Predigt Johanes 4, 5-14 vom 9. Sept. 2012, Alte Kirche Wollishofen von Pfr. Sönke Claussen Nun kommt Jesus in die Nähe einer Stadt in Samarien namens Sychar, nahe bei dem Grundstück, das Jakob seinem Sohn Josef gegeben hatte. Dort war der Brunnen Jakobs. Jesus war müde von der Reise, und so setzt er sich an den Brunnen; es war um die sechste Stunde. Eine Frau aus Samarien kommt, um Wasser zu schöpfen. Jesus sagt zu ihr: Gib mir zu trinken! Seine Jünger waren nämlich in die Stadt gegangen, um Essen zu kaufen. Die Samaritanerin nun sagt zu ihm: Wie kannst Du, ein Jude, von mir, einer Samaritanerin, zu trinken verlangen? Juden verkehren nämlich nicht mit Samaritanern. Jesus antwortete ihr: Kenntest du die Gabe Gottes und wüsstest wer es ist, der dir sagt: Gib mir zu trinken, so würdest du ihn bitten, und er gäbe dir lebendiges Wasser. Die Frau sagt zu ihm: Herr, du hast kein Schöpfgefäss, und der Brunnen ist tief. Woher also hast du das lebendige Wasser? Bist du etwa grösser als unser Vater Jakob, der uns aus dem Brunnen gegeben hat? Er selbst hat aus ihm getrunken, er und seine Söhne und sein Vieh. Jesus entgegnete ihr: Jeder, der von diesem Wasser trinkt, wird wieder Durst haben. Wer aber von dem Wasser trinkt, das ich ihm geben werde, der wird in Ewigkeit nicht mehr Durst haben, nein, das Wasser, das ich ihm geben werde, wird in ihm zu einer Quelle werden, deren Wasser ins ewige Leben sprudelt. Liebe Gemeinde, von den biblischen Geschichten aus dem Alten Testament, haben sich diese mir schon in der Kindheit besonders eingeprägt: Die Brunnengeschichten schon aus der Erzväter Zeiten: Dort hatte schon Isaak seine Rebekka das erste Mal gesehen. Sie hatte ihm Wasser geschöpft. Und ebenso eine Generation später der Jakob seine Rahel, um nur ein paar wenige Beispiele zu nennen.
Brunnen, nicht nur in den trockenen Ländern der Erde, sondern auch in unseren Regionen: bevor es Wasserleitungen in jede Wohnung gab, waren sie öffentliche Versammlungs-orte, da traf man sich, um Wasser zu holen, da wurde ge-waschen, da wurden Neuigkeiten ausgetauscht, am Brunnen vor dem Tore, da wurden Liebesfäden gesponnen, da wurde gesungen und gefeiert. Geklagt und getrauert wurde da auch. Da, wo es Wasser zu holen gab, das ein jeder brauchte, da war nicht Herr oder Knecht, da war nicht Mensch oder Vieh, alle haben das Wasser aus demselben Brunnen getrunken. Socialnetworks. Brunnengeschichten, bei uns handeln die modernen davon, wer als erstes morgens ins Badezimmer darf, oder es gibt keine mehr, weil jeder sein eigenes hat. Der Wasserhähne sind viele. Brunnengeschichten heute bei uns, wenn man als Tourist Münzen hineinwirft was Glück bringen soll. Und der Männerchor singt das romantische Lied. Ansonsten sind sie selten geworden. Smartphone, Internet, es wird geplaudert und getwittert und zu trinken gibt es aus der Petflasche vom Supermarkt. Brunnengeschichten. Unser Predigttext ist so eine. Und wie wir schon herausgehört haben, wird das Wasser da schon von Jesus weitergefasst, symbolisch, zeichenhaft. Er spricht von einem lebendigen Wasser, eines das zu einer Quelle ewigen Lebens wird. Der fromme Jude kennt das Psalmwort wo es heisst: bei dir Gott ist die Quelle des Lebens! Jesus war ein Jude. Und die Frau, der er am Brunnen begegnet, ist eine Samaritanerin. Sie will Wasser holen. Wasser für das tägliche Leben. Die Frau aus Samarien erkennt in Jesus den jüdischen Nachbarn, der mit ihr nichts zu tun haben kann, weil es zwischen Juden und Samaritanern konfessionelle Glaubensunterschiede gibt, die ihren Ursprung in alten Konflikten rund um die Anerkennung des Tempels in Jerusalem und um das Heiligtum auf dem Garizim haben. Aber der für sie fremde Mann spricht sie an: Gib mir zu trinken. Die Frau ist erstaunt, wie kann er, der Jude, von ihr etwas wollen? Wie kannst Du, ein Jude, von mir, einer Samaritanerin, zu trinken verlangen? Jesus geht darauf nicht ein. Lieben und Heilwerden entscheidet sich für ihn nicht an Grenzen, die Menschen errichten, sondern daran, ob ein Mensch Gottes Handeln erkennt und
