Aut viam inveniam, aut faciam : Die Suche nach der eigenen Positionierung



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Aut viam inveniam, aut faciam : Die Suche nach der eigenen Positionierung Es stellt eine Herausforderung dar, einen Bericht über den eigenen Zugang zur Forschung einerseits diachronisch-historisch, vor allem aber synchronischsynthetisch anzulegen: Nicht nur handelt es sich bei der Translationswissenschaft um eine relativ junge und daher heterogene Disziplin, auch sind die individuellen Einstiegs- und Förderungsmöglichkeiten sehr unterschiedlich. Biographische Zufälligkeiten mischen sich so mit eigenen Zielen, Zweifeln, Befruchtungen, theoretischen Überzeugungen und Erfolgen. Nach einem Jahrzehnt als Wissenschaftler an einem Universitätsinstitut kann ein Rückblick gewissermaßen als Überprüfung der eigenen Position dienen. Ein Rückblick, der ausgehend von dem auslösenden Input bis hin zu den eigenen Forschungsleistungen das Spektrum an motivierenden Gedankengängen, Theorien und Perspektiven auslotet. Aus einer Südtiroler Familie stammend brachte mir die klassisch-humanistische Bildung am Franziskanergymnasium in Bozen zunächst die Bekanntschaft mit den antiken Sprachen Griechisch und Latein, vor allem aber die Liebe zum Wissen und dessen klarer und strukturierter Formulierung in Sprache. Das Übersetzen der klassischen Texte diente im Unterricht zwar der Sprachbeherrschung, eröffnete aber zugleich den Blick auf die Sprache als Kommunikationsmittel über zeitliche und kulturelle Grenzen hinweg: Sprachbeherrschung als Tor zu fremden Kulturen und umgekehrt Sprache als Mittel zum Transfer eigenen Wissens. Einer Zeit der Identitätssuche nach der Matura, gekennzeichnet durch einen abgebrochenen Studienbeginn an der Veterinärmedizinischen Universität in Wien und einer Periode der Arbeit als EDV-Operator in einem mittelgroßen Unternehmen, folgte dann die Entscheidung für das Studium der Übersetzerausbildung in Innsbruck. Entscheidend für diese Wahl war einerseits die Möglichkeit des Anknüpfens an meine klassisch-philologische Bildung, andererseits aber auch pragmatisch-wirtschaftliche Aspekte, die ein eher praxisorientiertes Universitätsstudium favorisierten. Diese Erwartung wurde sogar übertroffen: Die Ausbildung war zwar sehr praxisorientiert, im Vergleich zu den Inhalten von studentischen Freunden anderer Studienrichtungen fehlten mir manchmal aber etwas der Tiefgang bzw. die Reflexion. Die Praxisorientiertheit äußerte sich in einer durchgehenden Schwerpunktsetzung auf Sprachkompetenz, die mich manchmal auch forderte, aber dennoch als Ausbildungsziel nur wenig befriedigend war. Es fehlte die fachliche Spezialisierung, ein Bereich, in dem eine Expertise erworben werden konnte. Eine reine Sprachkompetenz war dafür zu wenig, da sich das 299

disziplinäre Selbstverständnis zumindest damals noch kaum entschieden auf die translatorische Kompetenz stützte. Neben der Sprachkompetenz gründete sich meine Auffassung von der Expertise im gewählten Fachgebietes der Translation auf zwei herausragende wichtige Faktoren: Zuerst einmal auf die Terminologielehre, die mir aufgrund der offiziellen Zweisprachigkeit in Südtirol als etwas Notwendiges erschien, deren praktische Anwendung vor Ort aber noch kaum wissenschaftlich untermauert war. Hier galt es, die im Rahmen der Übersetzerausbildung erworbenen wissenschaftlich fundierten Kenntnisse in der Praxis umzusetzen. In dieser Hinsicht sind meine Bemühungen auch bald auf fruchtbaren Boden gefallen. Andererseits habe ich, allerdings erst gegen Ende meines Studiums, die Translationswissenschaft kennengelernt, die ihrerseits viel zu einem gestärkten Selbstbewußtsein des Translators beitragen kann. Erst mit einer entsprechenden theoretischen Fundierung können ausgebildete Übersetzer nach außen hin als Experten für Translation auftreten. Hier war der Einfluss von Reiss/Vermeer (1984) prägend; davon konnte mich auch die Bekanntschaft mit