1. Bedeutung der Kalkdüngung

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Transkript:

Teil I: Grundlagen 1. Bedeutung der In Deutschland werden ca. zwölf Millionen Hektar Ackerfläche bewirtschaftet. Etwa 30 % davon sind Karbonatböden, deren Kalkvorräte noch für Jahrzehnte bis Jahrhunderte ausreichen, die Kalkverluste zu ersetzen, oder Böden, die in den Versorgungsbereich hoch aufgekalkt wurden. Über acht Millionen Hektar sind bereits entkalkt oder aus kalkarmen Ausgangsgesteinen entstanden und kalkbedürftig. Zur Aufrechterhaltung der Bodenfunktionen ist auf etwa der Hälfte dieser Böden eine Erhaltungskalkung erforderlich. Der Rest ist bereits stärker versauert und bedarf einer Aufkalkung mit größeren Kalkmengen. Auf den kalkbedürftigen Ackerflächen wurden in den vergangenen Jahren durchschnittlich etwa 1,5 Millionen Tonnen Kalk (CaO) über Kalkdünger ausgebracht. Je Hektar wären das jährlich etwa 200 kg CaO. Wenn man von jährlichen Kalkverlusten von 300 bis 500 kg CaO/ha ausgeht, besteht eine Kalklücke von mindestens 100 kg CaO je ha. Einen großen Einfluss auf die Kalkbilanz unserer Böden hat die übrige Düngung. So wurden in den Jahren von 1955 bis 1975 allein über das Thomasmehl, einem kalkhaltigen Phosphatdünger aus der Stahlindustrie, jedes Jahr in der Bundesrepublik über eine Million Tonnen CaO auf landwirtschaftlich genutzte Böden ausgebracht. Zusammen mit den Kalkmengen durch PK-Dünger und Kalkstickstoff waren das weit über 100 kg CaO/ha. Das Thomasmehl ist seit den 90er-Jahren Geschichte und kalkhaltige PK-Dünger und Kalkstickstoff haben derzeit eine geringe Bedeutung. Die Absatzsteigerung bei den Kalkdüngern in den letzten Jahren hat diese Lücke noch nicht ausgefüllt. Auf den 6

Bedeutung der 1. kalkbedürftigen Böden stagnieren oder sinken die ph-werte und Kalkmangelerscheinungen nehmen zu. Dazu hat auch die wachsende Verwendung saurer Dünger beigetragen. Die Folge des Kalkmangels sind ein Rückgang der Bodenfruchtbarkeit, stagnierende Erträge und ein höherer Aufwand an Betriebsmitteln. Die optimale Kalkversorgung der Ackerböden begünstigt nicht nur die pysikalischen, chemischen und biologischen Prozesse im Boden. Sie ist vor allem auch eine wirtschaftlich sinnvolle Maßnahme. 1.1 Unsere Böden, ihre Entwicklung und Nutzung Während der Klimaerwärmung im Atlantikum nach der letzten Eiszeit, dem Zeitraum von 8000 bis 4000 v. Chr., hat der Mensch in Mitteleuropa begonnen, die Wälder zu roden und Ackerbau zu betreiben. Bodenfunde belegen, dass in der Jungsteinzeit vor etwa 6.000 Jahren unsere besten Ackerböden, die Lössböden, bereits großflächig als Acker genutzt wurden. Seit dem Ende der Eiszeit hatten sich unter den Laubwäldern fruchtbare Braunerden entwickelt, die gut strukturiert waren, eine optimale Luft- und Wasserführung aufwiesen und je Hektar über 200 Tonnen Humus und zehn Tonnen Stickstoff enthielten. Jahrhundertelang lieferten diese Böden den Bauern gute Erträge aus den im Boden gespeicherten Nährstoffen. Böden entwickeln sich aus dem anstehenden Gestein durch physikalische (Frost, Hitze), chemische (Säure, Oxidation, Hydrolyse) und biologische Verwitterungsprozesse. Im Verlauf der Bodenentwicklung werden aus den Silikaten Glimmer und Feldspat Tonminerale gebildet und der Boden mit Humusstoffen angereichert. Säuren haben die intensivste Wirkung bei der Bo- 7

