Ragnhild Kober-Carrière und Clemens Alexander Wimmer

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Transkript:

Ragnhild Kober-Carrière und Clemens Alexander Wimmer Ein Dresdner Obstsortenverzeichnis von 1594 A list of fruit cultivars planted in an orchard in Dresden between 1581 and 1594 is edited. The manuscript was recently found in a copy of the "Gartenordnung" (garden rule) by Johann Peschel (1597) from the Gotha Court Library. The authors discuss the role of fruit cultivation and gardening during the reign of August and Christian I, Electors of Saxony, at whose court the orchard owner was employed. Also, the difficulties to identify cultivar names from the Renaissance are mentioned. Die Pomologie oder Obstsortenkunde gilt als Wissenschaft des 18. und 19. Jahrhunderts. Erste Anzeichen ihres Entstehens finden sich jedoch schon in der Renaissance. Quellen aus dieser Zeit sind bisher aber nur wenige bekannt, und unser Bild über die damals vorhandenen Obstsorten ist sehr undeutlich. 1 Eine kürzlich entdeckte Sortenliste scheint daher geeignet, einem weiteren Kreis zugänglich gemacht zu werden und die Kenntnis des Obstsortiments der Renaissance erweitern zu helfen. Die ersten gedruckten Quellen zum Thema Obstbau sind so genannte Pelzbücher, welche sich mit dem praktischen Obstbau, aber nicht mit der Sortenkunde befassen (Domitzer 1529, Kurfürst August ca. 1564, Wolfgang Schmatz 1574, Andreas Seydeler 1596). Wenige Sorten sind bei den Botanikern Hieronymus Bock 1539 und Valerius Cordus 1561 genannt. Erste Versuche, Obstsorten in Holzschnitten abzubilden, machte Tabernaemontanus 1588, ohne jedoch Beschreibungen zu liefern. Holzschnitte und Beschreibungen veröffentlichte Jean Bauhin 1598. Die meisten Autoren des 16. und in Deutschland auch noch viele des 17. Jahrhunderts. 1 Wimmer: Geschichte und Verwendung alter Obstsorten, Berlin 2003, S. 17-19. hielten es für nicht der Mühe wert, Sortennamen festzuhalten. Umso größere Bedeutung kommt handschriftlichen Quellen zu. Die Sortenkunde war eine Beschäftigung vornehmer und gelehrter Herren. Aus Württemberg, Hessen und Sachsen ist bekannt, dass sich die Landesherren persönlich damit befassten. Herzog Christoph I. von Württemberg (reg. 1550-1568) trug in- und ausländische Obstsorten zusammen. In seinem Garten zu Göppingen standen 374 Obstbäume. Sein Enkel Friedrich I. (1593-1608) beschäftigte den Botaniker Jean Bauhin (1541-1613), der 1598 in einer Beschreibung der Flora von Bad Boll zahlreiche deutschnamige Apfel- und Birnensorten ausführlich beschrieb und abbildete. Es ist der erste Versuch, Obstsorten einer wissenschaftlichen Bearbeitung zu unterziehen. Landgraf Wilhelm IV. von Hessen-Kassel (reg. 1567-1592) war ein weiterer fürstlicher Obstbauer, der eifrig Obst sammelte und eigenhändig veredelte. Jean Bauhin bezeugt, dass er ihm Birnenreiser aus Montbéliard sandte. Eine Chronik von 1606 nennt als von Wilhelm eingeführte Sorten unter anderem zehn Apfel- und 15 Birnensorten. Darunter sind bereits fran- 94

