Tabelle 1: Übersicht über die veröffentlichten Eurocode-Brandschutzteile

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Bauteilnachweise auf Grundlage von Naturbränden Prof. Dr.-Ing Björn Kampmeier Hochschule Magdeburg-Stendal, Magdeburg, Deutschland E-Mail: bjoern.kampmeier@hs-magdeburg.de Kurzfassung Durch die Einführung der Eurocodes sollten die technischen Spezifikationen in Europa bezüglich des Entwurfs und der Bemessung von Tragwerken harmonisiert werden. Neben dem übergeordneten Eurocode Grundlagen der Tragwerksplanung (DIN EN 1990) und dem Eurocode 1 für die Einwirkungen gibt es die Eurocodes 2 bis 6 und 9 für die verschiedenen Baustoffe. In den Eurocodes 1 bis 6 und 9 gibt es jeweils einen Teil 1-2, der die Einwirkungen im Brandfall bzw. die Bemessung von Bauteilen und Tragwerken im Brandfall behandelt. Die inzwischen als sogenannte konsolidierte Fassungen veröffentlichten Eurocode-Teile sind in Tabelle 1 aufgeführt. Tabelle 1: Übersicht über die veröffentlichten Eurocode-Brandschutzteile Gleichzeitig wurden die Nationalen Anhänge (NA) veröffe ntlicht. Sie haben zum einen die Aufgabe, die national festzulegenden Parameter (NDP: National Determined Parameters) zu definieren, mit deren Hilfe jeder Staat auch nach Einführung der Eurocodes das gewünschte Sicherheitsniveau weiterhin individuell festlegen kann. Zum anderen können in den Nationalen Anhängen ergänzende Regeln festgelegt werden, die allerdings nicht im Widerspruch zu den Eurocodes stehen dürfen (NCI: Non -contradictory Complementary Information). Die Eurocodes mit ihren Nationalen Anhängen sind in die Muster-Liste der Technischen Baubestimmungen (M -LTB, Fassung Dezember 2011) aufgenommen worden und sind in allen Bundesländern seit 1. Juli 2012 als Technische Baubestimmungen (TB) zu beachten. [1] Dieser Beitrag beschreibt die Möglichkeit den Brandschutznachweis für Bauteile mit Hilfe von Naturbrandmodellen anstelle der üblichen Einheitstemperaturzeitkurve (ETK) zu führen. 1

Möglichkeiten der Nachweisführung Aufbauend auf den Vorgaben des Eurocode 1 Teil 1-2 sehen die Brandschutzteile der baustoffbezogenen Eurocodes 2 bis 5 und 9 grundsätzlich brandschutztechnische Nachweisverfahren auf drei Stufen vor : mittels tabellarischer Daten (Nachweisstufe 1), mittels vereinfachter Rechenverfahren (Nachweisstufe 2) und mittels allgemeiner Rechenverfahren (Nachweisstufe 3). Die Nachweisverfahren mittels tabellarischer Daten beschränken sich in der Regel darauf, die Querschnittsabmessungen des zu untersuchenden Bauteils (z. B. bei Betonbauteilen den Achsabstand der Bewehrung) mit Werten zu vergleichen, die nach Brandversuchsergebnissen zum Erreichen der vorgesehenen Feuerwiderstandsdauer erforderlich sind. Mit den vereinfachten Rechenverfahren wird in der Regel nachgewiesen, dass alle maßgebenden Lasteinwirkungen auch nach Ablauf der vorgeschriebenen Feuerwiderstandsdauer eines Bauteils ohne Versagen aufgenommen werden können. Dafür werden u. a. Vereinfachungen bei der Temperaturermittlung für die Bauteilquerschnitte und bei der Beschreibung des Versagenszustandes im Brandfall getroffen [1]. Die allgemeinen Rechenverfahren ermitteln mit Hilfe der Finiten-Elementen-Methode wirklichkeitsnah das tatsächliche Tragvermögen im Brandfall, u. U. auch das Verformungsverhalten der Bauteile. Mit steigender Nachweisstufe erhöht sich die Genauigkeit aber auch der Rechenaufwand. Während Nachweise der Stufe 1 nur bei einer Brandbelastung gemäß der Einheitstemperaturzeitkurve möglich können die allgemeinen Rechenverfahren der Stufe 3 auch für Naturbrandverläufe angewendet werden. Tabelle 1 zeigt eine Zusammenstellung der in den jeweiligen Eurocodes verfügbaren Nachweismöglichkeiten. Die fett dargestellten Nachweise eigenen sich für den Naturbrandnachweis. Tabelle 2: Zusammenstellung der Nachweismöglichkeiten für Bauteile 2