die Gabe des Lebens dankbar ergreift. Was dieser müde Wanderer geben kann, ist die Gabe Gottes schlechthin, nämlich lebendiges Wasser. Jeder, der von diesem Wasser trinkt, wird wieder Durst haben. Wer aber von dem Wasser trinkt, das ich ihm geben werde, der wird in Ewigkeit nicht mehr Durst haben, nein, das Wasser, das ich ihm geben werde, wird in ihm zu einer Quelle werden, deren Wasser ins ewige Leben sprudelt. Lebendiges Wasser, Wasser des Lebens, Wasser als Symbol wie vorhin bei der Taufe von Lukas. Der geschulte Leser des Johanesevangeliums erinnert sich an ähnliche Symbolworte Jesu. Ich bin das Brot des Lebens, z.b. weil: der Mensch lebt nicht vom Brot allein. Er sagt: Ich bin das Licht der Welt, und wer ihm nachfolge würde nicht im Dunkeln wandeln, sondern hätte das Licht des Lebens. Und er sagt sogar: Ich bin die Auferstehung und das Leben, wer an ihn glaube wird leben auch wenn er stürbe.. Aber zurück zum Brunnen: Für mich ist es auch ein wunder-bares Bild für das was wir selber brauchen und für das was wir als Kirche tun und was unser Auftrag ist: Ekklesia zu sein, d.h. Versammlung, d.h. Gemeinschaft, das heisst einander Wasser geben rund um den Brunnen. Ist es nicht unsere Aufgabe, aus dem Quell des Gotteswortes zu schöpfen, es weiter zu reichen als Verkündigung oder im diakonischen Handeln, in der Mission und in der Entwicklungshilfe? Unser Tun und Handeln im Auftrag des Evangeliums, das ist Bewässern und Leben fördern, das ist Waschen und für eine bessere Welt arbeiten, in der Gerechtigkeit nicht nur ein Wort ist. Brunnengeschichten: In unserer Predigtgeschichte geht es den Weg vom Konkreten zum Symbolischen und von da strahlt es wieder zurück in den Alltag. Wir können uns kaum vorstellen, wie das ist, wenn man weite Wege gehen muss, um ans Wasser zu kommen, meist sind es Kinder und Frauen, die z.b. im Südsudan kilometerweit mit Wassergefässen auf dem Kopf unterwegs sind. In der Hitze über unwirtliche Wege, Gefahren durch Mensch und Tier ausgesetzt. Und wenn es kein sauberes Wasser gibt, dann muss man halt verschmutztes nehmen,
und wenn die Wasserstellen abgelegen liegen, dann muss man halt den schweren Weg auf sich nehmen. Es gibt keine Alternative! Welch` ein Segen, gäbe es in der Nähe einen Brunnen mit sauberem Trinkwasser! Liebe Gemeinde, auch mit diesem Gottesdienst, wollen wir auf den Wassernotstand in der Welt hinweisen und mit einem konkreten Projekt die Versorgung mit sauberem Trinkwasser im Südsudan unterstützen. Informationen zu dem Projekt des HEKS im Südsudan gibt es im Anschluss an diesen Gottesdienst. Brunnengeschichten: Jeder, der von diesem Wasser trinkt, wird wieder Durst haben. Wer aber von dem Wasser trinkt, das ich ihm geben werde, der wird in Ewigkeit nicht mehr Durst haben, nein, das Wasser, das ich ihm geben werde, wird in ihm zu einer Quelle werden, deren Wasser ins ewige Leben sprudelt. Klar, liebe Gemeinde, die symbolische Übertragung ins Geistige lebendige Wasser macht das konkrete Nass nicht überflüssig. Jesus sagt nicht: Egal wie die Menschen nach Wasser dürsten, Hauptsache ihr habt mich! Nein, gerade er wendet sich den leidenden und unterversorgten Menschen zu. Den barmherzigen Samariter, der dem unter die Räuber Gefallenen in seiner Not hilft, ihm die Wunden verbindet und ihm zu trinken gibt, gerade den hat Jesus zum Vorbild der Nächstenliebe gemacht. Von wegen nichts zu tun haben wollen mit den Samaritanern..! Konkret. Der Mensch lebt nicht vom Brot allein. Stimmt. Aber ohne etwas zu essen geht es auch nicht. Der Mensch lebt nicht vom Wasser allein. Stimmt. Aber ohne geht es auch nicht. Wenn ich daran denke, wie sehr gerade auch die afrikanischen Länder durch den früheren Kolonialismus und heute z.b. durch unfairen Rohstoffhandel wie unter die Räuber gefallen sind. Da müssen Brunnen hin, sauberes Wasser für Mensch und Tier und zum Bewässern der Felder!
Und am Brunnen erzählt man sich vielleicht einmal Geschichten von einer gerechten Welt, wo man nicht ums Wasser streiten muss, weil es knapp ist, wo es genügend hat für alle. Wo nicht mehr ein Lande dem anderen durch Stauseen das Wasser abgräbt, wo man nicht befürchten muss, dass eines Tages Kriege ums Wasser geführt werden. Wo die Flüsse nicht verunreinigt werden und die Meere nicht leergefischt. Sauberes Wasser, ein Symbol des Lebens. Schliesslich, liebe Gemeinde, Jesus selber, hat in seiner schwersten Stunde am Kreuz gesagt: Mich dürstet! Am Kreuz, wo er gleichzeitig für seine Peiniger gebetet hat. Er ist dann nicht im Tod geblieben. Gott hat seiner Sache Recht gegeben. Die Zuwendung Gottes in Jesus Christus ist uns zum Brunnen des Glaubens, zum Quell der Hoffnung und zum Strom der Liebe geworden. Und so wünsche ich uns allen im Alltag immer wieder gute Brunnengeschichten, wo man miteinander und füreinander schöpft, wo man Erfrischung erlebt, Leib und Seele labt, und wo wir in Wort und Tat das Wasser des Lebens bezeugen, auch durch Engagement für sauberes Wasser ganz weit weg! Amen.