Hochtemperatur-Korrosion in MVA, Biomasse- und EBS-Kraftwerken

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Transkript:

Vorlesungsreihe: Betrieb und Instandhaltung von Energieanlagen Hochtemperatur-Korrosion in MVA, Biomasse- und EBS-Kraftwerken Wolfgang Spiegel GmbH w.spiegel@chemin.de www.chemin.de Dr. Wolfgang Spiegel, November 2009 1

Stichworte zum Inhalt (1) MVA, Biomasse-Kraftwerke, EBS-Kraftwerke (abfallgefeuerte Kraftwerke) (2) Hochtemperatur-Korrosion (HT-Korrosion) (3) Korrosionsursachen (4) Korrosionsbekämpfung, -vermeidung (5) Korrosionsfrüherkennung (6) Schadensuntersuchungen Dr. Wolfgang Spiegel, November 2009 2

MVA Augsburg Kraftwerke sind (auch) chemische Reaktoren. Brennstoff und Feuerung formen die chemischen Komponenten des Rauchgases. Kesselstahl ist gegenüber bestimmten Gasen ein nicht stabiler, reaktiver Zustand, der gerne neue Verbindungen eingeht. Dr. Wolfgang Spiegel, November 2009 3

(1) Abfallgefeuerte Kraftwerke: Prozess Anlieferung Bunker Verbrennung Dampferzeug. Rauchgasreinigung AVA Augsburg Dr. Wolfgang Spiegel, November 2009 4

(1) Abfallgefeuerte Kraftwerke: Dampferzeuger Rohre, Stegbleche und Sammler ergeben eine Verdampferwand Wasser + Siededampf bei z.b. 40 bar/ 250 C Überhitzer (z.b. 400 C) Turbine Trommel...Verdampferwände als Zuglenkwände (eine Strecke zur Abkühlung der Rauchgase) und Seitenwände 1. Zug 2. Zug 3. Zug ÜH2 Überhitzer, einzelne Rohre ÜH1 Eintritt in Rauchgasrein. ca. 200 C Speisewasser Warmfester Stahl (C, Mn, Si, Mo, Cr) >1.000 C 4. Zug Speisewasser 50 µm Dr. Wolfgang Spiegel, November 2009 5

(2) Hochtemperatur-Korrosion: Beispiel für Schadensphänomene an ÜH-Rohren Beispiel für Grenzerfahrungen im Betrieb: Hohe Mediums-Temperaturen (> 400 C) Hohe Rauchgastemperaturen (> 800 C, Schottheizflächen) Hohe Wärmeübertragung (angeströmte Rohre) Hoher Materialaufwand (Cladding) Unbefriedigendes Ergebnis Dr. Wolfgang Spiegel, November 2009 6

(2) Hochtemperatur-Korrosion: Beispiele für Schadensphänomene an VD-Rohren Korrosionsphänomene bei Verdampferrohren (40 bar, 1. Zug) Dr. Wolfgang Spiegel, November 2009 7

(2) Hochtemperatur-Korrosion: Begriffe Korrosion Die Reaktion eines metallischen Werkstoffes mit seiner Umgebung, die eine messbare Veränderung des Werkstoffes bewirkt und zu einer Beeinträchtigung der Funktion eines metallischen Bauteils oder eines ganzen Systems führen kann. In dem meisten Fällen ist die Reaktion elektrochemischer Natur, in einigen Fällen kann sie chemischer oder metallphysikalischer Natur sein. (aus DIN ISO 8044). Unterbegriffe für Korrosionsformen: Kontaktkorrosion, Lochfraßkorrosion, Spannungsrisskorrosion, Erosionskorrosion etc. Hochtemperatur-Korrosion Chemischer Vorgang. Im Gegensatz zur elektrochemischen Korrosion, die meist in wäßrigen Elektrolyten abläuft, kommt es hier bei hohen Temperaturen zu Reaktionen zwischen dem Umgebungsmedium (heiße Gase, heiße Feststoffe) und dem Werkstoff. Auch hier: Flächenkorrosion, Lochkorrosion, Muldenkorrosion etc. Dr. Wolfgang Spiegel, November 2009 8

