MASARYKOVA UNIVERZITA v BRNĚ FILOZOFICKÁ FAKULTA DIPLOMOVÁ PRÁCE

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Transkript:

MASARYKOVA UNIVERZITA v BRNĚ FILOZOFICKÁ FAKULTA DIPLOMOVÁ PRÁCE Neuere Wortbildungsmodelle im Substantiv- und Adjektivbereich in deutschen publizistischen Texten der Gegenwart Ústav germanistiky, nordistiky a nederlandistiky Brno, červen 2006 Zpracovala: Hana Jakubcová Vedoucí práce: Doc. PhDr. Eva Uhrová, CSc.

Ich erkläre hiermit, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig erarbeitet habe, und ausschließlich das im Literaturverzeichnis aufgelistete Material als Unterlage verwendet habe. Brünn, Juni 2006 2

Ich danke Frau Doc. PhDr. Eva Uhrová, CSc. für ihre Unterstützung und ihre Ratschläge und Ideen, die für diese Arbeit sehr hilfreich waren. 3

INHALTVEZEICHNIS VORWORT...6 I. ALLGEMEINES ZUR DEUTSCHEN WORTBILDUNG...7 1. WORTBILDUNGSARTEN...8 1.1. DIE KOMPOSITION (DIE ZUSAMMENSETZUNG)...9 1.2. DIE DERIVATION (DIE ABLEITUNG)...12 1.3. DIE PRÄFIXBILDUNG...14 1.4. DER GRENZBEREICH ZWISCHEN DER KOMPOSITION UND DERIVATION, KOMPOSITION UND PRÄFIXBILDUNG (AFFIXOIDBILDUNGEN)...15 2. DIE WORTBILDUNG MIT FREMDELEMENTEN...16 II. DIE WORTBILDUNG DES SUBSTANTIVS...17 1. DIE KOMPOSITION BEIM SUBSTANTIV...17 1.1. DETERMINATIVKOMPOSITA...17 1.2. KOPULATIVKOMPOSITA...20 1.3. KOMPOSITA MIT FREMDEN BESTANDTEILEN...21 1.4. KOMPOSITA MIT EIGENNAMEN...21 1.5. METAPHORIK IN DER SUBSTANTIVKOMPOSITION...22 2. DIE ABLEITUNG BEIM SUBSTANTIV...24 2.1. DIE EXPLIZITE ABLEITUNG BEIM SUBSTANTIV...24 2.2. DIE IMPLIZITE ABLEITUNG BEIM SUBSTANTIV...28 3. DIE PRÄFIXBILDUNG BEIM SUBSTANTIV...29 4. KURZWORTBILDUNG BEIM SUBSTANTIV...31 III. DIE WORTBILDUNG DES ADJEKTIVS...33 1. KOMPOSITION BEIM ADJEKTIV...33 1.1. DETERMINATIVKOMPOSITA...33 1.2. KOPULATIVKOMPOSITA...35 1.3. KOMPOSITA MIT EIGENNAMEN...35 2. ABLEITUNG BEIM ADJEKTIV...37 2.1. EXPLIZITE ABLEITUNG BEIM ADJEKTIV...37 2.2. IMPLIZITE ABLEITUNG BEIM ADJEKTIV (KONVERSION)...41 3. PRÄFIXBILDUNG BEIM ADJEKTIV...42 IV. WORTBILDUNGSTENDENZEN IN DER DEUTSCHEN GEGENWARTSSPRACHE...44 V. FORSCHUNGSSTAND ZUM THEMA...48 VI. ALLGEMEINES ZUR SPRACHE DER PUBLIZISTIK...50 VII. DAS BELEGMATERIAL...53 1. DIE METHODOLOGIE DER ARBEIT...53 2. SUBSTANTIVISCHE WORTBILDUNGSMODELLE...56 2.1. SUBSTANTIVISCHE ZUSAMMENSETZUNGEN...56 2.2. SUBSTANTIVISCHE ABLEITUNGEN...68 2.3. SUBSTANTIVISCHE PRÄFIXBILDUNGEN...72 2.4. KURZWÖRTER...73 3. ADJEKTIVISCHE WORTBILDUNGSMODELLE...75 3.1. ADJEKTIVISCHE ZUSAMMENSETZUNGEN...75 3.2. ADJEKTIVISCHE ABLEITUNGEN...78 3.3. ADJEKTIVISCHE PRÄFIXBILDUNGEN...83 VIII. ZUSAMMENFASSUNG...88 ANMERKUNGEN...92 4

ANHANG...94 LITERATURVERZEICHNIS...95 5

VORWORT Die Aufgabe meiner Arbeit besteht darin, die neueren Worbildungsmodelle im Substantiv- und Adjektivbereich darzustellen, und zwar am Beispiel von Belegen aus Beiträgen zur Politik, die in den Rubriken der Zeitschrift FORMAT publiziert wurden. Bevor ich mich der eigentlichen Aufgabe widmen werde, versuche ich einführend auf die Problematik der deutschenwortbildung im Allgemeinen und dann näher auf die Problematik der Wortbildung von Substantiven und Adjektiven einzugehen. Im nächsten Teil meiner Arbeit befasse ich mich dann mit den Wortbildungstendenzen in der deutschen Gegenwartssprache. Da ich mein sprachliches Material aus publizistischen Texten geschöpft habe, wird auch ein kurzgefasstes Kapitel zur Charakteristik der heutigen Pressesprache eingefügt. Der folgende Teil meiner Arbeit ist der Einteilung und Klassifikation der gesammelten Belege gewidmet. Insgesamt habe ich 1829 Belege gesammelt, die ich nach Wortart (Substantive, Adjektive) und Art der Wortbildungskonstruktionen (Zusammensetzungen, Ableitungen, Präfixbildungen, Kurzwörter) in einige grössere Gruppen eingeteilt habe. Innerhalb dieser Gruppen entstanden weitere Gliederungen nach Anzahl der Konstituenten und je nach dem, ob es sich zum Beispiel um Zusammensetzungen, Ableitungen oder Präfixbildungen mit deutschen oder fremden Bestandteilen (Internationalismen, Anglizismen, Fremdsuffixe und -präfixe), Zusammensetzungen mit oder ohne Bindestrich...handelt (detailliert siehe im Kapitel Die Methodologie der Arbeit ). Im Rahmen der einzelnen Gruppen wird das Material eingehender charakterisiert (Bemerkungen zum Vorkommen von Suffixoiden und Präfixoiden, okasionellen Bildungen, Methaphorik...). Die einzelnen Belege werden der Anschaulichkeit wegen mit dem minimalen Kontext angeführt. In dieser Arbeit habe ich mich vor allem bemüht, neuere Wortbildungstendenzen im Substantiv- und Adjektivbereich heranzuziehen. Im Schlusskapitel fasse ich die Ergebnisse meiner Untersuchung zusammen und für eine bessere Übersichtlichkeit führe ich eine zahlenmäßige Auswertung des Materials in Diagrammen an. 6

