Problematische Neophyten auch in Schleswig-Holstein?

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Transkript:

Problematische Neophyten auch in Schleswig-Holstein? Ergebnisse einer bundesweiten Befragung von Naturschutzbehörden Silke Lütt Ach da kommt der Meister! Herr, die Not ist groß! Die ich rief die Geister, werd ich nun nicht los aus: Der Zauberlehrling von J.W. Goethe Gerufen wurden sie - die Geister, als Straßenbegleitgrün, Augenschmaus im Botanischen Garten, zur Sortimenterweiterung im Gartenbau, als Viehfutter oder ganz privat als Urlaubsandenken. Einst offiziell eingeführt, entkommen sie aus ihren Umzäunungen, werden einfach in die Landschaft gekippt oder suchen sich - als Samen meist unentdeckt- ihren Weg entlang des immer dichter werdenden Netzes von Verkehrswegen: botanische Siegertypen, vitale Farbflecken in der Landschaft, die zeitweise zunehmend für Ärger sorgen. Während die einen sie noch als Bereicherung der Artenvielfalt betrachten, haben die anderen sie längst zum bedrohlichen Faktor beim Verlust der einheimischen Artenvielfalt erkannt. Vor dem Hintergrund der Unterzeichnung der Biodiversitätskonvention hat Deutschland sich verpflichtet, geeignete Maßnahmen zum Schutze vor ökologischen Schäden durch invasive (1) gebietsfremde Arten zu treffen und diese gegebenenfalls zu bekämpfen. Europäische und nationale Strategien zum Umgang mit Neophyten (2) werden erarbeitet, der behördliche Naturschutz muss sich - ob er will oder nicht - mit diesem Thema auseinander setzen. Da galt es, zunächst den Status quo zu bestimmen: welches Bundesland bereits Probleme mit den botanischen Neubürgern hat, was für Probleme, in welchem Ausmaß und von welchen Arten produziert. Das Bundesamt für Naturschutz hat im Sommer 2003 dazu eine bundesweite Umfrage durchgeführt, letztendlich um eine Fachbeurteilung und ein Stimmungsbild der oberen und unteren Naturschutzbehörden hinsichtlich der Problematik invasiver gebietsfremder Arten zu erhalten. Die Ergebnisse (1) Als invasiv werden solche Arten bezeichnet, die direkte oder indirekte ökologische Schäden hervorrufen, einheimische Arten durch Konkurrenz gefährden oder auf genetischer Ebene zur Verarmung der heimischen Flora beitragen (2) Neophyten sind nach 1500 in das Gebiet eingeschleppte oder eingeführte Pflanzen Jahresbericht Landesamt für Natur und Umwelt des Landes Schleswig-Holstein 2003 47

der Umfrage in Hinblick auf Problemarten in Schleswig-Holstein sollen an dieser Stelle vorgestellt, ergänzt und kommentiert werden. Die vollständigen Datenzusammenstellungen sind einzusehen bei SCHEPKER (2004). Das Stimmungsbild auf Bundesebene Ja doch, sie sind ein Problem - die botanischen Neubürger nun ist es statistisch belegt: Die überwältigende Mehrheit der oberen und unteren Naturschutzbehörden (95,6%) gab an, Probleme mit gebietsfremden Pflanzen in und außerhalb von Schutzgebieten zu haben. Allein die Stadt Bremen hat keine Probleme mit Neophyten. Überhaupt ist die Problematik in den östlichen und den nördlichen Bundesländern Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein sowie der Stadt Hamburg deutlich entspannter. Am meisten Probleme mit der grünen Flut hat die Stadt Berlin, die auch Spitzenreiter sowohl bei Bekämpfungsintensität als auch beim monetären Mitteleinsatz ist. Womit wir bei einem weiteren Grund des öffentlichen Interesses an den botanischen Neulingen wären: sie beginnen Kosten zu verursachen. Bei der Bekämpfung von Neophyten müssen bundesweit erhebliche Mittel eingesetzt werden. Obwohl noch nicht einmal