(2) Hochtemperatur-Korrosion: Korrosionsmechanismen Wesentlich bei den Prozessen der Hochtemperatur-Korrosion sind die Wechselwirkungen mit Gasen, untergeordnet auch mit Schmelzen. Sauerstoff: Verzunderung, Deckschichten, oxidische (dichte) Schutzschichten, Diffusionsbarrieren Halogen-Verbindungen (Chloride, Fluoride, Bromide): Meist dominieren Chlorsalze, (Teil-)Verdampfung der Salze, Durchdringung oxidischer Schutzschichten, eutektische Salzschmelzen Schwefelverbindungen: Eutektische Salzschmelzen Kohlenstoff-, Stickstoffverbindungen: Eindiffundieren mit Bildung von Carbiden, Nitriden Dr. Wolfgang Spiegel, November 2009 9

(2) Hochtemperatur-Korrosion: Werkstoff Kesselstahl Stahl ist Eisen mit bis zu 2 Gew.-% Kohlenstoff (ggf. weitere Legierungselemente) Stahl ist kristallin, analog zu einem Gestein Stahl ist ein Phasengemenge Stahl ist ein Kristallgemenge mit Korngrenzen, Gefügeeigenschaften Stahl hat Mikro- und Makroeigenschaften in Abhängigkeit von Phasen, Gefüge etc. Deformiertes Stahlgefüge (Kante eines Rohrreißers) Warmfester Stahl (Kristallgefüge) 50 µm Dr. Wolfgang Spiegel, November 2009 10

(2) Hochtemperatur-Korrosion: Betroffene Kraftwerke Das Thema HT-Korrosion entwickelt sich: Seit 20-30 Jahren in der thermischen Abfallbehandlung Seit 5-10 Jahren in der Biomasse (Altholz) Aktuell in den EBS-Anlagen Zukünftigin Märktenmitwenig Vorerfahrung (z.b. Brasilien, Indien) Rohrreißer (Verdampferrohr, 40 bar, 1. Zug) Dr. Wolfgang Spiegel, November 2009 11

(2) Hochtemperatur-Korrosion: Beläge bestimmen das Korrosionsmilieu Kesselrohr: Anwendungstemperaturen bis > 500 C Anwendungsdrücke bis > 100 bar Kesselrohre sind meist von dickeren Belägen aus Korrosionsprodukten, Salzen und Aschen belegt. Dr. Wolfgang Spiegel, November 2009 12

(2) Hochtemperatur-Korrosion: typischer Korrosionsverlauf (Muldenkorrosion) Dr. Wolfgang Spiegel, November 2009 13

(2) Hochtemperatur-Korrosion: Zusammenhang zu Brennstoff und Betriebsweise HT-Korrosion: begünstigt durch bestimmte Brennstoffe: Abfall Ersatzbrennstoff (EBS) Biomasse (Altholz, Kerne, Schalen, etc.) Klärschlamm Industrieabfälle (Holz, Papier, etc.) Chlorverbindungen Alkaliverbindungen Schwermetallverbindungen Schwefelverbindungen Calciumverbindungen HT-Korrosion: begünstigt durch Vorgaben aus Umweltschutz / Klimaschutz: Zerstörung von organischen Schadstoffen (2 sec. 850 C) Einhaltung hoher Emissionsstandards (z.b. CO, NO x ) Hoher Wirkungsgrad bei Verstromung Hohe Verfügbarkeit bei Dampflieferung Austreiben flüchtiger Verbindungen Heiße Rauchgase Hohe Überhitzung Lange Reisezeiten Dr. Wolfgang Spiegel, November 2009 14

(2) Hochtemperatur-Korrosion: häufigster Fall ist HT-Chlor-Korrosion 1 mm Rauchgas Hochtemperatur-Chlor-Korrosion = gasförmiger Angriff von Chlor Prozesse im Belag Eisen (Stahl) + Chlor (Gas) Eisenchlorid sog. Aktive Oxidation Dampferzeugerrohr Meist Vol. (Eisenchlorid) < Vol. (abgezehrter Stahl): Bildung und Verdampfung von Eisenchlorid sog. reaktive Verdampfung Oft rote Hämatitimprägnation im Salz-Asche-Belag: Eisenchlorid (Gas) + Sauerstoff (Gas) Eisenoxid (fest) + Chlor (Gas; Kreislauf) Oder blätterteigartige Schichten aus Eisenoxiden Dampferzeugerrohr Dr. Wolfgang Spiegel, November 2009 15