I. ALLGEMEINES ZUR DEUTSCHEN WORTBILDUNG Bevor man sich mit dem konkreten Problem der substantivischen und adjektivischen Wortbildungskonstruktionen beschäftigen will, ist es wichtig, den Gegenstand der Wortbildungslehre von den anderen Teildisziplinnen der Sprachwissenschaft abzugrenzen und die einzelnen Wortbildungsarten im Deutschen kennenzulernen. In der Fachliteratur wird die Aufgabe der Wortbildung meistens sehr ähnlich definiert. Vergleiche man folgende ausgewählte Definitionen: Die Wortbildung (W.) ist derjenige Zweig der Sprachwissenschaft, in der die Muster rekonstruiert und beschrieben werden, nach denen die Wörter einer Sprache intern struktuiert sind und neue Wörter gebildet werden. /Metzler, 1993, S.693-694/ Unter W. versteht man die Gesamtheit der Verfahren, mittels derer in einer Sprache neue Wörter auf der Basis schon vorhandener Wörter gebildet werden. Das geschieht dadurch, dass mehrere einzelne Wörter zu neuen komplexen Wörtern zusammengefügt oder dass einzelne Wörter durch grammatische Mittel zu neuen umgeformt werden. /Hentschel Weydt, 1990, S.21/ Die Wortbildungslehre untersucht die bei der Bildung eines neuen Wortes wirkenden Gesetzmäßigkeiten, die entsprechenden Modelle, und beschäftigt sich auch mit der Analyse der Struktur eines fertigen Wortes. /Fleischer, 1983, S. 19/ Wortbildung hat die Aufgabe, die verschiedenen Bahnen zu verfolgen, in denen sich die Ausbildung des deutschen Wortschatzes vollzieht. Sie liegt vor, wie aus bereits vorhandenen Wortmaterial auf dem Wege der Zusammensetzung, der Ableitung und einiger anderer Spezialformen neue Wörter geschaffen werden. Die W. ist die wichtigste Form der Beschreibung des Wortbestandes der deutschen Gegenwartssprache. /Baloun, 1977, S.9/ T. Schippan /Schippan, 1992, S. 45/, die sich mit der deutschen Wortbildung sehr eingehend beschäftigt, definiert den Gegenstand der W. in vier grundlegenden Punkten: 1. die Prozesse der Wortbildung 2. das zur Bildung neuer Wörter vorhandene Inventar an Wortbildungsmitteln 3. die genutzten Muster und Modelle und die Analyse ihrer Struktur 4. die Resultate der Wortbildungsprozesse Wortbildungskonstruktionen 7

1. WORTBILDUNGSARTEN Im Prozess der Wortbildung werden vorhandene Morpheme oder Morphemkonstruktionen nach Wortbildungsmodellen miteinander verbunden. Im Deutschen werden folgende grundlegende Worbildungsarten unterschieden 1 : 1. Komposition (Resultat=Kompositum), differenziert nach Determinativkompositum (Bestimmungszusammensetzung), Kopulativkompositum (Verbindungszusammensetzung) 2. Derivation (Resultat=Derivat), differenziert nach impliziter und expliziter Derivation 3. Präfigierung (Resultat=Präfixwort) 2 Die große Produktivität weist die Bildung von Kurzwörtern auf. Kurzwörter sind keine neuen Wörter, sondern bereits vorhandene Wörter lautlich verkürzt, es handelt sich um Wortbildungsvarianten, Wortbildungssynonyme (Prof Professor, Radio Radioapparat, PKW Personalkraftwagen). Diese Wortbildungsart betrifft weit überwiegend oder gar ausschließlich das Substantiv, deshalb werden wir uns dieser Wortbildungsart im Rahmen des Kapitels Die Bildung des Substantivs selbstständig widmen. Die Bildung von Wörtern aus entlehnten Elementen im Deutschen nennt man Lehnwortbildung. Im Deutschen begegnet eine große Fülle von Bildungen mit Lehnelementen 1. Basis heimisch Formationsmorphem entlehnt = Bummel-ant, Fangemeinde, 2. Basis entlehnt Formationsmorphem heimisch = realist-isch, Erbeershake, 3. beide entlehnt = Million-är, Kapital-ist...usw. 8

1.1. Die Komposition (die Zusammensetzung) Die Komposition ist ein sehr bedeutendes sprachökonomisches Mittel. Dieses Wortbildungsmodell gehört zu den bedeutendsten und produktivsten Modellen der deutschen Gegenwartssprache. Wortbildungskonstruktionen, in denen zwei oder mehrere freie unmitellbare Konstituenten (selbstständige Wörter) zu einer neuen Einheit verbunden sind, nennt man Komposita. In den Komposita können Begriffe und Sachverhalte zusammengefasst werden, die sonst durch längere syntaktische Fügungen wiedergegeben werden (z.b. der Hochschullehrer der Lehrer, der an der Hochschule lehrt, die Sommerferien die Ferien, die Kinder im Sommer haben, der Badeanzug- der Anzug, in dem man badet, schwimmt). Ein Kompositum ist meistens zwei- oder dreigliedrig, selten umfasst es noch weitere Glieder. J. Baloun (vgl. bei Baloun, 1977, S. 69-72) unterscheidet sg. scheinbare und wirkliche Mehrgliedrigkeit. Bei der scheinbaren M. bestehen Komposita im Grunde aus zwei Hauptgliedern, wobei das erste oder/und zweite bereits ein Kompositum ist (z. B. Arm/band//uhr, Haupt//bahn/hof, Eisen/bahn//fahr/plan). Als wirkliche mehrgliedrige Komposita kann man Kopulativkomposita (einhundertdreiundfünfzig), Verstärkungskomposita (fungelnagelneu) und Komposita mit ursprünglicher Wortgruppe als Bestimmungswort (Sauergurkenzeit, Fünfjahrplan) ansehen. Ein Kompositum besteht meistens aus einem Grundwort und einem Bestimmungswort. Nach dem Grundwort werden grammatisch Wortart und Genus und semantisch die Bezeichnungsklasse bestimmt. Es ist meist ein Substantiv, ein Adjektiv oder ein Verb. Der erste bzw. vordere Teil der neuen Worteinheit ist das Bestimmungswort. Es dient der genaueren inhaltlichen Einordnung und Eingrenzung des Grundwortes und meistens trägt es den Hauptakzent. Das Bestimmungswort ist mit dem Grundwort etweder unmittelbar (eigentliche oder echte Zusammensetzungen z. B. Seemann, Autobahn) oder durch ein Fugenelement/Fuge, Fugelaut, Bindelaut (uneigentliche, unechte Zusammensetzungen z.b. Abfahrtslauf) verbunden. Am Ende des Bestimmungswortes können folgende Fugenelemente stehen: 9

