright-Gesellschaften in den anderen Ländern, 2. Wright-Piloten in der Frühzeit der Flugtechnik in Deutschland eine hervorragende Rolle gespielt haben, 3. im Jahre 1910 ein Drittel aller deutschen Piloten auf Wright-Flugzeugen ausgebildet worden ist. Wilbur und Orville Wright haben ihre Flugmaschine sehr früh auch der deutschen Regierung zum Kauf angeboten, doch in Deutschland wurde damals sehr viel mehr auf die Luftschiffe des Grafen Zeppelin gesetzt als auf die Entwicklung von Flugmaschinen. Als endlich im Jahre 1909, ein Jahr nach Gründung der französischen Wright-Gesellschaft, die deutsche Flugmaschine Wright GmbH in Berlin gegründet wurde, war es für eine günstige geschäftliche Entwicklung noch nicht zu spät. Das junge Unternehmen florierte im ersten Jahr über alle Maßen, und auch das zweite Geschäftsjahr verlief noch sehr zufriedenstellend. Aber schon im dritten Geschäftsjahr 1911/12 geriet die deutsche Wright-Gesellschaft in finanzielle Schwierigkeiten. Sie hatte zu lange an der alten Grundkonzeption der Brüder Wright festgehalten: am offenen Gitterrumpf und am Zweipropellerantrieb hinter den Tragflächen, und blieb damit hinter der Entwicklung der Flugtechnik in Europa zurück. Der Absturz der Gesellschaft in die Bedeutungslosigkeit vollzog sich 1912/13 nach dem Tode von Wilbur Wright, so dass man versucht ist, einen Zusammenhang zwischen dem frühen Sterben von Wilbur und dem Niedergang der Wright-Gesellschaften, nicht nur in Deutschland, zu vermuten. Doch dies wäre, wie die Untersuchung zeigt, für die deutsche Flugmaschine Wright GmbH nicht gerechtfertigt. Die Gründe für den Niedergang lagen tiefer, und sie lagen in gewisser Weise sogar in der Person von Wilbur Wright selbst, der von dem einmal als richtig erkannten Grundprinzip nicht abweichen wollte. Wilbur und Orville Wright haben Deutschland mehrmals besucht, einzeln und gemeinsam, um Verkaufsgespräche zu führen, die Geschicke der deutschen 9

Wright-Gesellschaft mit zu leiten und um ihre Interessen im Patentstreit zu vertreten, der in Deutschland ebenso ausbrach wie in den USA und in Frankreich. In Deutschland freilich waren die Brüder Wright nicht die Kläger, sondern die Beklagten. Wilbur hat einen seiner Besuche dazu benutzt, in Berlin-Lichterfelde das Grab seines großen Vorgängers aufzusuchen, auf dessen Werk die Brüder nach eigenem Bekunden aufgebaut haben. Wilbur besuchte auch die Witwe Agnes Lilienthal, die seit dem Tode ihres Mannes mit vier Kindern in beengten finanziellen Verhältnissen lebte. Im Dezember 1911 schickten die Brüder ihr zur Unterstützung einen beträchtlichen Geldbetrag. Wie Lilienthal, dessen Veröffentlichungen und Luftwiderstandstabellen sie eingehend studiert hatten, begannen die Wrights im Jahre 1900 mit Gleitflugversuchen. Sie entwickelten mechanische Steuervorrichtungen um alle drei Flugachsen und gelangten damit über Lilienthal hinaus. Danach war es nur noch ein kleiner Schritt zu ihren ersten Motorflügen am 17. Dezember 1903. Anders als in England, Frankreich und den USA sind in Deutschland im Zweiten Weltkrieg viele Akten gerade auch zur Entwicklung der Flugtechnik verloren gegangen, nicht zuletzt die Archivalien des Kriegsministeriums und der Preußischen Fliegertruppe bis 1914. In beharrlicher Arbeit haben sich dennoch in ausreichendem Maße Quellen und Belege für diese erste Darstellung der Bedeutung der Brüder Wright für Deutschland und ihr Wirken in Deutschland finden lassen. Werner Schwipps, Köln, 1997 10