Menschen aus der Bronzezeit - Gesichtsrekonstruktionen mykenischer Schädel

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Menschen aus der Bronzezeit - Gesichtsrekonstruktionen mykenischer Schädel Monika Dowerth Die Darstellungen auf mykenischen Wandmalereien eigen häufig Frauen und Männer. Die Köpfe er scheinen meist im Profil und haben markante Züge. Doch sind diese Gesichter aus dem Leben gegriffen oder zeigen sie nur eine stilisierte Form der gerade modischen" Erscheinung? W ie sahen die Mykener wirklich aus? Kann man sich überhaupt ein korrektes Bild dieser Menschen machen? Ein Abbild mykenischer Verstorbener glaubt man in den Goldmasken aus Gräbern in Mykene erkennen zu können. Aus dem Gräberrund A, das sich inner halb des heutigen Mauerrings des Burgberges befin det und 1876 von Heinrich Schliemann ausgegraben wurde, stammen die fünf berühmten Goldmasken (Abb. 1), von denen die sogenannte Maske des Aga memnon die bekannteste ist. Das Gräberrund B be inhaltete nur eine Maske aus Elektron (Gold-SilberLegierung). Wurden diese Totenmasken aber wirklich nach dem Abbild des Verstorbenen angefertigt? Blieb über haupt die Zeit für den Goldschmied, die Maske zwi schen dem Tod der Person und deren Bestattung herzustellen? Oder sind es allgemeingültige Darstel lungen von Mykenern? Diese Fragen beschäftigten einige Wissenschaftler der Universität Manchester. Sie konnten mit Hilfe der griechischen Behörden die Überreste der Skelette aus antiken Bestattungen analysieren. Die erste eigentliche Gesichts rekonstruktion fand bei einem Schädel aus dem hel lenistischen Grab II in Vergina statt. Nach dieser er folgreichen Arbeit an einem makedonischen Kopf, wurden sieben Schädel aus mykenischen Gräbern untersucht. Die Überreste aus dem Gräberrund A waren leider zu sehr fragmentiert, so daß Skelette aus dem 1952 ergrabenen Gräberrund B herangezo gen wurden. Methode Die Bearbeitung der Schädel wurde von Archäologen und Gerichtsmedizinern ausgeführt, wobei forensi sche Methoden zur Anwendung kamen. Die Technik der Rekonstruktion von Gesichtern wird in der Gerichtsmedizin angewandt. Dabei erhalten Opfer von Gewaltverbrechen ihre verlorengegangenen Gesichtszüge wieder, wobei deren Identifizierung zur Klärung der Tat dienen kann. Das gleiche Verfahren wurde auch bei den mykenischen Schädeln an gewandt. Die Technik der Rekonstruktion soll am Beispiel des makedonischen Kopfes veranschaulicht werden. Der fragmentierte Schädel wird zunächst zusammenge setzt und ergänzt. Danach fertigt man Kopien aus Gips und Wachs an. Auf einem Gipsmodell werden 23 spezifische Punkte angebracht und mit unter schiedlich langen Stiftchen belegt, deren Maße statistisch ermittelten Werten menschlicher Gesichter folgen (Abb. 2). Diese Punkte geben die Dicke des weichen Gewebes (Muskeln, Fettgewebe, Haut) von Kopf und Gesicht an. Zuerst wird die untere Muskel struktur aufmodelliert, danach folgen das subkutane Gewebe und die Haut. Am Ende der Prozedur sind nur noch die Spitzen der Stäbchen zu sehen (Abb.3). Ohren, Nase, Mund und Augen werden nach allge meinen Regeln der menschlichen Physiognomie zu gefügt. Natürlich ist bei solchen Ergänzungen 53

Abb. 1 Goldmaske aus dem Grab des Gräber rundes A in Mykene 54

Abb. 2 Modell des Schädels aus dem Grab II In Vergina mit Stiftchen zur Markierung der Ergänzung von Mus kulatur und Haut keine perfekte Rekonstruktion eines Gesichts mög lich; die Erfahrungen aus der Gerichtsmedizin haben jedoch gezeigt, daß die Nachbildungen der Köpfe von Familienangehörigen als sehr ähnlich zum wirk lichen Aussehen der Toten bezeichnet werden und somit auch für rekonstruierte Gesichter aus archäolo gischem Fundmaterial eine hohe Wahrscheinlichkeit besteht, das antike Aussehen wiederzugewinnen. Um die unterschiedlichen Gesichtszüge herauszu arbeiten, werden mehrere Gipskopien gemacht. Da der Kopf aber ohne Behaarung oft den Eindruck stark verändert, wird eine Wachskopie des fertigen Kopfes mit Hautfarbe bemalt und mit Hauthaar und mit/ohne Bart versehen. Da die hier zur Diskussion stehenden Personen aus dem griechischen Raum kommen, werden sowohl die Haut als auch die Haare dunkel ergänzt. Abb. 3 Teilrekonstruktion eines Schädels mit den noch sichtbaren Stiftchen und Muskel strängen an den Wangen Die Schädel von Mykene Das Gräberrund B beinhaltet 26 Gräber mit insge samt 35 Bestattungen (Abb. 4). Die Absicht der Wissenschaftler aus Manchester war es, neben der Rekonstruktion der Gesichter auch familiäre Be ziehung zwischen den einzelnen Verstorben nachzu weisen, was bestätigt werden konnte. So kann man inzwischen davon ausgehen, daß im Gräberrund B mehrere Familien bzw. Zweige einer Familie bestattet wurden. Die Gräber wurden zum Teil mehrmals wiederverwendet, so daß in einem Grab bis zu vier Generationen bestattet sind. Die Gesichtsrekon struktionen wurden 1986/7 durchgeführt und die ausgewählten Schädel ergänzt. Es wurden die ES

