Stellungnahme des Deutschen Anwaltvereins durch den Ausschuss Verfassungsrecht

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Transkript:

Stellungnahme des Deutschen Anwaltvereins durch den Ausschuss Verfassungsrecht zu der Verfassungsbeschwerde der ehemaligen Rechtsanwältin J. (1 BvR 1815/12) Stellungnahme Nr.: 14/2014 Berlin, im März 2014 Mitglieder des Ausschusses - Rechtsanwalt Prof. Dr. Thomas Mayen, Bonn (Vorsitzender) - Rechtsanwältin und Notarin Mechtild Düsing, Münster - Rechtsanwalt Roland Gerold, München - Rechtsanwalt Dr. Rainard Menke, Stuttgart - Rechtsanwalt Stefan von Raumer, Berlin - Rechtsanwalt Prof. Dr. Frank Rottmann, Leipzig - Rechtsanwalt Dr. Sebastian Schmuck, Leipzig - Rechtsanwältin Dr. Inga Schwertner, Köln - Rechtsanwältin Dr. Birgit Spießhofer, Berlin - Rechtsanwalt Dr. Thomas Schröer, Frankfurt am Main (Berichterstatter) - Rechtsanwalt Prof. Dr. Christian Winterhoff, Hamburg - Rechtsanwältin Dr. Antje Wittmann, Münster Deutscher Anwaltverein Littenstraße 11, 10179 Berlin Tel.: +49 30 726152-0 Fax: +49 30 726152-190 E-Mail: dav@anwaltverein.de Zuständig in der DAV-Geschäftsführung - Rechtsanwalt Dr. Nicolas Lührig, Berlin Büro Brüssel Rue Joseph II 40 1000 Brüssel, Belgien Tel.: +32 2 28028-12 Fax: +32 2 28028-13 E-Mail: bruessel@eu.anwaltverein.de Transparenz-Registernummer: 87980341522-66 www.anwaltverein.de

- 2 - Verteiler - Bundesverfassungsgericht - An die Mitglieder des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz des Deutschen Bundestages - Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz - An die Justizministerien und Justizverwaltungen der Bundesländer der Bundesrepublik Deutschland - Bundesrechtsanwaltskammer - An die Mitglieder des Vorstandes des Deutschen Anwaltvereins - An die Vorsitzenden der Landesverbände des Deutschen Anwaltvereins - An die Vorsitzenden der Gesetzgebungsausschüsse des Deutschen Anwaltvereins - Forum Junge Anwaltschaft - Redaktion NJW

- 3 - Der Deutsche Anwaltverein (DAV) ist der freiwillige Zusammenschluss der deutschen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte. Der DAV mit derzeit ca. 67.000 Mitgliedern vertritt die Interessen der deutschen Anwaltschaft auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene. I. Vorbemerkung In der vorliegenden Verfassungsbeschwerde geht es im Wesentlichen um die Verfassungsmäßigkeit der 3, 5 und 6 Abs. 3 FAO hinsichtlich der Frage, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen eine früher erworbene Fachanwaltsbezeichnung im Falle der erneuten Zulassung zur Rechtsanwaltschaft ohne erneuten Nachweis der besonderen theoretischen Kenntnisse und praktischen Erfahrungen wieder verliehen werden muss. Diese Konstellation ist bislang weder in der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) noch in der Fachanwaltsordnung (FAO) ausdrücklich geregelt. Im zugrunde liegenden Fall hatte die Rechtsanwaltskammer Hamm auf vorsorgliche Anfrage der Beschwerdeführerin mitgeteilt, dass ihr im Falle ihrer erneuten Zulassung zur Rechtsanwaltschaft eine zu beantragende Fachanwaltsbezeichnung nur dann wieder verliehen werden könne, wenn seit Erwerb der besonderen theoretischen Kenntnisse eine durchgehende Erfüllung der jährlichen Fortbildungsverpflichtung nach 15 FAO nachgewiesen werde. Darüber hinaus sei im Antragszeitpunkt eine neue Fallliste gemäß 5 FAO beizubringen, d.h. der Nachweis der besonderen praktischen Erfahrungen sei im Falle der Wiederzulassung ein zweites Mal vollständig neu zu erbringen. Der Verfassungsrechtsausschuss des DAV hält diese Auslegung der einschlägigen berufsrechtlichen Regelungen wegen Verstoßes gegen Art. 12 GG und Art. 3 GG für verfassungswidrig und die Verfassungsbeschwerde damit für umfassend begründet. Die Rechtsanwaltskammer hätte die geforderte Zusicherung einer erneuten Verleihung der Fachanwaltsbezeichnung im Falle der Wiederzulassung erteilen müssen, sofern sich die Beschwerdeführerin während der Zeit des Ruhens ihrer Zulassung entsprechend 15 FAO jährlich fortgebildet hat, weil die Forderung der Vorlage eines erneuten Nachweises der besonderen praktischen Erfahrungen anhand einer neuen Fallliste verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigen ist.

