VOGEL GRIPPE. Sind wir gerüstet?

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Transkript:

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VOGEL GRIPPE Sind wir gerüstet? V0N CLAUDIA CORNWALL Die rasante Ausbreitung der Vogelgrippe macht weltweit Schlagzeilen und alarmiert die Gesundheitsbehörden. Wie groß ist die Gefahr, dass sich das Virus bis nach Europa ausbreitet? Seit mehr als acht Jahren sucht die Virusvariante Asien heim. Bisher haben sich nur wenige Menschen angesteckt, aber die meisten von ihnen sind daran gestorben. Lesen Sie, was es mit dem Virus auf sich hat, wie es sich verbreiten konnte und wie der neueste Stand der Forschung ist. Zudem geben wir Ihnen Tipps, wie Sie sich richtig verhalten. ILLUSTRIERT VON LINO/AGOODSON.COM 77

RD I NOVEMBER 2005 Was ist die normale Grippe? Die Grippe ist eine hoch ansteckende Erkrankung der Atemwege, die durch Tröpfcheninfektion (Niesen, Anhusten) übertragen wird. Grippeviren werden in A, B und C eingeordnet. Die gefährlichsten sind die A-Viren, die Säugetiere, Vögel, aber auch Menschen befallen. Sie sind in Gruppen unterteilt, die von zwei Proteinen auf der Oberfläche, dem Hämagglutinin (HA) und der Neuraminidase (NA), bestimmt werden. Wissenschaftler haben 16 H- und neun N-Untertypen identifiziert. Es gibt also 114 mögliche Varianten von A-Virusgrippen. Jeden Winter kommt es zu Grippewellen, und von Jahr zu Jahr verändern sie sich stufenweise infolge von Mutation. In manchen Jahren bereitet die neue Variante mehr Probleme als in anderen, und deshalb schwankt die Ansteckungsrate in der Bevölkerung zwischen 5 und 15 Prozent. Vor allem für ältere Menschen und chronisch Kranke kann die Grippe tödlich sein. Die Zahl der Todesopfer reicht weltweit von 250 000 bis 500 000. Für Gesunde ist die übliche Herbst-Winter-Grippe nicht lebensbedrohend. Gegen sie hat der Körper eine Immunität aufgebaut. Aber hin und wieder taucht ein neues A-Virus auf, ein so genannter Antigenwechsel. Gegen dieses Virus ist niemand gefeit, und die Auswirkungen sind verheerend. Tritt eine Infektionskrankheit gehäuft auf, spricht man von einer Epidemie, erfasst die Krankheitswelle ganze Länder und Erdteile, ist es eine Pandemie. Im 78 20. Jahrhundert gab es drei Grippe- Pandemien: die Spanische Grippe 1918, die Asiatische Grippe 1957 und die Hongkong-Grippe 1968. Die Spanische Grippe war bei Weitem die schlimmste. Ihr fielen weltweit 50 Millionen Menschen zum Opfer. Was ist die Vogelgrippe? 1997 tötete diese Grippevariante, die sich als Geflügelpest entpuppte, tausende Hühner und kostete sechs Menschen in Hongkong das Leben. Als Gegenmaßnahme wurden in Hongkong alle 1,5 Millionen Hühner getötet. Damit war zwar die Seuche eingedämmt, aber nicht der Erreger. Im Februar 2003 starb in Hongkong ein Mann an Vogelgrippe. Im Januar 2004 meldeten Südkorea, Japan und Thailand die Ausbreitung der Seuche bei Geflügel. Ende Januar hatten sich 28 Menschen angesteckt. Bis Anfang Februar waren 21 gestorben. Dann verbreitete sich der Erreger nach China, Indonesien, Kambodscha und Laos. Bis März verendeten 120 Millionen Vögel oder wurden getötet. Doch dieser massive Einsatz lohnte sich nicht. Im Juli desselben Jahres traf eine neue -Welle die Geflügelzuchtbetriebe in den meisten der bereits vorher befallenen Länder und in Malaysia. Wieder brachte die Seuche den Tod: Acht von neun infizierten Menschen starben in Thailand. Jüngst wurden aus Russland und Kasachstan Fälle von Geflügelpest gemeldet. Menschen sind nach offiziellen Angaben bisher nicht infiziert worden. Der Sprecher der Weltgesund-

