Asbest in Innenräumen Dringlichkeit von Massnahmen

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Transkript:

Asbest in Innenräumen Dringlichkeit von Massnahmen

Inhalt Zweck und Anwendungs bereich 3 Vorgehen zur Ermittlung der Dringlichkeitsstufe 4 1. Schritt 6 Beurteilung des Materials Potenzial einer Asbestfreisetzung 2. Schritt 9 Beurteilung der Raumnutzung Asbestkontakt-Risiko, Exposition 3. Schritt 12 Festlegung der Dringlichkeit von Massnahmen Herausgeber Herausgeber der vorliegenden Publikation ist das Forum Asbest Schweiz FACH. Das FACH ist eine Informationsplattform zum Thema Asbest. FACH verfolgt das Ziel, den Wissensstand der Bevölkerung über Asbest zu verbessern und über Gefahren und Risiken im Umgang mit Asbest umfassend zu informieren. Neben der Förderung des Informationsaustauschs koordiniert das FACH Massnahmen zum Thema Asbest auf nationaler Ebene. Träger des FACH sind das Bundesamt für Gesundheit (BAG), das Bundesamt für Umwelt (BAFU), die Suva und weitere Kreise. Dazu gehören das Staats sekretariat für Wirtschaft (SECO), das Bundesamt für Bauten und Logistik (BBL), kantonale Fachstellen (z.b. Arbeitsinspektorate) sowie Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretungen. Die vorliegende Publikation entstand unter Mitarbeit von Roger Achermann (ARGE Achermann AG, Dübendorf); Werner Meier (Holinger AG, Liestal); Michael Romer (Aarau); Stefan Scherer (Suva, Luzern); Vesna Sormaz (AWA Basel-Stadt, Basel); Christian Weber (Suva, Luzern) www.forum-asbest.ch 1. Auflage Juli 2008 Bestellnummer 2891.d Bestellung unter: www.suva.ch/waswo/2891

Zweck und Anwendungs bereich In Innenräumen mit asbesthaltigen Materialien müssen Massnahmen getroffen werden, damit die Raumnutzer keinen gesundheitsgefährdenden Asbestfaser-Belastungen ausgesetzt werden. Diese Publikation ist ein Hilfsmittel, mit dem sich die Dringlichkeit solcher Sanierungsmassnahmen beur teilen lässt. Die Beurteilungskriterien und die Massnahmen beziehen sich auf die üblichen bestimmungsgemässen Gebäude- bzw. Objektnutzungen. Das Erkennen asbesthaltiger Materialien sowie die Massnahmen während der Durchführung von Sanierungsarbeiten oder bei Arbeiten an asbesthaltigen Materialien sind nicht Gegenstand dieser Publikation und werden in anderen Regelungen und Merkblättern behandelt (www.forum-asbest.ch). Die Dringlichkeit von Massnahmen zur Vermeidung von gesundheitsrelevanten Belastungen durch Asbest ist von zahl reichen Einflussfaktoren abhängig. Daher müssen die Beurteilungen durch Personen vorgenommen werden, die über ge nügend ausgewiesenes Fachwissen verfügen. 3