Vertretern anderer Forschungsrichtungen nicht abbringen. Anlässlich eines Londoner Sommerkurses etwa sah ich mich gezwungen, den funktionalen Standpunkt der Translationswissenschaft gegenüber Peter Newmark, der den Kurs leitete, in äußerst stimulierenden Diskussionen zu vertreten. Die unterschiedlichen Auffassungen über die Prioritäten des translatorischen Handelns traten dabei klar zutage: Auf der einen Seite der Translationsauftrag und der Skopos, auf der anderen der Ausgangstext mit seinen sprachlichen Merkmalen. Nach dem Studium stellte sich die Frage nach der Lebenssicherung in aller Vehemenz. Das freiberufliche Übersetzen lieferte zwar eine Grundlage dafür, konnte aber längerfristig kaum den intellektuellen Anforderungen gerecht werden. Hier bot sich die Terminologielehre als Möglichkeit an, die eigene Expertise in die öffentliche Diskussion einzubringen. Die Südtiroler Landesregierung plante damals gerade die Errichtung einer Terminologiedatenbank innerhalb einer neuen Forschungseinrichtung, um die italienisch-deutsche Rechtsterminologie zentral verwalten zu können. Aufgrund des während des Studiums angeeigneten Wissens - zu nennen ist in diesem Zusammenhang vor allem die grundlegende Einführung zur Terminologie von Arntz/Picht/Mayer (4. Auflage 2002) sowie die Arbeiten Eugen Wüsters (Wüster 1979) - gelang es, die Projektarbeiten zur Errichtung der Datenbank wesentlich mitzugestalten. Das erworbene Wissen konnte durch einen entsprechenden Praktikumsplatz bei TermDat, der schweizer Version von Eurodicautom, der Terminologiedatenbank der Europäischen Kommission, ausgebaut werden. Darüberhinaus konnte eine Reihe von Kontakten zu Institutionen im Bereich der Terminologie geknüpft werden, die meine späteren Aktivitäten erst ermöglichten. Was mich an der Terminologie interessierte, war der enge Zusammenhang zwischen der an der Universität vermittelten Expertise und den Anforderungen der Fachkommunikation in der Berufswelt. Beigetragen hat dazu vor allem der begriffsorientierte und aus den praktischen Anforderungen heraus 300

entstandene Ansatz Eugen Wüsters. Dadurch bot sich die Möglichkeit der unmittelbaren Verwertung des erworbenen theoretischen Wissens in der Praxis. Aus den durchgeführten Projektarbeiten und meiner Stelle an der Universität Innsbruck ergab sich dann auch meine Dissertation (Sandrini 1996), die den Versuch darstellte, theoretisch reflektiert ein praktisches Problem, nämlich die Darstellung rechtssystemgebundener Terminologie in einer Datenbank, zu lösen. In diesem Zusammenhang gilt mein besonderer Dank Frau Professor Annemarie Schmid, der ich zwar während meiner Studienzeit nicht begegnete, die sich aber nachher als Vorstand des Institutes für Translationswissenschaft für alle meine Projekte aktiv einsetzte und es mir ermöglichte, an der Universität Innsbruck zu forschen und zu lehren. Die Anerkennung für meine Dissertationsarbeit, sie wurde mit dem Forschungspreis der Landeshauptstadt Innsbruck ausgezeichnet, durch externe und universitätsinterne Begutachtung, bestätigte mir, dass auch im Bereich der Translation Forschung über das Fach hinausgehende Anerkennung finden kann. Dazu sollte allerdings Nabelschauforschung vermieden werden und die multilingualen Kommunikationsschwierigkeiten der verschiedenen Fachdisziplinen auf konkrete Art und Weise mit den Mitteln der Translationswissenschaft bzw. der Fachsprachenforschung untersucht werden. Dadurch werden einserseits die Erkenntnisse dieser aus dem geisteswissenschaftlichen bzw. linguistischen Eck kommenen Wissenschaften etwas mehr in die Öffentlichkeit gerückt, andererseits werden aber auch die einzelnen Fachdisziplinen auf die spezifischen translatorischen Kompetenzen aufmerksam. In der Tat ist es ja sehr oft der Fall, dass Fachleute nicht wissen, an wen sie sich mit Problemen der Mehrsprachigkeit wenden können. Hier gilt es für die Translationswissenschaft einzuhaken und ausgebildete Translatoren als Problemlöser