Kombinationstaktik Umweltverträgliche und sichere Konservierung mit Silber/Benzisothiazolin-Bioziden. Durch die Kombination von Silberverbindungen mit Isothiazolinen entstehen kennzeichnungsfrei und hocheffektive Topf-Konservierungsmittel für Farben und Lacke. Im Überschuss gegenüber Silber eingesetzt verhindert Benzisothiazolin außerdem die Verfärbung der Silberverbindungen durch Licht. Uwe Falk*, Frankfurt. * Kontakt: Dr Uwe Falk, Clariant Produkte (Deutschland) GmbH, Industrial Biocides, Industriepark Höchst, 65926 Frankfurt, Tel: +49 69 305-16918, Fax +49 69 318 435, uwe.falk@clariant.com Um Farbe und Lacke vor Keimen zu schützen, müssen geeignete Konservierungsmittel zugegeben werden. Durch die Einführung der Biozidrichtlinie werden eine Reihe gängiger Konservierungsmittel nicht mehr zur Verfügung stehen. Neue Grenzwerte in der Kennzeichnungspflicht für Konservierungsmittel, wie R43 für "Sensibilisierung" und N für "gefährlich für die Umwelt", sowie der Zwang zur Listung auf den wichtigsten Positiv-Listen, wie dem Blauen Umwelt Engel, schränken die Verwendungsmöglichkeiten der vorhandenen Biozide immer weiter ein. Die möglichen Kombinationen der registrierten und bisher eingesetzten Biozide zur Optimierung der Effekte ist größtenteils ausgereizt, deutliche Verbesserungen nicht mehr zu erwarten. Eine weitere Verschärfung der Grenzwerte für die Kennzeichnungspflicht einzelner Konservierungsmittel ist denkbar, das Konservieren von Farben und Lacken gerät zu einer regelrechten Herausforderung. Silber, ein sicheres Biozid Schon seit langer Zeit ist die keimabtötende Wirkung von Silber bekannt. So werden Bakterien bereits bei Ag + - Konzentrationen von 10-6 Mol/l inhibiert und bereits von geringeren Mengen angegriffen [1]. Ein weiterer Vorteil von Silber: Die meisten Bakterien zeigen kaum oder gar keine Abwehrreaktionen gegen Silber; das bakterizide Wirkungsprofil ist sehr breit und universell effektiv. Der menschliche Körper dagegen reagiert im allgemeinen nicht auf Silberionen. Silberionen werden deshalb sogar in der Trinkwasseraufbereitung eingesetzt, z.b. zur Wasserreinigung in Campingausrüstungen [2]. Silber wird auch Kosmetika beigegeben, da Silber, im Gegensatz zu fast alle anderen Bioziden, keine sensibilisierende Wirkung hat. Silber und Silberverbindungen sind somit höchst effektiv gegen Mikroben, sind aber gleichzeitig für den Menschen weitestgehend unbedenklich. Dennoch werden Silberverbindungen für die Konservierung von Lacken und Farben bisher nur sehr vereinzelt eingesetzt. Gründe sind die Angst vor einer möglichen Verfärbung durch Reaktionen des Silbers mit dem Produkt, z.b. schwefelhaltigen Inhaltsstoffen, oder mit Licht (Photoeffekt). Weiterhin gelten Silberverbindungen als zu teuer für den Einsatz als Konservierungsmittel in Farben. Biozid-Kombinationen: wirksam und kennzeichnungsfrei Kennzeichnend für alle bisherigen silberbasierenden Konservierungsmittel ist ihre Depot-Wirkung: Durch die Einbringen des Silbers in eine Matrix wird die Menge des gelösten und somit bio-verfügbaren Silbers kontrolliert. Die möglichen Nebenreaktionen mit Licht und Farb-Inhaltsstoffen werden auf diese Weise reduziert, können jedoch noch immer auftreten. Daher muss die Zusammensetzung einer Farbe in der Regel an das