Vorgehen zur Ermittlung der Dringlichkeitsstufe Asbesthaltige Materialien stellen als solche nicht generell eine Gesundheitsgefährdung dar. Die Gesundheitsgefährdung durch Asbest entsteht erst, wenn Asbestfasern aus dem Material freigesetzt und dann eingeatmet werden. Das Risiko einer Gesundheitsgefährdung hängt deshalb sowohl von der Art des Materials als auch von der Raumnutzung und von nutzungsbedingten Einwirkungen auf das asbesthaltige Material ab. Für jeden einzelnen Raum mit asbesthaltigen Materialien ist eine separate Beurteilung vorzunehmen. Gibt es in einem Raum mehrere asbesthaltige Materialien oder zusammen gesetzte Materialien (z.b. bei Rohrisolationen), so ist das Material mit dem höchsten Asbestfreisetzungs-Potenzial zu bewerten. Sind asbesthaltige Materialien in Bereichen vorhanden, die verschiedene Räume miteinander verbinden (z.b. als Aus kleidungen von Lüftungs-, Kabel- oder Servicekanälen), oder erfolgt auf andere Weise ein Luftaustausch zwischen den Räumen, so sind die Auswirkungen auf alle betroffenen Räume zu berücksichtigen. Im Folgenden werden alle wesentlichen Faktoren berücksichtigt, die zum Risiko einer Asbestbelastung in Innenräumen beitragen können. In einer systematischen Beurteilung werden diese Faktoren schliesslich zusammengeführt und bewertet. Die Beurteilung erfolgt in 3 Schritten (Fig. 1): 1) Beurteilung des Materials In einem ersten Schritt wird das durch das asbesthaltige Material bedingte Potenzial der Asbestfaserfreisetzung beurteilt. Der Oberflächenzustand sowie äussere Einwirkungen durch Luftströmungen, Temperaturwechsel usw. werden dabei mitberücksichtigt. 4

2) Beurteilung der Raumnutzung In einem zweiten Schritt wird beurteilt, wofür und wie häufig der Raum benutzt wird und wie gut das Asbestvorkommen zugänglich ist. 3) Festlegung der Dringlichkeitsstufe In einem dritten Schritt werden die Ergebnisse der beiden vorangegangenen Schritte so zusammengeführt, dass für die Sanierungsmassnahmen eine Dringlichkeitsstufe resultiert. Material Asbestfreisetzung Potenzial (Asbest-Bindung, Oberflächenzustand, Einwirkung) Dringlichkeitsstufe Raumnutzung Asbestkontakt Belastung (Raumnutzung, Lage des asbest haltigen Materials) Massnahmen Fig. 1 Beurteilungskonzept: Dringlichkeit von Massnahmen zur Vermeidung von Gesundheitsrisiken im Zusammenhang mit Asbest 5

1. Schritt Beurteilung des Materials Potenzial einer Asbestfreisetzung Das Asbestfreisetzungs-Potenzial des Materials wird von 3 Faktoren beeinflusst (Fig. 2): a) Asbestgehalt und -bindung b) Oberflächenzustand c) Äussere Einwirkungen Jeder der drei Einflussfaktoren ist separat zu bewerten. Die Summe der 3 Einzelbewertungen ergibt die Gesamt bewertung (0 bis +5) für das Material. Einflussfaktor Ermittelte Eigenschaften/Einflüsse Bewertung a) Asbestgehalt und -bindung Schwachgebunden 3 Festgebunden 1 b) Oberflächen - zustand defekt, verletzt, unbekannt 1 intakt, unbeschädigt 0 versiegelt, dicht verschlossen -1 c) Äussere Vibrationen, Luftströmungen, Tempe ratur - Einwirkungen wechsel, mechanischer Abrieb 1 keine Einwirkungen 0 Summe = Gesamtbewertung des Materials Fig. 2 Bewertung des materialbezogenen Asbestfreisetzungs-Potenzials (3 kumulative Einflussfaktoren) 6

