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Predigt am 1.n.Tr. 29.5.16 1.Joh 4,16b -21 Gott ist Liebe; und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm. Darin ist die Liebe bei uns vollkommen, dass wir Zuversicht haben am Tag des Gerichts; denn wie er ist, so sind auch wir in dieser Welt. Furcht ist nicht in der Liebe, sondern die vollkommene Liebe treibt die Furcht aus; denn die Furcht rechnet mit Strafe. Wer sich aber fürchtet, der ist nicht vollkommen in der Liebe. Lasst uns lieben, denn er hat uns zuerst geliebt. Wenn jemand spricht: Ich liebe Gott, und hasst seinen Bruder, der ist ein Lügner. Denn wer seinen Bruder nicht liebt, den er sieht, der kann nicht Gott lieben, den er nicht sieht. Und dies Gebot haben wir von ihm, dass, wer Gott liebt, dass der auch seinen Bruder liebe. Liebe Gemeinde, Gott ist Liebe! Das ist das feurige Zentrum unseres Glaubens. Martin Luther hat deshalb einmal gesagt: Gott ist ein glühender Backofen voller Liebe, der da von der Erde bis an den Himmel reicht. Er meint damit, was schon vor ihm der Apostel Johannes gemeint und geschrieben hat: 1

Gott ist in sich leuchtende, glühende, wärmende und Leben stiftende Liebe! Diese Liebe ist nicht etwas, was zu Gott hinzu käme, nichts was er sich gelegentlich zulegt und darum auch wieder ablegen könnte. Die Liebe ist keine Tugend, keine Eigenschaft Gottes. Sie ist sein Wesen. Sie richtet sich in besonderer Weise auf uns, auf dich und mich. Darum gilt: Du bist ob Du es weißt oder nicht, ob Du es fühlst oder nicht, ob Du meinst es zu verdienen oder nicht, ob Du gerade gut drauf bist oder völlig neben der Spur Du bist von Gott geliebt. Du bist in seinem Herzen. Du bist von ihm umsorgt und umgeben, getragen und erhalten, begabt und gesendet, und das aus einem einzigen Grund: weil er Dich liebt. Beim griechischen Philosophen Platon heißt es einmal, dass sich die Liebe immer auf etwas richtet, was durch seine Liebenswürdigkeit anziehend ist. Etwas ist attraktiv und liebenswert, und dann lieben wir es. Bei Gottes Liebe ist es anders, und anscheinend haben wir ein Leben lang damit zu tun, das nach zu buchstabieren: Gottes Liebe findet das Liebenswürdige nicht vor, sondern schafft es allererst. 2

Gott liebt uns nicht, weil wir so schön sind. Sondern wir werden schön, weil er uns liebt. Liebe macht schön! Darum seid Ihr, liebe Gemeinde, eine schöne Gemeinde, weil ihr eine von Gott geliebte Gemeinde seid! Was ist dann aber Liebe auf unserer Seite? Wenn es heißt, wir sollten nun auch lieben, weil uns der liebende Gott mit Liebe zuvorgekommen ist, dann denken wir natürlich zuerst: Jetzt sind wir an der Reihe. Jetzt sollen wir auch so lieben, wenigstens ansatzweise, wie wir es bei Gott sehen. Es geht jetzt um unsere Liebestaten. Das ist nicht ganz falsch, aber voreilig. Die Bibel unterscheidet nämlich zwei Weisen der Liebe: die schenkende und die empfangende Liebe. Die schenkende Liebe ist die starke Liebe, die sich für andere hingibt und einsetzt. Die empfangende Liebe ist eine Tochter der Armut. Sie ist bedürftig und angewiesen auf das Schenken des anderen. Unsere Liebe ist zunächst und wohl auch auf Dauer empfangende Liebe. Wir sind der Liebe Gottes bedürftig. Wir bleiben dieser Liebe bedürftig. Wir wachsen niemals darüber hinaus. Und das ist gut und genug. Käme nicht mehr aus unserem Leben heraus als dieses, dass wir der Liebe Gottes bedürftig gewesen wären und uns ihr in empfangender Liebe entge- 3

