Erziehung zu gegenseitiger Achtung und Verständnis füreinander, Holocaust- Gedenken sowie interkultureller und interreligiöser Dialog

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Transkript:

OSCE Conference on Combating Discrimination and Promoting Mutual Respect and Understanding - Follow-up to the Cordoba Conference on Anti-Semitism and Other Forms of Intolerance, Romania, Bucharest, 7-8 June 2007. Plenary Session 5 PC.DEL/556/07 12 June 2007 Original: GERMAN Bukarest 08/06/07 Plenarsitzung 5 Erziehung zu gegenseitiger Achtung und Verständnis füreinander, Holocaust- Gedenken sowie interkultureller und interreligiöser Dialog Introducer: Eberhard Seidel, Geschäftsführer der nationalen Koordination von Schule ohne Rassismus Schule mit Courage in Deutschland Sehr Geehrte Vorsitzende, Exzellenzen, Sehr geehrte Damen und Herren, Erziehung zu gegenseitiger Achtung und Verständnis füreinander, Holocaust- Gedenken sowie interkultureller und interreligiöser Dialog so lautet der Titel dieser Sektion. Damit ist ein Themenkomplex angesprochen, der gemeinhin mit dem Begriff Menschenrechtserziehung beschrieben wird. Der Veranstaltungstitel formuliert einen Anspruch an die gesamte Gesellschaft, an die Medien, die Familien, an das Bildungssystem von den Kindergärten bis hin zu den Universitäten. Eine besondere Rolle im Bereich der Menschenrechtserziehung spielt dabei die Schule, denn sie ist in allen europäischen Ländern der Ort, den alle Kinder und Jugendliche durchlaufen müssen. Deshalb möchte ich ins Zentrum meiner einführenden Bemerkungen die Fragen stellen: Welche Rolle können oder sollten unsere Schulen bei der Menschenrechtserziehung spielen? Und kann Schule nicht nur bei der Stärkung von Normen und Werten, sondern auch beim Aufbau einer Zivilgesellschaft eine wichtige Rolle übernehmen? Natürlich wäre es wünschenswert, wenn Schulen der Toleranzerziehung einen hohen Stellenwert einräumten. In Deutschland gehört dies mit zum Kernauftrag von Schule und ist als solcher in den Schulgesetzen fest geschrieben. Aber die Realität ist nicht nur in Deutschland eine andere. Die Schule als Institution ist mit einem solchen Anspruch häufig überfordert, da neben der Wissensvermittlung zu wenig Raum für diese Anliegen bleibt. Dabei besteht dringender Handlungsbedarf, denn menschenverachtende Einstellungen machen vor den Bildungseinrichtungen nicht halt. Die Herausforderungen können ganz unterschiedlich aussehen. Hier ein paar Beispiele aus Deutschland, die in ähnlicher Weise sicherlich auch aus anderen Regionen Europas berichtet werden können: 1

