Einsatz von Getreidekorn im automatischen Biomassekleinkessel - Emissionen und Betriebserfahrungen Dr. Ute Bauermeister 1, Dr. Johann Rumpler 2 1 Forschungs- und Beratungszentrum für Maschinen- und Energiesysteme e.v. (FBZ), Merseburg, Arbeitskreis Ökologische Stoffverwertung (AK FÖST), Halle (Saale) 2 Landesanstalt für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau des Landes Sachsen-Anhalt (LLFG), Bernburg 1. Einleitung Durch die vielfältigen Möglichkeiten der energetischen Nutzung von in der Landwirtschaft produzierten biogenen Rohstoffen kann der Verbrauch an fossilen Energieträgern reduziert und ein Beitrag zum Klimaschutz geleistet werden. Für landwirtschaftliche Betriebe besteht damit die Möglichkeit, sowohl den Energiebedarf aus eigenen nachwachsenden Rohstoffen zu decken als auch neue Einkommensquellen zu erschließen. Die Nutzung von Getreidekorn in Kleinfeuerungsanlagen zur Wärmeerzeugung ist eine solche Möglichkeit, deren regulärer Einsatz bisher im Rahmen der 1. BImSchV (< 100 kw) nicht zulässig ist. Der technische Entwicklungsstand erfordert jedoch eine Neubewertung. Unterstützt durch die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe (FNR) und das Ministerium für Landwirtschaft und Umwelt des Landes Sachsen-Anhalt wurden 2005 und 2006 Felduntersuchungen mit Getreidekorn an einem automatischen Biomassekessel Biokompakt - AWK 45 SI der Firma Gerlinger am Standort Bernburg der LLFG durchgeführt. Als unabhängiges Messinstitut konnte das Landesamt für Umweltschutz (LAU) gewonnen werden. 2. Technische Daten des installierten Kessels Der Biokompakt AWK 45 SI ist für einen thermischen Leistungsbereich von 15 45 kw ausgelegt. Abb. 1: Prinzipbild des Biokompakt - AWK 45 SI 1
Er ist gleichermaßen für Holzpellets, Hackschnitzel und Getreide geeignet und mit einer automatischen Brennstoffbeschickung und Entaschung ausgestattet. Die für den jeweiligen Brennstoff ermittelten optimalen Einstellungen des Kessels werden im Computer des Kessels wieder abrufbar gespeichert. Die Anlage moduliert im Leistungsbereich zwischen 30% und 100%. Dabei wird die Verbrennung über eine Mikroprozessorregelung in Verbindung mit einer Lambdasonde reguliert. Hierzu werden permanent die Parameter Sauerstoffgehalt, Abgastemperatur, Kesseltemperatur und Aufheizgeschwindigkeit für die Steuerung der Brennstoffzufuhr verrechnet. Dies führt zu schadstoffarmer Verbrennung und einem sparsamen Heizbetrieb. Durch die geregelte Beimischung eines kalkhaltigen Indikators in Höhe von 2% zum Brennstoff Getreide soll bei einer Temperatur von etwa 1150 C in der Brennkammer eine nachteilige Schlackebildung verhindert werden. Der Biokompakt-Kessel arbeitet mit einer gestuften Verbrennung, d.h., der Brennstoff wird zunächst in der Brennkammer mit Primärluft verbrannt (verschwelt). In der darüber liegenden Wirbelbrennkammer wird die Verbrennung der heißen Schwelgase mit Sekundärluft dann optimiert. 3. Einfluss des Kesselbetriebs auf die Emissionen von CO und Staub Mit den Felduntersuchungen über 2 Heizperioden mit 4 Getreidesorten und Holzpellets als Vergleich liegt inzwischen umfangreiches Datenmaterial zur Bewertung des Betriebsverhaltens und der Emissionen beim Einsatz von Getreidekorn vor. Grundsätzlich kann festgestellt werden, dass moderne Biomassekessel wie der Biokompakt - AWK 45 SI inzwischen auch im kleinen Leistungsbereich in der Lage sind, Getreidekorn ohne technische Probleme und Störungen emissionsarm zu verbrennen. Dank der intensiven Entwicklungsarbeiten in den vergangenen