gengestreckt hätten, so wäre es schon gut, schon genug, schon ausreichend. Gottes bedürftig zu sein und zu bleiben, ehrt Gott und gibt ihm Raum zu sein, was er ist: schenkende Liebe ohne Maßen. Und nur ein dummdreistes Geschöpf könnte sich vor den Schöpfer stellen und behaupten: Ich bedarf deiner nicht. Darum geht es heute: Komm zum lebendigen Gott! Tritt wieder ein in das Haus seiner Liebe! Werde wieder das, was du von der Taufe her bist: ein geliebtes Kind Gottes! Doch dann wird es spannend mit dem, was Johannes noch sagt: Diese Liebe Gottes hat Folgen. Und zwar zwei Folgen, eine innere und eine äußere Folge: Die innere Folge ist Zuversicht. Die äußere Folge ist Liebe untereinander zu den Schwestern und Brüdern. Johannes denkt sich das so: Gottes Wesen färbt auf uns ab. Wer sich in Gottes Nähe aufhält, verändert sich: Da wächst innere Stärke, Gewissheit und Zuversicht. Da wächst die Fähigkeit andere zu lieben, hingebungsvoll und auch zum Opfer bereit. Das ist alles auch ziemlich kunstvoll gesagt. Denn Johannes spricht nicht nur von dem, was sich tut, sondern auch von dem, was sich nicht tun soll: Der Zuversicht widerspräche die Furcht. Der Liebe widerstritte der Hass. 4

Und genau das soll nicht sein: Furcht statt Zuversicht, Hass statt Liebe. Und das kann Johannes auch begründen: Wenn Gott uns so liebt und alle Nötige tat, warum sollten wir uns vor dem letzten Urteil dann noch fürchten? Das wäre doch wieder nur unser altes Misstrauen, das Gott nicht über den Weg traut. Wenn Gott uns so liebt, wie könnten wir dann den anderen hassen? Wer aber behauptet, Gott zu lieben, den er nicht sieht, aber seinen Bruder hasst, den er sieht, der ist ein Lügner. Das geht nicht zusammen. Liebe Gemeinde, im Grunde wissen wir das. Wir wissen es, und wenn wir ein bisschen länger im Glauben unterwegs waren, leiden wir daran: Warum nur spielt mein Herz, mein Gewissen, mein Gefühl mir immer wieder Streiche und traut der Liebe Gottes nicht über den Weg? Und wie kommt es, dass Gottes zuvorkommende und mitfühlende Liebe so wenig auf mich abfärbt? Wir wissen doch: Das sollte eigentlich ganz anders sein. Wenn wir dann solche Worte hören, dann wird es gefährlich: Denn dann könnte es passieren, dass wir uns immer mehr in uns selbst verdrehen. Beispiel: Wir sollen uns doch nicht fürchten. Wer sich fürchtet, beweist also nur, dass die Liebe in ihm noch nicht ganz angekommen ist. Also: Fürchten soll ich mich nicht, fürchte ich mich doch, ist etwas mit mir grundverkehrt, darum muss ich mich vor meiner Furcht fürchten und fürchte mich umso mehr. 5

Und was ist das Ergebnis: Ich kreise nur noch um mich selbst. Oder: Wir sollen doch den anderen lieben. Nun gut, mit den Netten geht es ja noch einigermaßen, aber warum gibt es so viele Nervige? Aber ich soll sie doch lieben, sonst bin ich am Ende ein Lügner. Also quetsche ich so viel angestrengtes Lieben aus mir heraus wie nur möglich. Aber dann erwische ich mich doch dabei, schlecht zu denken, hinter dem Rücken zu reden, spitze Kommentare abzuschießen und mich keinen Deut um die Not des andern zu scheren. Und was ist das Ergebnis: Ich kreise nur noch um mich selbst. So geht es also nicht. Was aber geht dann? Es geht nur eines: zurück zum lebendigen Gott. Es geht nur so: weg von mir selbst. Weg von dem Versuch, Gott gute Gründe zu liefern, warum er mich doch lieben müsste. Hör auf damit! Weg von dem Versuch, in mir warme und gewisse Gefühle zu erzeugen. Hör damit auf! Weg von dem Versuch, aus eigener Kraft alle, alle zu lieben. Hör auf damit! Zurück zu Gott selbst, das ist die Devise. Gott ist Liebe, du bist es nicht! Gott ist Gewissheit, du bist es nicht. Gott ist Kraft zum Lieben, Erbarmen, Mitfühlen, du bist es nicht. Wie also kommen wir weg aus dieser Drehung um uns selbst? Durch Umkehr, liebe Gemeinde, durch Umkehr, altdeutsch Buße. 6