- Pirna, eine Kleinstadt im Osten Deutschlands. Hier lebt die 15jährige Toni. Ihr Vater stammt aus Mosambik, ihre Mutter aus Deutschland. Von klein auf ist sie auf Grund ihrer Hautfarbe aufgefallen, angestarrt und auch beschimpft worden. Für die Familie stellt sich derzeit die Frage, ob sie die Stadt verlässt oder ob sie den Anfeindungen widersteht. - In einer Schule in Berlin wird ein homosexueller Schüler von andern Schülern über einen längeren Zeitraum gemobbt. Die Schule ist überfordert und empfiehlt dem homosexuellen Schüler schließlich, doch lieber die Schule zu wechseln und gibt damit eine Bankrotterklärung ab. - In Verden, einer Stadt in Norddeutschland, formiert sich eine starke und aktive rechtsextremistische Jugendszene, die unter dem Einfluss der rechtsextremitischen NPD steht. Sie möchte ein Schulungszentrum eröffnen. Sie bedrohen demokratische Schüler, die dagegen protestieren. Es kommt zu Übergriffen. - In Berlin wird eine jüdische Schülerin von MitschülerInnen mit arabischem Hintergrund beschimpft und körperlich attackiert. Das ist kein Einzelfall. Eine Reihe jüdischer Schülerinnen und Schüler haben inzwischen die staatlichen Schulen verlassen und besuchen nun das jüdische Gymnasium, da sie sich nicht länger den Anfeindungen aussetzen wollen. - In anderen Schulen gehören Einstellungen unter Schülerinnen und Schülern wie Die Juden haben zuviel Einfluss auf die Weltpolitik oder Die Juden bestimmen Hollywood zur Normalität. Du Jude gilt als Schimpfwort und wird benutzt, um Mitschüler herabzuwürdigen. - In anderen Schule werden muslimische Schüler ständig darauf angesprochen, dass ihre Religion verantwortlich für Kriege und für Terrorismus sei. Sie werden persönlich dafür haftbar gemacht. Die Folge: Sie fühlen sich von der Mehrheitsgesellschaft zurückgestoßen. Keine Frage, Einstellungen, wie die geschilderten, vergiften das Schulklima und machen den Betroffenen das Leben unerträglich. Und sie können in der Konsequenz den inneren Frieden einer ganzen Gesellschaft empfindlich stören. Wie können Erziehungseinrichtungen adäquat darauf regieren? Ich wurde von den Veranstaltern gebeten, einige Erfahrungen aus der Praxis von Schule ohne Rassismus Schule mit Courage weiterzugeben. Um zu verstehen, warum in Deutschland eine Einrichtung wie Schule ohne Rassismus Schule mit Courage gegründet wurde, ist ein kleiner historischer Rückblick notwendig. Zu Beginn der neunziger Jahre gab es in Deutschland eine Welle rechtsextremistisch motivierter Gewalt, die vor allem auf religiöse, ethnische und soziale Minderheiten zielte. Die Gewalttäter waren in der Mehrzahl Heranwachsende. Auf der anderen Seite gab es viele Kinder und Jugendliche, die mit dieser Entwicklung nicht einverstanden waren und gerne etwas aktiv dagegen unternommen hätten. Gleichzeitig existiert unter Jugendlichen eine Distanz zu gesellschaftlichen Großgruppen wie Parteien, Kirchen oder Gewerkschaften. Dies alles mündete in die Überlegung: Es sollte eine Organisationsform geben, in der Kinder und Jugendliche die Möglichkeit haben, ihren Beitrag zur Verfestigung einer demokratischen Alltagskultur und zur Entwicklung von ethischen Werten und Normen zu leisten, ohne langfristige Bindungen an Organisationen der Erwachsenenwelt 2

eingehen zu müssen. Dies führte 1995 in Deutschland zur Gründung der Initiative Schule ohne Rassismus Schule mit Courage durch die Nichtregierungsorganisation AktionCourage. Was ist Schule ohne Rassismus? Schule ohne Rassismus ist eine europäische Idee, die 1988 von Belgien ausging. Damals überlegten sich Lehrer und Schüler angesichts des Erstarkens des rechtsextremen Flams Block, was sie dagegen unternehmen können. Inzwischen gibt es auch in den Niederlanden, Österreich, Spanien und Italien Schulen ohne Rassismus. In Deutschland heißt das Projekt Schule ohne Rassismus Schule mit Courage. Mit der Ergänzung Schule mit Courage soll verdeutlich werden, dass Schülerinnen und Schüler nicht nur gegen etwas sind, sondern für etwas. Die Organisation bietet Kindern und Jugendlichen einen Rahmen, in dem sie selbstbestimmt und aktiv an der inhaltlichen Ausgestaltung der Menschenrechtserziehung in Deutschland teilnehmen können. Wir halten in Deutschland aus historischen Gründen an dem Titel Schule ohne Rassismus fest. In der praktischen Arbeit wendet sich Schule ohne Rassismus Schule mit Courage allerdings gegen alle Formen der Diskriminierung: Also gegen Diskriminierung auf Grund der ehtnischen, religiösen und sozialen Zugehörigkeit, des Geschlechts und der sexuellen Orientierung. Wir orientieren uns dabei an den europäischen Nichtdiskriminierungsrichtlinien. Eine Reduzierung zum Beispiel nur auf den Bereich Rassismus oder Antisemitismus halten wir für problematisch, da Diskriminierungstatbestände in der Regel nicht isoliert voneinander auftreten, sondern als Syndrom; das heißt sie sind Ausdruck für eine Haltung, die von der Ungleichwertigkeit von Menschen ausgeht und diese Haltung umfaßt meist mehrere Diskriminierungstatbestände. Darüberhinaus gilt: Betroffene von Diskriminierung können im nächsten Moment selbst diskriminieren. Zum Beispiel können Homosexuelle, Frauen oder Migranten, die Opfer von Diskriminierung werden, gleichzeitig antisemitische Positionen vertreten. Diese Erkenntnis führt uns bei Schule ohne Rassismus Schule mit Courage dazu, Schüler für die vielfältigen Formen der Diskriminierung zu sensibilisieren. Ziel des Projektes ist es, den Alltag an Schulen so zu verändern, dass diese von einem Klima der gegenseitigen Achtung und der Anerkennung individueller Eigenheiten geprägt ist, gepaart mit der gemeinsamen Suche nach verbindenden Normen. Das lässt sich nicht allein über ministerielle Vorgaben oder Lehrpläne von oben verordnen, sondern nur erreichen, wenn eine Haltung erlebbar wird, die von möglichst viele Akteuren, die sich an einer Schule aufhalten also Lehrer, Schüler, aber auch technisches Personal -, geteilt wird. Die größte Aussicht auf Erfolg besteht dann, wenn es gelingt, das Profil einer ganzen Schule in diese Richtung zu verändern. Nichts Geringeres versucht Schule ohne Rassismus Schule mit Courage in Deutschland. Derzeit ist Schule ohne Rassismus Schule mit Courage in Deutschland ein Netzwerk von 350 Schulen, die von rund 300.000 Schülern besucht werden. 3