Abb. 4 Zeichnung des Gräberrundes B mit der Anordnung der Gräber. Aus dem dickumrandeten Grab X unten rechts stammt der ergänzte Schädel X 131

am besten erhaltenen Schädel bearbeitet, wobei es nur vier Skelette gab, die einen vollständigen Kopf mit Unterkiefer aufwiesen. Einer davon ist der be sonders gut erhaltene männliche Schädel X 131 aus dem Grab X im südlichen Teil des Gräberrundes (Abb. 5 und 6). Er soll nun genauer betrachtet werden, anhand seiner Rekonstruktion und der Be obachtungen am Skelett werden einige Aussagen über den Toten ermöglicht. Das Grab X ist eines der frühesten im Gräberrund B und ist, im Unterschied zu den späteren großen Schachtgräbern, ein einfaches kleines Kistengrab mit einem Sims, der ein Dach trägt. Es wurden keine Beigaben gefunden, doch scheint der Verstorbene trotzdem von einiger Bedeutung gewesen zu sein, Abb. 6 Schädel 13 1, Frontalansicht Abb. 5 Schädel 131, Profilansicht. 57

Abb. 7 Erste Rekonstruktion von Schädel 1 3 1 58 Abb. 8 Zweite Rekonstruktion von Schädel 131

Abb. 9 Rekonstruktion einer mykenischen Frau, Mykene, Gräber rund B, Grab Z 58 da über seinem Grab ein Steinhaufen errichtet wur de. Die Bearbeiter sehen in ihm den Begründer einer mykenischen Dynastie. Der Tote selbst war offenbar der Älteste der Bestatteten. Der Zustand seiner Zähne und eine Exostose (Knochengeschwulst) an Schultern und Füßen weisen auf ein Sterbealter von ungefähr 55 Jahren hin. Er besaß eine Größe von etwa 1,75 m und einen massiven Körperbau sowie einen runden Kopf und einen quadratischen Unter kiefer. Sein Gesicht war geprägt durch eine relativ hohe Stirn, engstehende Augen, eine breite und große Nase und einen ausgeprägten Mund mit vor stehenden Zähnen. Auch wurden Erkrankungen, wie Arthritis, Osteoporose und Gallensteine festgestellt. Dazu kamen drei erkrankte Zähne und ein Abszeß über einem Schneidezahn. Die erste Rekonstruktion des Schädels (Abb. 7) zeigt den Kopf ohne Haare und Bart. Um einen lebens näheren Eindruck zu vermitteln, wurde die Kopf behaarung ergänzt. Die Archäologen orientierten sich dabei an den Goldmasken. Diese zeigen alle rasierte Gesichter, bis auf die sogenannte Maske des Agamemnon, die einen Vollbart und Oberlippen bart aufweist. Andere Darstellungen auf Waffen, Schmuckstücken, Fresken und Siegeln zeigen eben falls unterschiedliche Haar- und Barttrachten. Bei dem Schädel X 131 wurde der Bart der Agamemnon maske übernommen und für die Gestaltung der Frisur die Haupthaare locker in den Nacken geführt. Bei der Betrachtung der ersten Version fällt ein etwas melancholischer Gesichtsausdruck auf. Dieser wurde in einer zweiten Version verändert, da man aufgrund der Krankheitssymptome des Mannes - vor allem 59

der Zahnprobleme - annehmen muß, daß er andauernden Schmerzen litt. Die zweite Rekonstruktion des Kopfes (Abb. 8) zeigt daher den Mann mit einem schmerzlich verzogenen Gesicht, was besonders in der Augenpartie erkennbar ist. Wie die modernen Rekonstruktionen von Mordopfern sind auch die Ergänzungen antiker Köpfe nicht perfekt, sondern zeigen annähernd das äußere Erscheinungsbild an. Doch für uns bieten sie die Möglichkeit, das Aussehen der Mykener real zu erleben und dieses mit den Darstellungen auf Goldmasken und anderen Bildträgern in der mykenischen Kunst zu vergleichen. 60