Thermische Einwirkungen Die thermischen Einwirkungen auf Bauteile werden in Abhängigkeit von der (Heißgas -) Temperatur g in der Bauteilumgebung als Netto-Wärmestrom einem konvektiven und einem radiativen Anteil besteht: h net vorgegeben, der aus h h h net net,c net,r [EC 1-1-2; Gl. 3.1] Der konvektive Anteil des Netto-Wärmestroms h, ermittelt: net c [W/m²] wird nach folgender Gleichung h() net,c c g m [EC 1-1-2; Gl. 3.2] mit c g m Wärmeübergangskoeffizient für Konvektion [W/(m²K)] Heißgastemperatur in der Umgebung des Bauteils [ C] Oberflächentemperatur des Bauteils [ C]. Der radiative Anteil des Netto-Wärmestroms h, berechnet: net r [W/m²] wird nach folgender Gleichung h( 273)( 273) 4 4 net,r m f r m [EC 1-1-2; Gl. 3.3] mit Konfigurationsfaktor (zur Berücksichtigung von Abschattungen) [-] m Emissivität der Bauteiloberfläche [-] f Emissivität des Feuers [-] r Strahlungstemperatur der Umgebung [ C] Stefan Boltzmann Konstante (= 5,67 10-8) [W/(m²K 4 )]. Vereinfachend dürfen der Konfigurationsfaktor = 1,0 und die Strahlungstemperatur r gleich der Heißgastemperatur g gesetzt werden. Der Wärmeübergangskoeffizient für Konvektion darf auf der feuerabgekehrten Bauteilseite mit c = 4 W/(m 2 K) angenommen werden. Mit c = 9 W/(m²K) kann gerechnet werden, wenn die Wärmeübertragung durch Strahlung mit abgedeckt werden soll [EC 1-1-2; Kap. 3.1(5)]. Sofern in den baustoffbezogenen Eurocodes keine anderen Angaben gemacht werden, ist m = 0,8 gesetzt werden; für die Emissivität der Flamme gilt im All-gemeinen f = 1,0. 3

Für die brandschutztechnische Bemessung werden in den Eurocodes drei nominelle Temperaturzeitkurven zur Beschreibung der Heißgastemperatur g vorgegeben. Für die Heißgastemperatur g ist im Regelfall die Einheitstemperaturzeitkurve, die der ETK nach DIN 4102 Teil 2 entspricht, anzunehmen: g 10 20 345log(8t 1) C [EC 1-1-2; Gl. 3.4] Dabei bedeutet t die Branddauer in Minuten. Für den konvektiven Wärmeübergangskoeffizienten ist c = 25 W/(m²K) anzusetzen [EC 1-1-2; Kap. 3.2.1(2)]. Unter bestimmten Randbedingungen, z. B. bei außerhalb eines Brandraumes liegenden Bauteilen wie Fassadenoberflächen, kann die externe Brandkurve verwendet werden, die auch in DIN 4102 Teil 3 für Brüstungen und nichttragende Außenwände vorgegeben wird. Für Flüssigkeitsbrände wird die sogenannte Hydrocarbonkurve angeboten. Im EC 1-1-2/NA wird jedoch eingeschränkt, dass die Hydrokarbonkurve in der Regel bei Hochbauten nicht anzuwenden ist. Die drei nominellen Temperaturzeitkurven sind in Abbildung 1 dargestellt. 1200 Temperatur [ C] 1000 800 600 400 200 Hydrokarbonkurve Einheitstemperaturzeitkurve Externe Brandkurve 0 0 30 60 90 120 150 180 Zeit [min] Abbildung 1: Nominelle Temperaturzeitkurven nach Eurocode 1 Teil 1-2 Neben der Möglichkeit, die thermische Beanspruchung der Bauteile im Brandraum durch nominelle Temperaturzeitkurven zu beschreiben, bietet der Eurocode 1 Teil 1-2 zudem verschiedene Naturbrandmodelle an: a) Vereinfachte Brandmodelle Vollbrände Beschreibungen auf der Grundlage physikalischer Parameter für innenliegende Bauteile (Anhang A) bzw. für außenliegende Bauteile (Anhang B) Lokale Brände Beschreibung mit Hilfe von Plume-Modellen (Anhang C) 4

b) Allgemeine Brandmodelle (Anhang D) Ein-Zonen-Modelle Zwei-Zonen-Modelle Feldmodelle. Auf die alternativen Methoden zur Beschreibung der Brandbeanspruchungen Naturbrand wird nachfolgend noch näher eingegangen. mittels Mechanische Einwirkungen Bei der Kombination von Einwirkungen im Brandfall darf berücksichtigt werden, dass es sich um eine außergewöhnliche Bemessungssituation handelt. Hierfür sind in DIN EN 1990 Kombinationsregeln angegeben. Demnach darf für die maßgebende Größe einer veränderlichen Einwirkung Q1 die quasi-ständige Größe 2,1 Q1k oder alternativ die häufige Größe 1,1 Q1k verwendet werden. Im Nationalen Anhang des EC 1-1-2 wird empfohlen, dass auch für die veränderliche Leiteinwirkung QK,1 als Kombinationsbeiwert Ψ2,1 zu benutzen ist. Einzige Ausnahme ist, wenn der Wind die Leiteinwirkung darstellt. In diesem Fall ist dann für den Wind Ψ1,1 als Kombinationsbeiwert zu benutzen [EC 1-1-2/NA 2.2]. Es folgt: E,, E, G, () 1,1 oder 2, Q,1 2, Q d fi t, [DIN EN 1990; Gl. 6.11a & b] G j k j i k i k i j1 i1 mit G k,j Q k,1 Q k,i charakteristischer Wert der ständigen Einwirkungen charakteristischer Wert (des Leitwertes) der veränderlichen Einwirkung charakteristischer Wert weiterer veränderlicher Einwirkungen G,j Teilsicherheitsbeiwert für ständige Einwirkungen (= 1,0) 1,1, 2,i Kombinationsbeiwerte nach DIN EN 1990 bzw. nationalen Festlegungen (vgl. Tabelle ) Als Vereinfachung dürfen die Einwirkungen während der Brandbeanspruchung direkt aus den Einwirkungen bei Normaltemperatur wie folgt ermittelt werden: E fi,d,t E fi,d fi Ed [EC 1-1-2; Gl. 4.1] mit E d Bemessungswert der Einwirkungen nach Eurocode 1 Teil 1, mit Berücksichtigung der Teilsicherheitsbeiwerte für ständige und veränderliche Einwirkungen G, Q Werte für den Reduktionsfaktor fi sind den jeweiligen baustoffbezogenen Eurocodes zu entnehmen. Sie liegen zwischen 06 für Holz und 0,7 für Stahlbeton. 5