- 4 - Im Einzelnen: II. Sachverhalt Die Beschwerdeführerin war Rechtsanwältin. Ihr wurde am 14.07.2009 die widerrufliche Berechtigung zuerkannt, die Bezeichnung Fachanwältin für Verwaltungsrecht zu führen. Anlässlich eines mit dem Anwaltsberuf unvereinbaren Wechsels in den öffentlichen Dienst widerrif die zuständige Rechtsanwaltskammer auf Antrag der Beschwerdeführerin mit Bescheid vom 30.03.2010 die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft. Die von der Beschwerdeführerin mit ihrem Antrag auf Widerruf der Anwaltszulassung begehrte Zusicherung der Kammer, bei erneuter Zulassung zur Rechtsanwaltschaft auch die verliehene Fachanwaltsbezeichnung wieder führen zu dürfen, sofern sie weiterhin ihrer jährlichen Fortbildungsverpflichtung nach 15 FAO nachgekommen sei, lehnte die Kammer ab. Die Kammer begründete ihre Entscheidung damit, dass die Beschwerdeführerin bei erneuter Zulassung zur Anwaltschaft auch einen neuen Antrag auf Verleihung der Fachanwaltsbezeichnung stellen müsse. Diesem Antrag könne dann nur entsprochen werden, wenn die Beschwerdeführerin über den Nachweis der Erfüllung der jährlichen Fortbildungsverpflichtung nach 15 FAO hinaus im Antragszeitpunkt die besonderen praktischen Erfahrungen anhand einer neuen Fallliste entsprechend den Anforderungen des 5 FAO nachweise. Die Klage der Beschwerdeführerin blieb vor dem AGH und dem BGH ohne Erfolg. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügt sie die Verletzung ihrer Grundrechte aus Art. 12 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG.

- 5 - III. Stellungnahme 1. Art. 12 Abs. 1 GG a) Eingriff in Freiheit der Berufsausübung Die Vorschriften über die Voraussetzungen für den Erwerb, das Führen und den Verlust einer Fachanwaltsbezeichnung regeln die Berufsausübung und fallen damit in den Schutzbereich der von Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Berufsfreiheit (BVerfG, Beschl. v. 13.5.1981 1 BvR 610/77 u.a. BVerfGE 57, 121 [130]). Es handelt sich um eine Frage der Berufsausübung, da es keinen gesonderten Beruf des Fachanwalts gibt. Als zugelassener Rechtsanwalt darf ein Fachanwalt auch in fachfremden Rechtsgebieten uneingeschränkt anwaltlich tätig sein. Der hier bei Aufgabe der Anwaltszulassung (faktisch) mit erfolgte Widerruf der Fachanwaltsbezeichnung, die der Beschwerdeführerin verliehen worden war, greift in die Freiheit der Berufsausübung ein. Ein Rechtsanwalt könnte hierdurch von einem Berufswechsel abgehalten werden. Dies gilt insbesondere auch bei befristeten Tätigkeiten, die mit dem Anwaltsberuf unvereinbar sind (z. B. Richter am Bundesverfassungsgericht), nach deren Abschluss aber eine Wiederaufnahme der Anwaltstätigkeit zu erwarten ist. Der Schutzbereich von Art. 12 Abs. 1 GG erfasst auch den Berufswechsel (BVerfG, Urt. v. 8.2.1977 1 BvF 1/76 u.a. BVerfGE 43, 291 [363]; Beschl. v. 3.11.1982 1 BvR 900/78 BVerfGE 62, 117 [146]). Eine Perpetuierung dieses Grundrechtseingriffs erfolgt, wenn die Wiederzulassung als Fachanwalt davon abhängig gemacht wird, dass nicht nur eine regelmäßige Fortbildung, sondern auch der Erwerb besonderer praktischer Erfahrungen in den letzten drei Jahren vor Antragstellung ( 5 FAO) nachgewiesen werden muss.