für jeden dritten Bekämpfungsversuch Informationen über die Kosten vorliegen, entstehen allein für dieses Drittel für ein exemplarisches Jahr hochgerechnet Ausgaben von 1,6 Millionen Euro. Auch die Anzahl der Problembereiter ist bedenklich: 63 neophytische Pflanzenarten werden vom behördlichen Naturschutz als Erschwernis benannt. Die meisten Problemfälle gehen dabei aber auf nur wenige Arten zurück. In Tabelle 1 werden die 27 am häufigsten genannten problematischen Neophyten aufgeführt. Die vier häufigsten Arten machen bereits über die Hälfte aller Meldungen aus. Auf die Top Ten der bundesdeutschen Neophyten entfallen über vier Fünftel aller Angaben (80,7%). Ungekrönter König der Problemarten ist dabei der Riesenbärenklau Heracleum mantegazzianum, erstaunlich dicht gefolgt vom Drüsigen Springkraut Impatiens glandulifera. Auch die Knöterich-Sippen sind mit Ausnahme Berlins in allen anderen Ländern unter den ersten Fünf zu finden. Was für Probleme sie denn überhaupt bereiten, die grünen Invasoren? Sie sind enorm schnell in der Ausbreitung, bauen Dominanzbestände auf und sie konkurrieren erfolgreich mit den einheimischen Arten um den Lebensraum. Die Verdrängung von anderen Pflanzen stellt denn auch aus der Sicht der Naturschutzbehörden das häufigste Problem dar. Gesundheitsgefährdung, direkte Veränderungen der Biozönose (zum Beispiel Eutrophierung) werden nach der Umfrage als nachrangige Konfliktherde bewertet. Wo eine akute Bedrohung gegeben ist, da wird auch gehandelt: 80,8 % der Naturschutzbehörden geben an, mit konkreten Maßnahmen gegen Neophyten vorzugehen, und zwar bei etwa der Hälfte der 63 benannten Neophyten-Arten. Besonders virulente Arten werden dabei überdurchschnittlich häufig bekämpft, wie der Riesenbärenklau, die Knöterich-Arten oder die Späte Traubenkirsche. Nachhaltige Erfolge konnten dabei meist nicht erzielt werden. Nicht einmal jeder fünfte bundesweite Versuch kann als Erfolg gewertet werden. Innerhalb der Länder schwankt die Erfolgsquote zwischen 8 und 33 %. In den neuen Bundesländern wird deutlich weniger bekämpft als in den alten Bundesländern. 48

Tabelle 1: Problematische Neophyten in Deutschland aus der Sicht der Naturschutzbehörden und die Häufigkeit ihrer Vorkommen in Schutzgebieten Name Anzahl der % Davon in Schutz- % Nennungen gebieten Heracleum mantegazzianum (Riesenbärenklau) 309 16,2 203 65,7 Impatiens glandulifera (Drüsiges Springkraut) 263 13,8 181 68,8 Fallopia japonica / sachalinense / x bohemica (Staudenknöteriche) 247 12,9 163 66,0 Solidago canadensis / gigantea (Kanadische, Späte Goldrute) 196 10,3 102 52,0 Robinia pseudoacacia (Robinie) 131 6,9 73 56,2 Prunus serotina (Späte Traubenkirsche) 117 6,1 63 53,8 Elodea canadensis / nuttallii (Kanadische, Schmalblättrige Wasserpest) 87 4,6 30 34,5 Impatiens parviflora (Kleinblütiges Springkraut) 73 3,8 25 34,2 Helianthus tuberosus (Topinambur) 66 3,5 27 40,9 Lupinus polyphyllus (Vielblättrige Lupine) 52 2,7 28 53,8 Acer negundo (Eschen-Ahorn) 45 2,4 27 60,0 Rosa rugosa (Kartoffelrose) 40 2,1 17 42,5 Symphoricarpus albus (Gewöhnliche Schneebeere) 37 1,9 7 18,9 Quercus rubra (Roteiche) 36 1,9 12 33,3 Bunias orientalis (Orientalisches Zackenschötchen) 23 1,2 8 34,8 Senecio inaequidens (Schmalblättriges Greiskraut) 22 1,2 6 27,3 Buddleja davidii (Schmetterlingsstrauch) 21 1,1 7 33,3 Pinus nigra (Schwarzkiefer) 18 0,9 8 44,4 Pseudotsuga menziesii (Gewöhnliche Douglasie) 16 0,8 7 43,8 Pinus strobus (Weymouth-Kiefer) 12 0,6 3 25,0 Campylopus introflexus (Katusmoos) 10 0,5 1 10,0 Vaccinium corymbosum