Die Schiedsmannsordnung für das Land Nordrhein-Westfalen Von Ministerialrat Dr. Wolfgang Wieners, Krefeld Der Landtag NRW hat am 25. Februar 1970 das "Gesetz über das Schiedsmannswesen" verabschiedet. Das Gesetz ist unter dem Datum des 10. März 1970 ausgefertigt, in Nummer 27/70 (S. 194 ff.) des Gesetz- und Verordnungsblattes für das Land NW vom 23. März 1970 verkündet worden und am 1. April 1970 in Kraft getretene). An dieser Stelle sei ein erster Überblick über die Struktur des Gesetzes und über diejenigen Rechtsänderungen gegeben, die der Schm. seit dem 1. April 1970 in seiner Praxis zu berücksichtigen hat. In der nächsten Nummer der SchsZtg. sollen ergänzend die neuen Bestimmungen erörtert werden, die sich mit der dienstrechtlichen Stellung des Schm. befassen. Insoweit hier nur ein wichtiger Hinweis: Ebenso wie in Hessen und Berlin werden künftig auch in NW die Schr. für eine Amtsperiode von fünf statt bisher drei Jahren gewählt. Die Amtszeit der am 1. April 1970 im Amt befindlichen Schm. endet allerdings noch mit Ablauf ihrer gegenwärtigen dreijährigen Wahlperiode. 1. Zur Systemtechnik des Gesetzes Der Gesetzgeber stand vor einer schwierigen Entscheidung: Manches sprach dafür, das Kernstück der Tätigkeit des Schs., nämlich die Sühneverhandlung in Strafsachen, vollständig und in sich abgeschlossen neu zu regeln. Dann hätte der Schm. es nicht mehr nötig, bei der Anwendung des Gesetzes wie die Preußische SchO es verlangt ständig zwischen den wenigen Bestimmungen über die Sühneverhandlung in Strafsachen (y 35 40) und den in 34 für entsprechend anwendbar erklärten Vorschriften über die Sühneverhandlung in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten ( 12 32) hin- und herzublättern. Diesem Vorzug hätte aber ein erheblicher Nachteil gegenübergestanden: Eine Neugliederung des Gesetzes hätte empfindlich die Rechtseinheit gestört, die bisher in den zur Bundesrepublik gehörenden Nachfolgeländern Preußens noch weitgehend erhalten ist. Auch wäre die Tätigkeit des Schiedsmannsseminars und die Be handlung des Rechtsgebiets im Schrifttum wesentlich erschwert worden, wenn NW in der Systematik des Sühnerechts eigene Wege gegangen wäre. Diese Überlegungen haben dem Gesetzgeber nicht zuletzt auch auf Wunsch des Bundes Deutscher Schiedsmänner dazu veranlasst, den äußeren Aufbau der Preußischen SchO ebenso wie den weitaus größten Teil ihres rechtlichen Inhalts in die Neuregelung zu übernehmen. Dementsprechend hat sich das jetzt in Kraft getretene Gesetz darauf beschränkt, in seinem Artikel I die SchO in einzelnen Seite 1/5
Punkten zu ändern, soweit die Rechtsentwicklung der letzten Zeit dies angezeigt erscheinen ließ. Damit folgt NW dem Beispiel, das die Länder Hessen (1953) und Berlin (1965) bei der dortigen Novellierung des Sühnerechts schon früher gegeben haben. Gemäß Artikel II des Änderungsgesetzes gilt die SchO vom 1. April 1970 ab in der als Anlage zu dem Gesetz verkündeten Fassung als Schiedsmannsordnung für das Land Nordrhein-Westfalen SchO NW. Die Umstellung wird den Schrn. nicht schwer fallen. Auch in der SchO NW ist im ersten Abschnitt (C 1 1 11) das Amt der Schiedsmänner geregelt, im zweiten ( 1 12 32) die Sühneverhandlung über bürgerliche Rechtsstreitigkeiten und im dritten ( 33 40) die Sühneverhandlung in Strafsachen, während der vierte Abschnitt (5 42 51) die Kosten behandelt. Zwei neue Bestimmungen sind als 10 (bisher in NW gegenstandslos) und als 10 a eingeordnet worden. II. Verfahrens- und Kostenrecht 1. Beteiligung Minderjähriger am Sühneverfahren Infolge der Gleichberechtigung von Mann und Frau steht die elterliche Gewalt über ein minderjähriges eheliches Kind und damit auch die Befugnis zur Vertretung des Kindes nach außen dem Vater und der Mutter gemeinsam zu. Mit Rücksicht auf das in 18 Satz 1 SchO enthaltene Verbot der Vertretung