Ulrich Dahme (Autor) Chlorid in karbonatisierendem Beton Speicher- und Transportmechanismen

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Transkript:

Ulrich Dahme (Autor) Chlorid in karbonatisierendem Beton Speicher- und Transportmechanismen https://cuvillier.de/de/shop/publications/2003 Copyright: Cuvillier Verlag, Inhaberin Annette Jentzsch-Cuvillier, Nonnenstieg 8, 37075 Göttingen, Germany Telefon: +49 (0)551 54724-0, E-Mail: info@cuvillier.de, Website: https://cuvillier.de

1 Einleitung und Ziel der Arbeit Die Bemessung der Dauerhaftigkeit von Bauwerken aus Stahl- und Spannbeton rückt immer mehr in den Vordergrund. In den neuen Normen DIN 1045 bzw. EN DIN 206 ist die Dauerhaftigkeit, welche durch die Expositionsklassen berücksichtigt wird, einbezogen worden. Sie nimmt somit den gleichen Stellenwert wie die Festigkeitsklassen und die Konsistenzklassen ein. Es existieren insgesamt sieben Expositionsklassen. Die in der Arbeit relevante Expositionsklasse ist die Einwirkung auf die Bewehrung, da sowohl der Chlorid-Angriff als auch die Karbonatisierung zu Korrosionsschäden führen. Für die Einwirkung auf die Bewehrung können folgende Unterscheidungen getroffen werden: XC Beanspruchung durch Karbonatisierung XD Beanspruchung durch Chlorid-Einwirkung aus Taumitteln XS Beanspruchung durch Chlorid-Einwirkung aus Meerwasser Die Expositionsklassen werden wiederum in bis zu vier Stufen untergliedert. Die Schäden an Bauwerken werden hauptsächlich durch Eindringen von Feuchtigkeit und Schadstoffen verursacht. Die Korrosion selbst ist nicht Gegenstand der Arbeit, jedoch müssen die Untersuchungen in der vorliegenden Arbeit, die sich hauptsächlich mit der Bindung von Chlorid im nicht karbonatisierten und im karbonatisierten Zementstein beschäftigt, im Gesamtzusammenhang gesehen werden. Des Weiteren wird die Mikrostruktur des Betons durch die Zementart, den Wasser-Zement-Wert und infolge der Karbonatisierung verändert. Die Änderung der Mikrostruktur und die Bindungsverhältnisse wirken sich direkt auf die freie Chlorid-Konzentration der Porenlösung aus. Nur die nicht gebundenen Chlorionen sind korrosionsaktiv. Durch die Karbonatisierung verändert sich der ph-wert der Porenlösung von einem ursprünglichen ph-wert von > 13 auf einen ph-wert von 8,7 [Kro83] [Ste63]. Dies hat zur Folge, dass die Oxidschicht auf der Stahloberfläche, die sich in der alkalischen Porenlösung ausbildet, destabilisiert wird. In Gegenwart von Sauerstoff und Feuchtigkeit erfolgt in diesem Fall eine Korrosion der Bewehrung. Die Karbonatisierung ist ein langsamer Prozess und die Karbonatisierungstiefe ist bei Betonen mit einem Wasser-Zement-Wert < 0,6 bei einer Expositionszeit von 10 Jahren im Bereich von 1 cm [KS01]. Die Karbonatisierungstiefe kann mit einem t Gesetz beschrieben werden, wobei die Karbonatisierung mit der Zeit einen maximalen Wert anstrebt [Sch76]. Der Vorfaktor des t Gesetzes und die maximale Karbonatisierungstiefe sind vor allem von der Betonzusammensetzung, der Nachbehandlung und vom Lagerungsort des Betons abhängig 1