-e bei femininem Bestimmungswort (Reisegeld, Ruhebett) und bei verbalem erstem Glied, vor allem nach b, d, g, s, (Sterbezimmer, Lesebuch). In einigen Fällen wird -e falsch als Pluralendung empfunden (Gänsefett, Tageblatt, Hundefell). - en bei Verbalstämmen auf n Stammauslaut (Rechenheft zu rechnen), bei Femininen auf e und schwachen Maskulina (Rasengarten, Erdengrund, Löwenzahn, Botenlohn). - er bei Neutra und starken Maskulina (Hühnerleiter, Häuserblock, Männerkraft) - (e)s bei deutlichem Genitivverhältnis (Tageszeit die Zeit des Tages, Ausdrucksweise die Weise des Ausdrucks, erfolgssicher sicher des Erfolgs), bei Bestimmungswörtern, die eigentlich im Plural stehen müssten (Freundeskreis, Schiffsverkehr) und bei substantivischem Infinitiv (Lebenserfahrung) - s bei Maskulinen auf ing und ling (Faschingsfest, Frühlingstag), bei Femininen auf heit, -keit, -schaft, -ung, -ut (Schönheitssalon, Minderwertigkeitskomplex, Gewerkschaftsleitung, Übungsbuch, Armutszeugnis), bei den fremden Suffixen ion und tät (Kommunikationsmittel, Eigentumsbegriff) - s befindet sich zuweilen bei Komposita mit zusammengesetztem Bestimmungswort (Handwerkszeug, Weihnachtsglocken) Dasselbe Bestimmungswort kann Komposita mit und ohne Fugenelement sowie mit verschiedenen Fugenelementen bilden (Kalbfleisch, Kälbermagen, Kalbsbraten). An der Morphemgrenze kann auch ein Bindestrich stehen. Für die Pressesprache und die Werbung ist das Auftreten der Bindestrichkomposita bezeichnend (Rasier- Creme, Ost-Experte...). Häufig ist der Wortbildungstyp Name+Substantiv (Strauß-Rede, Honecker-Besuch) zu verzeichnen /vgl. bei Stedje, 1999, S. 173/. Die Arten der Zusammensetzung Zusammensetzungen lassen sich historisch-formal und inhaltlich klassifizieren. Historisch-formale Hinsicht: a) die eigentlichen Zusammensetzungen (Juxtaposition) flexionslose Aneinaderfügung zweier selbstständiger Wörter (Haus-tür) b) die uneigentlichen Zusammensetzungen (Kasuskomposition) mit Flexion des Bestimmungswortes sowie der Kompositionsfuge (Jahr-es-versammlung) Inhaltliche Hinsicht: a) Kopulativkomposita 10

b) Determinativkomposita c) verdunkelte Komposita d) Verstärkungskomposita ad a) Im Kopulativkompositum sind die einzelnen Glieder gleichgeordnet (koordiniert) und seine Bedeutung stellt die Summe der Bedeutungen der einzelnen Glieder dar (beim Kopulativkompositum unterscheidet man also zwischen Grund- und Bestimmungswort nicht). Die Abfolge der Glieder des Kopulativkompositums läßt sich umkehren, doch hat sich meistens nur eine Form durchgesetzt. Bei diesen Komposita gehören beide Elemente derselben Wortart (Radiowecker, Schrankwand, Schleswig-Holstein, süßsauer, dreizehn, spaziergehen) an. ad b) Determinativkomposition ist der häufigste Typ der Komposition. Das Determinativkompositum enthält als erstes Glied ein determinierendes Element (Bestimmungswort) und dann ein determiniertes (Grundwort). Semantisch bezeichnet das Grundwort den Gegenstand und das Bestimmungswort schränkt (determiniert, spezifiert) die Bedeutung des Grundwortes ein. Das erste Glied ist dem zweiten (zuletztstehenden) untergeordnet (subordiniert). Die Reihenfolge der beiden Glieder ist fest. Die Bedeutung des Kompositums liegt innerhalb der Bedeutung des Grundwortes. Ein solches Bedeutungsverhältnis wird als endozentrisch bezeichnet. (Haustür die Tür des Hauses, Frühlingsnachmittag der Nachmittag im Frühling). Zu den Determinativkomposita sind auf Grund ihrer Bildungsweise auch die sg. Possesivkomposita (exozentrischen Komposita) zu rechnen. Bei exozentrischen Komposita ist es nicht das Bestimmungswort, das die Bedeutung des Grundwortes determiniert oder spezifiert. Hier wird eine neue Bedeutung geschaffen, es handelt sich um eine übertragene, häufig metaphorische Bedeutung. Ein solches Bedeutungsverhältnis wird als exozentrisch bezeichnet. Die Possesivkomposita charakterisieren Personen, andere Lebewesen und Sachen nach einem hervorstehenden Körperteil oder anderen besonderen Merkmal (Hasenfuß ängstlicher Mensch, Spatzenhirn dummer Mensch usw.). In den Fachsprachen von Wissenschaft, Politik und Verwaltung wächst die Tendenz zu Mammutbildungen (Determinativkomposita mit drei oder auch mehr Gliedern). Sie sind aber häufig nicht oder sehr schwer verständlich (Arbeitsförderungsgesetznovellierung, Drehstromkurzschlußläufermotor). 11