Tabelle 3: Kombinationsbeiwerte [DIN EN 1990/NA; Auszug aus Tab. NA.1.1] Eingangsdaten für Naturbrandmodelle Die rechnerische Erfassung wesentlicher Einflussfaktoren des Bemessungsbrandes wie Brandlastdichte, Heizwert der Brandlasten und zeitlicher Verlauf der Abbrandrate oder Wärmefreisetzungsrate ist eine Grundvoraussetzung für die Anwendung von vereinfachten und erweiterten Naturbrandmodellen. Als sehr problematisch wird in Deutschland das im Anhang E zugrunde gelegte Sicherheitskonzept angesehen. Es berücksichtigt das gleichzeitige Vorhandensein mehrerer Maßnahmen der brandschutztechnischen Infrastruktur durch Multiplikation mit verschiedenen Faktoren i. Die einzelnen Brandschutzmaßnahmen sind jedoch nicht stochastisch voneinander unabhängig, so dass dieses Vorgehen mathematisch fragwürdig ist [10]. Die große Anzahl der Faktoren i,deren Herkunft und Größe nicht nachvollziehbar sind, führt zu einer unübersichtlichen Ermittlung der Bemessungsbrandlast und zu einem nicht definierbaren Sicherheitsniveau. Der Anhang E ist daher für die Anwendung in Deutschland nicht zugelassen und wird durch den Anhang BB des EC 1-1-2/NA ersetzt. Der Anhang BB liefert die Eingangsdaten für alle vereinfachten und Naturbrandmodelle des EC 1-1-2. allgemeinen Der zeitliche Verlauf der Wärmefreisetzungsrate eines Brandes kann nach Kapitel BB.4 ermittelt werden. Zunächst wird die Wärmefreisetzungsrate in der Brandentwicklungs- und Ausbreitungsphase bestimmt: Q k t t 2 [EC 1-1-2/NA; Gl. BB.4] 6

mit: t t Zeit nach Brandentstehung [s] Zeit bis eine Wärmefreisetzung von 1 MW erreicht wird [s] Der Parameter tα kann in Abhängigkeit der Nutzung Tabelle BB.2 entnommen werden. Tabelle4: Parameter tα und Wärmefreisetzungsrate RHRf [EC 1-1-2/NA; Tab. BB.2] An die Brandentwicklungsphase schließt sich die Vollbrandphase an. In der Vollbrandphase ist die Wärmefreisetzungsrate durch den kleineren der beiden Maximalwerte für den ventilationsgesteuerten und den brandlastgesteuerten Brand beschränkt. Q min Q ;Q mit: max,k max,f,k max,v,k [EC 1-1-2/NA; Gl. BB.7] Q RHR A (brandlastgesteuert) [EC 1-1-2/NA; Gl. BB.5] max,f,k f f Q 0,1 H A h (ventilationsgesteuert) [EC 1-1-2/NA; Gl. BB.6] max,v,k u w W RHRf: charakteristischer Wert der flächenbezogenen Wärmefreisetzungsrate [MW/m²]; kann in Abhängigkeit der Nutzung Tabelle BB.2 entnommen werden Af Hu Aw hw Grundfläche des Brandraums [m²] Verbrennungseffektivität; für typische Mischbrandlasten im Hochbau Netto-Verbrennungswärme [MJ/m²]; darf i. d. R. mit 17,3 MJ/m² angesetzt werden Fläche der Ventilationsöffnungen [m²] gemittelte Höhe der Ventilationsöffnungen [m] 7

