Verdacht auf Behandlungsfehler Was hat der Patient von der MDKBegutachtung? Dr. med. Ingeborg Singer Leiterin Fachbereich Medizinrecht, MDK Bayern DGSMP-Jahresveranstaltung 2012 13.09.2012, Essen
Antwort 1 Der MDK unterstützt die betroffenen Patientinnen und Patienten durch Anfertigung eines medizinischen Sachverständigengutachtens 2
Prinzip des deutschen Arzthaftungsrechtes Der Patient trägt die Beweislast für ärztlichen Fehler erlittenen Schaden Kausalität zwischen Fehler und Schaden 3
Definition Ein Behandlungsfehler ist das Absehen von einer medizinisch gebotenen Vorgehensweise [ ]. Auf die subjektiven Fähigkeiten des behandelnden Arztes kommt es insoweit nicht an. (BGH im Urteil vom 06.05.2003, VI ZR 259/02, VersR 2003, 1128-1130) Der Arzt schuldet eine dem Stand der medizinischen Wissenschaft entsprechende Diagnose, Therapie und Aufklärung. (BGH 1987 VersR, 770) 4
Was prüft der Gutachter des MDK? Behandlung Schaden Welcher medizinische Standard wurde zum Zeitpunkt des betroffenen Geschehens geschuldet? Wurde die Behandlung nach dem anerkannten Stand des Wissens durchgeführt? Ist bei der Behandlung ein Schaden entstanden? Besteht ein Kausalzusammenhang zwischen dem Schaden und einer fehlerhaften Behandlung? 5
Ergebnis I Fehlerhafte Behandlung führt zum Schaden Kausalität Behandlungsfehler Schaden Beispiel: Einem Patienten wird in typischer Rückenlage ein künstliches Kniegelenk eingesetzt. Nach der Operation entdeckt man am Gesäß eine flächige Verbrennung dritten Grades. Diese ist eindeutig durch Nichtbeachtung geforderter Vorsichtsmaßnahmen bei Anwendung des so genannten elektrischen Messers entstanden. Es war nämlich zu einer Feuchtigkeitsansammlung im Bereich des Gesäßes gekommen, welche bei Anwendung dieses Messers unbedingt zu vermeiden ist. 6
Ergebnis II Fehlerhafte Behandlung führt nicht zum Schaden Keine Kausalität Behandlungsfehler Schaden Beispiel: Ein Kind kommt mit einer Hirnschädigung zur Welt. Es werden Fehler im Geburtsmanagement nachgewiesen, diese sind jedoch nicht für die Schädigung verantwortlich. Die nachgewiesene Ursache für die Hirnschädigung war eine Infektion mit dem Cytomegalievirus im Mutterleib. Diese Infektion war während des unauffälligen Schwangerschaftsverlaufs nicht zu erkennen gewesen. 7
Ergebnis III Schaden, aber keine fehlerhafte Behandlung Komplikation Fehlerfreie Behandlung Schaden Beispiel: Nach einer Operation am Sprunggelenk bildet sich beim Patienten ein Blutgerinnsel im Beim mit Verschluss einer großen Vene (Thrombose). Alle verbeugenden Maßnahmen zur Verhinderung einer Thrombose waren korrekt durchgeführt worden. In diesem Fall handelt es sich nicht um einen Behandlungsfehler, sondern um eine Komplikation. 8
Ergebnis IV Kausalität nicht beweisbar: Schaden wäre möglicherweise auch entstanden, wenn kein Behandlungsfehler unterlaufen wäre Kausalität Behandlungsfehler? Schaden Beispiel Die Gabe von Antibiotika vor einer Knie-Operation wurde unterlassen. Dies hätte jedoch dem Stand der medizinischen Wissenschaft entsprochen (BHF). Es entwickelt sich eine eitrige Kniegelenksentzündung. Da dies auch trotz Antibiose möglich gewesen wäre, kann der Schaden nicht sicher auf den Behandlungsfehler zurückgeführt werden. In Fällen wie diesem kommt der Beweislastverteilung eine wesentliche Bedeutung zu. 9
Antwort 2 Die MDK-Gemeinschaft leistet einen Beitrag zur Fehlervermeidung auf Systemebene durch Datenauswertung und Analyse von Fehlerhäufungen und Risikokonstellationen 10
Ergebnisse 2011 Behandlungs-fehlergutachten insgesamt: 12.686 11 11
Ergebnisse 2011 Behandlungs-fehlervorwürfe insgesamt: 12.686 Bestätigte Behandlungsfehler: 4.068 12