ad c) Verdunkelte Komposita sind solche Komposita, bei denen häufig nicht mehr erkennbar ist, dass es sich um ein Kompositum handelt, weil ein Glied des Kompositums heute als selbstständiges Wort nicht mehr existiert (Bräutigam adh. gomo=mann, Nachtigall adh. gala=sängerin). ad d) Das Ziel des Verstärkungskomposita ist, die Aussage zu verstärken. Sie entstehen durch die Aneinanderreihung der Wörter, besonders der Adjektive (kohlrabenschwarz, tagstäglich, blitzblank). Ein Sonderfall der Zusammensetzung ist die Zusammenrückung. Es handelt sich um die Aneinandersetzung von mehreren Wörtern unter Beibehaltung ihrer syntaktischen Folge und der Flexion. Der letzte Teil bestimmt die Wortart nicht und die Bedeutung ergibt sich nicht aus den Einzelteilen, sondern ist neu (Dreikäsehoch, Taugenichts, Vaterunser, infolge, zweifelsohne). 1.2. Die Derivation (die Ableitung) Neben der Komposition ist die Derivation die wichtigste Art der Wortbildung im gegenwärtigen Deutsch. Bei der Derivation wird aus einer Basis mit Hilfe eines Formationsmorphems ein neues Wort gebildet. Wir unterscheiden explizite (durch Suffixe) und implizite Ableitung (ohne erkennbare Suffixe). Eine Teilklasse der expliziten D. bildet die Zusammenbildung und der impliziten D. die Konversion. Eine explizite Ableitung ist eine Morphemkonstruktion, in der das erste Glied frei im Satz vorkommen kann (Basis) und das zweite nur an ein anderes Morphem oder eine andere Konstruktion gebunden werden kann (Ableitungssuffix). Die Basis kann aus einem Grundmorphem (schön-heit) oder einem bereits gebildeten Wort (haltbar-keit) bestehen. Zwischen der Basis und dem Derivat kann ein Wechsel der Wortart (lehren,verb Lehr-er,Subst.) oder nur ein Wechsel der Bezeichnungsklasse eintreten (Prag, Ort Prag-er, Person). In diesen Fällen sprechen wir von der Transposition. Eine Ableitung ohne Wortartwechsel und ohne Wechsel der Bezeichnungsklasse wird als Modifikation bezeichnet (Stadt Städt-chen, krank kränk-lich). 12

Die Ableitungssuffixe weisen auf den Gegenstand, die Eigenschaft oder den Vorgang hin, ohne diese selbst zu bezeichnen. Sie können niemals selbstständige Bedeutungsträger sein (Kaufmann Käufer, -mann im Kompositum nennt eine männliche Person, Suffix er kann nur in Verbindung mit einem selbstständigen Wort diese Kennzeichnung übernehmen). Einen Sonderfall der Derivation bildet die Zusammenbildung. Es handelt sich um eine Wortbildungsart, bei der eine Wortgruppe die Ableitungsbasis darstellt. Die neu entstandenen Wörter können wieder in ihre syntaktischen Teile aufgelöst werden, das letzte Glied kann jedoch nicht allein stehen das scheidet eine Deutung der Bildungen als Komposita aus. Es handelt sich z. B. um - Substantive (Gesetzgeb-er Wortgruppe Gesetze geben + Suffix -er) - Adjektive (rotwang-ig Wortgruppe rote Wangen + Suffix -ig) - Verben ( übernacht-en Wortgruppe über Nacht + Suffix -en) /vgl. bei Götze, 1993, S. 295/. Die implizite Ableitung ist die Überführung in eine andere Wortart ohne Affix, aber mit einer Veränderung der Ausdrucksseite durch Kürzung der Basis und gegebenfalls Aufnahme des ablautenden Vokal starker Verben. In der deutschen Gegenwartssprache handelt es sich bei den impliziten Ableitungen gewöhnlich um deverbative Substantive (Kauf kaufen, Griff greifen, Schluß schließen) /vgl. bei Fleischer, Barz, 1995, S. 51/. Zur impliziten Ableitung wird auch die Konversion (die Wortartwechsel) gerechnet. Die Konversion ist die Überführung in eine andere Wortart ohne Affix und ohne Veränderung der Ausdrucksseite; ein Klassenwechsel von Wörtern in ihrer Normalform. /Henzen, 1965, S. 245/. Wir unterscheiden vor allem: a) Substantivierungen von Verben (am häufigsten) Lesen lesen, Sterben sterben von Partizip I der Lesende lesen von Partizip II der Verwundete verwunden, der Verstorbene verstorben b) Substantivierungen von Adjektiven (auch häufig) der Schöne schön, der Alte alt 13

c) Substantive Adjektive freund der Freund, schuld die Schuld d) Substantive Präpositionen dank der Dank, infolge in der Folge e) Substantivierungen von Wortgruppen, Sätzen, einzelnen Wörtern aller Wortklassen Vergißmeinnicht, das Wenn und Aber, sein ständiges Von-der-Hand-in-den-Mundleben (okkasionelle Bildung wird nur in einem bestimmten Textzusammenhang substantivisch verwendet) 1.3. Die Präfixbildung Die Präfixbildung bewirkt in der Regel nicht den Übergang in eine andere Wortart, sondern modifiziert nur die Wortbedeutung, deshalb werden Präfixbildungen nicht den Ableitungen zugerechnet. Präfixbildungen sind besonders im Bereich der Verben stark entwickelt. Präfixbildungen entstehen, wenn ein nicht frei im Satz auftretendes Morphem (gebundenes Morphem) als semantisch-begrifflicher Modifikator vor ein Basismorphem oder eine Morphemkonstruktion tritt (anmachen, bearbeiten, vorlesen, Mißerfolg, Unschuld, Urwald...) /Uhrová, 2002, S. 96/. Anm.: Zur Gruppe der gebundenen Morpheme gehören die sg. Konfixe. Konfixe sind vor allem entlehnte und auch manche heimische Elemente, die nicht wortfähig sind, sondern nur in Kombination mit anderen Morphemen auftreten (thermo-, bio-, geo-, mono, neo-, pseudo-, vize-, stief-, schwieger-,- nom, -loge -...). Das entscheidende Kriterium für die Zuordnung eines gebundenen Elements zur Klasse der Konfixe ist seine lexikalisch begriffliche Bedeutung /vgl. bei Fleischer, Barz, 1995, S.25/. Die Präfigierung wird oft 2 als selbstständige Wortbildungsart angesehen, weil es Unterschiede zwischen dem Derivationssuffix und dem Präfix gibt /vgl. Uhrová, 2002, S. 96): a) Das Präfix hat im Unterschied zum Suffix keinen Einfluß auf die Wortklasse des Präfixwortes (ver-suchen, Un-glück). b) Das Präfix kann im Unterschied zum Suffix in mehreren Wortarten vorkommen (Miß-verständnis, miß-verstanden, miß-verständlich). 14