Das horizontale Plateau der Vollbrandphase endet, wenn 70 % der Brandlast verbraucht sind [EC 1-1-2/NA; Kap. BB.4]. Q2 Q1 Q2 qf,d 0,7 t Q t 2 1 max,f,k In der Abklingphase fällt die Wärmefreisetzungsrate linear auf null ab. Energiefreisetzungsrate [MW] Q Q max Q 1 Q 2 Q 3 Entwicklungsphase t Q(t) Q 0 tg 2 Vollbrandphase Abklingphase 70% der Brandlast verbrannt t 1 Zeit [s] t 2 t 3 Abbildung 2: Typische Vorgabe eines Bemessungsbrandes als zeitlicher Verlauf der Wärmefreisetzungsrate [3] Naturbrandmodell für vollentwickelte Raumbrände Den parametrischen Temperaturzeitkurven in EC 1-1-2, Anhang A (Parameterkurven) mangelt es an einem Bezug zu einem definierten Bemessungsbrand und an belastbaren physikalischen Grundlagen. Hieraus ergibt sich eine erhebliche Anwendungsbeschränkung des Verfahrens. Mit den Parameterkurven lässt sich somit der zeitliche Verlauf eines natürlichen Brandes nicht realistisch erfassen [3]. Der Anhang A des EC 1-1-2 wird daher zur Anwendung in Deutschland nicht zugelassen und stattdessen in Anhang AA des EC 1-1-2/NA ein alternatives Verfahren angeboten [4]. Das in Anhang AA des Nationalen Anhangs zum EC 1-1-2 angegebene vereinfachte Naturbrandmodell für vollentwickelte Brände gilt für Räume bis 400 m² Grundfläche und Raumhöhen bis 5 m mit Ventilationsöffnungen von 12,5 % bis 50 % der Grundfläche und Brandlastdichten von 100 MJ/m 2 bis 1300 MJ/m 2. Die Temperaturzeitkurven gelten sowohl für brandlastgesteuerte als auch für ventilationsgesteuerte Brände. Je nach Brandverlauf unterscheiden sich die Rechenregeln. Anschließend wird die Temperaturzeitkurve für eine Referenzbrandlastdichte von 1300 MJ/m² berechnet. Der Brandverlauf wird im Wesentlichen durch die drei Zeitpunkte t1, t2 und t3 beschrieben mit den dazugehörenden Temperaturen θ1, θ2 und θ3. Ausgehend von der so berechneten Referenz-Temperaturzeitkurve lassen sich Temperaturzeitkurven für beliebige Brandlastdichten < 1300 MJ/m² ermitteln. Der ansteigende Ast der Temperaturzeitkurve ist dabei unabhängig von der Brandlastdichte und 8

somit identisch zur Referenz-Temperaturzeitkurve. Eine Ausnahme hiervon bildet das Eintreten eines frühzeitigen flashovers die schlagartige Entzündung aller im Brandraum befindlichen Oberflächen brennbarer Materialien. Der Zeitpunkt eines gegebenenfalls auftretenden flashovers wird berechnet durch: 2 t1,fo t Q [s] fo mit: [EC 1-1-2/NA; Gl. AA.29] Q 0, 0078A 0,378A h [MW] [EC 1-1-2/NA; Gl. AA.30] fo t W W Wenn der flashover vor dem Zeitpunkt t1 eintritt (t 1,fo<t1) ist für den weiteren Rechengang anstelle von t1 mit t1,fo zu rechnen. Zum Zeitpunkt t2,x bei dem die Maximaltemperatur erreicht wird sind 70 % der Brandlast aufgebraucht. Anschließend fällt die Wärmefreisetzungsrate linear ab bis zum Zeitt3,x die Brandlast vollständig verbrannt ist. Für den vollständigen Verlauf der Temperaturzeitkurve müssen neben den Zeitpunkten t1, t2 und t3 mit den zugehörigen Temperaturen θ1, θ2 und θ3 ebenfalls die Bereiche zwischen den Punkten bekannt sein. Der Bereich 1 zwischen t=0 und t1 zeichnet sich durch eine anfangs langsame und dann immer schnellere Steigerung der Temperaturen aus und wird durch einen quadratischen Anstieg angenähert: Im Bereich 2 zwischen t1 und t2 steigt die Temperatur deutlich langsamer an und wird durch eine Wurzelfunktion beschrieben. Der abfallende Ast der Temperaturzeitkurve ( t > t2) wird wiederum durch eine Wurzelfunktion beschrieben: Abbildung3: Schematische Darstellung der Temperaturzeitkurve [EC 1-1-2/NA; Bild AA.1] 9