Jahren können die aktuell gültigen Emissionsgrenzwerte der 1. BImSchV sicher eingehalten werden, wie nachfolgende Abbildung zeigt. Abb. 2: Emissionen gemäß 1. BImSchV mit Getreidekorn und Holz zum Vergleich 0,3 0,25 0,2 Mittlere Staub- und CO-Konzentrationen (Bezug: 13% O 2 ) Einfahrphase (Jan. 2005) CO (Grenzwert 1. BImSchV bis 50 kw = 4 g/m³) Staub (Grenzwert 1. BImSchV = 0,15 g/m³) Brennstoffe der 2. Messperiode (Jan. bis März 2006) Holzpellets zum Vergleich (März 2005) g/m³ 0,15 0,1 0,05 0 Wintergerste I (Vollast) Wintergerste I (Teillast) Wintergerste II (Volllast) Wintergerste II (Teillast) Winterweizen (Volllast) Winterweizen (Teillast) Roggen (Volllast) Holzpellets (Vollast) Holzpellets (Teillast) CO-Messungen: Mittelwert der 15-min-Mittelwerte einer kontinuierlichen Messung Gesamtstaub: Mittelwert von jeweils 6 (Volllast)- bzw. 3 (Teillast)-Messungen Der links abgegrenzte Bereich zeigt aber auch deutlich, dass es sowohl für die Technik als auch die Bedienpersonen eine Einfahrphase gab, um die optimalen Einstellungen zu ermitteln. 2
Das anfangs noch schlechtere Abbrandverhalten äußerte sich vor allem in regelmäßigen CO- Spitzen, die dann den Entaschungszyklen zugeordnet werden konnten. Diese beim Eingriff in das Glutbett entstehenden Probleme, die bei Holzpellets in gleicher Weise auftraten, konnten durch Feinabstimmung der Zyklenabstände und der Eingriffszeit der Austragschnecke sehr gut geglättet werden. Dieser Prozess wird in nachfolgender Abbildung der CO-Mittelwerte mit den Maxima und Minima sehr deutlich. Abb. 3: 15-min-Mittelwerte für CO (bez. 13% O 2 ) im Vergleich WG = Wintergerste, WW, Winterweizen Das ungünstigere Abbrandverhalten hat sich natürlich auch auf die Staubmessungen ausgewirkt. Allerdings lag von insgesamt 6 Messwerten bei Volllast mit dem ersten Getreidekorn WG I nur ein Staubmesswert mit 0,165 g/m³ über dem Emissionsgrenzwert der 1.BImSchV von 0,15 g/m³. In allen weiteren Messungen mit diesem und weiterem Getreidekorn wurden in der Folge niedrigere Werte meist unter 0,13 g/m³ erreicht. Dies unterstreicht, wie wichtig die optimale Kesseleinstellung für ein emissionsarmes Abbrandverhalten ist. Durch die automatische Kalkbeimischung konnte eine Schlackebildung tatsächlich weitgehend vermieden werden. Im Leistungsbereich zwischen Halb- und Volllast traten weder Störungen durch Schlackebildung noch Geruchsbelästigungen im Umfeld auf. 4. Einfluss der Inhaltsstoffe von Getreidekorn auf die Emissionen 4.1 Inhaltsstoffe von Getreide und anderen Biobrennstoffen im Vergleich Der deutlich höhere Gehalt an Stickstoff, Schwefel, Chlor und Mineralstoffen von Getreide und halmgutartigen Biomassen gegenüber Holz wirkt sich unmittelbar auf die Emissionen von NO x, SO 2, HCl und die partikelförmigen Emissionen aus. Daher ist es von Bedeutung, dass für die energetische Nutzung möglichst eisweißarme und extensiv gedüngte Getreidesorten verwendet werden. Abb. 4 zeigt Nährstoffe und emissionsrelevante Inhaltsstoffe der verwendeten Brennstoffe und von Strohpellets. Der Gehalt an Stickstoff im Getreide liegt dabei mit 1,5 bis 2,5 % von TS im typischen Bereich von Futtergetreide. Die Abweichungen zu den N- oder Cl-Gehalten der Strohpellets sind nicht gravierend. Der Einfluss auf die Emissionen wird durch die Darstellung der Messwerte nach den Vorgaben der TA Luft als 1 / 2 h-mittelwerte mit Bezug auf 11% Sauerstoff verdeutlicht. 3