bzw. als Fachleute für die Mehrsprachigkeit anzubieten. Chesterman nannte als den Ausgangspunkt jeder übersetzungsrelevanten Untersuchung das, was people seem to call translations (Chesterman 1998, 203), womit er eine solide empirische Grundlage für die Translationswissenschaft einforderte. Das stellt sicherlich einen wesentlichen Schritt weg vom Ausgangstext als alleinigem Startpunkt hin zu einer Übersetzungswissenschaft als eigenständiger Disziplin. Denkt man diesen Gedanken einen Schritt weiter und stellt den Übersetzer in einen sozialen Kontext, in dem er seine Leistungen als gesellschaftlich relevante Arbeit erbringt, so müßte der Ausgangspunkt eines solchen gesellschaftlichen Ansatzes lauten: Wie fügt sich der Translationsprozeß in allgemeine (fach-)kommunikative Prozesse ein? Mit welchen Kenntnissen kann sich der Übersetzer für seine Umwelt aus sozialer und ökonomischer Perspektive erfolgreich einbringen? Die Expertise eines universitär ausgebildeten Fachübersetzers kann sich damit nicht nur auf eine noch so gute Sprachbeherrschung stützen, sondern muss neben der Fähigkeit zur translatorischen Aktivität vor allem folgende zwei Aspekte beinhalten: Die Kompetenz zum Management der Mehrsprachigkeit (Terminologie, Sprachtechnologie) und die Fähigkeit zur theoretischen 301

Begründung seiner Aktivität. Diese zusätzlichen Kompetenzen gelten insbesondere für den Fachübersetzer, während hingegen Dolmetscher weniger Schwierigkeiten mit der Selbst- und Fremdeinschätzung ihrer Kompetenz zu haben scheinen. Die Fähigkeit zur unmittelbaren und erfolgreichen Übertragung eines Vortrages oder Gesprächs wird vom Publikum als professionelle Kompetenz höher eingeschätzt als die schriftliche Übertragung eines Fachtextes. Natürlich muss auch die Ausbildung in diesem Sinne ausgerichtet werden: Das Ziel sollte es nicht sein, mit Scheuklappen allein die sprachliche Umsetzung eines Ausgangstextes in einen Zieltext zu sehen, sondern vielmehr auf die spezifischen Bedürfnisse der Fachleute bzw. Unternehmen in ihrer kommunikativen Situation einzugehen. Dazu gehört natürlich auch das Aufzeigen von Rationalisierungsmöglichkeiten durch das Einführen von computergestützten Werkzeugen wie Translation-Memory-Systemen, Terminlogiedatenbanken oder auch Globalisierungs-Management-Systemen in Unternehmen oder international tätigen Organisationen. Ein kleiner Schritt in diese Richtung war der Aufbau einer entsprechenden Terminologiedatenbank zur Aufnahme und Verwaltung der von den StudentInnen verfaßten terminologischen Abschlußarbeiten bis hin zu Publikation dieser terminologischen Daten über ein Webinterface (http://www2.uibk.ac.at/fakultaeten/c6/c613/termlogy/abfrage.html). Die Anbindung an die internationale Research Community konnte in einer Reihe von terminologischen Aktivitäten in verschiedenen Vereinen und Gremien sowie die Ausrichtung eines internationalen Kongresses (Sandrini 1999) an der Universität Innsbruck erreicht werden. Der Aufbau eines persönlichen Netzwerkes öffnete den Blick auf andere Forschungsrealitäten und half dabei, die eigenen Prioritäten ins rechte Licht zu rücken. Ähnliches gilt für die Kooperation im Rahmen drittfinanzierter Projekte, auch wenn in diesem Fall die Erfahrungen mit der administrativen Handhabung sowie der personellen Besetzung von Drittmittelstellen im Vordergrund standen. Erstere kann sehr aufwändig sein und bedarf einer entsprechenden Planung und Unterstützung. Das Problem bei der Besetzung von befristeten Mitarbeiterstellen in Innsbruck liegt daran, dass Studenten relativ schwer für eine weiterführende wissenschaftliche Arbeit zu motivieren sind. Der Grund dafür liegt höchstwahrscheinlich darin, dass in der Lehre wenig wissenschaftliche Projekte eingebunden werden und deshalb das Verständnis dafür fehlt, und die wissenschaftliche Arbeit im allgemeinen in der Bewertung weit hinter die berufliche Ausübung zurückfällt. Dennoch konnten im Rahmen eines Projektes, das durch die EU und das Land Tirol gefördert wurde, 12 Diplomarbeiten gefördert und eine wissenschaftliche Mitarbeiterin für zwei Jahre am Institut eingestellt werden. Dies erlaubte nicht nur die Förderung der StudentInnen am Institut, sondern auch die Publikation zweier terminologischer Nachschlagewerke in CD-Rom-Form (Sandrini 2001 und 2002). Meine Aktivitäten in Forschung und Lehre haben sich zusammenfassend in verschiedene Richtungen bewegt: Auf der einen Seite das praxisnahe Gebiet der Terminologielehre, auf der anderen Seite die Translationswissenschaft und 302