- 6 - b) Rechtfertigung des Eingriffs Im Zeitpunkt der Aufgabe der Anwaltszulassung durch die Beschwerdeführerin war der mit dem gleichzeitigen Entzug der Fachanwaltsbezeichnung verbundene Eingriff in die Freiheit der Berufsausübung bei isolierter Betrachtung verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden: Nach 17 Abs. 1 Satz 1 BRAO endet mit Erlöschen der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft die Befugnis, die Berufsbezeichnung Rechtsanwalt oder Rechtsanwältin zu führen. Diese Regelung schließt es notwendigerweise ein, dass in diesem Fall auch die Befugnis endet, eine verliehene Fachanwaltsbezeichnung (weiter) zu führen. Es ist zwingend und offensichtlich, dass der Fachanwaltstitel nicht geführt werden kann, sobald und solange keine Anwaltszulassung besteht. Wer kein Rechtsanwalt (mehr) ist, kann auch kein Fachanwalt (mehr) sein. Eine vollständige verfassungsrechtliche Beurteilung der rechtlichen Auswirkungen, die mit einer Aufgabe der Anwaltszulassung und dem damit einhergehenden Verlust der Fachanwaltsbezeichnung verbunden sind, muss allerdings auch die Frage in den Blick nehmen, welches Schicksal eine einmal verliehene Fachanwaltsbezeichnung im Falle der Wiederaufnahme der Anwaltstätigkeit nimmt. Diese Konstellation ist bislang weder in der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) noch in der Fachanwaltsordnung (FAO) ausdrücklich geregelt. Insbesondere enthalten hierzu weder 43c Abs. 4 BRAO noch 25 FAO eine Regelung. Auch die 2 ff. FAO regeln diesen Fall jedenfalls nicht ausdrücklich, sondern formulieren ersichtlich lediglich die Anforderungen, die für den erstmaligen Erwerb einer Fachanwaltsbezeichnung zu erfüllen sind. Die erneute vollständige Anwendung insbesondere der 3, 5 und 6 Abs. 3 FAO für diese Konstellation der erneuten Zulassung einer Rechtsanwältin bzw. eines Rechtsanwalts, der früher auch die Fachanwaltsbezeichnung führen durfte, stellt aus folgenden Gründen einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Freiheit der Berufsausübung dar:

- 7 - Die satzungsrechtlichen Regelungen der Fachanwaltsordnung über den Erwerb und die Beibehaltung einer Fachanwaltsbezeichnung sind davon geprägt, dass zunächst hohe Anforderungen für den (erstmaligen) Erwerb dieser Qualifikation gelten, während die Anforderungen an den Erhalt eines einmal erworbenen Fachanwaltstitels vergleichsweise gering sind. Für den Erwerb der besonderen theoretischen Kenntnisse ist in der Regel der Besuch eines Lehrgangs mit einer Gesamtdauer von 120 Stunden erforderlich. Der erfolgreiche Besuch dieses Lehrgangs muss durch Leistungskontrollen nachgewiesen werden ( 4 Abs. 1 FAO). Darüber hinaus ist der Erwerb der besonderen praktischen Erfahrungen durch die Bearbeitung einer größeren Zahl praktischer Fälle, die in einer detaillierten Fallliste aufgeführt werden müssen, nachzuweisen. Hierfür gelten nach 5 Abs. 1 FAO weitere inhaltliche (persönliche und weisungsfreie Bearbeitung) und zeitliche Vorgaben (im Regelfall innerhalb der letzten drei Jahre vor der Antragstellung), deren Einhaltung von den Kammern in der Gestalt der jeweiligen Fachanwaltsausschüsse streng überwacht wird. In deutlichem Gegensatz zu diesem strengen Anforderungsprofil für die Zulassung zur Fachanwaltschaft wird es einem Rechtsanwalt, dem die Fachanwaltsbezeichnung einmal verliehen worden ist, bei ununterbrochener Aufrechterhaltung seiner Anwaltszulassung verhältnismäßig einfach gemacht, den Fachanwaltstitel zu behalten: Im Regelfall genügt hierzu nach 15 FAO der kalenderjährliche Nachweis, im Fachgebiet an einer Fortbildungsveranstaltung im Umfang von (derzeit) 10 Zeitstunden teilgenommen zu haben. Hierbei finden im Gegensatz zum Zulassungsverfahren keine Leistungskontrollen statt. Es wird also dauerhaft nicht überprüft, ob diese Fortbildungsveranstaltungen jeweils mit Erfolg absolviert worden sind. In Bezug auf die Beibehaltung der besonderen praktischen Erfahrungen findet für das gesamte restliche Berufsleben des einmal zugelassenen Fachanwalts überhaupt keine Kontrolle mehr statt. Der zugelassene Fachanwalt muss keinerlei Falllisten mehr vorlegen, ob er tatsächlich auf Dauer noch im jeweiligen Fachgebiet praktiziert und dort regelmäßig persönlich und weisungsfrei Fälle von

- 8 - relevanter Zahl und Gewicht bearbeitet. Für die Beibehaltung einer einmal erworbenen Fachanwaltsbezeichnung ist es deswegen völlig unbeachtlich, ob und ggf. in welchem Umfang der Rechtsanwalt überhaupt noch in diesem Fachgebiet praktisch tätig ist. Es kann deswegen gut sein und wäre auch berufsrechtlich nicht zu beanstanden, dass ein Fachanwalt in seinem Fachgebiet über Jahre hinweg nur noch in (sehr) geringem Umfang oder auch gar nicht mehr praktisch tätig ist, solange er nur formal seiner jährlichen Fortbildungsverpflichtung nachkommt und dies der Kammer nachweist. Nach Kenntnis des Ausschusses gibt es in der Praxis durchaus solche Fälle von Kollegen, die in ihrem Fachgebiet seit Jahren nicht mehr (relevant) praktisch tätig sind, aber dennoch den Fachanwaltstitel aus welchen Gründen auch immer beibehalten und hierzu der Minimalanforderung des Nachweises einer einmaligen jährlichen Fortbildung von 10 Stunden genügen. Vor diesem Hintergrund der völlig unterschiedlichen Anforderungen an den Erwerb und an die Beibehaltung einer verliehenen Fachanwaltsbezeichnung ist es unverhältnismäßig und damit verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigen, bei einer Unterbrechung der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft für die Wiedererlangung einer früher bereits erworbenen Fachanwaltsbezeichnung über den bloßen Nachweis der Fortbildungsverpflichtung nach 15 FAO hinaus die Vorlage einer neuen Fallliste zu verlangen, wie sie für die erstmalige Verleihung der Fachanwaltsbezeichnung nach 5, 6 Abs. 3 FAO erforderlich ist. c) Kein Ruhen der Fachanwaltsbezeichnung Bei der vorliegenden Konstellation könnten verfassungsgemäße Zustände auch nicht dadurch hergestellt werden, dass ein Widerrufsbescheid hinsichtlich der Gestattung zur Führung der Fachanwaltsbezeichnung nach 49 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG i.v.m. 32 Abs. 1 Satz 1 BRAO unter Beifügung einer auflösenden Bedingung ( 36 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG) des Nachweises der laufenden Erfüllung der Fortbildungsverpflichtung nach 15 FAO im Zeitpunkt der Wiederzulassung zur Rechtsanwaltschaft