durch Bevollmächtigte wurde im Schrifttum die Auffassung vertreten, dass Vater und Mutter persönlich vor dem Schm. erscheinen müssten, wenn das Kind wirksam einen Vergleich schließen solle (vgl. Hartung-Jahn, Kommentar, Anm. 2 zu 18 SchO). Um die Vertretung in derartigen Fällen praktikabel zu gestalten, bestimmt 18 SchO NW in Satz 3: Eltern als gesetzliche Vertreter ihrer ehelichen oder diesen rechtlich gleichgestellten Kinder können sich aufgrund einer schriftlichen Vollmacht gegenseitig vertreten. Der Schm. wird gut tun, bei der Ladung minderjähriger Beteiligter auf diese Möglichkeit hinzuweisen. Ferner: Damit der gesetzliche Vertreter des Beschuldigten in Strafsachen, der wie bisher (C 38 Abs. 1 Satz 2 SchO) vom Sühnetermin zu benachrichtigen ist, hiervon auch sichere Kenntnis erhält, bestimmt 38 Abs. 1 Satz 2 SchO NW, dass ihm die Terminsnachricht zuzustellen ist. 2. Sühneversuch mit Sprachfremden Wenn der Schm. der Sprache der Parteien nicht mächtig ist, sollte er bisher in Strafsachen ebenso wie in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten die Ausübung seines Amtes ablehnen (l 16 Nr. 1, 34 SchO). Damit war den vielen ausländischen SCHS-ZTG 41. Jg. 1970 H 4 Mitbürgern, die als Gastarbeiter in NW leben, praktisch die Möglichkeit genommen, Seite 2/5
Streitigkeiten mit Hilfe des Schs. zu bereinigen. Denn es ist ein seltener Glücksfall, wenn der sprachunkundige Schm. einen ausländischen Antragsteller ggf. unter Vermittlung des Aufsichtsrichters an einen Vertreter verweisen kann, der z. B. das Spanische oder Türkische beherrscht. Um in derartigen Fällen dennoch eine Privatklage zu ermöglichen, half sich die Praxis, anscheinend einer Empfehlung Hartungs folgend (Hartung, Preuß. SchO, 3. Aufl. 1925, Anm. 6 zu 5 37) in der Weise, dass die Privatklage auch dann als zulässig angesehen wurde, wenn der Antragsteller anstatt der vom Schm. zu erteilenden Sühnebescheinigung (5 40 SchO) eine Bescheinigung des Landgerichtspräsidenten oder des Aufsichtsrichters beibrachte, aus der sich ergab, dass ein Schm. mit den erforderlichen Sprachkenntnissen nicht zur Verfügung stehe. Diese Regelung war unbefriedigend. Sie begegnete auch rechtlichen Bedenken, weil 5 380 StPO für diese Fälle eine Ausnahme vom Sühnezwang, d. h. von der Notwendigkeit eines echten Sühneversuchs, nicht vorsieht (vgl. AG Frankfurt a. M., SchsZtg. 1969 S. 166). Andererseits waren manche Sehr. dazu übergegangen, sich in strafrechtlichen Sühnesachen über 16 Nr. 1 SchO hinwegzusetzen, und hatten mit Sprachfremden unter Mitwirkung sprachkundiger Beistände (erfolgreich!) verhandelt (vgl. z. B. Nagel in SchsZtg. 1970 S. 25). Aus NW werden Fälle berichtet, in denen fremdsprachige Parteien, die im selben Unternehmen beschäftigt sind, zusammen mit dem Betriebsdolmetscher beim Schm. erscheinen und einen Vergleich aushandeln. Durch solche Erfahrungen ermutigt und um dem Gebot des 5 380 StPO zwei-felsfrei gerecht zu werden, hat der Gesetzgeber 5 37 SchO geändert. Gemäß 5 37 Abs. 1 SchO NW darf der Schm. in Strafsachen künftig die Ausübung seines Amtes aus dem in 5 16 Nr. 1 SchO NW genannten Grund (Unkenntnis der Sprache der Parteien) nicht mehr ablehnen. Er wird sich bemühen müssen, mit den Parteien, notfalls mit Hilfe sprachkundiger Beistände oder eines neutralen Dolmetschers, ins Gespräch zu kommen und eine Aussöhnung herbeizuführen. Beistände von Personen, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind, darf der Schm. gemäß 19 SchO NW ebenso wie bisher schon die Beistände Schreib- oder Leseunkundiger nicht zurückweisen. Das in 5 21 der GeschAnw. enthaltene Verbot der Zuziehung von Dolmetschern ist infolge der Regelung in 5 37 SchO NW überholt. Es wird in die neuen Ausführungsbestimmungen nicht übernommen werden. 3. Sühneantrag gegen Studierende Eine dem 5 41 SchO entsprechende Sonderregelung ist in der SchO NW nicht enthalten. Auch für die Bearbeitung von Sühneanträgen gegen Studierende ist daher jetzt der Schm. zuständig. 4. Festsetzung von Ordnungsgeld gegen säumige Parteien Seite 3/5