1 a) Asbestgehalt und -bindung Die Asbesthaltigkeit (Ergebnis einer Laboranalyse) und die Asbestbindung sind direkt durch das Material gegeben. Von zentraler Bedeutung für die Beurteilung ist, wie stark die Asbestfasern im Material gebunden sind. Die Definitionen der Asbestbindung (fest- oder schwachgebunden) findet sich in der EKAS-Richtlinie 6503. Asbesttyp und Asbestanteil sind in dieser Beurteilung von untergeordneter Bedeutung, können aber dennoch einen gewissen Einfluss auf die Beurteilung haben. So führt z.b. das Vorhandensein von Amphibolasbest (meist Krokydolith oder Amosit) tendenziell zu einer höheren Dringlichkeitsstufe. 1 b) Oberflächenzustand Bei der Beurteilung des Oberflächenzustands ist zu berücksichtigen, ob die Beschaffenheit der Materialoberfläche die Asbestfreisetzung eher begünstigt oder verhindert. Die Asbestfaserfreisetzung wird bei defekten und verletzten Oberflächen (oder Kanten) durch die resultierende Aufrauung und Auflockerung des Materials begünstigt. Kann der Ober flächenzustand nicht repräsentativ begutachtet und beurteilt werden, ist im Falle von schwachgebundenen Asbestmaterialien (bspw. Leichtbauplatten) von einer ungünstigen Situation auszugehen. Der Oberflächenzustand kann sich auch günstig auf die Beurteilung der Faserfreisetzung auswirken, beispielsweise wenn asbesthaltige Materialien dicht eingepackt oder versiegelt sind und eine Faserfreisetzung gar nicht stattfinden kann (z.b. bei Rohrisolationen mit vollflächiger, intakter Hülle in solchen Fällen können sich auch Vibrationen oder Luftströmungen nicht verschärfend auswirken). Nicht anliegende Verkleidungen (z.b. Stützenverschalungen, heruntergehängte Deckenverkleidungen) sind hingegen meist nicht luftdicht und bewirken keinen generellen Schutz vor Asbesteinwirkung. Daher ist in diesen Fällen keine günstigere Bewertung zulässig. 7

Wird der Oberflächenzustand bezüglich Asbestfreisetzungs- Potenzial als ungünstig beurteilt, so wird er mit maximal +1 bewertet, bei günstiger Beurteilung mit minimal 1. 1 c) Äussere Einwirkungen Abschliessend werden zusätzliche äussere Einwirkungen auf die Oberfläche beurteilt, welche eine Faserfreisetzung verstärken können. Zu diesen Einflüssen zählen Vibrationen, Luftströmungen, Temperaturwechsel und direkte mechanische Einwirkungen (Abrieb). Solche äussere Einwirkungen auf die Oberfläche werden mit maximal +1 bewertet. 8

2. Schritt Beurteilung der Raumnutzung Asbestkontakt-Risiko, Exposition Zur Beurteilung des nutzungsbedingten Asbestkontakt- Risikos werden 2 Faktoren berücksichtigt (Fig. 3): a) Art und Häufigkeit der Raumnutzung b) Lage des asbesthaltigen Materials im Raum Die Bewertung der Kombination dieser beiden Einflussfak toren erfolgt mit einer Risikomatrix (Fig.3). Dabei wird die zusammenfassende Wertung für die Raumnutzung mit den Buchstaben A, B oder C zum Ausdruck gebracht. Lage des asbesthaltigen Materials Art und Häufigkeit der Raumnutzung gut zugänglich schwer zugänglich unter Verschluss regelmässig durch Kinder Jugendliche oder Sportler A A B dauernd oder häufig durch sonstige Personen zeitweise oder selten A B C B C C Fig. 3 Bewertung des nutzungsbedingten Asbestkontakts (Exposition) 2 a) Art und Häufigkeit der Raumnutzung Bei der Bewertung dieses Einflussfaktors sind die betroffene Personengruppe sowie die Aufenthaltsdauer und Häufigkeit der Raumnutzung zu berücksichtigen. Diese Bewertung berücksichtigt sowohl objektive Kriterien, die einen Einfluss auf die tatsächliche Dauer und Höhe der Exposition haben können, als auch Elemente der Risikoakzeptanz (sensible Bereiche wie z.b. Kindergärten werden kritischer beurteilt). 9

