Verdacht auf Behandlungsfehler Was hat der Patient von der MDKBegutachtung?



Ähnliche Dokumente
Herzlich willkommen!

Fragen und Antworten zur Begutachtung von Behandlungsfehlern durch den MDK

Befunderhebungsfehler aus der Sicht des niedergelassenen Arztes

Guten Tag! Wolfgang Frahm Arzthaftung

Fragen und Antworten zur Begutachtung von Behandlungs-fehlern durch den MDK

Statistische Erhebung der Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen für das Statistikjahr 2007

Welche Unterstützung brauchen Patienten bei einem Verdacht auf Behandlungsfehler?

Arbeitnehmerhaftung. die Einrichtungsträger angehoben. Hierdurch kommt es vermehrt zu Rückgriffsforderungen des Arbeitgebers auf den Arbeitnehmer.

Grundzüge des Arzthaftungsrechts in Deutschland. Dr. Stefan Hübel Rechtsanwalt und Arzt Sozietät Dr. Rehborn Westenhellweg Dortmund

Der interessante Fall: Standardchaos?

Sedierung und Notfallmanagement in der Endoskopie - juristische Aspekte -

Lernziele. Begriff des Kunstfehlers. Vorlesung Patientensicherheit und Risikomanagement. Patientensicherheit und Risikomanagement

Behandlungsfehler-Begutachtung der MDK-Gemeinschaft. Jahresstatistik 2011

Hilfe bei Behandlungsfehlern

Versorgungssituation in Schleswig-Holstein

Umgang mit Explantaten

INFORMATIONEN ZUR NACHSORGE VON ZAHNIMPLANTATEN

AWO-Qualitätsbericht. stationär

PatientInnen stärken Plädoyer für mehr Patientenrechte

Was sind die Gründe, warum die Frau, der Mann, das Paar die Beratungsstelle aufsucht?

Das Erschleichen einer Beurteilung

Inhaltsübersicht Produktinformationsblatt zur Jahres-Reiserücktritts-Versicherung der Europäische Reiseversicherung AG

Osteoporose. Ein echtes Volksleiden. Schon jetzt zählen die Osteoporose und die damit verbundene erhöhte Brüchigkeit der Knochen

Zahnl cke? Legen Sie doch mal einen Zahn zu... mit Implantaten!

Neue Gerichtsentscheidungen zur Haftung des pharmazeutischen Unternehmers

Würfelt man dabei je genau 10 - mal eine 1, 2, 3, 4, 5 und 6, so beträgt die Anzahl. der verschiedenen Reihenfolgen, in denen man dies tun kann, 60!.

Trockenes Auge. Haben Sie Trockene Augen?

Erfahrungen mit Hartz IV- Empfängern

Das Bandtagebuch mit EINSHOCH6 Folge 32: BIN ICH PARANOID?

SQS1 Jahresbericht 2009

Vor- und Nachteile der Kastration

Patienteninformationsbroschüre. Wurzelkanalbehandlung

DGSMP Jahrestagung 2012

Schnittstellenprobleme im Arzthaftungsrecht:

Zu dieser Folie: Schulungsziel: TN kennen wesentliche diagnostische und therapeutische Maßnahmen bei Harnund Stuhlinkontinenz

Pflege Ihrer implantatgetragenen Krone

von Dr. med. Wolfgang Rechl, Vizepräsident der Bayerischen Landesärztekammer (BLÄK)

Erwachsenen- Psychotherapie

Hohe Leistung, tiefe Prämie. Michèle Bowley, Geschäftsleiterin «Gsünder Basel»

Glaube an die Existenz von Regeln für Vergleiche und Kenntnis der Regeln

Zurück zur Zeugungsfähigkeit (Refertilisierung)

Implantate Anwendung in unserer Praxis

1 Mathematische Grundlagen

Zeichen bei Zahlen entschlüsseln

Erstgesprächsvorbereitung für arzthaftungsrechtliche Mandate

Qualität im Gesundheitswesen

Die Forschung mit embryonalen Stammzellen ist ethisch nicht akzeptabel

WEGWEISER ZUR EINLAGERUNG VON NABELSCHNURBLUT UND -GEWEBE

Hinweis zur Ergänzung im Fall schwerer Erkrankung. Anpassung der PATIENTENVERFÜGUNG für den Fall schwerer Krankheit

Professionelle Seminare im Bereich MS-Office

Wann ist eine Software in Medizinprodukte- Aufbereitungsabteilungen ein Medizinprodukt?