die Fachsprachen sowie die computergestützten Hilfsmittel. Das gesamte Spektrum könnte unter dem Begriff der transkulturellen Fachkommunikation zusammengefasst werden. Mit der Kommunikation über kulturelle Grenzen hinweg hat sich insbesondere ein von mir initierter und herausgegebener Band zum Übersetzen von Rechtstexten (Sandrini 1999b) auseinandergesetzt, in dem die übersetzungswissenschaftlichen Möglichkeiten interdisziplinären Denkens im Rahmen der Rechtswissenschaften ausgelotet wurden. In diesem Sinne möchte ich allen, die sich für die Translationswissenschaft bzw. für Translation im allgemeinen interessieren, empfehlen, den Weg in die Wissenschaft zu wagen. Eine gute Gelegenheit dazu bietet etwa ein Forschungsstipendium oder eine Promotionsstelle an der Universität, falls die allgemeinen budgetären Probleme und Stellenkürzungen an den Universitäten einigermaßen überwunden werden können. Das Wichtigste ist jedoch, sich bereits während des Studiums die Szene anzusehen und sich die Frage zu stellen: Was kann ich dazu beitragen? Wo gibt es noch Marktlücken? Das ist keinesfalls nur rein ökonomisch zu sehen, sondern vor allem auch politisch-gesellschaftlich gemeint: Es kann sich um eine wirtschaftliche Aktivität handeln, wie z.b. das Eröffnen eines Übersetzungsbüros, oder um ein öffentliches Projekt, wie z.b. der Aufbau einer Terminologiedatenbank in einem offiziell zweisprachigen Land, wie in meinem Fall, oder die Einsetzung einer Dienstleistungsstelle für Mehrsprachigkeit in Unternehmen innerhalb der lokalen Wirtschaftskammer, o.ä.. Sobald ein lohnendes Ziel ins Auge gefasst wurde, muss man sich dafür auf allen Ebenen einsetzen, Kontakte knüpfen und versuchen, sein Ziel zu erreichen. Die Erfahrung lehrt, dass sich dann meist ganz von selbst verschiedene Möglichkeiten ergeben, und zwar in zweifacher Hinsicht: Einerseits die praktische Notwendigkeit einer Lebenssicherung, andererseits aber vor allem auch die Frage nach der gesellschaftlichen Relevanz und damit sozialen Akzeptanz des eigenen Tuns. 303

Bibliographische Angaben: Arntz, Reiner; Picht, Heribert; Mayer, Felix (2002): Einführung in die Terminologiearbeit. Studien zu Sprache und Technik. Hildesheim, Zürich, New York: Olms. Chesterman, Andrew (1998): Causes, Translations, Effects. In: Target X:2, 201-230. Reiß, Katharina; Vermeer, Hans (1984): Grundlegung einer allgemeinen Translationstheorie. Tübingen: Niemeyer. Sandrini, Peter (1996): Terminologiearbeit im Recht. Deskriptiver begriffsorientierter Ansatz vom Standpunkt des Übersetzers. IITF Series 8. Wien: TermNet. Sandrini, Peter (ed.) (1999a): Terminology and Knowledge Engineering TKE '99. Proceedings of the 5th International Conference on Terminology and Knowledge Engineering TKE'99 in Innsbruck 23-27 August 1999. Wien: TermNet. 830. Sandrini, Peter (Hg.) (1999b): Übersetzen von Rechtstexten. Fachkommunikation im Spannungsfeld zwischen Rechtsordnung und Sprache. Tübingen: Narr (=FFF Forum zur Fachsprachenforschung 54). Sandrini, Peter (2001): TermLeg 1.0 - Vertragsrecht: Ein terminologischer Vergleich Italienisch Deutsch. CD-Rom. Innsbruck: Studia-Verlag. Sandrini, Peter (2002): TermLeg 2.0 - Arbeitsrecht: Ein terminologischer Vergleich Italienisch Deutsch. CD-Rom. Innsbruck: Studia-Verlag. Wüster, Eugen (1979): Einführung in die Allgemeine Terminologielehre und Terminologische Lexikographie. Wien, New York: Springer. 304