c) Das Präfix kann im Präfixwort den Akzent tragen; man unterscheidet betonte und unbetonte Präfixe (be-, ge-, emp-, ent-/ an-, auf-, vor-, un-,...). Suffixe sind in der Regel unbetont. 1.4. Der Grenzbereich zwischen der Komposition und Derivation, Komposition und Präfixbildung (Affixoidbildungen) Affixoidbildungen (Suffixoidbildungen und Präfixoidbildungen) sind Bildungen mit Affixoiden, affixartigen Morphemen. Als Kriterien für den Übergang eines Wortes in den Bereich der Affixe und somit in den Status der Halbaffixe werden gennant /Schippan, 1992, S. 116/: - die Konstituenten müssen reihenbildend sein - die Bedeutung dieser Konstituenten wandelt sich, sie wird desemantisiert - sie übernimmt wie die Affixe stärker die Funktion der Einordnung in eine semantische Kategorie z.b. -werk: - Buschwerk, Laubwerk, Schuhwerk - nicht die Bedeutungen Produkt oder Fabrik, das Element verleiht den Bildungen eine kollektive Bedeutungskomponente (Buschwerk = Gesamtheit der Büsche; Laubwerk = Gesamtheit des Laubes; Schuhwerk = Schuhe) Suffixoide (auch Halbsuffixe) sind suffixartige Morpheme, die Bildungen werden Suffixoidbildungen genannt (z.b. Ideen-gut, Wort-gut, Pflanzen-reich, Tier-reich, Lumpen-zeug, Papier-zeug). Präfixoide (auch Halbpräfixe) sind präfixartige Morpheme, die Bildungen werden Präfixoidbildungen genannt. Präfixoidartige Morpheme dienen oft als verstärkende Bedeutung, ganz unabhängig davon, welche Bedeutung sie als eigenständiges Wort haben. Sie sind leicht austauschbar (z.b. Affen-, Höllen-, Bomben-, Mords- hitze,...). Sehr breit ist der Übergangsbereich vor allem zwischen Komposition und Derivation und darum ist es also in manchen Fällen schwer zu bestimmen, ob es sich um eine Zusammensetzung oder eine Ableitung handelt. 15

2. DIE WORTBILDUNG MIT FREMDELEMENTEN /vgl. Fleischer, 1995, S. 61-66/ Den Fremdwortschatz des Deutschen bilden zwei Gruppen von Wörtern. Es sind: 1) Entlehnungen ganzer Wörter (Lifestyle, Homepage...); 2) Wortbildungskonstruktionen mit Fremdelementen (Chipkarte, Finanzierung, Extrawurst...). Unter Fremdelementen werden Grund- und Wortbildungsmorpheme verstanden, die in Phonemstruktur, Aussprache und Schreibung mehr oder weniger von den heimischen Gesetzmäßigkeiten abweichen. Die im Deutschen wortbildungsaktiven Fremdelemente werden entweder durch die autonome Übernahme eines kompletten Morphems (super-, ex-...), oder durch Morphematisierung von Segmenten komplexer Fremdwörter zu aktiven Fremdelementen (z. B. tele- aus Telefon, -graf; danach Tele-vision, -klub, -brücke...). Im zweiten Fall handelt es sich um griechische und lateinische Wortstämme, die oft über andere Sprachen ins Deutsche gelangen und damit zu einer Internationalisierung des Wortschatzes beitragen. Das Zusammenwirken von heimischer und nichtheimischer Wortbildung führen zur Entstehung semantischer Parallelgruppen in beiden Teilsystemen (z.b. Substantivsuffixe -at-ion x -ung (Formation x Bildung); Adjektivsuffixe -abel/- ibel x -bar (disponibel x verfügbar...). Durch die Kombination von heimischen und fremden Elementen entstehen sg. Hybridbildungen. Die Kombonationsmöglichkeiten sind vielfältig. Die Hybridisierungsfähigkeit des Deutschen ist am stärksten entwickelt im Bereich der substantivischen und adjektivischen Komposition. Fremdelementen können als Erstund Zweitglieder mit heimischen Lexemen verbunden werden (Finanzausgleich, Alternativvorschlag, medienwirksam, karrierenbewusst...). Sehr oft komt vor allem zur Kombination von - der Fremdbasis und dem heimischen Suffix. Im Substantivbereich sind geläufig: z.b. Substantive auf -ung von Verben auf -ier-en (Rationalisierung), Personenbennenungen auf -er (Diskotheker, Jogger), Eigenschaftsbennenungen auf -heit mit partizipialer Basis (Diszipliniertheit) und movierte Personenbenennungen (Ministerin, Exotin). Im Adjektivbereich dominiert das Suffix -isch (spezifisch, strategisch). Verbreitet ist auch Suffix -bar, vor allem bei Verben auf -ieren (realisierbar, definierbar). 16

II. DIE WORTBILDUNG DES SUBSTANTIVS An der Bildung von Substantiven haben alle in dem ersten Teil dieser Arbeit erwähnten Wortbildungsarten Anteil. 3 1. Die Komposition beim Substantiv Beim Substantiven ist die Komposition am häufigsten vertreten. Heute nimmt die Zahl der substantivischen Zusammensetzungen zu. Aus diesen Gründen wird den substantivischen Komposita grössere Aufmerksamkeit gewidmet. 1.1. Determinativkomposita Bei dem überwiegenden Teil der zusammengesetzten Substantive handelt es sich um Determinativkomposita. Bei den substantivischen Determinativkomposita ist das Grundwort in der Regel Substantiv und das Bestimmungswort bilden Wörter verschiedener Wortklassen. Beim Substantiv sind folgende Zusammensetzungen möglich: Substantiv + Substantiv, Adjektiv + Substantiv, Verbstamm + Substantiv, seltener auch Pronomen + Substantiv (Ich-Form, Wir-bewußtsein), Numerale + Substantiv (Zwei-kampf, Erst-aufführung), nichtflektierbare Wortarten (Adverb, Präposition, Partikel) + Substantiv, Wortgruppe + Substantiv /vgl. bei Fleischer, Stepanowa, 1985, S. 112/. Substantiv + Substantiv Dieser Typ ist sehr häufig. Zusammensetzungen sind mit und ohne Fugenelement möglich (Bier-glas, Mittag-s-essen). Das Bestimmungswort beschreibt das Grundwort und engt dessen Bedeutungsbereich ein, das Bestimmungswort verhält sich zu dem Grundwort also ähnlich wie ein Attribut zu seinem Bezugswort (die Haustür = die Tür des Hauses). Inhaltlich können wir folgende Gruppen unterscheiden /vgl. bei Götze, 1993, S. 303; siehe auch Jung, 1985, S. 389 und Baloun, 1977, S. 34-37/: Urheber/Besitzer Bauernhof, Freundeshand, Mutterliebe; Zugehörigkeit Fakultätsrat, Bundesland; Ursache/Grund Schmerzenschrei, Freudentränen; Zweck Erholungsheim, Schreibtisch; Mittel Ballspiel, Zugunglück; Herkunft, Zielort 17