zösische Namen. 2 Er sandte auch Bäume und Reiser an August von Sachsen, Julius von Braunschweig und Johann von Zweibrücken. Auch sein Bruder Georg I. von Hessen-Darmstadt (reg. 1567-1596) sammelte Obst. 3 Kurfürst August von Sachsen (reg. 1553-1586) und seine Gemahlin Anna sammelten ebenfalls Obstsorten und verteilten sie im Land. Ihre Korrespondenz mit Fürsten und dem Kaiserhof belegt Baum- und Reiserlieferungen aus ganz Deutschland. August veredelte eigenhändig und gab später auch Bäume an befreundete Fürsten ab, z.b. 1584 an den Kurfürsten von Brandenburg. 4 Kurfürst August von Sachsen gilt als Verfasser des Buches Haushaltung in Vorwerken und als Autor eines Künstlich-Obst-Garten-Büchlein. 5 Aus der Zeit vor dem Dreißigjährigen Krieg sind die pomologischen Quellen besonders spärlich und wenig untersucht. Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass es im Mittelalter zahlreiche Obstsorten gab. Ihre Namen wurden jedoch nicht systematisch festgehalten. Sieht man von vier im Capitulare de villis genannten Apfelnamen und vereinzelten Nennungen 2 Debor, Herbert Wilhelm: Geschichte des hessischen Obstbaus. Michelstadt 1957, S. 24f. 3 Debor 1957, S. 16. 4 Dutschmann, Georg: Ein Tagebuch aus der Kurfürstlichen Hofgärtnerei zu Dresden vom Jahre 1572. In: Flora: Sitzungsberichte und Abhandlungen 34/35 (1929/30), S. 52. Falke, Johannes: Die Geschichte des Kufürsten August von Sachsen in volkswirtschaftlicher Bedeutung. Leipzig 1868. 5 Nach H. Frederic Janson: Pomona s Harvest, Portland 1996, S. 330 soll es Ausgaben von 1564 und 1571 geben. Ältere Bibliographien nennen auch Auflagen von 1550 und 1570. Diese konnten jedoch bisher nicht nachgewiesen werden. in Klosterurkunden ab, wurden Sortennamen erst seit Mitte des 16. Jahrhunderts überliefert. Doch auch die meisten Sortennamen der Renaissance sind mehrdeutig und kaum mehr sicher zu identifizieren. Es liegt in der Natur der Sache, dass die Obstsortensammler, die sich auf nahezu keine Literatur stützen konnten, die Sorten so nannten, wie sie sie erhalten hatten, und wenn kein Name bekannt war, selbst einen Namen vergaben. Welche Bezeichnungen alt und welche neu vergeben waren, lässt sich aufgrund der mageren Quellenlage nicht immer eindeutig klären. Ein kleiner Teil in mehreren Listen auftretender Namen deutet jedoch bereits auf die Existenz überregionaler und auch internationaler Sortimente hin. So waren der Rote Stettiner oder die Winterapothekerbirne weit verbreitet. In der Dresdner Liste können die Bezeichnungen Aufschluss über die Herkunft der Sorten geben. 14 Namen deuten auf Frankreich bzw. Welschland, elf auf Spanien 6, acht auf Ungarn, je drei auf Mecklenburg und den Orient, je zwei auf Stettin, Siebenbürgen und Italien sowie je einer auf die Niederlande, Brandenburg, das Rheinland, Böhmen und Polen. Man kann davon ausgehen, dass in dieser Zeit viele Sorten aus dem Ausland nach Deutschland eingeführt wurden, von denen beispielsweise die Hauszwetsche heute noch verbreitet ist. 7 Die hier vorgestellte Liste führt die Sorten auf, die der Kammerschreiber Michel 6 Spanische Kirschen stammen höchstwahrscheinlich nicht aus Spanien. 7 Wimmer: Studien zur frühen Geschichte der Hauszwetsche. In: Pomologen-Verein Jahresheft 2009, S. 38-42. 95