x angustifolium (Kanadische Kultur-Heidelbeere) 8 0,4 7 87,5 Ailanthus altissima (Götterbaum) 6 0,3 1 16,7 Mahonia aquifolium (Mahonie) 5 0,3 2 40,0 Lysichiton americanus (Amerikanische Stinktierkohl) 3 0,2 1 33,3 Rubus armeniacus (Armenische Brombeere) 3 0,2 0 0,0 Rudbeckia lactiniata (Sonnenhut) 3 0,2 1 33,3 Sonstige 59 3,1 35 59,3 Summe 1908 100,0 1045 54,8 Und in Schleswig-Holstein? Im Vergleich zu anderen Bundesländern haben wir bislang eigentlich keine Probleme mit Neophyten - oder doch zumindest nur sehr kleine. Angeführt werden von den Unteren Naturschutzbehörden, den Staatlichen Umweltämtern und dem LANU 10 neophytische Arten (Tabelle 2). Die fünf häufigsten problematischen Arten, Heracleum mantegazzianum, Prunus serotina, die Fallopia-Sippen, Impatiens glandulifera sowie Rosa rugosa nehmen zusammen bereits 85,0 % aller Meldungen ein. Tabelle 2: Problematische Neophyten in Schleswig-Holstein Name Anzahl der Nennungen % Heracleum mantegazzianum (Riesenbärenklau) 11 23,4 Prunus serotina (Späte Traubenkirsche) 10 21,3 Fallopia japonica / sachalinense / x bohemica (Staudenknöteriche) 9 19,1 Impatiens glandulifera (Drüsiges Springkraut) 5 10,6 Rosa rugosa (Kartoffelrose) 5 10,6 Lupinus polyphyllus (Vielblättrige Lupine) 2 4,3 Solidago canadensis / gigantea (Kanadische, Späte Goldrute) 2 4,3 Campylopus introflexus (Kaktusmoos) 1 2,1 Spartina anglica (Englisches Schlickgras) 1 2,1 Symphoricarpus albus (Gewöhnliche Schneebeere) 1 2,1 Gesamt 47 100,0 49

Abbildung 1: Der Riesenbärenklau ist bundesweit der Spitzenreiter unter den invasiven Pflanzenarten. Mit Ausnahme Brandenburgs kommt der Doldenblütler in allen anderen Bundesländern unter den ersten drei problematischen Neophyten-Arten vor. Nicht in der Liste aufgeführt, aber dennoch von jeweils einer unteren Naturschutzbehörde als invasiv benannt wurden Elodea canadensis und Impatiens parviflora. Zunehmend Besorgnis erregend, zumindest im Kreis Nordfriesland, ist die Dominanz des Kaktusmooses Campylopus introflexus in den Küstenheiden der Nordsee. Fast zwei Drittel der gemeldeten Neophyten werden in Schleswig-Holstein auch bekämpft Abbildung 2: Das Drüsige Springkraut breitet sich hierzulande in den Flussauen der Elbe und ihren Nebenflüssen aus. Als Bauernorchidee wird sie gerne von Bienenzüchtern ausgesät. (63,8 %). Die Kosten, die in Schleswig-Holstein zur Bekämpfung von Neophyten eingesetzt werden, liegen weit unter dem Bundesdurchschnitt. So wurden nach den vorliegenden Informationen im Jahr 2001 1.975 EUR eingesetzt, 2002 2.252 EUR und 2003 9.800 EUR. Die Tendenz ist allerdings auch hier steigend. Anteilig überwiegt dabei die Finanzierung von Maßnahmen gegen die Späte Traubenkirsche, dicht gefolgt von Aktionen gegen die Kartoffelrose. Abbildung 3: Forstunkraut Nummer eins in den schleswig-holsteinischen Trockenbiotopen, Wäldern und Knicks: die Späte Traubenkirsche. 50

Abbildung 4: Der Japanische Staudenknöterich und Verwandte wurden ursprünglich als Viehfutter aus Ostasien ins Land geholt. Erste Erfolge bei der Bekämpfung zeigen sich bei extensiver Weidenutzung. Keine Maßnahme wurde als vollständig erfolgreich bezeichnet. Eine starke Verdrängung mit weiteren nachfolgenden notwendigen Maßnahmen konnte bei 10,0 % der Bekämpfungsversuche verzeichnet werden. Alle anderen Bekämpfungsversuche haben nur eine teilweise oder gar keine Zurückdrängung des Neophyten erreicht. Eine geringe Erfolgsquote also - wie auch in vielen anderen Bundesländern. Zu den Gründen für das Scheitern vieler Maßnahmen gehören unter anderem ungenaues