Predigt an Silvester 2015 um Uhr im Johannesstift; Michael Paul; Thema: Nichts kann uns scheiden von der Liebe Gottes

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Transkript:

Predigt an Silvester 2015 um 19.00 Uhr im Johannesstift; Michael Paul; Thema: Nichts kann uns scheiden von der Liebe Gottes Röm.8,31b-39 Wenn Gott für uns ist, wer kann gegen uns sein? 32Der auch seinen eigenen Sohn nicht verschont hat, sondern hat ihn für uns alle dahingegeben wie sollte er uns mit ihm nicht alles schenken? 33Wer will die Auserwählten Gottes beschuldigen? Gott ist hier, der gerecht macht. 34Wer will verdammen? Christus Jesus ist hier, der gestorben ist, ja vielmehr, der auch auferweckt ist, der zur Rechten Gottes ist und uns vertritt. 35Wer will uns scheiden von der Liebe Christi? Trübsal oder Angst oder Verfolgung oder Hunger oder Blöße oder Gefahr oder Schwert? 36Wie geschrieben steht (Psalm 44,23):»Um deinetwillen werden wir getötet den ganzen Tag; wir sind geachtet wie Schlachtschafe.«37Aber in dem allen überwinden wir weit durch den, der uns geliebt hat. 38Denn ich bin gewiss, dass weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte noch Gewalten, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, 39weder Hohes noch Tiefes noch eine andere Kreatur uns scheiden kann von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserm Herrn. Ihr Lieben, wenn Gott für uns ist, wer kann gegen uns sein? Was sind das für Worte am Ende des Jahres 2015? Hat der Apostel Paulus sich das gut überlegt, was er hier schreibt? Nichts soll gegen uns sein können, nicht soll uns schaden können, wenn Gott für uns ist? Wir würden gerne das alte Jahr abschließen und ins neue Jahr gehen mit solcher Zuversicht, getragen in solchem Glauben. Aber die Wirklichkeit sieht doch oft anders aus, nicht wahr?! Ich muss an einen Besuch denken, den ich vor einiger Zeit machte. Der Mann sagte zu mir: Wenn mir meine Verwandten doch vergeben würden, was ich ihnen angetan habe. Ich werde damit nicht fertig, kann nicht mehr schlafen. Dabei liegt das, was ich ihnen angetan habe, doch schon so lange zurück. Ja, es war schlimm, was ich tat. Aber jetzt könnten sie mir doch langsam einmal vergeben. Ich sagte zu ihm: Vergebung kann man nicht einfordern, sondern nur erbitten. Wenn Ihre Verwandten es nicht vergeben wollen oder können, dann können Sie nichts daran machen. Und trotzdem können Sie frei werden von Ihrer Schuld. Denn Gott vergibt. In Jesus Christus hat er Ihre Schuld getragen! Er vergibt, sobald Sie ihm Ihre Schuld bekennen, auch wenn Ihre Verwandten noch nicht oder auch nie vergeben können. Da sagte der Mann: Ehrlich, Herr Pfarrer, es ist ja ganz schön, dass Gott mir vergibt, aber viel wichtiger wäre es mir, dass mir meine Verwandten vergeben würden. Dann erst könnte ich es glauben, dass mir vergeben ist, dann würden mir Zentnerlasten vom Herzen fallen.

