Das Hergisdorfer Ortssiegel

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Transkript:

Das Hergisdorfer Ortssiegel Um die Mitte des vorigen Jahrhunderts war man in einer Reihe von Gemeinden dazu übergegangen, die alten, zum Teil mit Symbolen geschmückten Ortssiegel durch neue Siegel zu ersetzen, die nur den Namen der Gemeinde und allenfalls des Kreises enthielten. Hergisdorf behielt sein, nachweisbar mehr als 100 Jahre im Gebrauch gewesenes, Ortssiegel, das die Inschrift: "Dorfgericht zu Hergisdorf" trug, bis Anfang des 20. Jahrhunderts bei. Dann wurde es ebenfalls durch ein nur mit den Namen der Gemeinde und des Kreises versehenes Ortssiegel ersetzt, das später, als der Nationalsozialismus zur Macht gelangte, noch mit dem Hoheitszeichen ausgestattet wurde. Das Siegel mit der Inschrift: "Dorfgericht zu Hergisdorf" dürfte Anfang des 19. Jahrhunderts eingeführt worden sein. Denn Johann Biering beschreibt Mitte des 18. Jahrhunderts in seiner "Topographia Mansfeldica" (Manuskript im Archiv des Vereins für Geschichte und Altertümer der Grafschaft Mansfeld zu Eisleben) unter Hergisdorf ein anderes Ortssiegel. Er sagt: "Dieser Ort führet im Wappen Lutheri Bildniß, da auf der rechten Seite zu sehen: Lutherus, auf der linken aber das gräflich Mansfeldische Wappen." Die Gründe, die Hergisdorf zur Aufgabe des hier beschriebenen Wappens und Einführung des Siegels mit der Inschrift: "Dorfgericht zu Hergisdorf" veranlassten, sind nicht erkennbar, scheinen sich aber bei der Einführung der preußischen Verwaltung anfang des 19. Jahrhunderts ergeben zu haben. Preußen hatte nach der siegreichen Schlacht bei Leipzig am 16./18. Oktober 1813 seine 1806 verlorenen Länder wieder in Besitz genommen und durch den königlichen Erlass vom 20.4.1815 aus altpreußischen Bezirken und aus den vom Königreich Sachsen abgetretenen Landesteilen die neue preußische Verwaltung geschaffen. Gleichzeitig wurde die Verwaltung der Landgemeinden nach altpreußischem Muster eingeführt. Hierbei wird in Hergisdorf das bisherige Siegel mit dem Bildnis Luthers und der Inschrift: "S. der Gemeinde Hergestorf" durch das Siegel mit der Inschrift "Dorfgericht zu Hergisdorf" ersetzt worden sein. Hergisdorf wollte damit vermutlich seine bisherigen Rechte wahren, da es nur ungern die in seiner Eigenschaft als Marktflecken erlangten Einrichtungen (Ortsrichter, Ratsherren und Gemeindevorsteher) aufgab und namentlich auf das Bestehen des Dorfgerichts großen Wert legte. Schließlich scheint man aber, weil ja auch der Schulze gewisse gerichtliche Befugnisse (Errichtung von Testamenten in Notfällen usw.) hatte, doch darüber hinweg gekommen zu sein. Das neue Ortssiegel findet sich auf Berichten an Behörden und wichtigen Schreiben immer neben der Unterschrift des Schulzen. Das alte, von Johann Biering erwähnte Wappen geriet nun nach und nach in Vergessenheit. Erst Ende des 19. Jahrhunderts machte Prof. Dr. Grössler wieder auf das eigenartige alte Ortssiegel von 1571 aufmerksam. Er schreibt darüber in "Bau- und Kunstdenkmäler des Mansfelder Gebirgskreises" herausgegeben 1893, folgendes: "Man erblickt an der inneren Wand einer der Südseite der Kirche vorgebauten Vorhalle in Stein gehauen das flach erhabene Bildnis Luthers, welcher eine Bibel in der Hand hält, auf welcher die Buchstaben Dr ML stehen, in den oberen Ecken desselben die Jahreszahl 1571 und darunter die Inschrift: S DER GEMEINE HERGESTORF. Aus derselben ergibt sich, die gewiss nirgends oder doch nicht häufig anderswo wiederkehrende Tatsache, dass eine Gemeinde Dr. Martin Luther in ihr Siegel genommen, da der Buchstabe S im Beginn der Inschrift ohne Zweifel eine Abkürzung für das Wort Siegel ist. Warum die Gemeinde den Gottesmann in ihrem Siegel, welches übrigens links Luthers Wappen, rechts das Mansfeldisch Querfurtische neben sich hat, abgebildet hat, lässt sich eben so wenig sagen, wie sich erklären lässt, warum sie das Siegel von 1571 wieder aufgegeben hat."