Naturbrandmodell für lokal begrenzte Brände Das Verfahren zur Ermittlung der Brandeinwirkungen bei lokal begrenzten Bränden (Anhang C des EC 1-1-2) basiert auf der dimensionslosen Froudzahl, die das Fließverhalten von Flüssigkeiten beschreibt und näherungsweise auch für die aufsteigenden Heißgase im Flammenbereich angewandt werden kann. Es unterscheidet die beiden Fälle, dass die Flammen die Decke des Brandraums erreichen oder nicht erreichen. Für den Fall, dass die Flammen die Decke nicht erreichen, basiert das vorliegende Verfahren auf einem Ansatz nach Heskestad [5]. Erreichen die Flammenspitzen das zu bemessende Deckenbauteil, wird auf Grundlage einer von Hasemi [6, 7] entwickelten Methode verfahren. Anhang C kann angewendet werden, wenn sichergestellt ist, dass während der gesamten Brandphase kein flashover stattfindet. Das bedeutet, dass zu jedem Zeitpunkt weiterhin eine Heiß- und Kaltgasschicht mit einem Plume als Verbindung bestehen. In dem in Anhang C dargestellten Verfahren ist zunächst zu prüfen, ob die Flammen die Decke erreichen. Für die Flammenlänge Lf gilt nach [5]: f 2/5 L 0,235 Q 1,02 D Diese Gleichung ist dimensionsgebunden. Die Wärmefreisetzungsrate Q wird in [kw] angegeben, der Durchmesser des Brandherds D und die Flammenhöhe Lf in [m]. Wird die Gleichung so umgeformt, dass die Wärmefreisetzungsrate Q in [W] anstelle von [kw] einzusetzen ist (1/1000 2/5 ), erhält man die in Anhang C angegebene Form: 2/5 Lf 1,02 D 0,0148 Q [m] [EC 1-1-2; Gl. C.1] Abbildung 4: Lokaler Brand a) Flammen erreichen Decke nicht [EC 1-1-2; Bild C.1] b) Flammen erreichen Decke [EC 1-1-2; Bild C.2] Liegt keine kreisförmige Brandquelle vor, so wird D über eine Kreisfläche gleicher Größe bestimmt [5]. Der idealisierte Feuerplume, an dem die grundlegenden physikalischen Gleichungen aufgestellt werden, hat als Voraussetzung eine punktförmige Wärmequelle. Diese Annahme ist bei baupraktischen Bränden jedoch nicht realistisch. Um diesen Widerspruch auszugleichen wird ein virtueller Brandursprung mit dem Abstand z0 zum realen Brandherd definiert [5]: z 1,02 D 0,00524 Q 2/5 0 [EC 1-1-2; Gl. C.3] 10

Die Lage des virtuellen Brandherdes ist abhängig von der Größe der Brandfläche und der Wärmefreisetzungsrate des tatsächlichen Brandherdes. Im Falle einer großen Brandfläche mit kleinen Wärmefreisetzungsraten ist z0 negativ, so dass der virtuelle Brandursprung unterhalb des tatsächlichen Brandherds liegt. Bei einer kleinen Brandfläche mit hoher Wärmefreisetzungsrate kann in seltenen Fällen z0 auch einen positiven Wert annehmen. Temperaturmessungen entlang der Plumeachse ergaben nach [5] folgenden Zusammenhang: 2/3 (z) c 0 5/3 20 0, 25Q z z 900 [EC 1-1-2; Gl. C.2] Für Temperaturen > 900 ist eine maximale Flammentemperatur von 900 C einzusetzen. Dies gilt ebenso, wenn zo > z ist. In diesem Falle würde die Basis zu dem Exponenten 5/3 negativ, womit die Gleichung nicht definiert wäre. Allgemeine Brandmodelle Der Anhang D des EC 1-1-2 beschreibt die Grundlagen zur Anwendung sogenannter allgemeiner Brandmodelle. Diese können alternativ zur Berechnung der Temperaturentwicklung in einem Brandraum eingesetzt werden. Die beschriebenen Brandmodelle werden hinsichtlich ihrer Leistungsfähigkeit in folgende Gruppen eingeteilt: Ein-Zonen-Modelle Zwei-Zonen-Modelle Feld-Modelle (rechnergestützte Fluid-Dynamik-Modelle). Das Ein-Zonen-Modell, das besser bekannt ist unter dem Namen Vollbrandmodell (oder in der englischsprachigen Literatur: postflashover model), stand zu Beginn der theoretischen Brandforschung. Entsprechend der praktischen Erfahrung bei vollentwickelten Bränden in kleineren Räumen wird vorausgesetzt, dass der Raum gleichmäßig mit heißen Rauchgasen gefüllt ist: das gesamte Brandraumvolumen wird als eine Zone (Kontrollvolumen) betrachtet, in der homogene Verhältnisse (z. B. Temperatur, Gaszusammensetzung) herrschen [2]. Eine schematische Darstellung der vereinfacht angenommenen Massenstrombilanz zeigt Abbildung. Abbildung 5: Darstellung der Massenstrombilanz im Ein-Zonen-Modell [2] 11