[Sch76] [Wie86]. Aus diesem Grund erfolgt die Korrosion erst nach sehr langer Expositionszeit. Die Korrosion infolge von Chlorid-Einwirkung wird auch bei hohen ph-werten beobachtet. Durch die Einwirkung von Chloriden auf die Passivschicht der Bewehrung bilden sich wasserlösliche Chloridverbindungen, wodurch der Korrosionsschutz aufgehoben wird. Die Chlor-Ionen verhalten sich nicht inert gegenüber der Zementsteinmatrix, wodurch die Chlorid-Konzentration in der Porenlösung reduziert wird [BS90]. Die frühen Untersuchungen haben als Schwerpunkt die Chlorid-Einwirkung auf das Calciumaluminat. Hieraus wird in der Regel das Calciumaluminathydrat als Hauptträger der Chloridsorption betrachtet [RL82] [Ric69]. Neuere Erkenntnisse zeigen jedoch, dass auch die Calciumsilikathydrate eine Chloridbindungskapazität haben [Tri89] [Wow97] [BRF90]. Insgesamt haben sich neben den schon erwähnten Autoren viele Wissenschaftler mit der Chloridbindung auseinandergesetzt [LN93] [ABN90] [GG90] [Cha78] [SLA69]. Obwohl die Chloridbindung seit Jahrzehnten Gegenstand der Forschung ist, können einige Phänomene bis heute nur qualitativ gedeutet werden. Es ist seit langem bekannt, dass das Calciumchlorid eine höhere Chloridbindungskapazität als das Natriumchlorid hat. In diesem Zusammenhang zeigen die Ergebnisse, dass nur beim Natriumchlorid NaCl ein Austausch von Sulfat und Hydroxid durch Chlorid aus der Feststoffmatrix stattfindet. Diese freigesetzten Sulfat-Ionen und Hydroxid-Ionen werden dafür verantwortlich gemacht, dass die Chloridbindung reduziert wird. Eine theoretische Begründung für diesen Effekt fehlt bis heute in der Literatur. Für die Chloridbindung im karbonatisierten Zementstein sind in der Literatur keine Daten vorhanden, so dass die quantitative Bestimmung der Chloridbindung ein weiteres Ziel der Arbeit darstellt. Zwar ist seit langen bekannt, dass sich die Mikrostruktur im karbonatisierten Beton verändert, doch die Auswirkung der Bindung von Chlorionen auf die freie Chlorid-Konzentration in der Porenlösung ist in der Literatur nicht vorhanden. Die Chloridbindung wird hauptsächlich mit Modellen beschrieben, die auf der Physisorption von Chlorionen basiert, wobei das Modell von Wowra stellvertretend angegeben wird [Wow97]. Aufgrund reaktionskinetischer Betrachtung zeigt Frey, dass die Anzahl an Adsorptionsplätzen für die Physisorption größer als diejenige für die Chemisorption ist [Fre90]. Ob die Chloridbindung überhaupt mit den Begriffen der Physisorption und Chemisorption zu beschreiben ist, oder ob die Interpretation der Messergebnisse durch einen anderen Mechanismus erfolgen muss, soll Gegenstand dieser Arbeit sein. In der Literatur werden die vorhandenen Chlorphasen durch die Einwirkung von Chlorionen hauptsächlich qualitativ beschrieben. Aus diesem Grund soll in der vorliegenden Arbeit geschaut werden, welche Möglichkeiten für die quantitative Erfassung der Chlorphasen existieren. Bei der Karbonatisierung von Ze- 2

mentstein können prinzipiell Calcit, welches die thermodynamisch stabile Modifikation darstellt, Vaterit und Aragonit gebildet werden. Bei Betonen, die aus hochgeschlackten Zementen bestehen, sind auch die metastabilen Modifikationen gefunden worden [Lud96]. Wodurch die metastabilen Modifikationen in hochgeschlackten Zementen stabilisiert werden, ist ein weiterer Gegenstand der Untersuchungen. Zusammenfassend sollen die Ziele der Arbeit dargestellt werden: Messung und Interpretation der Chloridbindung im nicht karbonatisierten Zementstein Messung und Interpretation der Chloridbindung im karbonatisierten Zementstein Quantitative Erfassung der vorhandenen Chlorphasen Einfluss der Mikrostruktur und Bindung von Chlorionen auf die freie Chlorid- Konzentration in der Porenlösung von Beton unter Berücksichtigung von: Zementart Wasser-Zement-Wert Karbonatisierung Stabilitätsuntersuchungen der metastabilen Calciumkarbonat-Modifikationen Vaterit und Aragonit und deren Interpretation Bei den Untersuchungen werden folgende Zementarten verwendet: CEMI32,5R CEMI32,5R+20%FA CEM III/A 32,5-NW/NA CEM III/B 32,5-NW/HS/NA 3