Behandlungsfehler nach Versorgungssektor Gutachten insgesamt: 12.686 Ambulanter Sektor: 4.177 Stationärer Sektor: 8.509 13
Fachgebiete Bestätigungsquoten in den 10 nach Anzahl der Vorwürfe häufigsten Fachgebieten Gesamt Fachgebiet Vorwürfe Vorwürfe Bestät. Bestätigte Fälle Fälle Bestätigungsquote Bestä % Orthopädie/Unfallchirurgie Orthopädie/Unfallchirurgie 3539 1070 30,2 Chirurgie 2343 685 29,2 Zahnmedizin (inkl. (inkl. MKG MKG-Chirurgie) -Chirurgie ) 1123 481 42,8 Gynäkologie/Geburtshilfe Gynäkologie/Geburtshilfe 1103 371 33,6 Innere Medizin 1090 297 27,2 Pflege 642 326 50,8 Neurochirurgie 461 134 29,1 Augenheilkunde 399 120 30,1 Urologie 326 78 23,9 HNO 308 70 22,7 14
Behandlungsanlässe TOP 10 der bestätigten Behandlungsfehler Gesamt (ohne Zahnmedizin) Gesamt (mit Zahnmedizin) bestätigte Fälle ICD Bezeichnung Gonarthrose 159 M17 Gonarthrose 159 M16 Coxarthrose 140 M16 Coxarthrose 140 K02 Zahnkaries 134 S72 Fraktur des Femurs 111 S72 Fraktur des Femurs 111 S82 Fraktur des Unterschenkels 85 K04 Krankheiten der Pulpa/periapikales Gewebe 108 L89 Dekubitus 81 S52 Fraktur des Unterarms 67 S82 Fraktur des Unterschenkels 85 M51 58 L89 Dekubitus 81 Sonstige Bandscheibenschäden K08 Sonstige Krankheiten der Zähne 73 C50 Bösartige Neubildung der Brustdrüse 54 S52 Fraktur des Unterarms 67 S42 54 M51 Sonstige Bandscheibenschäden 58 Fraktur im Bereich der Schulter und des Oberarmes M54 Rückenschmerzen 53 ICD Bezeichnung M17 bestätigte Fälle 15
Eingriffe TOP 10 der bestätigten Behandlungsfehler- gesamt Gesamt (ohne Zahnmedizin) Gesamt (mit Zahnmedizin) OPS Bezeichnung Bestätigte Fälle OPS Bezeichnung Bestätigte Fälle 5-820 Hüftendoprothese 143 5-820 Hüftendoprothese 143 5-237 Wurzelspitzenresektion 132 5-822 Knieendoprothese 116 5-790 58 5-822 Knieendoprothese 116 Geschl. Reposition einer Fraktur / Epiphysenlösung mit Osteossynthese 5-230 Zahnextraktion 68 5-831 41 5-233 Prothetischer Zahnersatz 67 Exzision von erkranktem Bandscheibengewebe 5-790 Geschl. Reposition einer Fraktur oder Epiphysenlösung mit Osteossynthese 58 5-788 Operation an Metatarsale und Phalangen des Fußes 40 5-683 Uterusexstirpation 38 5-231 Operative Zahnentfernung durch Osteotomie 51 5-794 Offene Repos. MehrfragmenteFraktur im Gelenkbereich eines langen Röhrenknochens 35 5-831 Exzision von erkranktem Bandscheibengewebe 41 5-455 Partielle Resektion des Dickdarmes 34 5-788 Operation an Metatarsale und Phalangen des Fußes 40 5-786 Osteosyntheseverfahren 33 5-683 Uterusexstirpation 5-793 Offene Repos. Einer einfachen Fraktur im Gelenkbereich eines 38 DGSMP - Jahrestagung, Essen, 13.09.2012 Dr. med. I. Singer, langen Röhrenknochens 33 16
Verteilung der Fehlerarten bei Behandlungsfehlern* 17
Verteilung der Fehlerarten auf ausgewählte Krankheiten mit vielen bestätigten Behandlungsfehlervorwürfen Kniegelenksarthrose (Gonarthrose) Hüftgelenksarthrose (Coxarthrose) Oberschenkelbruch (Femurfraktur) Unterarmbruch (Unterarmfraktur) Diagnosestellung 9,6 % 6,5 % 19,4 % 15,3 % Diagnostischer Eingriff 0,6 % 2,2 % 0% 1,2 % Therapeutischer Eingriff 63,7 % 64,7 % 33,7 % 55,3 % Therapiemanagement 26,1 % 18 % 18,4 % 25,9 % Aufklärung 6,4 % 0,7 % 6,1 % 4,7 % Pflegerische Maßnahmen 3,1 % 5,0 % 39,6 % 3,5 % Organisation 1,9 % 3,6 % 4,1 % 1,2 % Dokumentation 8,3 % 10,1 % 16,3 % 2,4 % Medizinprodukt 0% 0,7 % 0% 0% 18
Dr. med. Ingeborg Singer Leiterin Fachbereich Medizinrecht MDK Bayern Logistikzentrum Medizinrecht Würzburger Landstr. 7 91522 Ansbach Tel.: 0981 48804-210 Fax: 0981 48804-446 mailto:ingeborg.singer@mdk-bayern.de http://www.mdk-bayern.de