Thaler Predigt Singet dem Herrn ein neues Lied Psalm 98,1 von Pfr. Christian Münch gehalten am 20. Juni 2010 in der paritätischen Kirche Thal
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Lesung Psalm 98: Singet dem HERRN ein neues Lied, denn er tut Wunder. Er schafft Heil mit seiner Rechten und mit seinem heiligen Arm. Der HERR lässt sein Heil kundwerden; vor den Völkern macht er seine Gerechtigkeit offenbar. Er gedenkt an seine Gnade und Treue für das Haus Israel, aller Welt Enden sehen das Heil unsres Gottes. Jauchzet dem HERRN, alle Welt, singet, rühmet und lobet! Lobet den HERRN mit Harfen, mit Harfen und mit Saitenspiel! Mit Trompeten und Posaunen jauchzet vor dem HERRN, dem König! Das Meer brause und was darinnen ist, der Erdkreis und die darauf wohnen. Die Ströme sollen frohlocken, und alle Berge seien fröhlich vor dem HERRN; denn er kommt, das Erdreich zu richten. Er wird den Erdkreis richten mit Gerechtigkeit und die Völker, wie es recht ist. 3
Liebe Gemeinde "Unmögliches erledigen wir sofort, Wunder dauern etwas länger!" diesen Spruch haben Sie ganz bestimmt auch schon einmal irgendwo gelesen. Ich las ihn einst in einem Krankenhaus an der Tür eines Behandlungszimmers. Ich musste lächeln wissen wir doch, dass nicht immer alles gut heilt und schon gar nicht schnell. Der etwas sarkastische Spruch vermittelt eine interessante Wahrheit. In einer Zeit, in der alles zunehmend schnell und noch schneller erledigt sein muss, brauchen gewisse Dinge nach wie vor eben ihre Zeit. Nicht alles kann schneller gehen, auch wenn einige es vielleicht wünschen. Diese Schnelllebigkeit hat auch seinen Preis. Schon seit längerem ist bekannt, dass immer mehr Menschen gerade durch die immer schnelleren Umstellungen in Betrieben krank werden. Durch die Eventkultur mit ihren schnellen Abfolgen von Erlebnissen verliert das Leben auch an Tiefe. Die Kurzlebigkeit fördert die Oberflächlichkeit. Entschleunigung ist angesagt. Als vor zwei Jahren in meinem letzten Wirkungsort, in der Kleinstadt Weinfelden, wegen dem eidgenössischen Sängerfest fast alles autofrei war, fiel mir auf, wie gut es tut, nicht immer schnell von einem Ort zum andern rasen zu können. Während dem Gehen hatte ich Zeit über dies und jenes nachzudenken, zu verarbeiten oder auch mal zu träumen. Aufgefallen ist mir auch, dass die vielen Sängerinnen und Sänger sich Zeit nehmen für das Singen. Der Gesang stand primär im Zentrum und nicht die Show, nicht die rasenden Laserprojektionen, nicht die wilde Party, wenn auch die Geselligkeit ein wichtiges Standbein eines solchen Gesangsfestes ist. Ich merke, dass ich mich manchmal innerlich wehre gegen die ständig wechselnden Trends, in denen man überhäuft wird mit Farben, Klängen, Formen und Aktionen. Die Seele kommt oft gar nicht mit. Auch in der Kirche sind wir oft unter Druck, 4
auf diesen Trend aufzuspringen und verwechseln ihn mit wirklich aktivem Gemeindeleben. Zwar ruft auch der Psalmdichter zu einem neuen Lied auf aber damit ist nicht zwingend eine neue Melodie oder ein neuer Rhythmus gemeint, sondern die Blickrichtung. Der Psalm 98 wurde zum Beten und Singen geschrieben. Der Anlass war die Befreiung aus der Gefangenschaft Babylons 500 Jahre vor Christus. Der Psalmdichter ruft auf, nach vorne zu blicken, das alte Klagelied der Verschleppung zurück lassen und ein Loblied anzustimmen. Ein neues Lied singen heisst, das alte zurückzulassen, vergangen sein lassen. Der Begriff ein neues Lied hat eine übertragene Bedeutung. Es steht für einen neuen Abschnitt damals genauso wie heute. Vielleicht beginnt auch bei Ihnen ein neuer Lebensabschnitt, dann können Sie gut mitfühlen. Der Psalm ruft mich auf, nicht beim Zurückschauen hängen