Hilfen bei sexueller Kindesmisshandlung systemisches Verstehen als eine Voraussetzung für kindzentriertes Handeln

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Transkript:

Fachtagung: Hilfen bei sexueller Kindesmisshandlung systemisches Verstehen als eine Voraussetzung für kindzentriertes Handeln Köln, 11. November 2010 Folien zu Workshop 1 Regine Dülks: Normale psychosexuelle Entwicklung oder Anzeichen für sexuelle Kindesmisshandlung? und die Einschätzung von Verdachtsmomenten

Erwachsene Sexualität: Ausgereifter Teil einer erwachsenen Persönlichkeit Basiert physisch auf den leidenschaftlichen Gefühlen eines erwachsenen Körpers Eine zur genitalen Sexualität gereifte Sexualität Zielrichtung: sexuelle Vereinigung und mögliche Zeugung Erwachsene Sexualität wird durch Sozialisation an bestimmte Normen und Werte gebunden, die gesellschaftlichem Wandel unterliegen (Homosexuelle, Sexualität vor der Ehe) Sexualität und gesellschaftliche Ordnungsvorstellungen stehen unausweichlich in einem Spannungsverhältnis zueinander Aus der Zeugungsfähigkeit und Zeugungsfunktion ergibt sich eine spezifische Verantwortung Verantwortliche Sexualität ist sich der möglichen Folgen und der Bedeutung der Sexualität für die Beziehung bewusst Der Umgang des Erwachsenen mit seiner Sexualität ist nicht zuletzt wichtig dafür, wie er charakterlich von seiner Umwelt eingeschätzt wird Sexualität ist eine Charakterfrage 2

Kindliche Sexualität Sexualität in Entwicklung Erste Erfahrungen mit dem eigenen Körper und damit, wie die Umwelt, die Eltern, mit diesem Körper umgeht Kinder benötigen von Anfang an Körperkontakt. Ohne Körperkontakt können sie sich nicht entwickeln Angeborenes Bedürfnis nach zärtlichem Körperkontakt ( Leben im Mutterleib: der Körper ist umhüllt von der Gebärmutter, Differenz: nach der Geburt ) Kindliche Sexualität entwickelt sich im zärtlichen Körperkontakt zwischen Eltern und Kindern. Sie sollen erfahren: o Ihr Körper fühlt sich gut an o Ihr Körper ist ein angenehmes Gefühl o Ihr Körper hat Wünsche, die im zärtl. Kontakt zufrieden gestellt werden o Ihr Körper ist auch für andere (Eltern) anziehend, sinnlich o Ihr Körper ist auch für andere ein sinnliches Erlebnis o Ihr Körper kann Lust empfinden Kindliche Sexualität ist nicht an den Normen messbar, die für erwachsene Sexualität gelten Kindliche Sexualität ist eine Such- und Neugierbewegung des Kindes Das Kind entdeckt den eigenen Körper, den der Eltern, der Geschwister, den Körper anderer Kinder Das Kind entdeckt, wie es sich anfühlt, wenn der eigene Körper mit anderen Körpern in Kontakt ist 3

Kindliche Sexualentwicklung (0-6 Jahre) 1. Lebensjahr: Perfekt ausgestattet: Von Anfang an mit allen Sinnen Mund: Quelle der Lust, Haut: angeborenes Bedürfnis nach Zärtlichkeit, Gehör: Anwesenheit wichtiger Bindungspersonen, Lächeln: Kontaktaufnahme So helfen Sie ihrem Kind, sich in seinem Körper wohl zu fühlen Wickeltisch, Baden 2. Lebensjahr: Lustquellen: Das Kind entdeckt seine Genitalien Bewusstheit für Körperausscheidungen Sexuelle Identität: Jungen: Urinieren, Mädchen: Rock heben Lustgefühle: Entdeckung der Genitalien, Selbststimulation, Selbst-Befriedigung Zeig mal, guck mal Mädchen: positive Identifizierung mit dem weiblichen Geschlecht, Geschlechtsteile im Verborgenen Weiblich-Männlich: So findet sich ihr Kind zurecht: Vergleichen: Gemeinsamkeiten und Unterschiede erkunden, z.b. an Mutter und Vater 3. Lebensjahr: Die Welt erleben: Spielen, Fragen, Ausprobieren Warum-Fragen, Experimentierverhalten, Sexualität, Zeugung und Geburt Sauberkeitserziehung, stolz auf sein Geschäft Nein sagen, Vorbeugung sexueller Missbrauch Fähigkeit, eigene Bedürfnisse zu erkennen und anderen gegenüber ausdrücken können Recht auf körperliche Unversehrtheit und Selbstbestimmung So lernt Ihr Kind die Geschlechterrollen kennen: Rollenaufteilung in der Familie, Aufgabenverteilung Geschlechtsverkehr der Eltern, Recht auf Schutz der Intimsphäre Getrennte Familien, Rollenidentifikation erschwert, bei fehlendem Elternteil, Kontakt zu anderem Elternteil wichtig 4