2 Theoretische Grundlagen 2.1 Bindemittel Bindemittel werden je nach Erhärtung in lufthärtende und hydraulische Bindemittel unterteilt. Lufthärtende Bindemittel Baugipse, Anhydritbinder, Magnesiabinder, Luftkalke Hydraulische Bindemittel Hydraulische Kalke, Zemente Latenthydraulische und puzzolanischer Bindemittel Hochofenschlacke, Puzzolane, Flugasche, Gebrannter Schiefer, Traß Zement ist ein feingemahlenes hydraulisches Bindemittel, das aus den Verbindungen Calciumoxid CaO mit Siliciumdioxid SiO 2, Aluminiumoxid Al 2 O 3 und Eisenoxid Fe 2 O 3 besteht. Beim Brennen der Rohstoffe Kalkstein und Ton bzw. Kalkmergel entstehen die vier Hauptklinkerphasen des Portlandzementes. In der Zementchemie haben sich Kurzbezeichnungen für die mineralogische Zusammensetzung durchgesetzt, welche in der nachfolgenden Tabelle 1 dargestellt sind. Tabelle 1: Kurzbezeichnungen in der Zementchemie Kurzbezeichnung C S A F CH H Cs M Chemische Formel CaO SiO 2 Al 2 O 3 Fe 2 O 3 Ca(OH) 2 H 2 O CaSO 4 MgO 4

In Tabelle 2 sind die Kurzbezeichnungen auf die vier Hauptklinker-Phasen und ihre Mineralbezeichnung angegeben. Tabelle 2: Hauptklinker-Phasen im Zement Klinkerphase Formel Kurzbezeichnung Mineralnamen Tricalciumsilicat 3CaO SiO 2 C 3 S Alit Dicalciumsilicat 2CaO SiO 2 C 2 S Belit Tricalciumaluminat 3CaO Al 2 O 3 C 3 A Aluminat Calciumaluminatferrit 3CaO Al 2 O 3 Fe 2 O 3 C 2 (A,F) Aluminatferrit Neben den vier Hauptklinker-Phasen sind noch Freikalk CaO frei, Periklas MgO frei vorhanden. Damit der Zementleim nicht sofort ansteift, wird dem Zementklinker noch Calciumsulfat als Erstarrungsregeler vor dem Mahlen zugefügt. Durch die Zusammensetzung des Sulfatträgers (Gips, Anhydrit) wird das Erstarren beeinflusst. Neben dem Portlandzementklinker kann der Zement eine Reihe weiterer Stoffe enthalten. Dies können latent hydraulischer Hüttensand, der ein Nebenprodukt der Roheisengewinnung ist, puzzolanisch reagierende Stoffe wie z.b. Flugasche und inerte Gesteinsmehle sein. Die Norm [DIN00] unterteilt die Zemente in fünf Hauptzementarten, wodurch durch verschiedene Zugabemengen der Hauptzementarten insgesamt 27 Zementarten genormt sind. Aufgrund der unterschiedlichen Zusammensetzungen ergeben sich die verschiedenen Eigenschaften der Zemente. CEM I Portlandzement CEM II Portlandkompositzement CEM III Hochofenzement CEM IV Puzzolanzement CEM V Kompositzement 5