(2) Hochtemperatur-Korrosion: HT-Chlor-Korrosion ist oft mit Bleichlorid verbunden Ablagerung auf kältere Beläge und kälteres Rohr, Brilleneffekt (Kondensation) oder Desublimation (Gas Fest) bis tief hinein in Risse und Poren (Kältefallen) Bildung eines Chlorreservoirs heiß Bleichlorid wird sulfatisiert, der Chloranteil wird freigesetzt Chlor direkt am Werkstoff verfügbar Dampfdruck PbCl 2 bei ca. 480 C: 10-4 bar maßgebliche Wirkung auf Korrosion Hämatitimprägnation...Eisenchlorid Bleichlorid kalt Dr. Wolfgang Spiegel, November 2009 16

(2) Hochtemperatur-Korrosion: Systematik der Korrosionsphänomene (auf Stahl) Makro Typus 1 gleichmäßige, flächenhafte Abzehrung Typus 2 selektiver Angriff, z.b. lokale Bereiche Typus 3 lokal invasive Auswaschung des Werkstoffgefüges 1 cm 1 cm 1 cm Mikro (BSE-Bild) Massig statt schichtig Schichten von Eisenchlorid/ ~oxid Angriff transkristallin Schema Angriff interkristallin 50 µm 50 µm 50 µm Belag Belag Belag fest oder teilw. geschmolzen fest oder teilw. geschmolzen fest oder geschmolzen Reaktion an Grenzfläche im Subsolidus Reaktion an Grenzfläche im Subsolidus Reaktion an Grenzfläche im Liquidus Reaktionen: Hochtemperatur-Chlor-Korrosion Gas-Feststoff (Werkstoff) Elektrochem. Lokalelement Salzschmelzenkorrosion Flüssig-Feststoff (Werkstoff) Dr. Wolfgang Spiegel, November 2009 17

(3) Korrosionsursachen: Im Kessel wirken komplexe Zusammenhänge Brennstoff - heterogen - chemische Zusammensetzung (Fracht an Chlor, Schwermetalle, Alkalien, Schwefel) - Bindungsarten der korrosionsrelevanten Elemente Prozessführung / Betriebsweise Konstruktion Temperaturbedingungen Transferkoeffizienten Chemische Zusammensetzung des Rauchgases Physikalische Gegebenheiten - Rauchgasströmung, Schieflagen - lokale Temperaturmilieus - Kältefallen Aufbau der Beläge Korrosionsdynamik (Abzehrung z. T. über 1mm / 1000 Betriebsstunden) Dr. Wolfgang Spiegel, November 2009 18

(3) Korrosionsursachen: Einflussgrößen zur Dynamisierung der HT-Korrosion Die Dynamik der HT-Korrosion ist abhängig von: Brennstoffchemie (Fracht, Spezies, Stückigkeit, Heterogenität) Feuerung (Verteilung der Wärmefreisetzung und Wärmeübertragung) Wärmeführung im Dampferzeuger Rauchgas- /Partikelchemie (Belagsbildung) Temperaturmilieus (Rauchgas, Werkstoffe) Die Auswirkungen der HT-Korrosion begrenzen: Wirkungsgrad Verfügbarkeit Wirtschaftlichkeit Dr. Wolfgang Spiegel, November 2009 19

(3) Korrosionsursachen: Planung und Errichtung Vermeidbare Korrosionsverstärker Stichworte hierzu: Qualitätsmanagement Technische Regeln Verfahrensnachweise Stand der Technik (z.b. VGB) Qualitätskontrolle Qualitätsoptimierung Testanwendungen Vorausschauende Instandhaltung Dr. Wolfgang Spiegel, November 2009 20

(4) Korrosionsbekämpfung: aktive und passive Maßnahmen HT-Korrosion wird bekämpft durch: Schutz-Werkstoffe (Feuerfest, Nickelbasis, auftragsgeschw., therm. gespritzt) Feuerung: Prozessführung / Prozesskontrolle / Prozessoptimierung Brennstoffbehandlung / Additive Begrenzung der Energieeffizienz Häufiger Bauteilersatz Standortwahl /Technologiewahl /Brennstoffdesign Dr. Wolfgang Spiegel, November 2009 21

(4) Korrosionsbekämpfung: metallische Schutzschichten Schutz des Stahls gegen Chlor durch möglichst eisenfreie Schichten (Nickelbasislegierungen) 0,1 mm 0,1 mm Gefüge: Partikel Gefüge: Dendriten Schicht: ca. 0,2 bis 0,6 mm dick Thermische Spritzschicht Schweißraupen: ca. 2 mm dick Auftragschweißung Korrosionsschutzschicht Warmfester Stahl (Kristallgefüge) 50 µm Dr. Wolfgang Spiegel, November 2009 22