silberhaltige Konservierungsmittel angepasst werden - und dies bei im Vergleich zu konventionellen Konservierungsmitteln hohen Kosten. Außerdem bewirken die Nebenreaktionen außer der nicht akzeptablen Verfärbung des Produktes auch eine Abschwächung der Konservierungspotenzials, da das gebundene Silber nicht mehr mikrobiologisch verfügbar ist. Aber auch konventionelle Konservierungsmittel können mit anderen Komponenten einer Farbe reagieren. Dazu senken neue Grenzen der Kennzeichnung mit R43 (sensibilisierend) oft die mögliche Einsatzmenge so weit ab, dass eine sichere Konservierung nicht mehr gewährleistet ist. Abhilfe wird in der Regel durch eine Kombination von verschiedenen Bioziden geschaffen, die in der Summe ausreichend konserviert, ohne jedoch die Produkteigenschaften zu beeinflussen, während die Einzelmengen unterhalb der Kennzeichnungspflicht bleiben. Diese Kombinationstaktik sollte sich auch auf die silberbasierenden Konservierungsmittel übertragen lassen: Silber könnte mit einem oder mehreren weiteren, konventionellen Konservierungsmittels kombiniert werden. Um diesen Ansatz zu testen, wurde Silber mit 1,2-Benzisothiazolin-3-on (BIT) als zweiter Komponente kombiniert. BIT ist sehr gut temperatur- und chemikalienbeständig und darf ohne Kennzeichnung bis zu einer Konzentration von 500 ppm bzw. bis 200 ppm auch in emissionsarmen Innenraumfarben zugesetzt werden. Kill-Kinetik der Silber/BIT/DOSS-Kombinationen Um zunächst die konservierende Wirksamkeit verschiedener Silberverbindungen zu prüfen, wurde mit einem so genannten Kill-Kinetics-Test die Sterberate/-Geschwindigkeit einer definierten Bakterienmischung in einer definierten Matrix bestimmt. Hierzu wurde 1 ml einer phosphatgepufferten Bakterienmischung aus gleichen Teilen Staphylococcus aureus, Pseudomonas aeruginosa, Escherichia coli und Enterobacter aerogenes zu 19 ml einer Phosphatpufferlösung mit dem Konservierungsmittel gegeben und die Anzahl der Kolonien zu verschiedenen Zeitpunkten ermittelt. Abb. 1a zeigt die Entwicklung der Kolonienzahl unter verschiedenen einfachen Silbersystemen. Hierbei wird deutlich, dass bei einem Zusatz von 80 ppm Silber als Silbernitrat, Silberchlorid oder Silberchlorid auf Titandioxid auch nach 24 h noch immer 100 bis 300 CFU (Kolonien bildende Einheiten) vorhanden sind. Erst wenn zusätzlich Dioctylsulfosuccinat (DOSS) zugegeben wird, das schon lange als Synergist mit Silber bekannt ist [3], werden alle Bakterien komplett abgetötet. Wird BIT als einziges Konservierungsmittel zugegeben, setzt die Wirkung bei der niedrigen Dosierung von 80 ppm zunächst ähnlich langsam ein wie bei den Silberverbindungen, erreicht jedoch innerhalb von 24 h das Absterben aller Bakterien. Bei höheren Dosierungen sterben die Bakterien schneller ab, bei 1000 ppm sogar schon innerhalb von 5 h (Abb. 1b). Wird das BIT mit einer Silberverbindung, z.b. Silbernitrat, kombiniert, werden bei einer Gesamtkonzentration von 80 ppm (Silber + BIT) innerhalb von 24 h die Bakterien komplett abgetötet, bei einem Verhältnis von Ag zu BIT von 1:2 bereits innerhalb von 7 h (Abb. 1c). Der Zusatz von DOSS führt, wie Abb. 1d am Beispiel von Silberchlorid auf Titandioxid mit BIT zeigt, bei insgesamt 80
