Geisteswissenschaft Stefan Erminger Auftragstaktik - Eine militärische Führungskonzeption in der Entwicklung deutscher Militärgeschichte vom 18. Jahrhundert bis in unsere Zeit Wissenschaftlicher Aufsatz
Auftragstaktik Eine militärische Führungskonzeption in der Entwicklung deutscher Militärgeschichte vom 18. Jahrhundert bis in unsere Zeit
Auftragstaktik Gliederung Einleitung Seite 3 I. Vorläufer taktischer Vorschriften Seite 3 II. Probleme der Generalstabschefs Seite 6 III. Neue Vorschriften Seite 7 IV. Einheitliches Denken Seite 8 V. Perfektionierte und zentralisierte Führung Seite 10 VI. Neuer Begriff:»Auftragstaktik«Seite 11 VII.»Verteidigung«in der T.F. 1933 Seite 14 VIII. Kriegsgeschichtliche Beispiel aus dem Russlandfeldzug Seite 16 IX. Wieder zentralisierte Befehlstaktik Seite 19 Literaturnachweis Seite 21 2
Einleitung Führen im Gefecht kann bedeuten: Führen durch Kommando, also mit vorgeschriebenen Wortlaut, das ein bis in die Körperhaltung festgelegtes, langfristig einexerziertes Verhalten auslöst und aufgrund der Einheitlichkeit der Bewegungen leicht kontrollierbar ist. In seiner reinsten Form wurde dieses Führungsverhalten im Marsch und beim Chargieren, dem drillmäßigen Feuerkampf zur Zeit der Lineartaktik angewandt, das Kommando war häufig reduziert auf ein Trommelsignal. Führen im Gefecht kann bedeuten: Führen durch Befehl, also durch Anweisung mit freiem Wortlaut, aber gerichtet auf exakte Koordinierung von Bewegungen und Feuer. Wie beim Führen durch Kommando liegt die Verantwortung beim Befehlenden, für Eigeninitiative ist wenig Raum, Ziel und Weg zum Ziel werden dem Ausführenden befohlen. Dieses Verfahren ist unumgänglich, solange Linien gehalten werden müssen, seine hohe Zeit liegt im Stellungskrieg des Ersten Weltkrieges. Führen im Gefecht kann bedeuten: Führen durch Auftrag. In diesem Fall wird ein Ziel benannt, die Mittel zu seiner Erreichung zugewiesen, der Weg zum Verwirklichen jedoch dem Ausführenden überlassen. Diese Verfahren verlangt weitgehende Freiheit von Rücksichtnahmen auf Nachbarn, es wird am ehesten bei Handstreichen und im Angriff angewandt. Für die Zeit des Dreißigjährigen Kriegs legt Schiller bei der Wiedergabe einer Auseinandersetzung mit dem Vertreter des Kaisers dem Heerführer Wallenstein die Worte in den Mund: Nur auf Bedingung nahm ich dies Kommando. Und gleich die erste war, dass mir zum Nachteil Kein Menschenkind, auch selbst der Kaiser nicht, Bei der Armee zu sagen haben sollte. Wenn für den Ausgang ich mit meiner Ehre Und meinem Kopf soll halten, muss ich Herr Darüber sein. Was macht diesen Gustav Unwiderstehlich, unbesiegt auf Erden? Dies: dass der König war in seinem Heer 1. In diesen Worten kommt das Prinzip einer Koppelung der Freiheit zum Entschluss mit voller Verantwortung für die Folgen plastisch zum Ausdruck. Als Führungsverfahren stand es Gegensatz zur Führung durch Kommando im Zeitalter der Lineartaktik. Im 18.. Jahrhundert wurde es daher lediglich als Ausnahme beim Einsatz detachierter, das heißt: abgesetzt von den Hauptkräften abgesetzte Teilkräfte angewandt. Derartige Gefechtsverbände ( Detachements ) waren vom Führer der Hauptkräfte nicht durch Kommando oder Befehl zu führen, sie operierten selbständig gegen feindliche Versorgungslinien im Hinterland, lediglich an allgemeine Direktiven gebunden. I. Vorläufer taktischer Vorschriften Der Zwang, zunehmend Teilaufgaben auf nachgeordneten Führer zu delegieren, führte in Preußen und Österreich um die Mitte des 18. Jahrhunderts zur Herausgabe von Instruktionen an die Generale, die als Vorläufer taktischer Vorschriften bezeichnet werden können: Unterricht des König in Preußen an die Generale Dero Armee, o.o. 1761; Generalreglement oder Verhaltungen für die Kayserlich-Königliche Generalität, Wien 1769. Der preußische König Friedrich II. sah in seinen General-Principia vom Kriege für die Führer von Korps mit selbständigem Kampfauftrag generale instructiones vor 2. Aufträge ohne einengende Bedingungen, deren Verwirklichung dem pflichtgemäßen Ermessen der Führer anvertraut 1 Die Piccolomini, 2. Aufzug, 7. Auftritt. 2 Friedrich d. Große, S. 25f. 3