Die Zwangsmaßnahme, die der Schm. gegen säumige Parteien festsetzen kann, heißt in der SchO NW nicht mehr Ordnungsstrafe, sondern Ordnungsgeld, denn in der neueren Gesetzessprache ist der Begriff Strafe nur noch für diejenigen Sanktionen vorgesehen, die wegen kriminellen Unrechts verhängt werden. Der Mindestbetrag des Ordnungsgeldes ist auf 5, DM heraufgesetzt worden. Die Obergrenze beträgt im Fall des 22 SchO NW wie bisher 30, DM, im Fall des 39 SchO NW (Ordnungsgeld gegen den säumigen Beschuldigten) jedoch 50, DM. Ebenso wie in Hessen und Berlin ist auch in NW gegen die Festsetzung von Ordnungsgeld nicht mehr die im Verwaltungsweg zu bearbeitende Aufsichtsbeschwerde zulässig, sondern ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung, der innerhalb einer Frist von zwei Wochen nach der Zustellung des Ordnungsgeldbescheides beim Schm. oder beim Amtsgericht anzubringen ist und über den das Amtsgericht unanfechtbar entscheidet. Über die Möglichkeit der Anfechtung und über die dafür vorgeschriebene Form und Frist ist der Betroffene zu belehren ( 22 Abs. 3 und 4, 39 Abs. 4 SchO NW). Bis zur Überarbeitung der eingeführten Vordrucke sollte in den Ordnungsgeldbescheid ein Zusatz etwa folgenden Wortlauts aufgenommen werden: Gegen diesen Bescheid können Sie innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung Antrag auf gerichtliche Entscheidung stellen. Der Antrag ist schriftlich bei dem Schiedsmann oder bei dem Amtsgericht in (Anmerkung: hier ist der Sitz des AG anzugeben, in dessen Bezirk der Schm. wohnt) einzureichen. 5. Die Kosten des Sühneverfahrens Der Gesetzgeber hat es für richtig gehalten, in 43 Abs. 1 SchO NW die Gebühren für strafrechtliche (und damit auch für sog. gemischte ) Sühnesachen neu zu bestimmen. Ab 1. April 1970 hat der Schm. in NW für die Sühneverhandlung in Strafsachen eine Gebühr von 12, DM (bisher 6, DM) zu erheben. Diese erhöht sich, wenn ein Vergleich zustande kommt, auf 24, DM (bisher 12, DM). Für die Bescheinigung über die Erfolglosigkeit des Sühneversuchs (g 40 SchO NW) wird, wenn eine Gebühren auslösende Verhandlung nicht stattgefunden hat, eine Gebühr von 6, DM (bisher 3, DM) erhoben. Wenn ein Schm., bevor er von der Neuregelung Kenntnis erlangt hat, nach dem 1. April 1970 noch die alten Gebührensätze erhoben hat, wird er sich die mit einer Nachforderung verbundenen Misslichkeiten dadurch ersparen können, dass er die Gebühren entsprechend ermäßigt, was 43 Abs. 3 SchO NW wie die entsprechende Vorschrift ihm gestattet. Die Gebühren in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten sind unverändert geblieben, ebenso auch die Obergrenzen, bis zu denen der Schm. unter den bisherigen Vor- Seite 4/5
aussetzungen die Gebühren im Einzelfall erhöhen kann (60, bzw. 75, DM). Über Einwendungen des Kostenschuldners gegen den Kostenansatz entscheidet gemäß 50 SchO NW das Amtsgericht, also nicht mehr der Aufsichtsrichter als Organ der Justizverwaltung. Durch diese Änderung wird, ebenso wie durch die oben unter Nr. 4 erörterte Einführung des Antrags auf gerichtliche Entscheidung gegen die Festsetzung von Ordnungsgeld, noch deutlicher als bisher erkennbar, dass die Tätigkeit des Schs. zum Gebiet der Rechtspflege gehört. (Wird fortgesetzt) 1) Der Justiz- und der Innenminister NW werden Ausführungsbestimmungen erlassen, die an die Stelle der Ausführungsverfügung vom 20. 12. 1924 und der Geschäftsanweisung treten. Sobald diese vorliegen, wird im Carl Heymanns Verlag eine Textausgabe erscheinen, mit der den Schrn. in NRW die maßgeblichen neuen Bestimmungen in übersichtlicher Form an die Hand gegeben werden sollen. Seite 5/5