Rudell (auch Michael Rudel) zu Dresden in seinem Garten von 1581 bis 1594 angezogen hat. Namentlich sind es 56 Apfel-, 45 Birnen-, 41 Kirschen- und 46 Pflaumensorten sowie ca. zehn andere Gehölze, wie Quitten, Kornelkirsche, Jelängerjelieber und Beerenobstsorten. Während ein umfangreiches Birnensortiment vorhanden ist, fehlen noch Pfirsiche und Aprikosen. Das Verzeichnis fand sich mit anderen Handschriften in dem in der Gothaer Schlossbibliothek befindlichen Exemplar der Gartenordnung des thüringischen Pfarrers Johann Peschel (1597) eingebunden. Der Druck enthält anonym auch das Künstlich-Obst-Garten-Büchlein von Kurfürst August. 8 Rudell ist in den Bestallungsakten von 1570-1575 und 1586 genannt. 9 Es kann vermutet werden, dass er bei der Beschaffung der Obstsorten für das Kurfürstenpaar seine Hand mit im Spiel hatte und manche Sorte der kurfürstlichen Sammlung auch auf seine eigenen Bäume veredelte. Die Preisangaben deuten darauf hin, dass es sich um ein Verkaufsangebot handelt. Der Zeitraum anno 81. bis uff anno 94. umfasst die Herrschaft von Kurfürst August von Sachsen (bis 1586) und seiner Gemahlin Anna von Dänemark, wie auch die von Christian I. (1586-91) und seiner Gemahlin Sophie von Brandenburg. 8 Peschel: Gartenordnung. Neudruck, erläutert von Clemens Alexander Wimmer, Nördlingen 2000. 9 Freundlicher Hinweis von Roland Puppe: HStA Dresden, Finanzarchiv, 10036 FA, Loc. 32 961, 1918b, Bestallung 1570-1575, S. 205, Bestallung vom 17. Juni 1575, und Loc. 32962, 1918e, 1586, S. 109, Bestallung ohne Datum. Unter Kurfürst August und Anna wurden Landwirtschaft und Obstbau in Sachsen stark gefördert. Die Schlösser Augustusburg und Annaburg verbinden sich mit ihren Namen. 1577 standen im damaligen Zwingergelände und im Ostra-Vorwerk zu Dresden 16.000 gepfropfte Bäume. 1571 hatte der aus Nürnberg stammende Hofgärtner Georg Winger 33.838 Wildlinge pflanzen lassen. 1573 waren 3.903 Edelreiser aus Prag, Breslau, Krakau, Hohenlohe, Liegnitz, Frankfurt am Main und Wien nach Dresden gekommen. 10 1582 wurde Schloss Colditz Sophie bei der Hochzeit mit Christian als Leibgedinge übergeben. Der Garten am Schloss Colditz, die Weißenburg genannt, wurde 1584 höher aufgeschüttet und ein Baumgarten dort angelegt. 11 1597 heißt es, dass der Garten mit alten Obstbäumen besetzt sei. 12 Ab 1591 führte der ernestinische Herzog Friedrich Wilhelm von Sachsen-Weimar die Regentschaft. Dieses Jahr gilt als das Entstehungsjahr für Der Herzogin Garten in Dresden. Christian I. schenkte ihn seiner Gemahlin 1591. Außerdem behielt sie als Leibgedinge und späteren Witwensitz das Schloss Colditz mit seinen Gärten. Bis jetzt sind Sortenlisten dieser kurfürstlichen Baumgärten Sachsens nicht be- 10 Roland Puppe: Orangen und Orangerien am Sächsischen Hof. In: Kulturstiftung DessauWörlitz/ Vorstand (Hrsg.): Oranien-Orangen-Oranienbaum, 1999, S. 111. 11 Der Burg zu Colditz Bau und Zier stellt dieser Blätter Inhalt für; Leipzig, 1710, S. 14. 12 Index: Schloß und Haus Colditz, wann und wie es wieder angerichtet, erneuert und erweitert, Folio 1; Staatsarchiv Leipzig; Amt Colditz Nr. 123. 96

kannt. Desto aufschlussreicher ist daher das Verzeichnis des Kammerschreibers Michael Rudell über die von ihm gezogenen Obstbaumsorten. Bei der folgenden Abschrift wurde vorerst darauf verzichtet, eine umfassende Konkordanz herzustellen. Nur bei den bekannteren Sorten wurden die modernen Namen hinzugefügt. Späteren Studien ist es vorbehalten, weitere Synonyme zu ermitteln. Es zeichnet sich allerdings bereits jetzt ab, dass ein Teil der Namen nicht identifiziert werden kann - nicht nur wegen der undeutlichen und teils verballhornten Schreibweise, sondern auch aufgrund fehlender Erwähnung in anderen bekannten Quellen. 14 Abb. 1 Colditz, Schloss 1624 mit Baumgarten als Die Weißenburg genant bezeichnet 13 Der Herzogin Garten in Dresden kann wahrscheinlich als Garten nicht gegen den Bebauungsdruck erhalten werden. Hingegen bietet es sich an, den in seiner Fläche bis heute weitestgehend bewahrten Baumgarten am Colditzer Schloss wieder als Schau- und Sichtungsgarten mit Obstsorten des 16. Jahrhunderts einzurichten. Hierbei könnte das neu entdeckte Verzeichnis gute Dienste leisten. 13 Hauptstaatsarchiv Dresden, 12884 Karten und Pläne, Schrank 3, Fach 41, Nr. 1. 14 Hans Gürtler: Apfelnamen aus dem 16 Jh. In: Zeitschrift für Wortforschung 12 (1910), S. 215-222; Ders.: Birnennamen des 16. Jhs., ebd. S. 248-254. 97