VOGELGRIPPE Neuraminidase (NA) Hämagglutinin (HA) M2 Fettschicht RNA-Genom: acht Stränge Proteinmatrix Typ-A-Grippevirus Untertypen dieser Erreger werden nach ihren HA- und NA-Hüllenproteinen benannt. Bekannt sind 16 H-Untertypen (H1-H16) sowie neun N-Untertypen, jedoch nur drei Kombinationen (H1N1, H1N2, H3N2), die Menschen befallen. Experten befürchten, dass der Untertyp bald hinzukommt ILLUSTRATIONEN VON EMMA SKURNICK, NACHDRUCK MIT GENEHMIGUNG VON AMERICAN SCIENTIST, THE MAGAZINE OF SIGMA XI, THE SCIENTIFIC RESEARCH SOCIETY heitsorganisation WHO in Manila, Peter Cordingley, sagt: Wir wissen bisher sehr wenig darüber, wie die Erkrankten mit dem Erreger infiziert wurden. Normalerweise wird er durch Kot übertragen. Wir nehmen an, dass sie den Kot berührt, dann die Hand zum Mund oder zur Nase geführt und so das Virus eingeatmet haben. Doch im September 2004 starb in Thailand die Mutter eines elfjährigen Mädchens an, nachdem sie sich bei ihrer Tochter angesteckt hatte. Ich hatte Angst, dies könnte der Anfang einer Übertragung von Mensch zu Mensch werden, erklärt Dr. Scott Dowell, ehemaliger Leiter des internationalen Forschungsprogramms zur Entstehung von Infektionen in Thailand. Sollte das Virus mutieren und durch Tröpfcheninfektion leicht übertragbar werden, würde es sich wie ein Lauffeuer ausbreiten. Sonst erkrankte niemand. Das Virus war nicht ansteckungsfähig, sagt Dowell. Der Erreger scheint nur zwischen Vögeln hoch infektiös zu sein. Wieso dann die Besorgnis? Der Leiter des amerikanischen Instituts für Allergien und Infektionskrankheiten, Dr. Anthony S. Fauci, erklärt, wie eine neue Virusvariante entstehen kann: Stellen Sie sich vor, ich wäre mit dem H3N2-Erreger infiziert, der in den letzten drei Jahren grassierte. Ich bekomme die Grippe und bin nicht sehr krank, fühle mich nur schlapp. Aber ich befinde mich in Asien und infiziere mich gleichzeitig mit dem -Virus. Die Viren könnten ihre Bestandteile frei miteinander kombinieren, und möglicherweise entstünde eine Hybride, also eine Variante, die so aggressiv ist wie die der Vogelgrippe und so ansteckend wie H3N2. 79