4. Lebensjahr: Heftige Gefühle: Liebe, Scham und Eifersucht Mehr Selbständigkeit, Kindergarten, Gruppe: Rücksichtnahme und Durchsetzungswille als Grundlage späterer Liebesbeziehungen Körperlich-sexuelles Schamgefühl entsteht (Peinlichkeit bei Nichtwahrung von Grenzen, bei jüngeren Geschwistern ausgeprägter) Eifersuchtsgefühle, Wunsch, Vater, Mutter zu heiraten Nehmen Sie Ihr Kind ernst und setzen Sie ihm Grenzen Bewegungs- und Erfahrungssielraum für Experimente nicht sehr einengen Wilde Jungen (weniger Trost bei Verletzungen, verlernen ihrem Gefühl zu trauen)) Zarte Mädchen (weniger Unterstützung aggressiver Spiele, Zutrauen in eigenen Körper) Eltern bekommen Konkurrenz, Kind lernt Unterschiede kennen Kind lernt soziale Kompetenzen, Freundschaften schließen, Trauer bei Verlust, Gefühle des Kindes ernst nehmen Kinder vergleichen ihren Körper mit dem anderer Kinder Schauen, was macht ein anderes Kind auf der Toilette? Selbststimulation ohne Rückzug, eigenes Zimmer? 5. Lebensjahr: Doktorspiele: Den Körper erforschen Imitation des Geschlechtsverkehres Vater, Mutter, Kind-Spiele, Doktorspiele, Rollenspiele Innige Freundschaften, bei Mädchen tolerierter als bei Jungen Lernen: Vermeidung sexueller Diskriminierung, Vater, Mutter, Kind- so unterstützen Sie Ihr Kind, seine Identität zu entwickeln: Bei Doktorspielen Hinweis: nur das zu tun, woran alle Spaß haben Scheide, Analregion wird untersucht, auf Tiefe, Dehnbarkeit Eingreifen, wenn ein älteres Kind ein jüngeres Kind ausnutzt Körperkontakt des Kindes zu Eltern lockert und verändert sich, Tobe-u. Fang- Spiele, Wasserspiele 5

6. Lebensjahr: Tabuverletzung: Provokation als Programm Blöde Weiber, doofe Jungs Konzentration auf das eigene Geschlecht, Abwertung des anderen Geschlechtes, dient der Identitätssicherung Sozialer Druck und Rollenkonformität ist vorrangig Provokation mit sexuell gefärbten Witzen, Sprüchen, Begriffen aus dem Sexual- und Fäkalbereich, setzten die gelassene Überlegenheit der Erwachsenen außer Kraft, Witze beim Abendessen Spielsachen, die andere haben, sind interessant, Barbiepuppe Jungs spielen kleine Macker Reiz, sich dem Geheimnisvollen, das Sexualität für Kinder in sich birgt, zu nähern, verbotenes Tun, verbotene Ausdrücke benutzen Gelassen bleiben-, Schimpfwörter und Zoten richtig einordnen: Schimpfworte erklären, mit Kindern über sexuelle Informationen aus Medien, Fernsehen, Zeit-schriften u.a. sprechen, Kinder sollen lernen, zu differenzieren zwischen eigener Meinung und der über Medien transportierten Meinung Sprechen mit Kindern, Jugendlichen über Modediktate, hinsichtlich Aus-sehen, Figur, Kleidung, Klischees, geeignete alternative Angebote machen 6

Literaturempfehlungen: 1. Bilder- und Vorlesebücher zur Körper- und Sexualaufklärung Christel Boßbach, Elisabeth Raffauf, Gisela Dürr Mama, wie bin ich in Deinen Bauch gekommen? Weltbild Verlag: Augsburg 1998 Grethe Fagerström, Gunilla Hansson Peter, Ida und Minimum, Familie Lindström bekommt ein Baby Ravensburg: Otto Maier 1992 Janosch Mutter sag, wer macht die Kinder? München, Mosaik 1992 Frank Herrath, Uwe Sielert Lisa und Jan Ein Aufklärungsbuch für Kinder und ihre Eltern Weinheim: Beltz 1992 Manfred Mai Vom Schmusen und Liebhaben Bindlach: Loewe 1992 Lennart Nilsson So kamst Du auf die Welt Von der Zeugung zur Geburt Ein Aufklärungsbuch für Kinder München: Orbis 1991 Christine Nöstlinger Geschichten vom Franz Liebegeschichten vom Franz Hamburg: Oetinger 1991 Wolf Erlbruch Das Bärenwunder Peter Hammer, Wuppertal 1996 7

2. Elternratgeber: Marcella Barth, Ursula Markus Zärtliche Eltern, Gelebte Sexualerziehung durch Zärtlichkeit, Sinnes-Nahrung, Körpergefühl, BewegungVerlag Pro Juventute: Zürich 1984 Karin Mönkemeyer Kindliche Sexualität heute. Tabus, Konflikte, Lösungen. Beltz-Verlag: Weinheim 1993 Cornelia Nitsch u.a. Sexualität im Familienalltag Mosaik: München 1992 3. Bücher zu Gefühlen/Ja- und Neinsagen (Prävention von sexuellem Missbrauch) Aliki, Brandenberg Gefühle sind wie Farben 6.Aufl., Weinheim und Basel: Beltz & Gelberg 1994 Gisela Braun, Dorothee Wolters Das große und das kleine Nein Mülheim: Verlag an der Ruhr 1991 Ursula Enders, Dorothee Wolters Schön (&) Blöd Ein Bilderbuch über schöne und blöde Gefühle Köln:Volksblatt 1991 Marion Mebes Kein Anfassen auf Kommando Donna Vita Berlin 1991, 1994 8