Abb. 4: Ausgewählte Inhaltsstoffe der Brennstoffe im Vergleich 3,0 2,5 Ma.% von TS 2,0 1,5 1,0 0,5 0,0 N S Cl P K WG I WG II WW Roggen Holzp. Weizenstroh Roggenstroh 4.2 Auswirkungen auf die NO x - und SO 2 -Emissionen Das Niveau der NO x - und SO 2 -Emissionen liegt aufgrund der höheren N- und S-Gehalte im Getreide erwartungsgemäß deutlich über dem von Holz. Die mittleren NO x -Konzentrationen betragen bei den verwendeten Getreidesorten ca. 630 mg/m³ (13% O 2 ) bzw. 787 mg/m³ mit Bezug auf 11% O 2 (s. Abb. 5), die mittleren SO 2 -Konzentrationen betragen ca. 205 mg/m³ (13% Bezugs-O 2 ) bzw. 255 mg/m³ (11% Bezugs-O 2, s. Abb. 6). Abb. 5: NO x -Emissionen (bez. 11% O 2 ) im Vergleich 4
Abb. 6: SO 2 -Emissionen (bez. 11% O 2 ) im Vergleich Bei einer Bilanzierung des Verbleibs von N, S und Cl aus dem Brennstoff zeigte sich, dass beim Getreidekorn nur 10 bis 13% des Brennstoffstickstoffs als NO x -Emissionen wieder gefunden wurden, beim Holz waren es 25 bis 30% (Abb. 7). Der ca. 5-fach höhere N-Gehalt des Getreides gegenüber Holz schlägt sich somit nicht in einem entsprechend hohen (5-fachen) Anstieg der NO x -Emissionen nieder. Dies ist auf die gestufte Verbrennung zurückzuführen, wobei die in Bereichen mit reduzierenden Bedingungen gebildeten Verbindungen (z.b. NH 3 ) mit dem NO x der Wirbelbrennkammer zu Luftstickstoff reagieren können. Abb. 7: Verbleib des Brennstoffstickstoffs 300 250 200 N-Bilanz g/h N im Brennstoff g/h N emittiert g/h 150 100 50 10% 12% 13% 14% 9% 13% 10% 25% 30% 0 VL TL VL TL VL TL VL VL TL WGI WGI WGII WGII WW WW Roggen Holz Holz Beim Schwefel hingegen wurden mit Getreidekorn auch dem Schwefelgehalt entsprechend höhere Emissionen an SO 2 gegenüber Holz gemessen. 5
4.3 Auswirkungen auf die HCl-Emissionen sowie Dioxine/Furane Auch bei den HCl-Emissionen führt der brennstoffbedingt höhere Chlor-Gehalt zu dementsprechend erhöhten Emissionen (Abb. 8). Sie liegen im Mittel mit ca. 40 mg/m³ etwas über dem Grenzwert von 30 mg/m³ nach 5.2 der TA Luft (wobei jedoch die dort benannten Massenströme von 0,15 kg/h mit dem Biokompakt-Kessel um fast 2 Zehnerpotenzen unterschritten sind). Abb. 8: HCl-Emissionen (bez. 11% O 2 ) im Vergleich Abb. 9: Dioxin-/Furan-Emissionen (bez. 11% O 2 ) im Vergleich 6
Wie Abb. 9 zeigt, kann kein Zusammenhang zwischen dem höheren Chlorgehalt im Getreide und den gemessenen Dioxin-Emissionen hergestellt werden. Die hochtoxischen Inhaltsstoffe wie Dioxine/Furane, weisen keine Auffälligkeiten auf. Der strenge TA Luft-Grenzwert von 0,1 ng/m³ wurde in keinem Fall überschritten. Durch den Einsatz von Getreide ist demzufolge keine erhöhte Belastung an hochtoxischen Inhaltsstoffen im Abgas zu erwarten. 4.5 Auswirkungen auf die Staubemissionen Bei der Analyse der Staubinhaltsstoffe wurde als Hauptinhaltsstoff Kalium gefunden, gefolgt vom Kalzium (s. Abb. 10). Mit deutlich geringeren Konzentrationen folgen Zink und Magnesium. Die erhöhten Staubemissionen von Getreide gegenüber Holz können daher nicht mit dem Kalkzusatz zur Erhöhung des Ascheschmelzpunktes in Verbindung gebracht werden, wogegen der Kaliumgehalt im Getreide mit einer Größenordnung von ca. 10 bis 50 mg/m³ merklich zu den Staubemissionen beiträgt. Abb. 10: Ausgewählte Staubinhaltsstoffe (bez. 11% O 2 ) im Vergleich Alkalien und Erdalkaliengehalt im Staub, Mittelwerte 50 mg/nm³, tr.; 11% O2 40 30 20 K Ca Mg 10 0 WGI WGII WW Holz Bei den Schwermetallen liegen die Konzentrationen bzw. Massenströme für Holzpellets auf dem gleichen Niveau wie von Getreide bzw. teils auch darüber. Durch den Einsatz von Getreide ist demzufolge keine erhöhte Schwermetallbelastung im Staub zu erwarten. Das trifft