Netzausbau und niederfrequente Elektromagnetische Felder -Relevanz des Themas aus der Sicht eines Gesundheitsamtes-

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Transkript:

Netzausbau und niederfrequente Elektromagnetische Felder -Relevanz des Themas aus der Sicht eines Gesundheitsamtes- Dipl.-Ing. Klaus-Peter Andreas

Hochspannungsnetzausbau Im Zuge der Energiewende ist ein umfangreicher Ausbau des Hochspannungsnetzes nötig 2

Netzbetreiber mit Leitungen in Dortmund Überregionales Übertragungsnetz 380 kv AMPRION Regionales Verteilnetz 110 kv Lokales Verteilnetz 10/0,4 kv Überregionales Bahnstromnetz 110 kv 3

Worin besteht der Unterschied? 380-kV-Mast im Übertragungsnetz, oben zwei Stromkreise mit je drei Leitern 110-kV-Mast im Verteilnetz, 2 Stromkreise mit je 3 Leitern 110-kV-Mast Bahnstrom, 2 Stromkreise mit je 2 Leitern 4

Elektromagnetische Felder an Hochspannungsleitungen Elektrisches Feld E Elektrische Felder entstehen durch die elektrische Spannung, ihre Stärke ist proportional der Höhe der Spannung [V, kv]. Die Stärke des elektrischen Feldes wird gemessen in Volt/Meter [V/m]. Magnetfeld B Magnetfelder entstehen durch fließenden Strom, ihre Stärke ist von der Stromstärke [A] abhängig. Die Stärke (magnetische Induktion) wird gemessen in den Einheiten Tesla [T], Mikrotesla [μt] oder Nanotesla [nt]. 5

Grenzwerte der 26. BImSchV Elektrische Feldstärke: 5 kv/m Magnetische Flussdichte: 100 µt Die Grenzwerte gelten bei Dauerbelastung durch 50 Hz Freileitungen für Gebäude und auf Grundstücken, die nicht nur zum vorübergehenden Aufenthalt von Menschen bestimmt sind. 6

Größenordnungen der elektrischen und magnetischen Feldstärken elektrische Feldstärke magnetische Flußdichte 380 kv-leitung 2 7 kv/m 5 15 µt 220 kv-leitung 1 6 kv/m 5 14 µt 110 kv-leitung 1 2 kv/m 5 20 µt Literaturangaben direkt unter Hochspannungsleitungen je nach Abhängigkeit der Höhe der Hochspannung Unmittelbar unter bestimmten Hochspannungsleitungen kann der Grenzwert der elektrischen Feldstärke überschritten werden. Hauswände und -dächer sowie leitende Materialien schirmen jedoch einen Großteil (etwa 90 %) der elektrischen Felder ab, die von außen einwirken. Der Grenzwert für die magnetische Flußdichte wird unter Hochspannungsleitungen in der Regel nicht erreicht. 7

Einfluß des Abstandes Die elektrischen und magnetischen Felder nehmen mit zunehmendem Abstand von den Hochspannungsleitungen rasch ab. Bei 380 kv-hochspannungsleitungen wurden beispielsweise im Abstand von 20 Metern von der Trassenmitte durchschnittliche magnetische Flussdichten von 1,5 µt gemessen. 8

Grenzwerte in anderen Ländern z.b. Schweiz: Immissionsgrenzwerte vergleichbar mit den deutschen Werten Aber: Einführung einer vorsorglichen Immissionsbegrenzung von 1 µt für einzelne und neue Anlagen 9

Abstandserlaß NRW Gilt für kommunale Planungen, wenn neue Nutzungen in der Nähe von Hochspannungstrassen geplant werden. Schutzabstände zwischen 10 m (bei 110kV-Leitungen) und 40 m (bei 380 kv-leitungen) Diese Abstände basieren auf einen Vorsorgewert von 10 µt! 10

Im Genehmigungsverfahren und in der Aufsicht über bestehende Hochspannungsleitungen haben die Kommunen/Kreise keine Zuständigkeiten. Zur Vermeidung unnötiger Expositionen bei der Erschließung von Baugebieten in der Nähe von bestehenden Hochspannungsfreileitungen haben Sie jedoch die Möglichkeit, möglichst große Abstände zur Wohnbebauung festzulegen. Wichtig: Beteiligung der Gesundheitsämter im Rahmen der Bauleitplanung! 11