Abb. 2 Obstortenliste aus Peschel 1597 (Forschungsbibliothek Gotha, Math-4-474-4) 98

[Bl. 1r] Verzeichnis was Michel Rudell Cammerschreiber zu dresden von allerlei arten obst bäume von anno 81. bis uff anno 94. in seinen garten gezeugett. Epffell. Grosse wein saur epffell Grosse wurz epffell. Grosse grune Epffell. Reue Epffell. Moscateller Epffell. Rote herrn Epffell [Roter Brasilienapfel] Gelbe herrn Epffel Grosse Barlob Epffell Schone grosse Borstorffer [Edelborsdorfer] Grosse Eck Epfell [Danziger Kantapfel?] Poma pamellei od[er] welsche sueße öpffel genand [Pallierapfel?] Epffell saur vnd suesse schmecken vnd von gestalt wie pflaumen. Caentucy Epffell. Pariß epffell [Parisapfel] der Grossen streiffichen hartichen [Echter Winterstreifling] Rostocker Epffell [Roter Winterstettiner], Sanct Johans epffell. Rote Jungfraw Epffell. weisse Junckfraw Epffell Grosse wehr öpffell. Meckelburgische Epffell. Rote Kaisser Epffell. Moscaten Epffell. Merkische epffel. Rote Eicher Epffell [Roter Eiserapfel?] Juncker epffel Kinkerling epffel Elias Epffel Schlutige Epffel [Schlotterapfel, Roter Kardinal] Kern Epffell der Reinischen Hartigen [Hartling] Eine art grosse rote epffel Bomische weinling. Grosse Stetinische Epffel Frantzosische Hartigen Lange wurz Epffell Grune Francken. Grosse Epffel so in der Christnacht bluen. Zapff Epffel Rote Suesse epffel Rote Stetinische [Roter Winterstettiner]. Quitten epffel. Rote Saur epffel Grosse Meht epffel [Brauner Matapfel] Tachen epffel. Grosse Zel epffel. Turnische [?] epffel Schone Rote vnd gelbe streifichte Epffel, vnd die Kern beisamen in einem fach ligen. Glauche [?] Epffel Frawen epffel Epffel so halb schmecken wie ein birn vnd halb wie ein apffel Grosse Kes Epffel Grosse Epffel so einer vber ein lb [=Pfund] wigt Carpende [Capendu] epfel. [Königlicher Kurzstiel] Abrahams epffel Vater epfel Jder baum vmb 4 g. [Bl. 1v] Birn Summa 56. artt Eier birn [Sommer-Eierbirne] Spanische birn Sommer vnd winter... Pergament [verbessert: Burgamut=] birn [Sommerbergamotte] 99

Glasse Rote Grefichen [Rote Pfalzgräfin]. Grune Grefichen. Peters birn Eine gar safttige birn der safttigen schwiegelsbirn. Kannel birn [Gelbe Wadelbirne] Fursten birn welsche Regelsbirn [Winterapothekerbirne] Rote welsche birn Grosse gelbe birn Raben birn Zorkraten [?] birn Fruhe Ritter birn Spate Ritter birn Grune gute birn herrn birn Grosse winter birn Pfeng birn [Deutsche Pfundbirne?] Hengel birn [Hangelbirne] Zapffen birn Grosse Rote winter birn Berles [Gurlus?] Grosse weier Grosse Sommer birn so schon werden wie golt gelb Ein grosse art sommer birn, Stetinische birn, Birn so rond wie porstorffer sein, Meckelburgische Speckbirn, Pfaffen birn Grosse grune zeitiche birn Sibenburgische birn. Kleine Muscateller birn [Kleine Muskatellerbirne] Grosse Muscateller birn [Kleine Lange Sommermuskateller] Niderlendische winter birn Rudelmans birn Konykuvsky birn Winter Rieter birn so Inwendig Roht sein, der grossen Frantzosischen birn Kleine Frantzosische birn Jungfraw birn [Kleine Jungfrauenbirne] Birn von Rom [Römische Schmalzbirne] Jder baum zu 4 g(roschen). Kirschen. drei Eckichte Kirssen, Sibenburgische Kirssen. Summa 45 arten Frantzosische amarellen [Amarellweichsel] Grosse Spanische Kirssen Kirssen 3. 4. auch 5 vff einen stiell Kirssen so vol bluen [gefüllt blühen] wie Rosen aber nit tragen. Kirssen so vol bluen vnd tragen weisse sauer Kirssen. weisse vngarische Kirssen. [Bl. 2r] Schwarze Spanische Kirssen [Schwarze Spanische] Vngarische Spete Kirssen. Gelbe Spanische kirssen Weisse Spanische Kirssen [Weiße Spanische] der Gelben Kriezschel [Krietschkirschen = kleine Kirschen] Spanische Kriezschel Spanische Herz Kirssen Saur kirssen mit langen Stielen Kirssen so einen mittel schmag nit saur noch suesse haben ein gar guter artt. der Zeitichen Spanischen Kirssen der Spaten Spanischen Kirssen Grosse braune Kriezschel. k. Rote Spanische Kirssen der weissen Kriezschel Frantzosische Kriezschel. der vngarische Kriezschel 100