denentwicklung. Die chemische Verwitterung der Glimmer und Feldspäte durch Säuren ist die Voraussetzung der Tonmineralbildung, führt aber auch zum Verlust und zur Auswaschung von basischen Substanzen wie zum Beispiel dem Kalziumkarbonat (CaCO 3 ). Dieser Prozess wird als Entkalkung bezeichnet. Solange basische Substanzen vorhanden sind, steigt die Bodenfruchtbarkeit an. Sind sie aufgebraucht, degradieren die Böden, die Bodenfruchtbarkeit sinkt. Die mit der Bodenentwicklung verbundene Entkalkung wird unter der Ackernutzung noch verstärkt. Die Lössböden sind aber neben den Geschiebelehmen und Verwitterungsböden aus kalkreichen Gesteinen immer noch unsere besten Ackerstandorte. Kalkverluste sind natürlich: In den süddeutschen Lössgebieten hatte der in der letzten Eiszeit angewehte Löss Kalkgehalte von etwa 20 % CaCO 3 (Kalziumkarbonat, kohlensaurer Kalk), was bei einer Bodentiefe von einem Meter einer Kalkmenge von 3.000 Tonnen CaCO 3 pro Hektar entspricht. Während der Bodenentwicklung in den letzten 12.000 Jahren wurden die Böden unter der natürlichen Waldvegetation und der folgenden Ackernutzung entkalkt. Die jährlichen Kalkverluste beliefen sich bei einer Entkalkungstiefe von 1 m auf ca. 300 kg CaCO 3 /ha und Jahr (150 kg CaO). Erst viel später wurden auch die sauren Braunerden, die aus den kalkarmen Gesteinen Granit, Gneis, Sandstein und aus eiszeitlichen Sanden entstanden sind, ackerbaulich genutzt. Wo Mergel vorhanden war, wurde dieser schon frühzeitig zur Verbesserung der Böden eingesetzt. In weiten Gebieten standen aber für die Verbesserung der Böden nur der Stallmist aus Waldstreu, menschliche Fäkalien, Knochen und Holzasche zur 8

Bedeutung der 1. Verfügung. Im norddeutschen Raum sind die ganz armen, teilweise schon podsolierten Böden mit der Plaggenwirtschaft verbessert worden. Dabei hat man Gras- und Heidesoden von weiter entfernten Flächen auf die hofnahen Ackerflächen aufgebracht oder im Stall eingestreut und so humusreiche Oberböden mit einer besseren Nährstoffausstattung geschaffen, auf denen dann Roggen und Buchweizenanbau möglich war. Braunerden entwickeln sich aus dem anstehenden Gestein durch Verwitterungsprozesse, Tonmineralbildung und Humusanreicherung. Wird die Versauerung nicht durch Basenzufuhr ausgeglichen, degradieren sie zum Pseudogley und zum Podsol. Bei der Schwarzerde läuft die Bodenentwicklung ähnlich. Auch sie kann bei Bodenversauerung in Richtung Pseudogley degradieren. Braunerde Parabraunerde Zeit Abb. 1: Bodenentwicklung, eigene Darstellung Entkalkung Verwitterung und Bodenbildung (Para) Rendzina Ranker Ausgangsgestein optimaler Bodenzustand Versauerung und Degradierung Pseudogley Podsol 9

Der Podsol (Bleicherde) ist ein saurer, an Nährstoffen armer Bodentyp auf sandigen Böden im kühlen gemäßigten humiden Klima. Durch Versauerung werden Eisen und Aluminium als organo-mineralische Komplexe in tiefere Bodenschichten verlagert. So entstehen der ausgebleichte Ae und der verfestigte B(h)s-Horizont. Der Pseudogley ist ein Stauwasserboden auf mittleren und schwereren Böden, der aus entkalkten, versauerten Braunerden durch Tonverlagerung und Ausbildung eines verdichteten Sd-Horizontes entsteht. Durch den Wechsel von Staunässe und Austrocknung werden Reduktions- und Oxidationprozesse ausgelöst. Dadurch entstehen Anreicherungs- und Verarmungsbereiche mit Eisen und Mangan, die die Unterböden marmoriert erscheinen lassen. Fruchtbare Böden sind die Grundlage einer Kulturentwicklung. Die ersten Hochkulturen entwickelten sich an den großen Strömen (Nil, Ganges), wo durch die Überschwemmungen ständig frisches Bodenmaterial nachgeliefert und dauerhaft fruchtbare Böden geschaffen wurden. In unserem humid geprägten mitteleuropäischen Klima, in dem mehr Niederschläge fallen als Wasser verdunstet oder von den Pflanzen verbraucht wird, war eine Kulturentwicklung erst möglich, nachdem der Mensch erkannte, dass eine nachhaltige Ackernutzung der regelmäßigen Zufuhr bestimmter Substanzen bedarf. 10