Wann muss rechtlich welche Leitung entfernt werden?

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Verordnung. Allgemeines, Zweck

Transkript:

Wann muss rechtlich welche Leitung entfernt werden? Dr. Juliane Thimet, Bayer. Gemeindetag Wassertagung Landhut Überregionaler WWN-tag am 11. April 2013 Dr. Juliane Thimet 1

Anspruchsgrundlage für Beseitigung 1004 Abs. 1 BGB analog (1) 1 Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Dr. Juliane Thimet 2

Es sei denn: Duldungspflicht 1004 Abs. 2 BGB analog (2) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist. Dr. Juliane Thimet 3

VGH Urteil vom 8.2.2012 4 B 11.175 Rn. 27 ff. FStBay 2012 Rn. 265 91/3 2 191/1 19.08 250 - STZ - 32,42-8,6 3 191 5 Seit 1965 liegt das Grundstück in einem B-Plangebiet. Hauptwasserleitung wurde im Jahre 1971 verlegt. Grundstücksverhandlungen sind gescheitert, daher konnte geplante Straße nie über das Grundstück geführt werden. Plattenw Dr. Juliane Thimet 4

Anpassungspflicht Prüfschema zur Duldungspflicht (Teil 1): Dingliche Sicherung - Grunddienstbarkeit? 1018 ff. BGB Festsetzung in B-Plan zu belastender Fläche? 9 Abs. 1 Nr. 21 BauGB (-), weil nicht vollzogen Gestattungsvertrag? Dr. Juliane Thimet 5

Abb.1: Gestattungsvertrag und Verkauf Eigentum A Verkauf an B ohne Schuldübernahme => Verjährungsfristen beginnen mit Eigentumsübergang Dr. Juliane Thimet 6

Anpassungspflicht Prüfschema zur Duldungspflicht (Teil II): Verlegungstiefe? 905 Satz 2 BGB fehlende Beeinträchtigung, weil so tief verlegt? Aber: Verlegungstiefe von 3 m im innerstädtischen Bereich reicht nicht. Dr. Juliane Thimet 7

Anpassungspflicht Prüfschema zur Duldungspflicht (Teil III): Recht zur Grundstücksbenutzung aus der Satzung? 14 WAS: Dr. Juliane Thimet 8

Anpassungspflicht Prüfschema zur Duldungspflicht (Teil III): Erst seit 1.9.1992 in Satzung. Zu diesem Zeitpunkt Trasse noch erforderlich? Verlegung verursacht für 10.000 möglich => hier kein unzumutbarer Aufwand. Dr. Juliane Thimet 9

91/3 19.08 250 - STZ - 32,42-8,6 3 5 2 191/1 191 Plattenw Dr. Juliane Thimet 10

Anpassungspflicht Beseitigungsanspruch Eigentümer gegen Wasserversorger Aber: Anspruch nicht durchsetzbar wegen Verjährung 195 BGB: 3 Jahre ab Kenntnis (-) 199 BGB: 10 Jahre maximal Bei Leitungen die vor 1.1.2002 bereits verlegt waren: spätestens am 31.12.2004. Dr. Juliane Thimet 11

Bei fehlendem Gestattungsvertrag oder Dienstbarkeit: Verjährung prüfen! Dr. Juliane Thimet 12

Altes Schuldrecht Dr. Juliane Thimet 13

Beispiel Leitung lag nach Vermessung zwar im tatsächlich vorhandenen Weg, dieser aber außerhalb des als Weg vermessenen Grundstücks. Dr. Juliane Thimet 14

Dr. Juliane Thimet 15

BGH Urteil vom 28.1.2011, NJW 2011, S. 1068 VGH Urteil vom 8.2.2012, FStBay 2012 Rn. 265 Aber: Beseitigung durch Eigentümer selbst möglich! Im vorliegenden Fall sind daher die Kläger berechtigt, die auf ihrem Grundstück rechtswidrig verlegte Abwasserleitung selbst zu entfernen, wegen der damit verbundenen Folgen für die Abwasserbeseitigung allerdings erst nach entsprechender Ankündigung gegenüber der Beklagten. Dr. Juliane Thimet 16

Es sei denn: Duldungsverpfllichtung aus 19 WAS oder Duldungsanordnung für die Durchleitung von Wasser nach 93 WHG: Die zuständige Behörde kann Eigentümer und Nutzungsberech-tigte von Grundstücken und oberirdischen Gewässern verpflichten, das Durchleiten von Wasser sowie die Errichtung und Unterhaltung der dazu dienenden Anlagen zu dulden, soweit dies zur Bewässerung von Grundstücken, zur Wasserversorgung oder zum Schutz vor oder zum Ausgleich von Beeinträchtigungen des Natur- oder Wasserhaushalts durch Wassermangel erforderlich ist. Dr. Juliane Thimet 17

93 Satz 2 WHG gilt entsprechend Satz 1 gilt nur, wenn das Vorhaben anders nicht ebenso zweckmäßig oder nur mit erheblichem Mehraufwand durchgeführt werden kann und der von dem Vorhaben zu erwartende Nutzen erheblich größer als der Nachteil des Betroffenen ist. Dr. Juliane Thimet 18

Sachverhalt: Hauptwasserleitung durch FlNr. 161 wurde 1977 verlegt, weil beabsichtigt war, diese Fläche als Straße zu erwerben. Aufgrund des Widerstandes des Grundstückseigentümers wurde der B-Plan nicht rechtsverbindlich. Der Kanal liegt nun auf Privatgrund. Eine Grunddienstbarkeit wurde nie eingetragen. Der Hausanschluss "O." ist 7,5 m vom Schacht 15 entfernt, liegt also im nord-westlichen Bereich des Grundstücks. Das Anwesen "P." schließt direkt auf Schacht 15 auf. Dr. Juliane Thimet 19

Beispiel Dr. Juliane Thimet 20

14 WAS Dr. Juliane Thimet 21

Dr. Juliane Thimet 22

Hausanschluss BGH 2.12.2011 V ZR 120/ 11 A B B Anspruch A gegen B aus 1004 BGB auf Beseitigung Hausanschluss bzw. öffentliche Versorgungsleitung: Störer ist das Versorgungsunternehmen. Also falscher Beklagter. Dr. Juliane Thimet 23

Anpassungspflicht VGH Urteil vom 10.1.2013 8 B 12.305 Auch im bayerischen Straßen- und Wegerecht bleibt nach der Verjährung eines Folgenbeseitigungsanspruchs der vom Straßenbaulastträger geschaffene Zustand eines Überbaus der Straßenfläche in nicht gewidmete Grundstücke hinein rechtswidrig. Er kann deshalb vom Anlieger selbst auf eigene Kosten beseitigt werden. Dem Anlieger ist lediglich eine verbotene Selbsthilfe nicht gestattet. => Der Straßenbaulastträger muss das jeweilige Straßenteilstück enteignen! Dr. Juliane Thimet 24

Dr. Juliane Thimet, Direktorin Bayerischer Gemeindetag, München juliane.thimet@bay-gemeindetag.de Dr. Juliane Thimet 25