(4) Korrosionsbekämpfung: metallische Schutzschichten Makro Typus 1 Typus 2 Typus 3 Mikro Gleichmäßige, flächenhafte Abzehrung Selektive Abzehrung Lokal invasive Auswaschung des Werkstoffs Typisierung der Korrosionsphänomene auf Cladding (BSE-Bild) Angriff entlang Dendriten 100 µm 100 µm 100 µm Angriff ungeachtet der Gefüge Schema Belag fest oder teilw. geschmolzen Belag fest oder teilw. geschmolzen Belag fest oder geschmolzen Reaktion an Grenzfläche im Subsolidus Reaktion an Grenzfläche im Subsolidus Reaktion an Grenzfläche im Liquidus 50 µm 50 µm 50 µm Reaktionen: Hochtemperatur-Chlor-Korrosion Gas-Feststoff (Werkstoff) Salzschmelzenkorrosion Flüssig-Feststoff (Werkstoff) Dr. Wolfgang Spiegel, November 2009 23

(4) Korrosionsbekämpfung: metallische Schutzschichten Makro Typus 1 Typus 2 Typus 3 Mikro (BSE-Bild) Gleichmäßige, flächenhafte Abzehrung Selektive Abzehrung Lokal invasive Auswaschung des Werkstoffs Typisierung der Korrosionsphänomene auf therm. Spritzschichten Angriff entlang Partikelgrenzen Angriff ungeachtet der Gefüge 50 µm 50 µm 50 µm Schema Belag fest oder teilw. geschmolzen Belag fest oder teilw. geschmolzen Belag fest oder geschmolzen Reaktion an Grenzfläche im Subsolidus Reaktion an Grenzfläche im Subsolidus Reaktion an Grenzfläche im Liquidus 50 µ m 50 µm 50 µm Reaktionen: Hochtemperatur-Chlor-Korrosion Gas-Feststoff (Werkstoff) Salzschmelzenkorrosion Flüssig-Feststoff (Werkstoff) Dr. Wolfgang Spiegel, November 2009 24

(4) Korrosionsbekämpfung: metallische Schutzschichten Gleiche Korrosionsphänomene (Salzschmelze) auf unterschiedlichen Werkstoffgefügen Warmfester Stahl Auftrag- Thermische schweißung Spritzschicht Bsp. auf Überhitzerrohren Ursache: Die Beläge (Bildung und Entwicklung) spielen eine übergeordnete Rolle... Dr. Wolfgang Spiegel, November 2009 25

(5) Korrosionsfrüherkennung Korrosion im betrieblichen Alltag der Kraftwerke ist geprägt durch: Verstärkung der Korrosion durch den Einfluss der Verschmutzung Verstärkung der Korrosion durch den Einfluss der Erosion Mühsame Erkundungswege bei Schutzmaßnahmen (Testfelder, Zeitachsen) Firmen die Korrosionsschutz anbieten: Kleine Märkte mit starkem Wettbewerb Begrenzte Vergleichbarkeit von Leistungsmerkmalen der Schutzschichten Begrenzte Transparenz beim Engineering, Applikation, QS, Nebenwirkungen Tendenz: Kaufmann dominiert Techniker (Preis vor Qualität) Häufig unerwartete Schäden, d.h. Einbußen in der Verfügbarkeit Zusätzliche Aufwendungen für vorausschauende Instandhaltung Begrenzte Übertragbarkeit von Schutzwirkungen zwischen Standorten Dr. Wolfgang Spiegel, November 2009 26

(5) Korrosionsfrüherkennung Instrumente der Korrosionsfrüherkennung sind: Bei Stillständen: Begehung und Beprobung des verschmutzten Kessels Begehung des gereinigten Kessels Betriebsbegleitend: ASP-Klassierung Belagssonde Belagsmonitor Wärmestromsensor Betriebsbeeinflussend Testfeld-Applikation Additiv-Test Provokationsfahrt Grundsätzlich gilt: Betrieb ist immer betriebliche Ätzung! d.h. der Betrieb liefert seine Korrosionsdiagnose selbst. Dr. Wolfgang Spiegel, November 2009 27

(5) Korrosionsfrüherkennung: Beispiel Belagsmonitor, passiv gekühlt Membranwand außen Einsatzbereich im Strahlungsteil Membranwand innen Dr. Wolfgang Spiegel, November 2009 28

(5) Korrosionsfrüherkennung: Beispiel Belagsmonitor, passiv gekühlt 40 h Belagsmonitor 5 mm Cl Fe Zn K Dr. Wolfgang Spiegel, November 2009 29