Nordwind, Italienreise; Vergleich Staubzucker, Affenliebe; Bestandteile Nußtorte, Linsensuppe; Stoff Papiergeld, Lederkoffer; Zeit Mittagspause, Winterurlaub. Zu diesem Typ kann man auch Komposita mit dem Kurzwort im ersten Glied zuordnen (EU-Beitritt, CSU-Chef...). Adjektiv + Substantiv Das adjektivische Bestimmungswort steht auch im attributiven Verhältnis zum Grundwort. Die Zusammensetzung hat meistens spezialisierte oder verallgemeinerte Bedeutung (große Stadt Großstadt; süßes Wasser Süßwasser...). Verbstamm + Substantiv Bei Komposita dieser Struktur ist es oft schwierig, festzustellen, ob das Bestimmungswort verbalen oder substantivischen Ursprungs ist (Schlafzimmer Schlaf oder schlafen, Feiertag Feier oder feiern). Verbale Bestimmungswörter können sich von nominalen durch das Fehlen des Ablauts unterscheiden (Schneidezahn/ Schnittwunde; Stehkragen/ Standuhr). Semantisch kann der Verbalstamm im Verhältnis zum Grundwort oft den Zweck angeben (Höhrrohr, Schreibpapier, Bratpfanne), er kann passive oder aktive Bedeutung haben (Pflegekind das Kind, das gepflegt wird; Pflegeeltern Eltern, die pflegen) /vgl. bei Uhrová, 2002, S. 98/. Nichtflektierbare Wortarten + Substantiv Das Bestimmungswort ist unveränderlich, da gibt es nur Komposita ohne Fugenelement. Wir unterscheiden folgende Möglichkeiten: - Adverb + Substantiv (Innenarchitektur, Außenministerium, Rückfahrt) - Präposition + Substantiv (Inhalt, Nachspiel, Vorwort) - Partikel, Interjektionen, Konjunktionen + Substantiv (Jawort, Nichtwissen) Komposita mit nichtflektierbaren Wortarten als Bestimmungswörtern bilden z.b. diese semantischen Typen /vgl. bei Jung, 1985, S. 391/: räumliche und zeitliche Verhältnisse Vorgebirge, Vorfrühling; Verwendungszweck Zubrot; Wertverhältnis Sonderzug, Sofortprogramm. 18

Wortgruppe + Substantiv Eine Wortgruppe als Erstglied liegt vor, wenn die erste unmittelbare Konstituente nicht an ein Wort ausserhalb des Kompositums anzuschließen ist, sondern an eine syntaktische Wortverbindung. Meistens handelt sich um nichtsatzwertige Wortgruppen, in selteneren Fällen erscheinen allerdings auch Sätze /vgl. Fleischer, 1995, S. 122-125/. 1. substantivische Wortgruppe + Substantiv - Attribut+Substantiv (Rundtischkonferenz; mit bewahrter Flexion - Frische-Luft- Spazierung /Durchkopplungsbindestrich/; hierher gehören auch WBK mit Kardinalzahl - Zweitaktmotor, Vier-Jahres-Garantie) - substantivische Präpositionalgruppe (Unterwassermassage, Pro-Kopf-Verbrauch) - erweiterte Präpositionalgefüge (Kunst-am-Bau-Variante) - Reihungen von Substantiven mit dem Durchkopplungsbindestrich (Export-Import- Quote) - komplexere syntaktische Konstruktionen (Zurück-zur-Natur-Bewegung) 2. Verbale Wortgruppe + Substantiv (Frühwarn/radaranlage, Selbstwähl/fernsprechverkehr...) 3. Sonstige Wortgruppen + Substantiv - Präposition oder Konjunktion + Substantiv (Oben-ohne-Bedienung, Von-bis-Spanne...) 4. Sätze + Substantiv Diese Komposita sind in ihrer Verwendung auf belletristische und publizistische Textsorten beschränkt. Sie wirken expressiv und bleiben textgebunden. - Imperativsatz (Sesam-öffne-dich-Kärtchen, Do-it-your-self-Methode...) - Aussagesatz, Fragesatz, Ausrufesatz (Sieg-ist-möglich-Stratege...) Eine besondere Gruppe der Determinativkomposita bilden Possesivkomposita oder exozentrische Komposita (siehe S. 11). Weitere besondere Gruppen von Determinativkomposita bilden Klammerformen, bei denen der mittlere Teil der Zusammensetzung fehlt (Bier/glas/deckel) und tautologische (verdeutlichende) Komposita, bei denen das zweite Glied die Aufgabe hat, das erste Glied zu verdeutlichen, beide Glieder sind eigentlich synonym (Turteltaube lat. turtur = Taube); manchmal gibt das zweite Glied die allgemeinere Begriffskategorie des ersten Glied an (Eichbaum, Rindvieh), heute 19