Eine Schule darf sich Schule ohne Rassismus Schule mit Courage nennen, wenn mindestens 70 Prozent der Schüler, der Lehrer und des technisches Personals mit ihrer Unterschrift erklären, dass sie - Erstens: sich dafür einsetzen, dass es zu einer zentralen Aufgabe ihrer Schule wird, nachhaltige Projekte, Aktivitäten und Initiativen zu entwickeln, um Diskriminierung aller Art zu überwinden. - Zweitens: sich aktiv dagegen wenden, wenn an ihrer Schule Gewalt, diskriminierende Äußerungen oder Handlungen ausgeübt werden und bei auftretenden Problemen gemeinsam nach Wegen zu suchen, künftig einander zu achten. - Drittens: sich dafür einsetzen, mindestens einmal pro Jahr Projekte zum Thema Diskriminierung durchzuführen. Bekommt eine Schule den Titel Schule ohne Rassismus Schule mit Courage ist dies kein Preis für bereits geleistete beispielhafte Projekte, sondern eine Selbstverpflichtung in die Zukunft. Schule ohne Rassismus Schule mit Courage schreibt kein verbindendes Curriculum vor. Schule ohne Rassismus Schule mit Courage ist eine Initiative von unten. Die Botschaft an die Kinder und Jugendlichen ist: Greift Themen im Bereich der Verteidigung von Menschenrechten, die Euch persönlich interessieren, auf und entwickelt eigene Vorschläge für entsprechende Aktivitäten. Welche Aktivitäten die Schülerinnen für sich in der Praxis wählen, möchte ich am Thema Holocaust-Gedenken beispielhaft darstellen: Die Vermittlung von Wissen und Informationen über den Holocaust gehört in Deutschland an den Schulen zum Standard. Allerdings stellt sich dabei sehr schnell die Frage: Wie weit kommt man mit reiner Wissensvermittlung und was und wie viel bringt das? Denn Wissen und Informationen alleine reichen natürlich nicht aus, um Haltungen zu ändern. Von vielen Schulen werden deshalb Zeitzeugengespräche, sowie Treffen mit Holocaustüberlebenden organisiert. Das berührt Schülerinnen und Schüler unmittelbar und schafft bei ihnen eine hohe Motivation, sich mit historischen Zusammenhängen auseinanderzusetzen. Daneben stehen Besuche von ehemaligen Konzentrationslagern und Gedenkstätten. Sehr nützlich und wichtig erscheinen regionale Ansätze. So haben Schüler einer Schule nahe Saarbrücken im Westen Deutschlands zum Beispiel eine Ausstellung über das ehemalige Gestapo-Lager ausgearbeitet und diese um aktuelle Informationen über die lokale rechtsextreme Szene ergänzt. Eine Grundschule in Dortmund hat sich mit der Frage beschäftigt, welches Schicksal die jüdischen Schülerinnen und Schüler ihrer Schule zwischen 1933 und 1945 erlitten haben. Sie erstellten ebenfalls eine Ausstellung, anschließend haben die Schüler die Pflege des historischen jüdischen Friedhofes übernommen. Solche Aktivitäten schaffen einen persönlichen Bezug zwischen der Geschichte und den Kindern. 4

Gestatten Sie mir noch eine Bemerkung zum Schluss: Derzeit gibt es das Projekt Schule ohne Rassismus bereits in Belgien, den Niederlanden, Österreich, Spanien und Deutschland. Initiativgruppe gibt es darüber hinaus in Frankreich, Italien, auch in Polen gibt es Interesse an dem Projekt. Mein Wunsch ist es, dass die Idee, die in Belgien seinen Ausgang genommen wird, zu einer europäischen Initiative weiterentwickelt und einen wichtigen Beitrag zur Toleranz- und Demokratieentwicklung leistet. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit 5