Arbeiten, ungeeignete Methoden und die räumliche wie zeitliche Begrenzung der Bekämpfung (vergleiche SCHEPKER 1998, KOWARIK 2003). Eine Kosten-Nutzen-Analyse und eine Prioritätenfestlegung gehören zu den notwendigen konzeptionellen Vorarbeiten, genauso wie während der Maßnahme Ausdauer und eine Dokumentationspflicht gefordert sind. Die Umfrage zeigte auch, dass für ein zukünftiges zielgerichtetes und effektives Handeln von den Naturschutzbehörden die Unterstützung durch den Bund in Form von Handlungsanweisungen, Bewertungsrichtlinien und Entscheidungshilfen gewünscht wird. Dem Wunsch nach artbezogenen Informationen und Maßnahmenkatalogen, die ständig entsprechend der neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse aktualisiert werden, ist das Bundesamt für Naturschutz mit dem Freischalten der Datenbank NeoFlora schon nachgekommen. Neben umfangreichen Informationen besteht hier die Möglichkeit, in einem Austauschforum mit Experten der Invasionsbiologie und anderen KollegInnen ins Gespräch zu kommen. Ein Klick auf www.neophyten.de kann da recht hilfreich sein. Welche ökologische Laufmasche durch die 51

Abbildung 5: Die Kartoffelrose (Rosa rugosa) ist in Schleswig-Holstein in den Lebensräumen der Nord- und Ostseeküsten eine invasive Art. Während in den achtziger Jahren das Tiefpflügen, Ausgraben und Mähen meist erfolglos als Gegenmaßnahme eingesetzt wurden, werden heute nachhaltigere, meist auch mit einer einmaligen Mahd oder Ausgraben kombinierte Pflegenutzungen mit Beweidung durch Schafe, zum Beispiel auch in halboffenen Weidelandschaften, mit relativem Erfolg praktiziert. Einwanderung neuer Pflanzenarten auch in Schleswig-Holstein ins Laufen geraten ist, kann in den Folgewirkungen nicht abschließend beurteilt werden. Fakt ist, dass wir deutlich weniger Probleme mit Neophyten haben als andere Bundesländer - mit Ausnahme von Bremen. Warum das so ist, darüber kann man nur spekulieren. Die Gründe dafür dürften wie immer in der Ökologie vielfältig sein. Ein Hauptgrund ist sicherlich das feucht-kalte Winterklima. Schaut frau/man allerdings ins Nachbarland, zum Beispiel nach Dänemark, so werden dort ganze Flusstalniederungen vom Riesenbärenklau eingenommen - trotz des ähnlichen Klimas. Vielleicht fehlen hierzulande im Vergleich zu anderen Bundesländern akzeptable Ersatzlebensräume für Neophyten, möglicherweise fehlt das ökologische Vakuum. In unserem flächenhaften und flachen Agrarland bedingen andauernde und intensive Nutzungen bis in den letzten Winkel ein gewisses Phlegma in der Vegetationsdynamik. Eine Großstadt wie Hamburg ist als Angelpunkt des maritimen Welthandels mit einem enormen Flächen-Turnover und zahllosen anthropogenen, dem Wandel der Zeit unterworfenen Kleinstandorten, ein weitaus attraktiveres Pflaster für Lebensraumsuchende Neupflanzen. Oder aber einheimische Konkurrenzstrategen besiedeln hierzulande bereits die Neophytengerechten Lebensräume. Denn, dies bleibt zu bedenken, durch flächenhafte Eutrophierung und Entwässerung existieren auch zahlreiche heimische Problemarten, wie zum Beispiel die Quecke in der Agrarlandschaft oder der Benthalm im Moor. Noch sind es vielmehr die aktiven, schleichenden oder punktuellen Standortveränderungen und die Nutzungsaufgaben, die maßgeblich den heimischen Artenschwund vorantreiben. Der Aufbau eines Neophyten-Frühwarnsystems auf der Basis einer landesweiten Kartierung mit Anbindung an ein geographisches Informationssystem oder die Aufstellung eines landesweiten Neophytenprogrammes mag naturschutzfachlich wünschenswert sein. Derartige Pläne bleiben angesichts der knappen Kassen und anderer, prioritärer arten- und flächenbezogener Facherfordernisse vorerst der Zukunft vorbehalten. Unsere rechtlichen Grundlagen sind durch die Einführung eines Passus in die Novelle des LNatSchG (2003, 24(6)) besser als in anderen Bundesländern: zumindest in der freien Natur können die Naturschutzbehörden eine Beseitigung ungenehmigt angesiedelter Pflanzen anordnen, sofern dies aus Gründen des Artenschutzes erforderlich ist. 52