Mit zunehmendem Kenntnisstand der Brandforschung wurden die Beschränkungen der Vollbrandmodelle erkannt und die Entwicklung der Zwei-Zonen-Modelle eingeleitet. Diese unterteilen das Brandraumvolumen physikalisch sinnvoll in eine heiße Rauchgasschicht und eine kühlere Luftschicht und berechnen die Energie und Massenbilanzen getrennt für jede Zone. Die Einmischung von Luft in die Flamme und in die aufsteigenden Flammengase (Plume) wird zusätzlich modelliert. Dies geschieht mit Hilfe von Plume-Modellen, die den Transport von Rauchgasen vom Brandherd in die Rauchgasschicht beschreiben. Der Plumebereich wird häufig auch als dritte Zone betrachtet [2]. Die auf den ersten Blick relativ gering erscheinenden Erweiterungen gegenüber dem Vollbrandmodell erlauben es jedoch, auch die Verhältnisse vor dem Flashover mit der Rauchgasschichtung, dem Strahlungsaustausch zwischen unterschiedlichen Bereichen im Brandentwicklungsstadium, der Rückführung von Rauchgasen in die kühlere Luftschicht usw. realistischer zu beschreiben. Abbildung 6 zeigt die Massenstrombilanz des Zwei-Zonen- Modells. Abbildung 6: Darstellung der Massenstrombilanz im Zwei-Zonen-Modell [2] Das Feldmodell (CFD -Modell) unterscheidet sich von den Zonenmodellen durch die erheblich größere Anzahl der benutzten Kontrollvolumina sowie durch die Methode der Modellierung des Austauschs von Masse und Enthalpie. Während das Zonenmodell hierfür vereinfachte Ansätze benutzt, wird der Austausch im Feldmodell direkt aus den grundlegenden Erhaltungsgleichungen berechnet. Das Feldmodell kommt daher mit einer geringeren Zahl an Annahmen und experimentell ermittelten Parametern aus. Es liefert bei einem entsprechend großen Modellierungsaufwand und Bedarf an Eingangsdaten sehr detaillierte Informationen z. B. bezüglich der Verteilung von Temperaturen, der Strömungsgeschwindigkeiten von Rauchgasen und Frischluft und der Zusammensetzung der Rauchgase, nicht nur in einem Brandraum, sondern auch in angrenzenden, mit dem Brandraum durch Öffnungen verbundenen Räumen [2]. Der EC 1-1-2/NA gibt die Naturbrandmodelle zur Anwendung frei, die hierfür verwendeten Rechenverfahren müssen jedoch ausreichend validiert sind. Die Bemessungsbrandlast und der Bemessungswert der Wärmefreisetzungsrate sind nach Anhang BB des EC 1-1-2/NA zu bestimmen. 12

Sicherheitskonzept für Nachweise mittels Naturbrandmodellen In der gleichen Weise wie ständige Lasten und veränderliche Lasten einer natürlichen Streuung unterliegen ist auch das Auftreten eines Brandes mit Unsicherheiten behaftet. Um bei der Verwendung von Ingenieurmethoden in Kombination mit Naturbränden sicherstellen zu können, dass das erforderliche Sicherheitsniveau erreicht wird, müssen die Brandkenngrößen wie beispielsweise die Wärmefreisetzungsrate ebenfalls in ein Sicherheitskonzept eingebunden sein. Das im Nationalen Anhang des EC 1-1-2 im Anhang BB.5 enthaltene Sicherheitskonzept zur Bestimmung der Brandwirkung berücksichtigt neben der Entstehungshäufigkeit und Ausbreitungswahrscheinlichkeit eines Brandes ebenfalls die anlagentechnische Ausstattung des betreffenden Gebäudes wie Brandmeldeanlage oder Löschanlage als auch die Leistungsfähigkeit der Feuerwehr. [11] Detaillierte Informationen sind im Beitrag Sicherheitskonzept im Brandschutz bei Stahl- und Verbundbauteilen enthalten. Definiert werden die Bemessungswerte wie in den Eurocodes üblich durch ein semi-probabilistisches Sicherheitskonzept, bei dem der charakteristische Wert einer Einwirkung mit einem Teilsicherheitsbeiwert multipliziert wird, zum Beispiel: q q [EC 1-1-2/NA; Gl. BB.1] f, d f, k fi, q mit qf,d qf,k Bemessungswert der Brandlastdichte charakteristischer Wert der Brandlastdichte Verbrennungseffektivität (gemäß Muster-Liste der Technischen Baubestimmungen; Anlage 1.2/1 für typische Mischbrandlasten = 0,8) fi, q Teilsicherheitsbeiwert Das Sicherheitskonzept nach EC 1-1-2/NA; Anhang BB.5 sieht für die Brandlastdichte und das Maximum der Wärmefreisetzungsrate 90 %-Quantile als charakteristische Werte vor. Der Teilsicherheitsbeiwert fi,q berücksichtigt neben den Streuungen der Einflussgrößen und ggf. Modellunsicherheiten die geringe Auftretenswahrscheinlichkeit eines vollentwickelten Brandes sowie die erforderliche Zuverlässigkeit der zu bemessenden Bauteile. Die Auftretenswahrscheinlichkeit eines Brandes hängt von der Art der Nutzung des Gebäudes, von der vorhandenen Anlagentechnik (Brandmelde anlage, Löschanlage) und von dem voraussichtlichen Eintreffen der Feuerwehr und deren Leistungsfähigkeit ab [12]. Die Auftretenswahrscheinlichkeit pfi eines Vollbrandes in einer brandschutztechnisch abgetrennten Nutzungseinheit in einem Bezugszeitraum von einem Jahr wird ermittelt mit: p p p p [EC 1-1-2/NA; Gl. BB.9] fi mit 1 2 3 p1 p2 p3 jährliche Auftretenswahrscheinlichkeit eines Entstehungsbrandes Ausfallwahrscheinlichkeit der manuellen Brandbekämpfung (Nutzer, Feuerwehr) Ausfallwahrscheinlichkeit einer automatischen Löschanlage 13