Bürger wurden bisher meist vor vollendete Tatsachen gesetzt. Niemand nimmt ihre Sorgen und Ängste ernst. Überlegungen in Dortmund: Umweltamt und Gesundheitsamt erarbeiten sich ein Grundwissen über die Problematik gesundheitlicher und umweltrelevanter Auswirkungen von Hochspannungsfreileitungen um aktiv auf Besorgnisse der Bürger reagieren zu können. 12

einerseits: bestehende Grenzwerte in der 26. BImSchV (Deutsche Strahlenschutzkommission (SSK) kommt nach Bewertung des aktuellen Wissensstandes zu dem Schluss, dass sich derzeit keine ausreichenden Gründe ergeben, die bestehenden Expositionsgrenzwerte in Frage zu stellen. Deshalb werden die bestehenden Grenzwerte bei der derzeit anstehenden Novellierung der 26. BImSchV wohl auch nicht verschärft werden) andererseits: noch offene Fragen in der Bewertung des wissenschaftlichen Kenntnisstandes (z.b. Leukämie bei Kleinkindern) eventuell Einführung eines Vorsorgewertes im Bereich von 1 µt Schlußfolgerung: Anwendung eines zweistufigen Konzeptes: Grenzwerte schützen vor nachgewiesenen Wirkungen. Ergänzend dienen Vorsorgemaßnahmen dazu, auf bestehende Unsicherheiten zu reagieren, um unnötige Expositionen zu vermeiden bzw. zu minimieren. 13

Stadt Dortmund plant die Errichtung von 8 neuen TEK s im Stadtgebiet. Dazu wurden vom Liegenschaftsamt 8 Grundstücke ausgewählt. Eines der Grundstücke liegt in unmittelbarer Nähe einer 110 kv Hochspannungsleitung 14

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Nach den derzeitigen gesetzlichen Regelungen (26. BImSchV und Abstandserlass NRW) ist eine Bebauung des vorgesehenen Grundstücks mit einer Tageseinrichtung für Kinder möglich. Aus Vorsorgegesichtspunkten und um den bestehenden Unsicherheiten gerecht zu werden, sollte allerdings, auch im Hinblick auf die mögliche Einführung eines Vorsorgewertes, eine Minimierung der Exposition gegenüber elektromagnetischen Feldern, insbesondere bei empfindlicher Nutzung, angestrebt werden. Dies zieht demnach einen größeren Abstand zwischen Kita/Kitafreigelände und der vorhandenen Hochspannungsleitung nach sich. 16

Der Plan, auf diesem Grundstück eine TEK zu bauen, wurde verworfen. Ein anderes geeignetes Grundstück mußte gefunden werden. 17

In Dortmund gibt es einige Bürgerinitiativen und Interessengemeinschaften gegen Elektrosmog, die sehr öffentlichkeitswirksam auftreten. 18

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Alzheimer Kinderleukämie Erhöhtes Krebsrisiko etc. Wertverlust der Immobilie Öffentliche Messung 23

Aus Datenschutzgründen wurde das automatische Herunterladen dieses Bilds von PowerPoint gesperrt. Rolle des Gesundheitsamtes Ombudsstelle Dortmund bietet Bürgerinnen und Bürgern mit der Einrichtung der kommunalen Ombudsstelle das Angebot eine neutrale, Informations-, Beratungs- und Kontaktstelle für Bürgerinitiativen und -interessen. 24

Dezember 2011: "Bürgerdialog Hochspannungsfreileitungen" im Dortmunder Rathaus Offenen Fragen konnten an die Netzbetreiber gerichtet werden und zu möglichen gesundheitlichen Auswirkungen konnten Experten befragt werden Netzbetreiber Wissenschaftsladen Bonn LANUV 25

Parallel wurden durch eine gemeinsame Berichtsvorlage des Umwelt- und des Gesundheitsamtes die politischen Gremien sowie die Bezirksvertretungen grundlegend über die Thematik informiert 26

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Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Klaus-Peter Andreas Gesundheitsamt 53/3-1 - Umwelt- und Infektionshygiene Hövelstr. 8 44137 Dortmund Telefon: (0231) 50-2 35 43 Fax : (0231) 50-2 35 92 kandreas@stadtdo.de