kommen die tautologischen Komposita vielfach auch bei Fremdwörtern (Fachexperte) vor /vgl. bei Uhrová, 2002, S. 99/. W. Fleischer spricht auch von Komposita mit Konfix im ersten Glied. Es entstehen vor allem Komposita mit nichtheimischen Konfixen, die serienweise als Erstglieder der komplexen Substantive /vgl. bei Fleischer, Barz, 1995, S. 120-122/ auftreten. Es sind vorwiegend solche aus lateinischem oder griechischem Material, z. T. über das Englisch-Amerikanische ins Deutsche übernommen (Minirock, -kleid, -mode, - hafen, -kinderkrippe; Mikrochemie, -computer, -film, -klima; Makroklima, -kultur, - molekül; Polykultur, -phonie, -technikum...). Anm. Zum Inventar der nichtheimischen Konfixen gehören vor allem diese: mini-, midi-, maxi-, mikro-, makro-, mono-, poly-, multi-, pseudo-, proto-, auto-, neo-, post-, vize-, semi-. Als Konfixe sind ferner einige heimische Grundmorpheme zu qualifizieren, die in mehr als einer Worbildungskonstruktion mit gleicher Bedeutung vorkommen (Schwiegermutter, -vater, -eltern, -tochter, -sohn; Stief + gleiche Kombinationen; Geräte-, Haus-, Lade-, Tank-, Torwart). 1.2. Kopulativkomposita Die Kopulativkomposita unterscheiden sich von den Determinativkomposita dadurch, dass beide Konstituenten in einem koordinierenden Verhältnis stehen, die zweite Konstituente kann die ganze Konstruktion nicht semantisch repräsentieren (z.b. Strumpfhose ist nicht einfach eine Hose). Diese Komposita bezeichnen meistens /vgl. bei Uhrová, 2002, S.99/: - Kleidungsstücke (Hemdhose, Strumpfhose, Hosenrock, Pulloverjacke) - Personenbezeichnungen bezeichnen zwei Seiten derselben Person (Dichterkomponist, Prinzregent, Gastfreund) - geographische Namen (Schleswig Holstein, Sachsen-Anhalt, Tschechoslowakei) - weitere (Nordwest, Strichpunkt, Radiofernseher...). Anm. Zur Problematik der Fugenelemente bei Komposita siehe S. 10. 20

1.3. Komposita mit fremden Bestandteilen Die Zusammensetzungen mit fremden Bestandteilen entstehen grundsätzlich nach denselben Gesetzen wie bei den Wörtern heimischen Ursprungs. Auch hier überwiegen die Bildungen aus zwei, bzw. drei Grundmorphemen (z.b. Plast-Typen, Estraden-Programm, Virus-Infektion...). Heimische und fremde Elemente können auch kombiniert werden, so dass die hybriden Bildungen entstehen (z. B. Kontakt-Linsen, Teenager-Kleidung, Haar- Spray, Schlager-Festival...). Das Fremdwort kann also als erste wie auch als zweite unmittelbare Konstituente auftreten /vgl. Fleischer, 1983, S. 112-115/. In der Gruppe der Komposita mit fremden Bestandteilen treten heute oft die Komposita auf, die Internationalismen (sie sind meistens aus Lateinischen und Griechischen Wortstämmen gebildet z.b. Kult-status, Export-schlager, Fleischskandal..., oder das sind die aus dem Englischen, Franzözischen,...entlehnten Wörter, die für die Sprachen der meisten Kulturvölker gemeinsam sind z.b. Filmvorstellung /engl./) oder Anglizismen (Boy-group, Erdbeer-shake, Round-Table- Konferenz) enthalten. 1.4. Komposita mit Eigennamen Die Eigennamen nehmen innerhalb des Wortschatzes eine besondere Stelle ein und auch in der Wortbildung treten Unterschiede gegenüber dem Appellativum auf. Es entstehen a) Komposita aus Eigennamen, b) Komposita aus Eigennamen und Appellativen, c) Appellativa mit Eigennamen als erster Konstituente /vgl. bei Fleischer, 1983, S. 116-121/. ad a) Eigennamen bilden miteinander folgende Typen von Komposita: - Koppelungen von Rufnamen (Hans-Uwe, Anne-Dore, Karlheinz, Hannelore..) - Koppelungen von Familiennamen (Meyer-Lübke, Hoffmann-Krayer...) - Koppelung von Familiennamen und Ortsnamen (Name des Geburts- oder Wohnortes) Fritz Müller-Partenkirchen (Es handelt sich um Determinativkomposita mit determinierter Konstituente an erster Stelle.) - Koppelung von Ortsnamen (determinativ und auch kopulativ) Berlin-Pankow, Dresden-Striesen; Schleswig-Holstein, Garmisch-Partenkirchen 21

- Koppelung von Orts- und Flussnamen - Frankfurt-Oder, Frankfurt-Main, Donaueschingen ad b) Die Sonderstellung der Eigennamen gegenüber den Appellativen liegt darin, dass die Personen- und Ortsnamen sehr oft mit Bindestrich geschrieben werden. Kombinationen aus Eigennamen und Appellativum können entweder wieder Eigennamen oder Appellativa sein. In dieser Gruppe werden die erstgennanten Fälle erwähnt: - Bezeichnung der Ladeninhaber (Uhren-Schulze, Textil-Müller) oder Spitznamen (Goldzahn-Claus) - Orts- und Flussnamen (Alt-Leipzig, Groß-Berlin, Mittelelbe, Oberrhein) - Bezeichnung der Himmelsrichtungen (Dessau-Süd, Dresden-Nord) - Orts- und Flurnamen (Hartmannsdorf, Bayerwiese), moderne Straßennamen (Goethestraße), Namen von Institutionen, Betrieben, Universitäten (Karl-Marx- Universität), moderne Städtenamen (Gellert-Stadt) ad c) Im Rahmen dieser Gruppe werden folgende Untegruppen unterschieden: - Personennamen als Erstglied (diese überwiegen) Bach-Konzert, Shaw-Aufführung, Lessingpreis,...) - Ortsnamen als Erstglied (Hamburg-Reportage, Hollywood-Boulevard..) - Flussnamen als Erstglied (Elbmündung, Donauwellen) - Staats- und Landschaftsnamen (Frankreich-Export, Jordanientragödie...) 1.5. Metaphorik in der Substantivkomposition In publizistischen Texten begegnet man häufig neue Substantivkomposita mit metaphorischen Erscheinungen. Es handelt sich um Komposita mit ungewönlicher Kombination der Konstituenten (Kandidatenkarussel, Stimmungsbarometer, Steueroase...). Die Metapher kommt dadurch zustande, dass auf Grund eines Vergleiches die Bezeichnung eines Gegenstandes oder einer Erscheinung auf einen anderen übertragen wird, wobei diese Übertragung durch die äußere Ähnlichkeit oder die Ähnlichkeit der Verwendung der betreffenden Dinge ermöglicht wird (z.b. Auge - Fettauge; Gelenk - Gabelgelenk...). /Fleischer, 1975, S. 225/. 22