Dieser Mann spricht doch hier etwas aus, was wir alle kennen! Das NEIN, das Menschen oder Gefühle oder unser Gewissen uns zurufen, wirkt oft 1000 Mal schwerer als das JA, das Gott zu uns spricht. Das Gleiche gilt doch auch für diese Erfahrungen von Gewalt und Menschenverachtung, die in diesem Jahr Millionen und Abermillionen machen mussten. Was wirken die Anschläge am 13.November von Paris! Sie wirken Angst, Rückzug in die Häuser, säen Misstrauen. Was wirkt die Gewalt der IS? Sie wirkt Flucht von Millionen, erzeugt Gegengewalt und Hass. Was ist die Frucht von diesem Katastrophenjahr 2015? Terror, Flüchtlinge, Klimakatastrophe, die durch die Griechenland-Krise und andere Krisen geschüttelte EU, der Krieg in der Ukraine: Hat das nicht alles viel mehr Gewicht und Einfluss als das, was Paulus hier in seinem Text schreibt: Wer will uns scheiden von der Liebe Christi? Würden nicht auch einige von uns Ähnliches sagen können wie dieser Mann, den ich anfangs zitierte: Ehrlich, es ist ja ganz schön, dass Gott mich liebt, - aber viel wichtiger wäre es mir, wenn die Menschen endlich einmal menschenwürdig miteinander umgehen würden und wenn keiner mehr Flüchtling sein müsste, wenn niemand mehr hungern müsste, weil das, was wir haben, geteilt, für alle reicht. Es ist schön, in das neue Jahr mit der Zusage der Liebe Gottes gehen zu dürfen: Aber diese Verheißung scheint oft gar nicht gedeckt mit unseren Erfahrungen, die wir im Alltag machen. Wo ist die Liebe Gottes, wenn sie nicht Fleisch wird, sichtbar, fühlbar, Dein Leben zutiefst betreffend und wirklich bewegend? Wie kannst Du in das neue Jahr gehen mit einer Kraft, einer Wirklichkeit von Liebe, die stärker ist als alles Herabschätzende, Entwürdigende dieser Terroristen oder anderer Menschen, die Dir Böses antun? Wie kannst Du in das neue Jahr gehen mit einer Hoffnung, die wirklicher ist als alle Hiobsboten des Klimawandels? Wie kannst Du in das neue Jahr gehen mit einer Freude, die tiefer ist, als Deine Traurigkeiten? Wie kannst du in das Jahr 2016 gehen mit einer Liebe, die sich durch die oft kleinlichen und nichtigen Streitigkeiten in Familie, Gemeinde oder Gesellschaft nicht fesseln lässt, sondern Böses mit Gutem überwindet? Wie kann die Freiheit der Vergebung Gottes in Dir mächtiger und wirklicher werden als die Schuldzuweisungen und Schuldbehaftungen der Menschen? Oder zugespitzt: Wie kann in Deinem Leben Gott wirklicher und mächtiger werden, als die 1000 Dinge, die Dir Freiheit und die Freude und die Liebe rauben wollen? Dies kann meines Erachtens nur dadurch geschehen, dass Gott tatsächlich in Deine und meine Wirklichkeit eingeht, Fleisch wird. So schreibt es Paulus hier im Römerbrief: Gott, der auch seinen eigenen Sohn nicht verschont hat, sondern hat ihn für uns alle dahingegeben wie sollte er uns mit ihm nicht alles schenken. Was für ein Wunder: Gott gibt seinen Sohn für uns alle dahin, wird Mensch in einer Krippe, tastbar, im wahrsten Sinne anschaulich. Er setzt sich dem Widerstand der Menschen aus, der Bosheit, dem Hass. Er lässt sich schlagen und schlägt nicht zurück, er lässt sich verhöhnen und schweigt, er lässt sich kreuzigen und bittet für die, die ihn quälen. Kann Liebe wirklicher, handfester wer-

den? Hier ist Liebe kein Begriff mehr, nichts Abstraktes, sondern Tat und Wahrheit. An dieser herrlichen, fleischgewordenen, göttlichen Liebe entzündet sich der Glaube der Menschen, nirgends sonst. Durch diese gelebte, bis auf s Blut durchlittene Liebe werden Menschenherzen verändert. Schon die Hirten an der Krippe werden durch sie hingerissen. Die Prostituierte bekommt durch diese Liebe, die Jesus uns sichtbar erweist, den Mut, vor allen Männern, die sie mit herabschätzenden Blicken begaffen, sich niederzubeugen und Jesus die Füße zu küssen. Diese Liebe lässt einen heidnischen Hauptmann unter dem Kreuz zum Glauben kommen. Und diese Liebe Jesu macht sogar dem Schächer an seiner Seite Mut, ihn zu bitten: Denke an mich, wenn Du in Dein Reich kommst! Wer will die Auserwählten