(5) Korrosionsfrüherkennung: Beispiel Belagssonde und Belagsmonitor Sekunden Belagssonde: Sieb als Substrat, vor Probenahme 40 h Belagsmonitor ca. 7.400 h Salze-Asche 50 µm 5 mm 50 mm Korrosions- produkte 50 µm 50 µm 50 µm Salze Bleisalze nach Probenahme Aschepartikel sofort Korrosionsprodukte Werkstoff: warmfester Stahl Kogenese: Belagsbildung, Belagsentwicklung, Korrosion Viskose Salze, feste Aschepartikel Dr. Wolfgang Spiegel, November 2009 30

(5) Korrosionsfrüherkennung: Beispiel Belagsmonitor, aktiv gekühlt Einsatzbereich: Konvektiver Teil Dr. Wolfgang Spiegel, November 2009 31

(5) Korrosionsfrüherkennung: Beispiel Belagssonde, Variation Betttemperatur Betttemperatur ca. 750 C 12 10 8 Zink [Gew.-%] 6 4 ÜH1 ÜH2 ÜH3 Konz. am Kessel-Ende 2 0 Messmethode: 800 Belagssonde 700 600 500 Rauchgastemperatur [ C] Blei 400 300 200 10 9 8 7 Betttemperatur ca. 850 C [Gew.-%] 6 5 4 3 2 ÜH1 ÜH2 ÜH3 Konz. am Kessel-Ende 1 0 800 700 600 500 400 300 200 Rauchgastemperatur [ C] Dr. Wolfgang Spiegel, November 2009 32

(5) Korrosionsfrüherkennung: Beispiel Belagsmonitor, Test von Schwefeladditiven 48h Müllfeuer Ohne Pyrit- Eindüsung Fe 65h Müllfeuer Mit Pyrit- Eindüsung Messmethode: Belagsmonitor Fe Geringerer Korrosionsangriff Dr. Wolfgang Spiegel, November 2009 33

(6) Schadensuntersuchungen: Charakterisierung der Korrosions-Milieus Außen: Salz-Asche-Belag Belagsprobe im Labor Hämatitimprägnation 0 450 C FeCl2-20 Fe2O3 Fe Fe3O4-40 -40-20 log O 2 0 Hämatit Magnetit 38 mm FeCl3 log pcl 2 Eisenchlorid (haftet schlecht) Verfügbarkeit von Sauerstoff und Chlor Innen: Blanke Metalloberfläche Überhitzerrohr im Dampferzeuger Dr. Wolfgang Spiegel, November 2009 34

(6) Schadensuntersuchungen: Beispiele für Verdampferrohr Bildbreite: 19,5 mm ca. 2,6 mm Echtfarbenmodus Biomasse Ausschnitt siehe nächste Folie Reflexionsmodus Verdampfer 1. Zug Abzehrrate > 0.3 mm / 1000 h Dr. Wolfgang Spiegel, November 2009 35

(6) Schadensuntersuchungen: Element-map der Korrosionsfront / Beläge Fe O S Pb Cl Zn Cu Na K Si Ca Dr. Wolfgang Spiegel, November 2009 36

(6) Schadensuntersuchungen: Beispiele für Verdampferrohr Biomasse Verdampfer 1. Zug Abzehrrate > 0.6 mm / 1000 h Ausschnitt siehe nächste Folie Bildbreite 3 mm Dr. Wolfgang Spiegel, November 2009 37

(6) Schadensuntersuchungen: Element-map der Korrosionsfront / Beläge Fe Na K S Cl Zn Dr. Wolfgang Spiegel, November 2009 38 Pb

(6) Schadensuntersuchungen: Korrosionsmaschine Belag O 2 Gefügeverdichtung durch gesprosstes Bleisulfat Reaktionspfad für Blei (Bleisulfate) circa 1000 µm 400-450 C Eisenoxid Sperrschicht aus Bleichlorid Eisenoxid Rohroberfläche: 300-330 C Eisenchlorid (verdampft) Barriere Wärmefluss Verdampfung des Bleichlorid Reaktionspfad für Chlor (Eisenchlorid) Dr. Wolfgang Spiegel, November 2009 39

(6) Schadensuntersuchungen: Temperatur kontrolliert Chemie im Belag Chemische Zusammensetzung der Salzschichten, Punktanalysen mittels Mikrosonde (WDX) Eingetragen in das thermodynamische System der 200-300 C 300-400 C 400-500 C 500-600 C 600-700 C Temperaturkarte des Phasenübergangs Fest-Schmelze Proben: 027-1 027-2 028-2 K-Na-Pb-Cl-SO 4 -Salze 700-800 C 800-900 C 900-1000 C > 1000 C Schmelzpunkte der Salze in der Bleichlorid- Sperrschicht im Bereich von ca. 400 bis 450 C Dr. Wolfgang Spiegel, November 2009 40