Bislang besteht - auch vor dem Hintergrund der hier geschilderten bundesweiten Umfrage - keine naturschutzfachliche Notwendigkeit für einen beschleunigten Aktionismus im Umgang mit den Neophyten. Die Naturschutzbehörden und ganz besonders die hier zuständigen Fachleute - sind eher aufgefordert, wie überall im Leben zu handeln: mit Aufmerksamkeit, Gelassenheit und einer konzeptionell gestützten Handlungsverantwortung. Literatur SCHEPKER, H. (1998). Wahrnehmung, Ausbreitung und Bewertung von Neophyten. Eine Analyse der problematischen nichteinheimischen Pflanzenarten in Niedersachsen. Ibidem-Verlag, Stuttgart, 246 S. SCHEPKER, H. (2004): Problematische Neophyten in Deutschland - Ergebnisse einer bundesweiten Befragung in Naturschutzbehörden. Abschlußbericht eines Werkvertrages im Auftrag des Bundesamtes für Naturschutz, unveröff. Polykopie, Hannover. KOWARIK, I. (2003): Biologische Invasionen: Neophyten und Neozoen in Mitteleuropa. Ulmer Verlag, Stuttgart, 380 S. Internethinweise zum Thema gebietsfremde Arten Grundlegend: NeoFlora - Invasive gebietsfremde Pflanzen in Deutschland: www.neophyten.de Weiterführend - deutschsprachiger Raum: AG NEOBIOTA http://www.tu-berlin.de/ ~neobiota/index.htm Steckbriefe mit Fotos zu 22 Neobioten in Deutschland (darunter 8 Pflanzen) als online-version einer Ausstellung http://www.nhg-nuernberg.de/ haupt/ halb/damhirsch.html 7 Artensteckbriefe als pdf der AG Neozoen der Universität Rostock http://www.biologie.uni-rostock.de/ zoologie/neozoa/steckbriefe.html Schwarze Liste der Schweiz; herausgegeben von der Schweizer Kommission für die Erhaltung von Wildpflanzen http://www.cps-skew.ch/deutsch/ info_invasive_pflanzen.htm Weiterführend - international: Invasive Species Specialist Group (ISSG) der IUCN http://www.issg.org/ Global Invasive Species Programme (GISP) http://www.gisp.org/ Informationen zum Ballast Water Management Programme (GloBallast) http://globallast.imo.org/ Recherchierbare artspezifische Datenbanken: Ostsee: Baltic Sea Alien Species Database http://www.ku.lt/nemo/ mainnemo.htm weltweit: Datenbank der Invasive Species Specialist Group der IUCN http://www.issg.org/database/ welcome/ weltweit: Datenbank der aquatischen Arten der FAO (Database on Introductions of Aquatic Species = DIAS) http://www.fao.org/fi/statist/fisoft/ dias/index.htm Summary The results of a survey of the German Federal Agency for Nature Conservation about invasive plant species in all agencies for nature conservation in Germany have been presented in particular regard to Schleswig-Holstein. Here we have some problems with five species, Heracleum mantegazzianum, Prunus serotina, Fallopia spec, Impatiens gladulifera and Rosa rugosa. In comparison to other federal states of Germany Schleswig-Holstein has - like Mecklenburg-Vorpommern and other eastern federal states - less problems with neophytes. The reasons for this effect are discussed as well as the consequences for our work. Dr. Silke Lütt Dezernat 33 - Ökosystemschutz Tel. 0 43 47/ 704-363 sluett@lanu.landsh.de 53