Gottes beschuldigen? Gott ist hier, der gerecht macht! Wer will verdammen? Christus ist hier, der gestorben ist Liebe, die sich in dieser Weise hingibt, ergreift Menschenherzen, verändert diese Welt. Liebe, die nichts zurückhält, nicht das eigene Recht, nicht das eigene Leben, die sich für uns alle auszieht, kleinmacht, dahingibt, - nur um unseretwillen, nur um deinetwillen, die macht uns frei von den Ketten der Anklagen anderer, ja, der Beschuldigungen des eigenen Gewissens. Auf einmal zählt Gottes Vergebung mehr als die Anklage meines eigenen Gewissens oder die Schuldbehaftung derer, an denen ich schuldig wurde. Mich hat in diesen Tagen ein Interview mit einem Mörder tief bewegt. Er hat seine Frau aus Geldgier und Lieblosigkeit ermordet. Drei Jahre später kommt er in der Einsamkeit seiner Gefängniszelle durch ein Buch zum Glauben an Christus. Er liest die Bibel mehrere Male und gewinnt Zutrauen zu der Liebe Gottes in Jesus Christus. Er lernt die Vergebung glauben. Auf die Frage, ob Gott ihm einfach so vergeben habe, antwortet er: Ja, ich merkte, dass Gott meine Schuld vergibt. Mir ist bewusst, dass viele Menschen damit Schwierigkeiten haben: Da ist einer, der einen anderen Menschen umbringt und dann daran glaubt, für seine Sünden Vergebung erfahren zu haben Ich habe nicht nur ein Menschenleben beendet, sondern damit auch vielen anderen Menschen tiefen Schmerz zugefügt besonders dem Vater und der Mutter. Ich habe viele Jahre darüber nachgedacht, ob und wie ich ihnen sagen soll, wie sehr mir meine Tat leid tut. Ich habe mit meinem Gefängnisseelsorger darüber geredet und wir kamen zu dem Ergebnis, dass ich nicht das Recht dazu habe, die Eltern um Vergebung zu bitten. Sie hatten aber das Recht, mich zu hassen. Dieser Mann, Ihr Lieben, kann nun aber an die Vergebung glauben, obwohl ihm Menschen nicht vergeben können. Die fleischgewordene Liebe Jesu wirkt diese Wunder in seinem Herzen, anders kann ich es nicht verstehen. Noch im Gefängnis fängt er an, Theologie zu studieren und anderen zum Seelsorger zu werden. Wer will uns scheiden von der Liebe Christi?, fragt Paulus? Trübsal oder Angst oder Verfolgung? Die Wirklichkeit drückt mit Macht auf unseren Glauben. Tausende und Abertausende Christen wurden in diesem Jahr wegen ih-

res Glaubens verfolgt und die Politik und Presse schweigen oft darüber. Vor einem Jahr schrieb Ronald S. Lauder, der Präsident des jüdischen Weltkongresses: Wo sind die Massenproteste gegen die Massaker an den Christen? Als Jude bin ich entsetzt über die Christenverfolgung, die in Ländern wie dem Irak, Syrien, dem Libanon oder Nigeria stattfinden. Ja, und trotzdem, Ihr Lieben, scheidet diese schreckliche Verfolgung die Christen nicht von der Liebe Christi. In einem Brief, den Immanuel Youkhana im Oktober an Papst Franziskus schickte, hieß es: Unsere Zahl im Nahen Osten wird immer kleiner. Aber trotz der Morde, der Gefangennahmen, der schlimmen Gewalt, der Zerstörungen halten wir an unserem Glauben fest. Das sind nicht die eigenen Kräfte oder Ideale, die Christen zu solcher Zuversicht verhelfen, sondern da ist die bewahrende, herzenbewegende, verwandelnde Kraft der Liebe Christi, die das tut. Der Apostel Paulus drückt es so aus: In dem allen überwinden wir weit durch den, der uns geliebt hat. Durch ihn überwinden wir die Dinge, die unserer Liebe im Wege stehen. Nicht nur im Großen, in Verfolgung oder in Hunger. Auch im Kleinen unseres Alltages. Die Spannungen am Arbeitsplatz: Sie werden nicht die Macht haben, uns von der Liebe Christi zu trennen. Die Krankheit, meine Schwachheit, das Abnehmen meiner Kräfte, die Provokationen von Menschen, die mir das Leben schwer machen: Es hat alles nicht die Macht, mich der Liebe Christi zu entziehen oder mir die Liebe Christi zu entziehen. Diese in Jesus fleischgewordene Liebe Gottes wird mir im kommenden Jahr zu allem, was auf mich zu kommt, die Kraft geben, damit in guter Weise umzugehen. Paulus schreibt: Denn ich bin gewiss, dass weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte noch Gewalten, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Hohes noch Tiefes noch eine andere Kreatur uns scheiden kann von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserem Herrn. Nicht einmal der Tod kann uns von der Liebe Christi scheiden. Ja, der Tod zerrt an unserem Glauben, mehr als alles andere. Der Tod will uns alles zweifelhaft machen, selbst die Liebe Gottes. Ich selbst habe an Gräbern schon die Ohnmacht erfahren, in die der Tod uns reißen kann. Und doch hält da einer auch in Trauersituationen an uns fest, lässt uns nicht fallen, löscht den glimmenden Doch nicht aus, sondern wacht über uns in Geduld, lässt uns wieder in den ein oder anderen Zeichen oder durch tröstende Menschen die Liebe Christi leuchten. Die Liebe Gottes wird ja nicht nur Fleisch durch Christus selbst, sondern auch durch Menschen, die sich von der Liebe Christi betreffen lassen, sich in seine Nachfolge ziehen lassen und die Lasten anderer im Glauben mittragen und tröstend bei den Weinenden verharren. Die Liebe Gottes wird Fleisch durch die Gottesdienste, die wir feiern, durch Worte, die uns Christus bezeugen und uns seiner Liebe versichern. Gerade in Trauerzeiten und angesichts des Todes machen Menschen die Erfahrung, dass nicht sie die Wurzel tragen, sondern dass die Wurzel sie trägt. Nicht wir tragen die Liebe Christi, sondern sie trägt uns in Geduld, manchmal durch Jahre unserer Ohnmacht hindurch. Wir haben Angst, Gott gebe uns auf, weil wir im Angesicht des Todes oder in Krankheit oder in Not keine Kräfte ha-

ben und nichts mehr wirken können. Aber er lässt uns nicht los in unserer Not und Schwachheit. Weder Tod noch Leben können uns von Christi Liebe scheiden. Auch das Leben nicht! Ich finde das bemerkenswert, dass hier auch das Leben genannt wird. Nicht nur der Tod, nicht nur die Krise, die Not, sondern auch das Leben, die Fülle, die Jugend, die Lust, der Frühling und das Singen der Vögel. Das gefüllte Leben mit seiner Freude. Manchmal ist es sogar das Leben, das unserem Glauben noch viel mehr zur Gefahr werden kann als der Tod. Im vollen Leben, sorgenfreien Zeiten kann man vergessen, dass wir Gottes in der Tiefe bedürfen. In Wohlfühlzeiten von Urlaubstagen kann man die Liebe Christi vergessen, die sich anderen zuwendet, kann man anfangen, nur noch um sich selbst zu kreisen. Im vollen Leben kann es passieren, dass wir Gott nicht mehr suchen, die Hingabe versäumen, das Gebet vergessen. Ich denke, wir alle kennen das. Vielleicht stehen große Dinge auf Deinem Terminkalender für 2016: Eine Hochzeit, eine Geburt, eine wunderbare Reise, eine neue Arbeit, kurz, das gefüllte Leben. Aber auch hier sagt Paulus: Das Leben kann uns nicht scheiden von der Liebe Gottes. Gottes Liebe, die Fleisch wurde für uns, hat die Macht, uns auch im vollen Leben zu leiten, zu stärken und unsere Trägheit zu überwinden. Diese herrliche Liebe in Christus wird uns tragen, an uns arbeiten, wird sich unserem Ego in den Weg stellen und auch unseren Kleinmut und Angst und Zweifel geduldig überwinden. Und diese Liebe Jesu wird unsere Herzen so tief bewegen und verändern, dass wir selbst zu Trägern dieser Liebe werden, dass Gottes Liebe Fleisch wird, ganz real und wirkmächtig durch Dich und mich, dass Flüchtlinge Heimat finden, Trauernde getröstet werden, Zerstrittene Wege zueinander finden, Schuldige der Vergebung trauen durch Dich und mich. Ihr Lieben, wenn Gott für uns ist, wer kann gegen uns sein? Was sind das für Worte am Ende des Jahres 2015? Es sind die Worte der wirklichen, fleischgewordenen Liebe Gottes, einer Liebe, die die Macht hat, neue Wirklichkeit zu schaffen in uns und durch uns. So sagte auch dieser Mörder, der nun Seelsorger ist am Ende des Interviews: Wirkliche Vergebung ist die Wahrheit, die ich am eigenen Leben erfahren habe. Dabei fiel es mir lange schwer, die Zusage anzunehmen. Ich fühlte mich wie Abschaum. Inzwischen weiß ich: Ich bin ein Kind Gottes, das Schlimmes getan hat, und von Gott dennoch geliebt wird. Amen