RD I NOVEMBER 2005 NS1: unwirksames Protein schwaches NS1- Protein NS-Gen nicht ansteckendes Influenzavirus Zelle im Immunsystem des Wirts Botenstoff Cytokin: Gift für Viren zerstörtes Virus Mutation Mithilfe des NS1-Proteins NS-Gen Hongkong 1997 starkes NS1- Protein Zelle im Immunsystem des Wirts Botenstoff Cytokin: harmlos für Viren Virus vermehrt sich In einem Umfeld, in dem das Virus weit verbreitet ist, sind die Chancen einer Mutation größer. Seit 1955 gab es zwei Dutzend Ausbrüche hoch ansteckender Grippe bei Vögeln, berichtet der Koordinator des globalen Influenza-Programms der WHO in Genf, Dr. Klaus Stöhr. Bislang waren elf Länder betroffen, und über 150 Millionen Vögel sind verendet oder mussten getötet werden. Laut Stöhr entwickelt sich zu einer wachsenden Gefahr für Säugetiere, und mittlerweile befällt es auch Enten. Sie erkranken nicht, sie können das Virus aber unbemerkt übertragen. Am 30. April 2005 wurde bei Zugvögeln auf einer kleinen Insel am zentralchinesischen Qinghai-See das -Virus entdeckt. Es breitete sich schnell aus. Bis zum 4. Mai verendeten täglich über 100 Tiere; bis zum 20. Mai befiel die Seuche andere kleine Inseln, und etwa 1500 Vögel starben daran. 80 Ausbreitung Möglicherweise ist das -Virus infolge einer Mutation des NS-Gens dem Immunsystem von Vögeln und Menschen entgangen Das alarmierte die Wissenschaftler aus mehreren Gründen. Inzwischen infizierte der Erreger nicht mehr nur Hausgeflügel und Hausenten, sondern auch mehrere Wildvogelarten. Die Vögel, die den Sommer am Qinghai- See verbringen, fliegen zum Überwintern nach Indien und Myanmar. Wie schnell könnte sich ein mutiertes Virus verbreiten? Durch Tröpfcheninfektion sehr schnell. Dr. Danuta Skowronski, Ärztin und Epidemiologin am Zentrum für Seuchenkontrolle in Vancouver, Kanada, erklärt: Jedes Jahr transportieren Flugzeuge über eine Milliarde Passagiere rund um den Globus. SARS

FOTO: DPA Auf einen Blick Aus heutiger Sicht ist es eher unwahrscheinlich, so die Experten der Ministerien, dass sich die Vogelgrippe bis nach Deutschland und Österreich ausbreitet. Um für den Ernstfall gerüstet zu sein, sind bereits Vorkehrungen getroffen worden. Gibt es bei uns einen Pandemieplan? Ja. Deutschland und Österreich haben einen nationalen Pandemieplan (Katastrophenvorsorgeplan) erarbeitet, den Sie unter www.auswaertiges-amt.de und unter www.bmgf.gv.at im Internet abrufen können. Können Sie jetzt schon vorbeugen? Rät Ihr Arzt Ihnen zur Grippeimpfung, folgen Sie seiner Empfehlung. Sie vermeiden so eventuelle Komplikationen einer üblichen Herbst-Winter-Grippe. Die Impfung schützt jedoch nicht vor der Vogelgrippe. Woran erkennen Sie die Vogelgrippe? Typische Symptome sind plötzlich auftretendes hohes Fieber über 39 Grad, Schüttelfrost, Muskelschmerzen, allgemeine Schwäche, Hals- und Kopfschmerzen, Husten sowie Atemnot. Was tun im Fall einer Infektion? Bei hohem Fieber und mindestens zwei weiteren Symptomen bleiben Sie zu Hause, und verständigen Sie sofort Ihren Arzt. Er muss Ihnen innerhalb von 48 Stunden nach Beginn der ersten Symptome Medikamente geben. Gibt es Reiseziele, die Sie meiden sollten? Bisher sind Sie nicht gefährdet in den betroffenen Ländern vorausgesetzt, Sie vermeiden Kontakt zu lebendem oder totem Geflügel; Sie besuchen keine Vogelmärkte; Sie führen kein Geflügel, Geflügelfleisch, keine Eier und Geflügelprodukte in die EU ein; Sie verzehren Hühnerfleisch und Eier nur ausreichend gekocht, denn das Virus wird bei 70 Grad abgetötet. Bevor Sie Ihren Urlaub planen, informieren Sie sich beim Auswärtigen Amt in Berlin, Telefon (030) 50 00-0, oder beim Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten in Wien, Telefon (05) 01150-44 11. Dort erhalten Sie aktuelle Reiseinformationen sowie ein Merkblatt zur Vogelgrippe. Welche Maßnahmen wurden schon ergriffen? Seit September werden in Deutschland Wildvögel und Hausgeflügel beobachtet und untersucht. In einigen deutschen Bundesländern müssen die Tiere bereits in Ställen gehalten werden. UG