(6) Schadensuntersuchungen: Sättigung von chloridischen Salzen im Rauchgas Pro Normkubikmeter Rauchgas max. löslich [g/nm3] 100000 10000 1000 100 10 1 0,1 0,01 0,001 horizontal = typ. Gehalt P artikel ZnCl2 PbCl2 KCl 1400 1200 1000 800 600 400 200 0 RG-Temperatur [ C] Dr. Wolfgang Spiegel, November 2009 41

(6) Schadensuntersuchungen: Sättigung von chloridischen Salzen im Rauchgas Bleichlorid 10 1 1E-4 bar PbCl2 im RG löslich in Rauchgaspartikeln [g/nm3] 0,1 1E-5 bar 0,01 1E-6 bar 0,001 500 450 400 350 300 250 200 SMP RG-Temperatur [ C] Zinkchlorid 10 1E-3 bar ZnCl2 im RG löslich in Rauchgaspartikeln 1 1E-4 bar [g/nm3] 0,1 0,01 1E-5 bar 0,001 SMP 500 450 400 350 300 250 200 RG-Temperatur [ C] Dr. Wolfgang Spiegel, November 2009 42

(6) Schadensuntersuchungen: Sättigung von chloridischen Salzen im Rauchgas Zinkchlorid 10 1E-3 bar ZnCl2 im RG löslich in Rauchgaspartikeln 1 1E-4 bar [g/nm3] 0,1 1E-5 bar 0,01 0,001 500 450 400 SMP 350 300 250 200 RG-Temperatur [ C] Dr. Wolfgang Spiegel, November 2009 43

(6) Schadensuntersuchungen: Beispiele für Überhitzerrohr Bildbreite: 20 mm Biomasse Überhitzer Abzehrrate > 0.3 mm / 1000 h Dr. Wolfgang Spiegel, November 2009 44

(6) Schadensuntersuchungen: Beispiele für Überhitzerrohre Müll Überhitzer Abzehrrate > 0.3 mm / 1000 h Fe S Cl 5 mm Dicke Schicht aus Eisenchlorid und Eisensulfid Dr. Wolfgang Spiegel, November 2009 45

(6) Schadensuntersuchungen: Beispiel für Erosionskorrosion Dr. Wolfgang Spiegel, November 2009 46

Zusammenfassung: Korrosionsprozesse am Verdampferrohr Grundvoraussetzung: Potentialerhöhung: Werkstofftemperatur Chemie (Salzarten, -frachten, ungenügende Sulfatierung) Temperatursenke (Kältefalle) mit Beheizung Viel Salz in den ersten Belägen Steiler Temperaturgradient im Belag Blätterteigartige Korrosionsprodukte Dynamik (Abzehrraten): Temperaturänderung im Belag - induziert von außen (Wärmefluss) - induziert von innen (Naturumlauf) - induziert durch Wachstum von Korrosionsprodukten Bildbreite 3 mm Dr. Wolfgang Spiegel, November 2009 47

Zusammenfassung: Korrosionsprozesse am Überhitzerrohr Grundvoraussetzung: Potentialerhöhung: Werkstofftemperatur Chemie (Salzarten, -frachten, ungenügende Sulfatierung) Anströmung Viel Salz in den ersten Belägen Klebrige Belagsoberfläche Salzbindung im Belagsgefüge Dynamik (Abzehrraten): Eutektische Salzmischungen Redoxreaktionen, exotherme Reaktionen Eisenchloridspeicher Aufreißen der Schichten Temperaturerhöhung im Belag - induziert durch Rauchgas Bildbreite 10 mm - induziert durch Korrosionsprodukte Dr. Wolfgang Spiegel, November 2009 48

Literaturhinweise: Wendler-Kalsch, Gräfen: Korrosionsschadenskunde, Springer, 1998 Tostmann: Korrosion, Ursachen und Vermeidung,Wiley_VCH-Verlag, 2001 Port, Herro: The NALCO Guide to Boiler Failure Analysis, McGraw-Hill, 1991 Beneke: Lexikon der Korrosion und des Korrosionsschutzes, Vulkan, 2000 Dr. Wolfgang Spiegel, November 2009 49