ppm an Konservierungsmittel zu einer weiteren Beschleunigung der Abtötung. Bereits nach zwei Stunden sind alle Keime tot. AgNO 3 /BIT-Kombination bleibt lichtstabil In einer weiteren Versuchsreihe wurde die Lichtempfindlichkeit von Silberverbindungen und der Silber-BIT-Kombinationen untersucht. Wie sich zeigte, wird Silbernitrat schon innerhalb weniger Minuten schwarz gefärbt, während Silberchlorid und Silberchlorid auf TiO 2 und AgNO 3 in Anwesenheit von BIT zunächst farblos bleiben (Abb. 2a). Nach 24 h sind jedoch alle Silberverbindungen bis auf das System aus Silbernitrat und einem Überschuss an BIT deutlich gefärbt (Abb. 2b). Diese Silbernitrat/BIT-Kombination bleibt sogar nach Wochen noch farblos. (Das AgNO 3 wird nach wenigen Tagen wieder schwarz, d.h. erst wird das AgNO 3 sehr schnell (innerhalb weniger Miuten) schwarz, nach 24h hat es sich wieder aufgehellt (siehe Abb. 2b), und dann wird es wieder schwarz (nach einigen Tagen.) Silber auch für Farben Wie in Abb. 1c und Abb. 1d gezeigt, kann durch die Kombination von Silberverbindungen mit Benzisothiazolin eine deutliche Steigerung der mikrobiellen Wirksamkeit erreicht werden. Durch die richtige Kombination, d.h. mit BIT im leichten Überschuss, kann sogar die sonst problematische Reaktion der Silberverbindungen mit Licht weitestgehend verhindert werden. Somit kann die Einsatzkonzentration beider Konservierungsmittel gegenüber der Einzeldosierung deutlich reduziert werden, was sowohl das Risiko einer nötigen Kennzeichnungspflicht weiter reduziert als auch die Kosten senkt. Somit sollte eine große Hürde auf dem Weg zum verstärkten Einsatz von Silberverbindungen in Farben genommen sein. Literatur [1] L.E. Den Dooren de Jong, Antonie van Leuwenhoek, Vol. 31 (1965), 196 [2] H.T. Ratte, Silberverbindungen, Sprinter-Verlag 1998 [3] K.D. Brunt, R.J. Corbett, P.N. Wood, D. Murphy, Clariant, EP 0734 651 B1 Ergebnisse auf einen Blick - Silber ist ein für Menschen gut verträgliches Biozid. - Die mikrobiologische Aktivität von Silberverbindungen in Farben wird durch den Zusatz von Benzisothiazolin (BIT) deutlich verstärkt. - Wird BIT im Überschuss zugesetzt, wird außerdem die Lichtempfindlichkeit der Silberverbindungen deutlich reduziert. - Die Kombination aus BIT und Silberverbindungen ist als Topfkonservierungsmittel für Farben gut geeignet. Dr. Uwe Falk, Clariant Produkte (Deutschland) GmbH, studierte Chemie in Frankfurt am Main und promovierte am Max-Planck-Institut für Polymerforschung in Mainz. Nach mehreren Jahren in verschiedenen Positionen in Forschung und Marketing bei Hoechst und Clariant übernahm er Anfang 2005 die Leitung von Forschung und Entwicklung der Industriellen Biozide bei Clariant.
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Abb. 1: Kill-Kinetiken verschiedener Biozid-Mischungen in einer Phosphat-Pufferlösung (Bakterienmischung aus gleichen Teilen Staphylococcus aureus, Pseudomonas aeruginosa, Escherichia coli und Enterobacter aerogenes mit einer Anfangskonzentration von ca. 1-2,5 x 10 6 CFU/ml): a) Silberverbindungen; b) Benzisothiazolin (BIT) bei verschiedenen Konzentrationen; c) Silberverbindungen mit BIT; d) Silber + BIT + Dioctylsulfosuccinat (DOSS).
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Abb. 2: Verfärbung von Silberverbindungen durch Tageslicht (a) nach 1 min und (b) nach 24 h.