der Spitzen Kirssen eines ser guten geschmacks Kriezschel so breit vnd groß werden einer ser guten art der gar weissen Kirssen, Kirssen aus Marsilia [Marseille] aus der Fucker [Fugger] gartten, Kirssen aus Neapolis Kirssen mit lang kern. der vngarschen Kirssen mit kurzen stielen Welsch Kirssen so gar zeitig reiff werden. Saure Kirssen so im herbst reiff werden, Sehr grosse Spanische Kirssen der grossen Schwarz Franzosische Kirssen Rote saur Kirssen haben laub wie pfirschken [Pfirsiche], Schwarze Kirssen mit kurzen Stielen. Bigarius [Bigarreau] Kirssen [Gemeine Marmorkirsche], Sigergötische[?] Kirssen der blawen Kirssen. Summa 41 artten. Ider baum vmb 6 g[roschen] Pflaumen. Rote Roßpflaumen. Grosse vngarische pf. [Violette Dattelzwetsche] Grosse Grune pf. Kleine grune pf. Rote damascenen pf. Rote Egiptische pf. Gelbe Melluncken. [Gelbe Marunke] Kleine Rote pf. Spanische pflaumen sind ser lang [Violetter Perdrigon] Gelbe pflaumen mit helsichen [Hälschen] Blawe pflaumen mit helsichen Schwarze pflaumen Braune grosse pf. Grune wein zipen [Ziparte]. Gelbe zipen [Gemeiner Spilling)] Blawe zipen [Blaue Eierpflaume?]. Grawe Egyptische pf. [Bl. 3v] Dato grünlichte pflaumen Weisse zipen Mitel grune pf. Leonische [Lyoner] pf. Grune vngarische pflaumen Lange grune pflaumen. der vngarischen Rotliche pf. pflaumen so sich vom kern losen. Vngarische Zwetzken [Hauszwetsche]. Mirabulany [Myrobalane] Eine schone art durchsichtige art pflaumen Gelbe pf. Braune pf. Schone rote vnd gelbe pf. Ronde gelbe pf. Ein art gelbe lanlichte pf. Grune krume pf. krulichte [?] blawe vngarische Frantzosische Zwezken welsche grune pf. [Große Grüne Reneklode] weisse Spilling. Grune lengliche pf. keisser pf. der gelben breitten pf. lange rote pf. kleine rote pf. grune dünschelichte pf. Zeitliche schwarze damascenen [Kleine Johannespflaume] Gelbe breite da[mascenen] pf. [Damascenen- Aprikosenpflaume] Jder baum vmb 6 g. Summa 46 arten 101

Spanische Mispelln 6 g. Leonische [Lyoner] Quittenbaum 6 g. Kornusbaum ]Kornelkirsche] 12 g. Ctysus 12 g Ziringtum [Syringen?] 12 g. Spanische gewechs 12 g Berberis 4 g je lenger je lieber roht 4 g Durck [Türkische] Kappen?.. 2g Close [?] behr dreierlei arten zu 6. 4. 2 g. Baume bluen gelb Calmus. 102