Umkehr, das heißt: Ich bekenne meine Lieblosigkeit dem Bruder gegenüber, ich räume mein notorisches Misstrauen Gott gegenüber ein und wende mich ab von mir, hin zu Gott selbst. Gottes Wesen ist und bleibt Liebe. Erstaunlich genug! Es war gestern so, ist heute so, und wird morgen so sein. Darum kann es im Blick auf mein gestern heute und morgen nur heißen: Umkehr, Freude der Buße. Ich darf mich abkehren von meinem Versagen. Ich darf mich wegwenden von meinem Misstrauen. Ich muss meinen Gefühlen nicht trauen. Hin zum Vater, zum Sohn, zum Hl.Geist! Dann erst kann zum Schluss auch recht davon geredet werden, dass unter uns Zuversicht und Liebe gedeihen. Sie gedeihen nicht, indem wir an unseren Gefühlen herumschrauben und uns ein bisschen mehr Mühe geben. Sie gedeihen, wo wir uns selbst vergessen und ganz auf den lebendigen Gott ausgerichtet sind. Wer liebt, sieht und sieht nicht. Er sieht den anderen, er sieht die unausgesprochene Bitte und die ausgestreckte Hand des anderen. Er sieht die bittende Seele derer, die am Wegesrand sind. Und er sieht sich selbst nicht. Es ist wie mit dem gesunden Auge: Es sieht sich selbst nicht, aber es sieht den anderen. Wir haben es heute gehört, wie solche Liebe aussieht: 7

Sie sieht den armen Lazarus, der vor der eigenen Haustür liegt. Sie geht nicht kalt an der Not des anderen vorüber. Sie lässt sich berühren. Sie empfindet die Not des anderen wie eine eigene. Sie packt zu und tut, was nötig ist. Sie opfert die eigene Bequemlichkeit. Sie ehrt den Armen. Sie gehorcht dem Gebot. Denn auch und gerade für den Lazarus gilt ja: Gott ist Liebe. Je mehr wir wachsen, umso wichtiger wird es, dass wir sehen lernen und nicht übersehen. Die Liebe, von der Johannes spricht, kennt viele kleine alltägliche Tätigkeiten: Sie hört zu. Sie schaut hin. Sie sieht die Trauer. Sie erkennt den müden, erschöpften Blick. Sie weiß um den Geburtstag. Sie erinnert sich an den Todestag des Mannes einer Witwe. Sie denkt an die Examensprüfung und fragt nach. Sie repariert die Lampe. Sie streicht die Wohnung mit an. Sie übernimmt den kleinen Fahrdienst. Sie macht mit bei der ehrenamtlichen Hilfe für Flüchtlinge. Sie geht dem nach, der länger nicht mehr da war. Sie wird verlässlich. Sie nimmt sich ein Herz und spricht an, was ihr auffällt, wenn jemand vom Weg abkommt. Sie spricht jemanden auf seine Gabe an. Sie versucht, zu verbinden, was sich trennen will. Sie tut das alles ohne Hintergedanken. Es geschieht, weil ein Mensch zum lebendigen Gott fand. 8

Das ist es, was uns heute gesagt wird: Als Gemeinde Jesus Christi möchten wir ihm folgen. Wir sehnen uns danach, dass Menschen hier Zuversicht und Liebe finden. Wir merken nur zu oft, wie unser Herz Streiche spielt. Und wir sind tief verstrickt in unsere Beziehungsnöte, da kann diese nicht mit jener und jener wieder nicht mit diesem. Wir wissen das und es ist gefährlich. Es ist kein harmloses Unterfangen, solche Worte zu hören, auszulegen und zu bedenken. Geht es um Gottes Liebe, dann wird sein Wesen abfärben auf uns. Nicht irgendein schwammiges Liebesgefühl, nicht eine großzügige Gleichgültigkeit, die jeden so lässt wie er ist. Nicht eine Liebe als Forderung an den je anderen. Sondern eben Liebe nach Gottes Art: voller Hingabe, Mitgefühl, bereit zu vergeben, bereit Opfer zu bringen, bereit zu Neuem herauszufordern, bereit zuzupacken. Das alles nicht als unsere Leistung und unser Werk, sondern geboren aus Gott, dessen Wesen Liebe ist. Martin Luther hat Recht: Gott ist ein glühender Backofen voller Liebe, der da von der Erde bis an den Himmel reicht. Das soll unser Trost und unsere Hoffnung sein! Amen. 9