Tutorium Klinische Psychologie I. Fragen zur Ausbildung und rechtlichen Grundlagen in der Klinischen Psychologie

Verschreibungsfreie Arzneimittel wieder in der Erstattung

Wärmebildkamera. Arbeitszeit: 15 Minuten

Gesetzlicher Unfallversicherungsschutz. für die Schülerinnen und Schüler in der Hauptstadt

Informationen zur Tagespflege

RISIKOLOS VOR GERICHT.

Rechtliche Fragestellungen im Zusammenhang mit der Implantation der DUROM - Hüftprothese

Dr. Olivia Schallmayer Professionelle Zahnreinigung Prophylaxe, Prävention

Das neue Reisekostenrecht 2014

Lineargleichungssysteme: Additions-/ Subtraktionsverfahren

Familiale Pflege. Herzlich Willkommen zur Demenzschulung für Angehörige und Interessierte

Risikolos vor Gericht. Prozessfinanzierung im Arzthaftungsrecht

Screening Das Programm. zur Früherkennung von Brustkrebs

How to do? Projekte - Zeiterfassung

Ohne Fehler geht es nicht Doch wie viele Fehler sind erlaubt?

Die außerordentliche Revision wird gemäß 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

AGROPLUS Buchhaltung. Daten-Server und Sicherheitskopie. Version vom b

Kurzanleitung MAN E-Learning (WBT)

Künstlicher Hüftgelenksersatz

Neue Patientenleitlinie zu Colitis Ulcerosa erschienen

Preisliste Universitätskinderspital beider Basel

Die Alternative zu Kronen, Brücken und Prothesen. Wenn Sie Fragen haben, wenden Sie sich bitte an unser Praxisteam!

Statuten in leichter Sprache

Klinik und Poliklinik für Chirurgie Abteilung für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie

Was ist Sozial-Raum-Orientierung?

Bürgerhilfe Florstadt

Keniaurlaub (nach OLG Stuttgart, VersR 2002, 148)

Projekt- Management. Landesverband der Mütterzentren NRW. oder warum Horst bei uns Helga heißt

Geriatrische Rehabilitation. Bezirksklinikum Ansbach

Stand: / V. Seiler. Erziehungsberechtigte/r. Vor- und Zuname. Geb. am: Straße: Kinder und Betreuungszeiten:

Heinrich Thomsen Dipl. Psychologe und Psychotherapeut. Karlstr Itzehoe

Wie ist das Wissen von Jugendlichen über Verhütungsmethoden?

ST. NIKOLAUS-HOSPITAL EUPEN Hufengasse 4-8 B EUPEN Tel.: 087/ Transoesophageale Echokardiographie (TEE) PATIENT

Krankenhausrecht Vorlesung an der Universität Augsburg am Dr. Thomas Vollmoeller

Projektmanagement. Thema. Name der bzw. des Vortragenden. Vorname Nachname Sommersemester 2004

HYGIENE UND HAFTUNG: Schicksalhafte Komplikation versus Behandlungsfehler

Behandlung von Krebsvorstufen. Dr. K. Röder Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe

NEUE FRAUENKLINIK LUZERN. Brustzentrum Luzern. Herzlich willkommen. Kompetenz, die lächelt.

Kapitel 1 Verhältnis zwischen Patient und Leistungserbringer

Widerrufsbelehrung der Free-Linked GmbH. Stand: Juni 2014

DR. MARC CHRISTOPH BAUMGART

Eva Douma: Die Vorteile und Nachteile der Ökonomisierung in der Sozialen Arbeit

Patientenleitfaden für das Gespräch mit dem Arzt. Liebe Patientin, lieber Patient!

Gründe für fehlende Vorsorgemaßnahmen gegen Krankheit

Patienteninformationen zur Nachsorge von Zahnimplantaten. Optimale Pflege für Ihre. implantatgetragenen Zähne.

Nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch 906 BGB

Transkript:

Verdacht auf Behandlungsfehler Was hat der Patient von der MDKBegutachtung? Dr. med. Ingeborg Singer Leiterin Fachbereich Medizinrecht, MDK Bayern DGSMP-Jahresveranstaltung 2012 13.09.2012, Essen

Antwort 1 Der MDK unterstützt die betroffenen Patientinnen und Patienten durch Anfertigung eines medizinischen Sachverständigengutachtens 2

Prinzip des deutschen Arzthaftungsrechtes Der Patient trägt die Beweislast für ärztlichen Fehler erlittenen Schaden Kausalität zwischen Fehler und Schaden 3