RD I NOVEMBER 2005 Hongkong Geflügelmärkte H9N2 Wachtel Gans Krickente H6N1 1997 infizierten sich Wachteln mit dem Virus Virus infiziert Hühner 18 Menschen haben sich infiziert, sechs sind gestorben Weg des Virus Es wird angenommen, dass das -Virus das Produkt dreier in Wachteln, Gänsen und Krickenten in China entdeckten Varianten ist, die mutierten, als die Tiere auf Geflügelmärkten in Kontakt kamen (Schweres Akutes Atemwegssyndrom) hat gezeigt, dass ein Virus innerhalb von Stunden von einer Ecke der Erde in eine andere gelangen kann. In der Vergangenheit sind regionale Seuchen und Pandemien unerwartet ausgebrochen. Das wird wahrscheinlich nicht mehr geschehen. Die WHO gründete 1952 ein weltweites Influenza-Überwachungsnetz. Seitdem sammeln und analysieren vier WHO- Labore mit einem Netz von 115 nationalen Influenza-Zentren in 88 Ländern bis zu 300 000 Proben von Grippekranken. Dieses Netz steht auch für das Vogelgrippe-Virus zur Verfügung. 82 Wie lässt sich die Ausbreitung der Vogelgrippe aufhalten? Das wirksamste Mittel, das Virus auszurotten, ist das Töten der befallenen Vögel. Mitte 2004 setzte Thailand eine Million Freiwillige ein, die die ländlichen Gebiete nach befallenem Geflügel durchkämmten und 3,5 Millionen Hühner töteten. Seit Oktober 2004 hat Thailand keine menschlichen Vogelgrippetoten mehr gemeldet. Doch andere südostasiatische Länder haben die Seuche noch nicht erfolgreich bekämpft. Aus Vietnam wurde im Mai 2005 ein weiterer Todesfall gemeldet. Damit steigt in dem Land die Gesamtzahl der Vogelgrippe-Opfer auf 38. Gibt es einen Impfstoff gegen eine pandemische Grippe? Ja, doch die Herstellung dauert lange, da das Verfahren kompliziert ist: Man braucht dafür befruchtete Hühnereier,

VOGELGRIPPE auf denen die Virenkulturen angezüchtet werden; und man braucht Zeit für Tests. Weltweit können gegenwärtig pro Jahr 300 Millionen Einheiten des Impfstoffs hergestellt werden; das reicht für jeden 20. Menschen. Die jetzigen Impfstoffe sind genau genommen drei Impfstoffe in einem. Sie wirken gegen die drei Grippeviren, die wahrscheinlich krankheitserregend sind. Im Fall einer Pandemie, also der Verbreitung auf ganze Erdteile, wird erwartet, dass die gesamte Produktionskapazität zur Herstellung eines pandemischen Impfstoffs eingesetzt wird. Forscher arbeiten an einer Methode zur Rationalisierung der Impfstoffproduktion. Im April 2005 bekam der Impfstoffhersteller Sanofi Pasteur im US-Bundesstaat Pennsylvania vom dortigen Gesundheitsministerium einen 97-Millionen-Dollar-Auftrag zur Entwicklung eines Verfahrens, Impfstoffe in Zellkulturen zu züchten. Sollte das gelingen, könnte man die Zellen einfrieren, sie bei Bedarf auftauen und in großen Mengen züchten. Lohnt es sich, Impfstoff auf Vorrat zu produzieren? Ja, wenn der Impfstoff zum Erreger passt, hätte das betreffende Land einen Vorsprung bei der Impfung seiner Bürger. Doch es ist ein Glücksspiel, denn der Auslöser könnte auch eine Variante des Virus sein. Im August haben Wissenschaftler des US-Instituts für Allergien und Infektionserkrankungen einen Impfstoff entwickelt, der in den ersten Tests beim Menschen Antikörper erzeugte. Obwohl die Tests noch nicht abgeschlossen sind, ist Anthony Fauci, der Leiter des Instituts, optimistisch, dass weitere Tests die Ergebnisse bestätigen werden. Anfang 2006 sind weitere Versuchsreihen geplant in Australien, Deutschland, Frankreich, Kanada und Japan. In Deutschland haben Forscher einen Impfstoff für Geflügel entwickelt, der bei ersten Versuchsreihen zu einem guten Immunschutz führte. Könnte man den vorhandenen Impfstoff besser einsetzen? Ja. Zwei Studien von 2004 eine aus den USA und eine aus Belgien haben ergeben, dass Impfstoffe, die direkt zwischen zwei Hautschichten statt in den Muskel injiziert werden, weniger Antigene (sie regen die Produktion von Antikörpern an) verbrauchen. Das bedeutet, mit den verfügbaren Vorräten könnten fünfmal mehr Menschen geimpft werden. Gibt es noch weitere Abwehrmöglichkeiten? Ja, die antiviralen Arzneien. Die WHO hat den Ländern empfohlen, vor allem einen Vorrat an Oseltamivir (Handelsname Tamiflu) anzulegen. Tamiflu verhindert die Ausbreitung der Viren von einer Zelle zur anderen. Im Gegensatz zu einem Impfstoff ist Tamiflu ein Breitband-Medikament, erklärt der klinische Virologe Dr. Frederick Hayden von der Universität von Virginia, USA. Grippetypen können neun verschiedene NA-Proteine haben. Nach- 83