Die Auftretenswahrscheinlichkeit eines Brandes kann mit Gleichung BB.10 und Tabelle BB.3 (Tabelle 5) in Abhängigkeit der Nutzung und Größe der Nutzungseinheit ermittelt werden: 1 1 exp b b p a A a A [EC 1-1-2/NA; Gl. BB.10] mit a Brandentstehungshäufigkeit je m² b A nutzungsabhängiger Exponent Grundfläche der brandschutztechnisch abgetrennten Nutzungseinheit Alternativ kann p1 auch vereinfacht aus Spalte 3 der Tabelle BB.3 abgelesen werden. Tabelle 5: Auftretenswahrscheinlichkeit p1 von mind. einem Entstehungsbrand je Jahr [EC 1-1-2/NA; Tab. BB.3] Zeile Nutzung Auftretenswahrscheinlichkeit je Nutzungseinheit und Jahr p 1 a A b p 1 a [1/(m 2 a)] b [1/a] 1 2 3 1 Wohngebäude 4,8E-5 0,9 3.0E-3 2 Bürogebäude 5,9E-5 0,9 6.2E-3 3 Krankenhaus, Pflegeheim 7,0E-4 0,75 3,0E-1 4 Hotel, Beherbergungsstätte 8,0E-5 1,0 3,7E-2 5 Schule, Bildungseinrichtung 2,0E-4 0,75 4.0E-2 6 Verkaufsstätte, Geschäftshaus 6,6E-5 1,0 8,4E-3 7 öffentl. Versammlungsstätte (Theater, Kino) 0,75 2.0E-2 9,7E-5 sonstige Versammlungsstätte (z.b. Diskothek) 1,0 1.2E-1 Die Ausfallwahrscheinlichkeit der manuellen Brandbekämpfung p2 berücksichtigt einerseits den Löschversuch der Nutzer p2,1 und andererseits den Löschangriff der Feuerwehr p2,2. p p p [EC 1-1-2/NA; Gl. BB.11] 2 2,1 2,2 Die Ausfallwahrscheinlichkeit der manuellen Brandbekämpfung durch die Nutzer kann im Allgemeinen mit 50 % angenommen werden ( p2,1 = 0,5). Werte für die Ausfallwahrscheinlichkeit der Löscharbeiten der Feuerwehr können Tabelle 6 (=Tabelle BB.4) entnommen werden. Gemäß der aktuellen Muster-Liste der Technischen Baubestimmungen; Anlage 1.2/1 ist jedoch abweichend für die Ausfallwahrscheinlichkeit der öffentlichen Feuerwehr der Wert p2,2 = 0,5 anzusetzen. 14

Tabelle 6: Ausfallwahrscheinlichkeiten p2,2 und p3 [EC 1-1-2/NA; Tab. BB.4] Brandbekämpfung durch Ausfallwahrscheinlichkeit bei Anforderung Zeile p 2,2 p 3 1 2 1 1a 1b 2 2a 2b öffentliche Feuerwehr mit Vornahmezeit < 15 min > 20 min Betriebsfeuerwehr mit Vornahmezeit a < 10 min (vier Staffeln) < 10 min (zwei Staffeln) 0,2 0,5 0,02 0,05 3 3a 3b 3c 3d Automatische Löschanlage Sprinkleranlage nach VdS/CEA Standard in anderen Fällen Sonstige Wasserlöschanlage Gaslöschanlage 0,02 0,05 0,1 0,1 a Automatische Brandmeldung und Alarmierung werden vorausgesetzt. Die Ausfallwahrscheinlichkeit einer Löschanlage hängt von der Art und Auslegung der Anlage ab. Entsprechende Werte für p3 können ebenfalls Tabelle BB.4 entnommen werden. Aus der für alle Bauteile und alle Lastfälle geltenden zulässigen Versagenswahrscheinlichkeit pf und der ermittelten Auftretenswahrscheinlichkeit eines Vollbrandes pfi ergibt sich eine bedingte Versagenswahrscheinlichkeit im Brandfall pf,fi. Für den damit verknüpften Zuverlässigkeitsindex βfi gilt: fi 1 () p f, fi [EC 1-1-2/NA; Gl. BB.14] mit p f, fi p p f fi [EC 1-1-2/NA; Gl. BB.13] p f [EC 1-1-2/NA; Gl. BB.12] 1 () : Umkehrfunktion der Standard-Normalverteilung Werte für pf und β können je nach Nutzung und Schadenfolgen Tabelle BB.5 (Tabelle 7) entnommen werden. Im Allgemeinen ist von einer mittleren Schadenfolge auszugehen. 15