2.2 Hydratation In allgemeiner Form ist die Hydratation die Anlagerung von Wasser an wasserfreien Komponenten unter Bildung von Hydraten. In der Zementchemie wird die Reaktion von nicht hydratisiertem Zement mit Wasser, wodurch sich die chemischen und physikalischmechanischen Eigenschaften des Systems verändern, als Hydratation bezeichnet. 2.2.1 Hydratation von Portlandzement Die Hydratation von Portlandzement umfasst eine Serie von Reaktionen zwischen den individuellen Klinkermineralien, Calciumsulfat und Wasser. Die Hydratation wird in verschiedene Perioden unterteilt [Hew03]. Nach dem Anmachen mit Wasser lösen sich die Alkalioxide und Calciumoxid, wodurch der ph-wert auf 12 bis 13 ansteigt. Des weiteren reagiert das gelöste Tricalciumaluminat C 3 A mit Calcium- und Sulfat-Ionen aus der wässrigen Lösung und bildet dabei auf der Zementpartikeloberfläche Ettringit C 3 A Cs H 32 (AFt). Ein völliger Verbrauch des in der Lösung befindlichen Sulfats durch die Bildung von Ettringit ist im frühen Stadium der Hydratation nicht möglich, da nur ein begrenzter Teil des C 3 A zugänglich ist. Weiterhin bildet sich in den ersten Minuten Syngenit K 2 SO 4 CaSO 4 H 2 O. Der Alkali-Gehalt hat einen signifikanten Einfluss auf den Umfang und den Zeitpunkt der Syngenitbildung. In dieser Zeit findet keine Reaktion des Tricalciumsilkat C 3 S mit dem Wasser statt [Sta03]. Diese Zeitspanne wird als Prä-Induktionsperiode bezeichnet. Nach der schnellen Hydratation bei der Prä-Induktionsperiode nimmt die Hydratationsrate für die Klinkerbestandteile für einige Stunden signifikant ab. In dieser Induktionsperiode erreicht die Konzentration an Calciumhydroxid Ca(OH) 2 in der wässrigen Lösung ihr Maximum. In der Accelerationsperiode, die nach ca. drei bis zwölf Stunden einsetzt, bilden sich die C-S-H-Phasen und das kristalline Calciumhydroxid Ca(OH) 2. Während der Reaktion des Alits C 3 S wird erneut C 3 A zugänglich und reagiert unter Verbrauch von Gips und Syngenit zu Ettringit. Neben Ettringit wird nach dem Verbrauch des Abbindereglers die Bildung eines Calciumaluminathydrates beobachtet, welches ein Mischkristall zwischen C 4 AH 13 und Monosulfat C 3 A CaSO 4 12H 2 O darstellt [Sta03]. In der Post-accelerationsperiode laufen die Reaktionen diffusionskontrolliert weiter. Die Reaktionsgeschwindigkeiten der einzelnen Klinkerbestandteile sind sehr unterschiedlich [Sta00]. C 3 A>C 3 S>C 4 AF > C 2 S Bei der Hydratation von Tricalciumsilicat C 3 S und Dicalciumsilicat C 2 S, die hauptverantwortlich für die Festigkeitsentwicklung sind, entsteht röntgen-amorphes bzw. nano- 6

kristallines Calciumsilicathydrat C-S-H mit variablen CaO/SiO 2 -Verhältnis [Sta06]. Beim C-S-H (I) soll das CaO/SiO 2 - Verhältnis 0,8 bis 1,5 und in C-S-H (II) 1,0 bis 2,0 betragen. Nach einem Modell von Taylor werden die Phasen als zweidimensionale Schichtstruktur beschrieben [Tay86]. Die gebildeten C-S-H-Phasen werden in der Literatur häufig mit den natürlich vorkommenden Mineralien Tobermorit und Jennit verglichen, da sie ebenfalls Schichtstrukturen aufweisen. Bei der normalen Erhärtung gilt C 3 S 2 H 4 als durchschnittliche Zusammensetzung. Neben den sulfathaltigen Phasen Ettringit C 3 A Cs H 32 (AFt) und Monosulfat C 3 A Cs H 12 (AFm), welches sich bei niedriger Sulfatkonzentration in der Porenlösung bildet, sind die Phasen C 4 AH 19 und C 2 AH 8 bekannt. Die Klinkerphase C 4 AF reagiert ähnlich wie das Tricalciumaluminat, wobei die Reaktionsgeschwindigkeit geringer ist. Die Reaktivität hängt stark vom Al/Fe-Verhältnis ab. Die beiden Klinkerphasen C 3 A und C 4 AF tragen wenig zur Festigkeitsentwicklung bei. Nach aktuellen Kenntnisstand verläuft die Hydratation von Portlandzement nach folgendem Schema (Abbildung 1). Abbildung 1: Erweitertes Schema zur Hydratation von Portlandzement [Sta03] 2.2.2 Hydratation latenthydraulischer Stoffe Hüttensand, die granulierte, glasig erstarrte Hochofenschlacke, gehört zu den latenthydraulischen Bindemitteln. In Gegenwart von Anregern bilden sich mit Wasser ebenfalls wie beim Portlandzement erhärtungsfähige Calciumsilikathydrate C-S-H. Als Anreger 7