RD I NOVEMBER 2005 gewiesenermaßen wirkt Tamiflu gegen alle neun. Es verkürzt die Dauer der Erkrankung und verringert das Risiko von Komplikationen und stationärer Behandlung, sagt Hayden. Leider ist Tamiflu relativ teuer und knapp, erklärt der Leiter des Amts für das nationale Impfprogramm der USA, Dr. Bruce Gellin. Mit 16,4 Millionen Behandlungseinheiten reicht der Vorrat in Großbritannien für fast 25 Prozent, in den USA mit 2,3 Millionen Einheiten für nicht einmal 1 Prozent der Bevölkerung. Doch seit 2003 hat der einzige Hersteller des Medikaments, das Schweizer Pharmaunternehmen Roche, die Produktion um das Achtfache erhöht. Mittlerweile baut Roche einen weiteren Produktionsbetrieb in den USA. Wie sonst kann eine Pandemie verhindert werden? Dr. Jutzi von der Welternährungsorganisation FAO in Rom sagt: Wir können den Erreger in den Griff bekommen, wenn wir die Menge der in der Hausgeflügel-Population befindlichen Viren verringern. Die FAO will in erster Linie ärmeren Ländern wie Indonesien, Kambodscha, Laos und Vietnam helfen. Die Sorge ist also berechtigt? Die Sorge ja, aber nicht die Angst. Wie bei jeder Grippe ist ein Virus der Atemwege, das durch Tröpfcheninfektion übertragen wird. Bis Ende Juli 2005 hat es sich bei Menschen als nicht hoch ansteckend erwiesen es wurden 116 Erkrankungen und 60 Todesfälle gemeldet (der letzte Tote war ein 38-jähriger Indonesier). Es ist nur ein Todesopfer durch Übertragung von Mensch zu Mensch bekannt die bereits erwähnte thailändische Mutter. Wenn der Erreger nicht mutiert und ansteckender wird, bleibt die Vogelgrippe eine Gefahr für die Bevölkerung in Südostasien. Falls er jedoch mutiert, lässt sich schwer vorhersagen, ob die Ansteckungsgefahr größer oder geringer wird. Heute sind wir in der Lage, die Ausbreitung von Seuchen zu bekämpfen, im Gegensatz zu früher. Mithilfe unseres ausgeklügelten Überwachungssystems, der modernen Virologie und unserer modernen Kommunikationssysteme können wir jetzt bei Vögeln wie auch bei Menschen den Krankheitsverlauf beobachten, sagt Gellin. So werden wir rechtzeitig gewarnt, wenn ein Virus auftaucht, das sich Besorgnis erregend verhält. DEFINITIONSSACHE Entdeckt auf dem Firmenschild einer Reinigung im US-Bundesstaat Arizona: Wir arbeiten schon seit 21 Jahren am selben Fleck. F. R. 84 Fragt die Tochter ihre Mutter: Was sind eigentlich Kalorien? Das sind kleine Tierchen, die nachts heimlich und leise die Kleider enger nähen. FRAUKE WEHAGE, Porta Westfalica