Definition Ein Behandlungsfehler ist das Absehen von einer medizinisch gebotenen Vorgehensweise [ ]. Auf die subjektiven Fähigkeiten des behandelnden Arztes kommt es insoweit nicht an. (BGH im Urteil vom 06.05.2003, VI ZR 259/02, VersR 2003, 1128-1130) Der Arzt schuldet eine dem Stand der medizinischen Wissenschaft entsprechende Diagnose, Therapie und Aufklärung. (BGH 1987 VersR, 770) 4

Was prüft der Gutachter des MDK? Behandlung Schaden Welcher medizinische Standard wurde zum Zeitpunkt des betroffenen Geschehens geschuldet? Wurde die Behandlung nach dem anerkannten Stand des Wissens durchgeführt? Ist bei der Behandlung ein Schaden entstanden? Besteht ein Kausalzusammenhang zwischen dem Schaden und einer fehlerhaften Behandlung? 5

Ergebnis I Fehlerhafte Behandlung führt zum Schaden Kausalität Behandlungsfehler Schaden Beispiel: Einem Patienten wird in typischer Rückenlage ein künstliches Kniegelenk eingesetzt. Nach der Operation entdeckt man am Gesäß eine flächige Verbrennung dritten Grades. Diese ist eindeutig durch Nichtbeachtung geforderter Vorsichtsmaßnahmen bei Anwendung des so genannten elektrischen Messers entstanden. Es war nämlich zu einer Feuchtigkeitsansammlung im Bereich des Gesäßes gekommen, welche bei Anwendung dieses Messers unbedingt zu vermeiden ist. 6

Ergebnis II Fehlerhafte Behandlung führt nicht zum Schaden Keine Kausalität Behandlungsfehler Schaden Beispiel: Ein Kind kommt mit einer Hirnschädigung zur Welt. Es werden Fehler im Geburtsmanagement nachgewiesen, diese sind jedoch nicht für die Schädigung verantwortlich. Die nachgewiesene Ursache für die Hirnschädigung war eine Infektion mit dem Cytomegalievirus im Mutterleib. Diese Infektion war während des unauffälligen Schwangerschaftsverlaufs nicht zu erkennen gewesen. 7

Ergebnis III Schaden, aber keine fehlerhafte Behandlung Komplikation Fehlerfreie Behandlung Schaden Beispiel: Nach einer Operation am Sprunggelenk bildet sich beim Patienten ein Blutgerinnsel im Beim mit Verschluss einer großen Vene (Thrombose). Alle verbeugenden Maßnahmen zur Verhinderung einer Thrombose waren korrekt durchgeführt worden. In diesem Fall handelt es sich nicht um einen Behandlungsfehler, sondern um eine Komplikation. 8

Ergebnis IV Kausalität nicht beweisbar: Schaden wäre möglicherweise auch entstanden, wenn kein Behandlungsfehler unterlaufen wäre Kausalität Behandlungsfehler? Schaden Beispiel Die Gabe von Antibiotika vor einer Knie-Operation wurde unterlassen. Dies hätte jedoch dem Stand der medizinischen Wissenschaft entsprochen (BHF). Es entwickelt sich eine eitrige Kniegelenksentzündung. Da dies auch trotz Antibiose möglich gewesen wäre, kann der Schaden nicht sicher auf den Behandlungsfehler zurückgeführt werden. In Fällen wie diesem kommt der Beweislastverteilung eine wesentliche Bedeutung zu. 9

Antwort 2 Die MDK-Gemeinschaft leistet einen Beitrag zur Fehlervermeidung auf Systemebene durch Datenauswertung und Analyse von Fehlerhäufungen und Risikokonstellationen 10

Ergebnisse 2011 Behandlungs-fehlergutachten insgesamt: 12.686 11 11

Ergebnisse 2011 Behandlungs-fehlervorwürfe insgesamt: 12.686 Bestätigte Behandlungsfehler: 4.068 12

Behandlungsfehler nach Versorgungssektor Gutachten insgesamt: 12.686 Ambulanter Sektor: 4.177 Stationärer Sektor: 8.509 13

Fachgebiete Bestätigungsquoten in den 10 nach Anzahl der Vorwürfe häufigsten Fachgebieten Gesamt Fachgebiet Vorwürfe Vorwürfe Bestät. Bestätigte Fälle Fälle Bestätigungsquote Bestä % Orthopädie/Unfallchirurgie Orthopädie/Unfallchirurgie 3539 1070 30,2 Chirurgie 2343 685 29,2 Zahnmedizin (inkl. (inkl. MKG MKG-Chirurgie) -Chirurgie ) 1123 481 42,8 Gynäkologie/Geburtshilfe Gynäkologie/Geburtshilfe 1103 371 33,6 Innere Medizin 1090 297 27,2 Pflege 642 326 50,8 Neurochirurgie 461 134 29,1 Augenheilkunde 399 120 30,1 Urologie 326 78 23,9 HNO 308 70 22,7 14