Es werden folgende Nutzungs-Situationen unterschieden: Regelmässige Nutzung durch Kinder, Jungendliche oder Sportler: Wohnräume, Schulräume, Kindergärten, Sport hallen, Fitnessräume, öffentliche Räume, Läden Dauernde oder häufige Nutzung durch sonstige Personen: Arbeitsplätze, Lager- oder Archivräume, sanitäre Räume, Waschräume Zeitweilige oder seltene Nutzung (< 1h/Woche): Nebenräume (Technikräume, Abstellräume), Garage, je nach Nutzung auch Lager- und Archivräume 2 b) Lage des asbesthaltigen Materials Bei der Beurteilung der Lage der asbesthaltigen Materialien ist zu untersuchen, ob eine Einwirkung auf das asbesthaltige Material durch die Raumnutzer möglich ist und ob dadurch mit einer erhöhten Faserfreisetzung zu rechnen ist (z.b. durch Ballwerfen an Leichtbauplatten). Bei der Bewertung ist davon auszugehen, dass die Raumnutzer keinerlei Kenntnisse haben über das Vorhandensein und den Umgang mit asbesthaltigen Materialien. Für die Beurteilung der Lage wird zwischen folgenden Situationen unterschieden: unter Verschluss: Das asbesthaltige Material befindet sich in einem verschlossenen Behältnis, das sich nur mit Werkzeugen oder einem Schlüssel öffnen lässt (z.b. Elektro tableau). Der Luftaustausch mit der Raumluft ist nur sehr gering. schwer zugänglich: Das asbesthaltige Material ist durch einen Vorbau vor direkter Einwirkung geschützt (Rost, Abdeckung, Verkleidung), das Material steht aber in direktem Kontakt mit der Raumluft. 10

gut zugänglich: Das asbesthaltige Material ist direkt und gradlinig mit der Hand oder durch bewegte oder herumfliegende Gegenstände erreichbar. Auch wenn bei Druck auf den Vorbau dieser das dahinterliegende asbesthaltige Material berühren kann, ist das Material als gut zugänglich zu beurteilen (Beispiel: Gitterrost, Ballwerfen). Hinweise zu Unterhalts-, Reparatur- und anderen Arbeiten Personen, die in Räumen mit asbesthaltigen Materialien Unterhalts-, Reparatur-, Reinigungsarbeiten usw. ausführen, sind über das vorhandene asbesthaltige Material und die davon ausgehenden Gefahren in Kenn t- nis zu setzen. Durch Information und/oder Kennzeichnung des Materials ist sicherzustellen, dass nicht versehentlich Arbeiten an asbesthaltigen Materialien ausgeführt werden und dadurch unbewusst eine gefährliche Asbestfreisetzung erfolgt. Die erforderlichen Massnahmen bei Arbeiten an asbesthaltigen Materialien sind nicht Gegenstand dieser Publikation, sie werden in anderen Regelungen und Merkblättern behandelt (www.forum-asbest.ch). 11

3. Schritt Festlegung der Dringlichkeit von Massnahmen 3.1 Dringlichkeitsstufen Zur abschliessenden Festlegung der Dringlichkeit von Massnahmen wird wiederum eine Matrix verwendet, in der das materialbezogene Asbestfreisetzungs-Potenzial und der Einfluss der Raumnutzung zusammen bewertet werden. Daraus resultiert die Dringlichkeitsstufe I, II oder III (Fig. 4). Beurteilung der Raumnutzung A B C Beurteilung des Materials 1 2 3 III III III II II III I II II 4 I I I Fig. 4 Ermittlung der Dringlichkeitsstufe (I, II oder III) für die zu treffenden Massnahmen 3.2 Massnahmen Aufgrund langjähriger Erfahrungen im Umgang mit Asbest in Innenräumen sind je nach Dringlichkeitsstufe folgende Massnahmen angezeigt (Fig. 5): 12