Tabelle 7: Richtwerte für den Zuverlässigkeitsindex βfi und die Versagenswahrscheinlichkeit [EC 1-1-2/NA; Auszug aus Tab. BB.5] pf Abschließend können die Teilsicherheitsbeiwerte für die Brandlastdichte und die maximale Wärmefreisetzungsrate aus Bild BB.2 (Abbildung 7) abgelesen werden. Abbildung 2: Teilsicherheitsbeiwerte für die Einflussgrößen eines Naturbrandes [EC 1-1- 2/NA; Bild BB.2] Schlussfolgerung Die Eurocodes bieten ein breites Spektrum an Nachweismöglichkeiten für Bauteile von der einfachen ETK-Bemessung anhand Tabellenwerken bis hin zum Naturbrandnachweis. Beim Naturbrandnachweis handelt es sich um einen sogenannten leistungsorientierten nachweis, der im Gegensatz zur ETL die Brandraumgeometrie und die vorhandene Brandlast berücksichtigt. Dieser Nachweis ist deutlich aufwendiger kann aber beispielsweise bei Atrien mit geringer Brandlast insbesondere für Stahltragwerke erhebliche Vorteile bieten. Da jedoch als Brandbelastung nicht die ETK zu Grunde gelegt wird muss eine Abweichung von der Bauordnung beantragt werden, da durch die Anforderungen feuerhemmend, hochfeuerhemmend oder feuerbeständig die ETK mit eingeschlossen ist. 16

Literatur [1] Hosser, D.: Was ändert sich mit der Einführung der Eurocode-Brandschutzteile in Deutschland? In: Tagungsband Braunschweiger Brandschutz-Tage 2010. Institut für Baustoffe, Massivbau und Brandschutz, Heft 210, Braunschweig, September 2010 [2] Hosser, D.; Kampmeier, B.; Zehfuss, J.: Überprüfung der Anwendbarkeit von alternativen Ansätzen nach Eurocode 1 Teil 1-2 zur Festlegung von Brandschutzanforderungen bei Gebäuden. Abschlussbericht zum Forschungsvorhaben ZP 52-5-3.83-1041/03 im Auftrag des Deutschen Instituts für Bautechnik (DIBt). Institut für Baustoffe, Massivbau und Brandschutz (ibmb), Braunschweig, Dezember 2004 [3] Hosser, D; Zehfuß, J.: Theoretische und experimentelle Untersuchungen zum erforderlichen Brandschutz bei mehrgeschossigen Gebäuden in Stahlbauweise. Abschlussbericht zum Forschungsvorhaben S 503 im Auftrag der Stiftung In-dustrieforschung, Köln. Institut für Baustoffe, Massivbau und Brandschutz (ibmb), Braunschweig, 2002. [4] Zehfuss, J.: Bemessung von Tragsystemen mehrgeschossiger Gebäude in Stahlbauweise für realistische Brandbeanspruchung. Dissertation TU Braunschweig. Institut für Baustoffe, Massivbau und Brandschutz (ibmb), Heft 175, Braunschweig, August 2004, ISBN 978-3-89288-155-1 [5] Heskestad: Fire plumes, flame height, and air entrainment; The SFPE Handbook of Fire Protection Engineering; third edition; 20023.1 [6] Hasemi/Tokunaga: Flame geometry effects on the buoyant plumes from turbulent diffusion flames; fire science and technology, 19843.2 [7] Wakamatsu/ Hasemi/ Yokobayashi/ Ptchelintsev: Experimental study on the heating mechanism of a steel beam under ceiling exposed to a localized fire; interflam, 19963.3 [8] Franssen: Development of design rules for steel structures subjected to natural fires in closed car parks; Draft final report; ECSC; 19973.7 [9] Franssen: Contributions à la modelisation des incendies dans les bàtiments et de leurs effects sur les structures. Universite de Liège, Faculté des Sciences Appliquées ; 1997-19983.8 [10] Klinzmann, C.; Hosser, D., Berücksichtigung abwehrender und anlagen-technischer Maßnahmen beim brandschutztechnischen Nachweis von Bauteilen. vfdb-zeitschrift 58 (2009), Heft 2, Mai 2009 [11] Weilert, A.; Albrecht, C.: Übergreifendes Sicherheitskonzept für Brandschutznachweise mit Ingenieurmethoden. In: Tagungsband Braunschweiger Brandschutz-Tage 09. Institut für Baustoffe, Massivbau und Brandschutz (ibmb), Heft 2 08, Braunschweig, September 2009, S. 89-110 [12] Klinzmann, C.: Sicherheitskonzept für die Heißbemessung. Brandnews hhpberlin; Heft 2/2009; S. 11-15 Zitierte Normen DIN EN 1990 Eurocode: Grundlagen der Tragwerksplanung (2010-12) DIN EN 1990/NA Nationaler Anhang - National festgelegte Parameter - Eurocode: Grundlagen der Tragwerksplanung (2010-12) DIN EN 1991-1-2 Eurocode 1 - Einwirkungen auf Tragwerke - Teil 1-2: Allgemeine Einwirkungen; Brandeinwirkungen auf Tragwerke (2010-12) DIN EN 1991-1-2/NA Nationaler Anhang - National festgelegte Parameter - Eurocode 1: Einwirkungen auf Tragwerke - Teil 1-2: Allgemeine Einwirkungen - Brandeinwirkungen auf Tragwerke (2010-12) 17