Behandlungsanlässe TOP 10 der bestätigten Behandlungsfehler Gesamt (ohne Zahnmedizin) Gesamt (mit Zahnmedizin) bestätigte Fälle ICD Bezeichnung Gonarthrose 159 M17 Gonarthrose 159 M16 Coxarthrose 140 M16 Coxarthrose 140 K02 Zahnkaries 134 S72 Fraktur des Femurs 111 S72 Fraktur des Femurs 111 S82 Fraktur des Unterschenkels 85 K04 Krankheiten der Pulpa/periapikales Gewebe 108 L89 Dekubitus 81 S52 Fraktur des Unterarms 67 S82 Fraktur des Unterschenkels 85 M51 58 L89 Dekubitus 81 Sonstige Bandscheibenschäden K08 Sonstige Krankheiten der Zähne 73 C50 Bösartige Neubildung der Brustdrüse 54 S52 Fraktur des Unterarms 67 S42 54 M51 Sonstige Bandscheibenschäden 58 Fraktur im Bereich der Schulter und des Oberarmes M54 Rückenschmerzen 53 ICD Bezeichnung M17 bestätigte Fälle 15

Eingriffe TOP 10 der bestätigten Behandlungsfehler- gesamt Gesamt (ohne Zahnmedizin) Gesamt (mit Zahnmedizin) OPS Bezeichnung Bestätigte Fälle OPS Bezeichnung Bestätigte Fälle 5-820 Hüftendoprothese 143 5-820 Hüftendoprothese 143 5-237 Wurzelspitzenresektion 132 5-822 Knieendoprothese 116 5-790 58 5-822 Knieendoprothese 116 Geschl. Reposition einer Fraktur / Epiphysenlösung mit Osteossynthese 5-230 Zahnextraktion 68 5-831 41 5-233 Prothetischer Zahnersatz 67 Exzision von erkranktem Bandscheibengewebe 5-790 Geschl. Reposition einer Fraktur oder Epiphysenlösung mit Osteossynthese 58 5-788 Operation an Metatarsale und Phalangen des Fußes 40 5-683 Uterusexstirpation 38 5-231 Operative Zahnentfernung durch Osteotomie 51 5-794 Offene Repos. MehrfragmenteFraktur im Gelenkbereich eines langen Röhrenknochens 35 5-831 Exzision von erkranktem Bandscheibengewebe 41 5-455 Partielle Resektion des Dickdarmes 34 5-788 Operation an Metatarsale und Phalangen des Fußes 40 5-786 Osteosyntheseverfahren 33 5-683 Uterusexstirpation 5-793 Offene Repos. Einer einfachen Fraktur im Gelenkbereich eines 38 DGSMP - Jahrestagung, Essen, 13.09.2012 Dr. med. I. Singer, langen Röhrenknochens 33 16

Verteilung der Fehlerarten bei Behandlungsfehlern* 17

Verteilung der Fehlerarten auf ausgewählte Krankheiten mit vielen bestätigten Behandlungsfehlervorwürfen Kniegelenksarthrose (Gonarthrose) Hüftgelenksarthrose (Coxarthrose) Oberschenkelbruch (Femurfraktur) Unterarmbruch (Unterarmfraktur) Diagnosestellung 9,6 % 6,5 % 19,4 % 15,3 % Diagnostischer Eingriff 0,6 % 2,2 % 0% 1,2 % Therapeutischer Eingriff 63,7 % 64,7 % 33,7 % 55,3 % Therapiemanagement 26,1 % 18 % 18,4 % 25,9 % Aufklärung 6,4 % 0,7 % 6,1 % 4,7 % Pflegerische Maßnahmen 3,1 % 5,0 % 39,6 % 3,5 % Organisation 1,9 % 3,6 % 4,1 % 1,2 % Dokumentation 8,3 % 10,1 % 16,3 % 2,4 % Medizinprodukt 0% 0,7 % 0% 0% 18

Dr. med. Ingeborg Singer Leiterin Fachbereich Medizinrecht MDK Bayern Logistikzentrum Medizinrecht Würzburger Landstr. 7 91522 Ansbach Tel.: 0981 48804-210 Fax: 0981 48804-446 mailto:ingeborg.singer@mdk-bayern.de http://www.mdk-bayern.de