- 9 - erlassen wird. Dieser Lösungsansatz wäre nicht mit 17 Abs. 1 BRAO vereinbar, wonach mit dem Erlöschen der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft die Befugnis endet, die Berufsbezeichnung Rechtsanwalt bzw. Rechtsanwältin zu führen. Damit untersteht diese Person nicht mehr der Aufsicht der Rechtsanwaltskammer. Umgekehrt besteht dann auch keinerlei Fortbildungsverpflichtung mehr, die nach 15 FAO der Kammer nachgewiesen werden könnte/müsste. Dies wiederum hat zur Folge, dass bei unterlassener bzw. nicht nachgewiesener Fortbildung (vgl. 15 Abs. 3 FAO) von der Kammer nach Erlöschen der Anwaltszulassung auch nicht nach 43c Abs. 4 Satz 2 BRAO, 25 FAO die Erlaubnis zur Führung der Fachanwaltsbezeichnung widerrufen werden könnte, denn sie besteht zu diesem Zeitpunkt gar nicht mehr. Damit bleibt für diese Konstellation allein die Möglichkeit einer verfassungskonformen Auslegung der 3, 5 und 6 Abs. 3 FAO. Im Ergebnis müsste im Falle der Wiederzulassung als Rechtsanwalt und Beantragung der Wiederverleihung einer früher bereits einmal erworbenen Fachanwaltsbezeichnung ein Rechtsanspruch darauf bereits dann bestehen, wenn der Antragsteller nachweist, dass er sich während der Zeit der Unterbrechung entsprechend den Vorgaben des 15 FAO im jeweiligen Fachgebiet fortgebildet hat. Die Rechtsanwaltskammern müssen von Verfassungs wegen einem solchen Antrag stattgeben, ohne weitere Forderungen zu erheben, wie z.b. die Vorlage einer neuen Fallliste. Allerdings ist eine solche verfassungskonforme Auslegung der 3, 5 und 6 Abs. 3 FAO wegen des eindeutigen Wortlauts dieser Regelungen im Hinblick auf die in 5 Abs. 1 FAO formulierte 3-Jahresfrist allenfalls in Fällen möglich, in denen kein größerer Zeitraum als 3 Jahre zwischen dem Verlust der Anwaltszulassung (und damit auch der Fachanwaltsbezeichnung) und der Wiederzulassung, verbunden mit dem Antrag auf erneute Verleihung der Fachanwaltsbezeichnung, liegt.

- 10 - In allen anderen Fällen, d.h. in Konstellationen, in denen der Antragsteller die Bearbeitung der notwendigen Fälle in dem in 5 FAO vorgesehenen 3-Jahres-Zeitraum oder die dreijährige Zulassung innerhalb der letzten 6 Jahre nach 3 FAO im Zeitpunkt der Wiederzulassung nicht (mehr) nachweisen kann, können die 3, 5 und 6 Abs. 3 FAO nicht verfassungskonform ausgelegt werden und erscheinen daher als verfassungswidrig, weil sie unverhältnismäßig in das Recht der Berufsfreiheit eingreifen. Zumindest insoweit bedarf es zur Herstellung verfassungsmäßiger Zustände einer Neuregelung durch die Satzungsversammlung. Für diese Fälle ist aus Gründen der Verhältnismäßigkeit eine Neuregelung geboten, die ausdrücklich erleichterte Voraussetzungen für die Wiedererteilung einer Fachanwaltsbezeichnung vorsieht, wie vorstehend dargelegt (Antrag und Nachweis der jährlichen Fortbildung während der Unterbrechung). Ohne eine solche Regelung ist der Eingriff in Art. 12 Abs. 1 GG nicht gerechtfertigt. 2. Art. 3 Abs. 1 GG Die Beschwerdeführerin rügt darüber hinaus auch einen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG). a) Ungleichbehandlung Im vorliegenden Zusammenhang sind folgende Vergleichsgruppen verfassungsrechtlich nach Art. 3 GG zu untersuchen: Im Hinblick auf die Beibehaltung bzw. Wiedererlangung der Fachanwaltsbezeichnung besteht eine Ungleichbehandlung zwischen einem zugelassenen Fachanwalt, der bei ununterbrochener Aufrechterhaltung seiner Anwaltszulassung dauerhaft nicht mehr in seinem Spezialgebiet praktisch tätig ist, solange er noch den Fortbildungsnachweis erfüllt. Dieser Rechtsanwalt