Dringlichkeitsstufe I Sanierung veranlassen II Sanierung empfohlen III Sanierung vormerken Massnahmen umgehend Sanierung einleiten evtl. temporäre Massnahmen/Sofortmassnahmen evtl. Luftmessung 1) Sanierung spätestens vor baulichen Eingriffen Neubeurteilung bei Vorkommnissen, Nutzungs ände rungen oder spätestens nach 2 bis 5 Jahren evtl. Luftmessung 1) Sanierung vor baulichen Eingriffen Neubeurteilung bei Vorkommnissen oder Nutzungs änderungen Fig. 5 Dringlichkeitsstufen mit den dazugehörigen Massnahmen zur Vermeidung von Asbestbelastungen Erläuterungen zu den Dringlichkeitsstufen: Dringlichkeitsstufe I: Die Situation erfordert in der Regel eine Sanierung, die umgehend eingeleitet werden muss. Bis die Sanierung ausgeführt wird, sind allenfalls temporäre Massnahmen erforderlich, um eine Asbestbelastung sicher zu verhindern. Zudem kann es sinnvoll sein, Luftmessungen durchzuführen (z.b. wenn der Verdacht besteht, dass erhöhte Asbestfaserfreisetzungen durch unsachgemässe Eingriffe an asbesthaltigen Materialien aufgetreten sind). Wird ein Wert von über 1000 LAF/m 3 Luft festgestellt (LAF = lungengängige Asbestfasern), so ist die Sanierung unverzüglich durchzuführen und es sind Sofortmassnahmen zu ergreifen. 1) z.b. bei Verdacht auf hohe Raumluftbelastung (Beurteilungshilfe für Sofortmassnahmen wie Sperrung oder Evakuierung) 13

Dringlichkeitsstufe II: Eine unverzügliche Sanierung drängt sich nicht auf, jedoch müssen vor baulichen Eingriffen asbesthaltige Materialien saniert werden. Zudem sind Neubeurteilungen nötig, und zwar periodisch alle 2 bis 5 Jahre sowie bei Nutzungsänderungen oder besonderen Vorkommnissen. Unter «besonderen Vorkommnissen» sind Schadenereignisse (z.b. durch Wasser oder Feuer) zu verstehen oder unkontrollierte Eingriffe respektive Einwirkungen am asbesthaltigen Material. Bei solchen Vorkommnissen sollte, wie bei Dringlichkeitsstufe I beschrieben, mit Luftmessungen abgeklärt werden, ob die Raumluft nicht belastet ist. Dringlichkeitsstufe III: Die Massnahmen entsprechen der Dringlichkeitsstufe II mit dem Unterschied, dass die periodischen Neubeur teilungen entfallen. Bei Nutzungsänderungen und besonderen Vor kom mnissen (Schadenereignisse, unkontrollierte Einwirkungen) ist jedoch ebenfalls eine Neubeurteilung vor zunehmen, so wie dies bei den Dringlichkeitsstufen I und II beschrieben ist. 3.3 Bedeutung von Luftmessungen Entsprechend dem Minimierungsgebot soll die Asbestfaserkonzentration in der Innenraumluft bei weniger als 1000 LAF/m 3 Luft liegen. Es ist zu beachten, dass Luftmessungen immer nur die aktuelle Situation während der Durchführung der Messungen wiedergeben können. Die Ergebnisse von Luftmessungen sind als ergänzende Informationen zu betrachten und ersetzen nicht eine detaillierte Beurteilung unter Berücksich tigung aller Einflussfaktoren, so wie es in der vorliegenden Publikation beschrieben ist. 14

Ablaufschema zur Ermittlung der Dringlichkeit von Massnahmen Für jedes verdächtige Material pro Raum Für jeden betroffenen Raum Materialanalysen Beurteilung Material Beurteilung Raumnutzung Dringlichkeitsstufe I II III Vorkommnisse Nutzungsände rungen spätestens nach 2 5 Jahren Vorkommnisse Nutzungs änderungen Umgehend einleiten + Temporäre Massnahmen Vor baulichen Eingriffen Vor baulichen Eingriffen Nein Verdacht auf erhöhte Asbestfaser freisetzung Ja Luftmessungen über 1000 LAF/m 3 Luft Ja Neubeurteilung Unverzüglich durchführen + Sofort massnahmen Sanierung Nein 15