Dass man das Lutherbildnis in das Ortssiegel aufnahm, wird als ein Zeichen der Verehrung der Persönlichkeit des großen Reformators aufzufassen sein, die Verehrung wurde noch dadurch besonders zum Ausdruck gebracht, dass man das Siegel in der Vorhalle des Kirchenschiffes in Stein hauen ließ. Die Orteinwohner sollten es sich einprägen und für alle Zeiten im Gedächtnis behalten. Luther wurde zum Symbol der kirchlichen Reformation sowie der Wiedererweckung des Deutschtums. Zu seinen Verehrern in Hergisdorf werden in erster Linie der damalige Ortsrichter Spieß sowie die Hüttenmeister der zahlreichen Hüttenfeuer nächst über und unter Hergisdorf gezählt haben. Bei der Feuer- und Bergteilung der Grafen von Mansfeld am 11.2.1536 werden nicht weniger als 10 Erb- und Herrenfeuer in Hergisdorf genannt. Als Hüttenmeister kommen in Frage: Burghard Spieß, Mattis Wolfsbergk, Andreas Knebel oder Knobel, sowie die Blankenberge und ein Mackerodt, letzterer ein Schwager Luthers die, soweit sie nicht selbst in Hergisdorf wohnten, doch von hier stammten, oder deren Sippen in Hergisdorf ansässig waren. Auch der Kanzler der Grafen Volrad und Karl von Mansfeld -Alexander Spiess- wohnte zu jener Zeit in Hergisdorf (Mansf.Bl.1904 S.64). Die Hüttenmeister waren Luther zu besonderem Danke verpflichtet, weil er sie in ihrer Bedrängnis, in die sie durch den Grafen Albrecht wegen ihrer Erb- und Hüttenfeuer geraten waren, nachhaltig unterstützt hatte. Ein neues Ortssiegel wird Hergisdorf in jener Zeit sowieso haben einführen müssen, weil es wahrscheinlich ebenso, wie zahlreiche andere Ortschaften einen Schutzheiligen im Siegel führte und man in den evangelisch gewordenen Ländern allgemein daran ging, die Schutzheiligen aus den Siegeln zu entfernen. An ihre Stelle traten in den Kirchensiegeln vorwiegend Kirchengebäude oder auch Christus selbst, vielfach unter dem altchristlichen Bilde des Lammes mit der Kreuzesfahne u. dergl., in den Ortssiegeln aber politische oder solche Symbole, die auf die Erwerbstätigkeit im Orte hinweisen. Das von Hergisdorf gewählte Symbol ist eigenartig und stellt eine Tat der damals dort lebenden Geschlechter dar. Ob die Kirche, die wahrscheinlich ebenfalls einen Schutzheiligen im Siegel führte, ihr Siegel zu gleicher Zeit wie die politische Gemeinde durch ein anderes Siegel ersetzte, ist anzunehmen. Das hierbei gewählte Symbol wurde aber nicht bekannt. Das später bis Ende des 19. Jahrhunderts geführte Kirchensiegel ist, nach der Schrift zu urteilen, ebenfalls erst im 18. Jabrhundert entstanden. Es lässt unter der Inschrift: "Siegel der Kirche zu Hergisdorf" eine hellstrahlende Sonne erkennen, deren Strahlen nicht nach oben, sondern nur seitwärts und nach unten gerichtet sind, so dass die Strahlen den ganzen unteren Teil des Siegels ausfüllen. Dieses Kirchensiegel wurde anscheinend auf Anregung von Prof. Grössler fallen gelassen und durch das oben beschriebene alte Ortssiegel mit dem Bilde Luthers ersetzt. Die Inschrift: S DER GEMEINE HERGESTORF wurde getreu dem Urbilde übernommen. Und dieses Kirchensiegel ist noch heute im Gebrauch. Es ist also der evangelischen Kirche zu danken, dass sie das eigenartige und wohl auch einzigartige Ortssiegel mit dem Bildnis Luthers schon um die Wende des 20. Jahrhunderts wieder zu Ehren brachte. Es kann aber kein Zweifel darüber bestehen, dass die politische Gemeinde ein Vorrecht auf dieses alte Ortssiegel hat und sie wird auch an diesem alten Ortssiegel mit dem Bildnis Dr. Martin Luthers nicht vorübergehen können, wenn es gilt, ein neues Gemeindewappen zu wählen. Ist es doch das einzige, mit einem Symbol geschmückte, Siegel der Gemeinde Hergisdorf. Es ist das Hergisdorfer Ortssiegel.

Hergisdorfer Siegel