- 11 - behält trotz der Aufgabe jeder praktischen Tätigkeit in seinem Fachgebiet die einmal erworbene Fachanwaltszulassung; und einem zugelassenen Fachanwalt, der vorübergehend seine Anwaltszulassung aufgibt, und im Falle der Wiederzulassung nach Auffassung der Rechtsanwaltskammer Hamm über den Nachweis der Fortbildungsverpflichtung hinaus eine vollständig neue und aktuelle Fallliste vorweisen muss. b) Rechtfertigung Diese Ungleichbehandlung ist im Hinblick auf den Sinn und Zweck der Fachanwaltsregelungen sachlich nicht zu rechtfertigen. Hiernach ist für die dauerhafte Beibehaltung einer einmal erworbenen Fachanwaltsbezeichnung allein ausreichend, dass jährlich die Erfüllung der Fortbildungsverpflichtung nach 15 FAO der Kammer nachgewiesen wird. Die Rechtsanwaltskammer dürfte somit selbst dann den Fachanwaltstitel nicht entziehen, wenn sie nachweislich von einer ausschließlich fachfremden Tätigkeit des Fachanwalts erfährt, solange der Fachanwalt seine Fortbildungspflicht formal erfüllt. Für Rechtsanwälte mit erworbener Fachanwaltsqualifikation, die vorübergehend ihre Zulassung aufgegeben haben und dann erneut einen Zulassungsantrag stellen, kann nichts anderes gelten. Auch diesen Anwälten muss auf Antrag die Fachanwaltsbezeichnung erneut verliehen werden, wenn sie sich während der Zeit entsprechend 15 FAO fortgebildet haben und dies nachweisen können. Es gibt keinen sachlichen Grund, der insoweit eine Schlechterstellung dieser Gruppe von Anwälten gegenüber der Gruppe der ununterbrochen zugelassenen Fachanwälte rechtfertigen könnte. Aus Art. 3 Abs. 1 GG ergibt sich nicht, wie diese Ungleichbehandlungen aufzulösen sind. Der Gesetz- bzw. Satzungsgeber

- 12 - ist daher zu einer Neuregelung unter Berücksichtigung von Art. 3 Abs. 1 GG angehalten. IV. Zusammenfassung Die Verfassungsbeschwerde der ehemaligen Rechtsanwältin J. ist umfassend begründet. Der hierzu vorgetragene Sachverhalt zeigt, dass die derzeitigen Regelungen zum Erwerb und Verlust der Fachanwaltsbezeichnung in Bezug auf die Konstellation der Wiederaufnahme einer Anwaltstätigkeit nach einer zeitlichen Unterbrechung nicht vollständig den Anforderungen von Art. 12 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG genügen. Insoweit besteht Handlungsbedarf des Gesetzbzw. Satzungsgebers, denn die einschlägigen Regelungen können nur bedingt verfassungskonform ausgelegt werden. Zumindest für den Fall, dass ein zugelassener Rechtsanwalt mit erworbener Fachanwaltsqualifikation seine Zulassung länger als 3 Jahre unterbricht und/oder die Anforderungen der 3, 5 FAO im Zeitpunkt der Wiederzulassung nicht mehr erfüllen kann, besteht normativer Regelungsbedarf. In der Fachanwaltsordnung ist jedenfalls für diesen Fall ausdrücklich vorzusehen, dass auf Antrag dann auch die Fachanwaltsbezeichnung erneut zu verleihen ist, wenn der Antragsteller für die Zeit der Unterbrechung entsprechend 15 FAO seine jährliche Fortbildung nachweist.