ebenso für Quecksilber zu. 5. Energetische Effizienz von Getreidekorn als Brennstoff Unter Berücksichtigung der zuvor ermittelten Heizwerte und der Kesselleistungen für die jeweiligen Lastmessungen (keine geeichte Messtechnik) wurden die spezifische Wärmeerzeugung pro kg Brennstoff, der tatsächlich erreichte thermische Wirkungsgrad und der spezifische Brennstoffverbrauch pro kwh erzeugte Wärme ermittelt (s. Tab. 1). Der tatsächliche thermische Wirkungsgrad des Kessels liegt sowohl mit Getreidekorn als auch mit Holzpellets bei durchschnittlich 81%. Vergleicht man die Bilanzdaten mit den Standardangaben eines Ölkessels (grau unterlegte Spalte, Annahme für den Kesselwirkungsgrad: 90%), so liegt der tatsächliche Verbrauch bei durchschnittlich 2,76 kg Getreidekorn, um einen Liter Heizöl zu ersetzen. Das ist etwas ungünstiger als der übliche Ansatz, bei dem von 2,5 kg Getreide für 1 l Öl ausgegangen wird. 7
Tab. 1: Energiebilanz der Feldversuche mit Getreidekorn und Holzpellets WG1 VL WG1 TL WG2 VL WG2 TL WW VL WW TL Roggen VL Mittlere Leistung kw 38 21 38,5 20,7 41,4 22,1 43 40,3 Brennstoffverbrauch kg/h 11,2 6,6 11,3 6,7 12,5 6,7 13,5 10,3 Holz VL Öl 1 spezifische Wärmeerzeugung kwh/kg 3,4 3,2 3,4 3,1 3,3 3,3 3,2 3,9 9,0 2 Heizwert des Brennstoffs kwh/kg 4,1 4,1 4,0 4,0 4,0 4,0 3,9 4,9 10 2 thermischer Wirkungsgrad % 82 77 86 78 83 82 81 81 90 spezifischer Brennstoffverbrauch kg/kwh 0,29 0,31 0,29 0,32 0,30 0,30 0,31 0,26 Brennstoffverbrauch bezügl. 1 Liter Öl kg/l Öl 2,7 2,8 2,6 2,9 2,7 2,7 2,8 2,3 1 1 Literaturangabe 2 in kwh/l Damit bestätigt sich, dass die Grundkalkulation für den Standort des Lehr- und Versuchsgutes erreichbar ist. Der in den Feldversuchen eingesetzte Biomasseheizkessel beheizt ein Gebäude mit 311 m² Büro- und Nutzfläche. Die bisherige Ölheizung verbraucht ca. 9000 l Heizöl pro Heizperiode, das entsprach zu Projektbeginn im Jahr 2004 Kosten von ca. 4.000. Bei vollständigem Ersatz durch die Getreideheizung wäre bei einem Verbrauch von 2,76 kg Getreide für 1 Liter Heizöl und dem zu Projektbeginn gültigen Getreidepreis von ca. 10,- /dt eine Kostenreduktion auf 2.480,- pro Heizperiode möglich. In einer Wirtschaftlichkeitsbetrachtung wurden abschließend die Einflüsse durch steigende Brennstoffpreise und Investitionskosten sowie den höheren Wartungsaufwand des Biomassekessels untersucht. Unter Berücksichtigung der aktuellen Öl- und Getreidepreise sind die vorgenannten Brennstoffkosten im Jahr 2007 auf 4.500 /a bei Öl bzw. 3.720 /a bei Getreide gestiegen. Berücksichtigt man den höheren Wartungsaufwand und die höheren Kosten für den Biomassekessel (auch bei Nutzung des Investitionskostenzuschusses), so liegt der Preisvorteil bei den aktuell hohen Getreidepreisen noch nicht eindeutig auf der Seite der Biomasse. Durch flexible Reaktion auf aktuelle Preise und preisgünstig verfügbare Chargen können jedoch die Brennstoffkosten positiv beeinflusst werden. Der Betrieb eines Biomassekessels, der auch für Getreidekorn geeignet und zugelassen ist, erlaubt dem Landwirtschaftsbetrieb die Sicherung des Wärmebedarfs unter Nutzung eines geringen Teils des vorhandenen Potenzials an Getreide, dessen energetische Nutzung sich an der Preislage und Verfügbarkeit orientieren wird. Und natürlich auch an den emissionsrechtlichen Gegebenheiten. Die Ergebnisse zeigen zwar deren Einhaltbarkeit. Eine wesentliche Verschärfung hätte aber auch kostenintensivere technische Maßnahmen zur Emissionsreduzierung oder vermeidung zur Folge, die die obige Bilanz zusätzlich trüben dürften. 8