bleiben, denn dies macht oft blind für den Lebensabschnitt, der vor einem liegt. Doch das machen sehr viele Menschen in ihrem Leben. Sie beklagen die Vergangenheit und verkennen so die Chance der Zukunft. So wie damals beim Volk Israel eine neue Epoche begann und darum ein neues Lied gefragt war, das helfen soll, nach vorne zu sehen, so soll mir das neue Lied in meinem Leben helfen, nach vorne zu blicken. Das neue Lied soll ein Lied der Hoffnung sein, das geprägt ist von den guten Erfahrungen mit Gott auch wenn die vielleicht schon lange zurück liegen. Denn er tut Wunder. So begründet der Psalmdichter das neue Lied und die damit verbunden Hoffnung. Viele Juden haben damals die Hoffnung auf Befreiung aufgegeben. Sie blieben sogar dort, als der König ihnen die Rückkehr erlaubte. Doch andere sahen in diesem Entscheid des Königs ein Wunder. Manchmal kann man in seinem eigenen Leben eine wunderbare Rettung von einer Krankheit oder Bewahrung entdecken. 5
Dann mag man vielleicht dieser Begründung zustimmen und Gott loben und danken. Doch nicht allen ist diese Sicht geschenkt. Schicksalsschläge werfen zuerst Fragen auf vor allem Fragen nach den Warum und Wieso? Welche Wunder soll denn Gott in meinem Leben schon getan haben? Zwar ist ein grosser Teil der Bibel voll von Wundern, aber wir können sie vielleicht nicht als solche und erst recht nicht für uns erkennen. Mit Wundern beschreiben wir in der Regel Dinge, wie dass ein Blinder wieder sehen kann. Das ist es zwar auch. Aber ein Wunder ist doch primär das, womit man nicht rechnen durfte. So erging es den Juden in der Gefangenschaft in Babylon. Dass der König sie auf einmal frei lässt damit durften sie eigentlich nach menschlicher Logik nicht rechnen. Das grösste Wunder der Weltgeschichte ist für mich nicht in einem Einzelereignis, sondern in der umfassenden Liebe Gottes zu finden. Damit konnten wir eigentlich auch nicht rechnen. Fast wöchentlich höre ich kritischen Anfragen an Gott. Warum könne er die Menschen lieben und doch dies und jenes zulassen. Doch das macht die Liebe eben aus. Sie unterdrückt andere nicht so auch Gottes Liebe uns nicht. Das grosse Wunder Gottes sehe ich darin, dass Gott in Christus Mensch wurde, damit wir ihn erkennen. In Christus, seinem Tod und Auferweckung zeigte er, dass er uns Hoffnung geben will, dass mit dem Tod nicht alles aus ist. Und seit Pfingsten will er durch seinen Heiligen Geist, dem hagios pneuma, uns Liebe, Glaube und Hoffnung ins Herz schenken. Manchmal darf ich als Pfarrer miterleben, wie ein kranker Mensch trotz Leiden wieder Lebenshoffnung schöpfen darf. Das geschieht oft nicht spektakulär vielleicht eben in einem Behandlungsraum. Der kranke Mensche schöpft Hoffnung, weil er merkt, ich bin nicht alleine ich werde verstanden. 6
Ich frage Sie, wo stehen Sie heute in welchem Abschnitt des Lebens. Oder in der Übertragung des Psalmverses: Was ist heute Ihre Lebensmelodie? Vielleicht muss ich die Frage anders stellen: Was war Ihre Lebensmelodie bis zu diesem Tag und welche wird es ab morgen sein? Auf welchen Ton sind Sie gestimmt? Was hat Sie bis heute getragen? Was ist Ihr Lied der Hoffnung und der Freude? Wir müssen diese Hoffnung und Freude, liebe Gemeinde Gott sei Dank nicht zuerst erfinden. In Christus sind sie uns gegeben: Gott hat sein Heil, unser Heilwerden in Christus geschenkt. Wenn auch vieles im Leben uns dazu bewegen könnte, immer wieder das alte Lied der Trauer und Klage anzustimmen, in Christus hat das neue Lied Trumpf. Und sollten wir es wieder vergessen, dann möge uns vor Augen und in den Ohren immer wieder Christi Zuspruch erklingen: In der Welt habt ihr Angst, aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden. Amen 7