kommen Sulfate, Calciumhydroxid Ca(OH) 2, Alkalihydoxide und Alkalikarbonate in Frage. Der Mechanismus ist noch nicht endgültig geklärt [Loc00]. Es wird davon ausgegangen, dass ohne Anreger eine hemmende Schicht den Wasserzutritt behindert. Bei Anwesenheit eines Anregers bilden sich Hydratationsprodukte, die eine höhere Wasserdurchlässigkeit aufweisen, wodurch die Hydratation nicht verzögert wird [AE54]. Zwar bilden sich bei der Hydratation von Hochofenzementen dieselben Reaktionsprodukte, jedoch unterscheiden sich diese im CaO/SiO 2 - Verhältnis. Während bei der Hydratation von Portlandzement das CaO/SiO 2 - Verhältnis der C-S-H-Phase größer 1,5 ist, liegt das Verhältnis bei Hochofenzementen im Bereich von 1,5. Des Weiteren muss berücksichtigt werden, dass die Hochofenschlacke bedeutend langsamer hydratisiert. Nach einem Jahr Wasserlagerung ist der hydratisierte Anteil nicht größer als 60 bis 80 Prozent [HO89]. Der Verbrauch an Calciumhydroxid Ca(OH) 2 scheint bei der Hydratation eine untergeordnete Rolle zu spielen. 2.2.3 Hydratation in Anwesenheit puzzolanischer Stoffe Die puzzolanische Reaktion vollzieht sich im Zusammenspiel mit dem Portlandzementklinker in zwei Teilprozessen. Zunächst löst sich der puzzolanische Stoff wie z.b. Flugasche im alkalischen Milieu der Porenlösung. Mit zunehmendem ph-wert nimmt die Löslichkeit zu [Fra90]. Das gelöste Siliciumdioxid SiO 2 und Aluminiumoxid Al 2 O 3 reagiert mit dem Calciumhydroxid Ca(OH) 2 aus der Zementhydratation unter Bildung erhärtungsfähiger Calciumsilikat- und Calciumaluminathydrate. Alle Puzzolane haben daher einen hohen Verbrauch an Calciumhydroxid Ca(OH) 2. Bei der Hydratation flugaschehaltiger Zemente bilden sich sehr früh auf der Oberfläche der Flugaschepartikel Duplexfilme [DRL86]. Auf dem Film, der aus einer dichten Schicht von orientierten Calciumhydroxidkristallen besteht, wachsen gelförmige C-S-H-Partikel. Als Hydratationsprodukte treten Calciumsilikathydrate, AFt- und AFm-Phasen sowie C 4 AH x auf [TU80]. Die in Verbindungen mit Flugasche entstandenen Hydratationsprodukte weisen ein geringeres CaO/SiO 2 - Verhältnis als die des Portlandzementes auf. Die Partikelgrößen von Flugaschen liegen im Bereich von 1 bis 150 µm, wobei die Hydratation hauptsächlich von dem Korn-Anteil kleiner 10 µm getragen wird. Die spezifische Oberfläche variiert im Bereich zwischen 2000 bis 8000 cm 2 /g. Im Verlauf der Hydratation wird das Gefüge dichter, wodurch die Reaktionsgeschwindigkeit der Steinkohleflugasche SFA reduziert wird. Aus diesem Grund bleibt ein großer Teil der Flugasche im Ausgangszustand erhalten [WM00]. Durch die Kornform und Kornverteilung werden die Zwischenräume zwischen 8

den Zementkörnern geschlossen, wodurch sich die Packungsdichte des Feststoffgemisches erhöht (Füller-Effekt). 2.3 Zementstein Das Anmachwasser füllt praktisch alle Hohlräume aus. Dieser Raum wird durch Hydratationsprodukte (C-S-H; Portlandit) gefüllt, wodurch das Gefüge mit der Zeit dichter wird (Abbildung 2). Durch diesen Prozess verfestigt sich der Zementleim zum Zement- Abbildung 2: Hydratationsprodukte beim Portlandzement,1d; FIB, Bauhaus Universität Weimar stein. Der so gebildete Zementstein besteht aus den Hydratationsprodukten und nicht hydratisiertem Zement. Das im Gefüge enthaltene Wasser beeinflusst die physikalischenund technischen Eigenschaften des Zementsteins. Um diese physikalischen- und technischen Eigenschaften zu beschreiben, sind von verschiedenen Autoren in den letzten 60 Jahren Modelle entwickelt worden. 2.3.1 Zementsteinmodelle Die Entwicklung der Zementsteinmodelle soll chronologisch wiedergegeben werden. Powers und Brownyard sind die Pioniere auf diesem Gebiet, die systematische Untersuchungen bezüglich der Reaktion von Zement und Wasser durchgeführt haben [Pow47]. Die durch die Zementhydratation entstandenen Phasen haben eine geringere Größe als 9