Die Metapher ist ein Mittel der Polysemisierung, das oft mit der emotionalen Seite der menschlichen Psyche und Kommunikation verbunden ist. In der Pressesprache entstehen Metapher oft als Mittel der Aktualisierung der Rede. Bei Kompositionsmetaphern unterscheidet man fünf verschiedene Gruppen /vgl. Fleischer, 1995, S. 99-100/: 1) Komposita, die als Ganzes metaphorisiert sind, und dieser Hinsicht metaphorischen Simplizia gleichgestellt werden (z. B. Augenblick = Moment ; Fuchsschwanz = Handsäge ). 2) Komposita, in denen das Erstglied der Bildempfänger, das Zweitglied der Bildspender ist (z. B. Informationsflut, Kostenlawine...). Das Erstglied kann dann ohne metaphorisch-expressive Charakteristik für das Ganze stehen (Informationen für Informationsflut). 3) Komposita, in denen das Erstglied der Bildspender und das Zweitglied der Bildempfänger ist (z. B. Kopfbahnhof, Schmutzliteratur...). Hier kann dann das Zweitglied für Ganze stehen (Bahnhof für Kopfbahnhof). 4) In diesen Komposita ist das Zweitglied der Bildspender, aber im Unterschied zum Typ 2) ist das Erstglied nicht ohne weiteres mit dem Bildempfänger gleichzusetzen (z. B. im Kompositum Ölpest - Öl ist nicht in dem Sinne Öl wie Informationsflut Information ist - es handelt sich um eine durch Öl verursachte Pest Verschmutzung von Stränden, Küstengewässern). 5) Expressive Personenbenennungen mit metaphorischen Tier (Bücherwurm, Pechvogel...) oder Gegendstandsbenennungen (Geldsack, Glückspilz...). 23

2. Die Ableitung beim Substantiv 2.1. Die explizite Ableitung beim Substantiv Die Ableitungssuffixe (Es werden vorwiegend produktive und aktive Suffixe 4 angeführt.) Fast jedes Nominalsuffix ist auf ein bestimmtes Genus festgelegt. Deshalb werden die Suffixe im folgenden nach Genera geordnet aufgeführt. Suffixe zur Bildung von Maskulina /vgl. bei Uhrová, 2002, S. 103-104/ -e - Archeologe, Biologe, Soziologe (Personenbezeichnungen) -er (semantisch besonders vielseitiges Suffix) Ableitungen von Verben der Raucher, der Besucher, der Lehrer (Personenbezeichnungen - Nomina agentis 5 ; Berufsbezeichnungen), der Wecker, der Zeiger (Namen von Gegenständen, Geräten - Nomina instrumenti 5 ); der Hopser, der Abstecher (Bezeichnungen von Tätigkeiten und deren Ergebnissen - Nomina acti 5 ) Ableitungen von Substantiven Arbeiter, Techniker (berufliche Tätigkeit); Engländer, Berliner (geographische, staatliche Zugehörigkeit) Ableitungen von Numeralien Vierziger, Zwanziger, Fünfer (Personen nach dem Alter oder Geldscheine und Münzen) Ableitungen von Wortgruppen - Frühaufsteher = früh aufstehen, Fliesenleger = Fliesen legen (Personenbezeichnungen) -ner, -ler (Verschmelzung des Suffixes er mit einem stammschließenden Konsonanten) Ableitungen von Substantiven Sportler, Gärtner (berufliche oder andere Tätigkeit, Eigeschaften) 24

-ing Karolinger, Merowinger; Thüringen, Meinningen (früher Patronymika, heute geographische Namen) -ling (aus stammauslautenden l und dem Suffix ing) Ableitungen von Substantiven, Adjektiven, Verben Schreiberling (pejorisierende Bedeutung), Säugling (passive Bedeutung, Nomina patientis 5 ), Flüchtling (aktivische Bedeutung, Nomina agentis 5 ) Fremdsuffixe: -ant (Laborant, Aspirant - bezeichnet den Handelnden) -är (Revolutionär - bezeichnet den Handelnden oder eine Person mit bestimmter Funktion) -eur (Friseur, Masseur - bezeichnet den handelnden oder ein Instrument, mit dessen Hilfe eine Tätigkeit durchgeführt wird) -ent (Student, Dirigent - ähnlich wie -ant) -iker (Dramatiker, Asthmatiker - Anhänger einer bestimmten Denkweise oder der Vertreter einer bestimmten Fachrichtung; an einer bestimmten Krankheit Leidende) -ist (Humanist, Jurist - Anhänger eines -ismus; Zugehörigkeit zu einer Berufsgruppe) -ismus (Materialismus, Humanismus - geistige Strömungen und Denkweisen; regelgesteuertes Verhalten und Stilformen) -or (Autor, Organisator, Multiplikator, Transformator - Nomina agentis 5 und instrumenti 5 ) Suffixe zur Bildung von Feminina /vgl. bei Uhrová, 2002, S. 105-107/ Die meisten Suffixe mit deren Hilfe weibliche Substantiva abgeleitet werden, sind produktiv. -heit Ableitungen von Adjektiven, Partizipien und Substantiven Blindheit, Klugheit; Schönheit; Menschheit (Nomina qualitatis 5 ; qualifizierte Größen; Kollektivbezeichnungen) Das Suffix hat noch weitere zwei Varianten keit (Eitelkeit, Brauchbarkeit) und igkeit (Kombination von Suffixen ig und heit, Mündigkeit, Lebhaftigkeit...). 25

-ung (besonders produktiv) Ableitungen von Verben und Wortgruppen Beobachtung, Diskriminierung (Nomina actionis 5 ); Versammlung (Veranstaltungen) Erzählung, Lieferung (Nomina acti 5 ); Betriebsleitung, Regierung (Kollektivbezeichnungen) -schaft Ableitungen von Substantiven Mannschaft, Gesellschaft (Kollektiva); Freundschaft, Partnerschaft (Bezeichnungen von Zuständen und inneren Bezeichnungen) Ableitungen von Verben und Adjektiven Errungenschaft, Wissenschaft, Bereitschaft (Resultat- und Sachbezeichnungen) -erei Ableitungen von Substantiven Fleischerei, Bücherei (Ort, an dem sich eine bestimmte Tätigkeit abspielt) Ableitungen von Verben - bezeichnen 1) eine wiederholte Tätigkeit, 2) ihr Ergebnis und 3) den Ort ihrer Ausübung Bäckerei, Malerei -in - bildet motivierte Feminina von maskulinen Personenbezeichnungen Freundin, Nachbarin, Köchin, Löwin... -e (vielseitiges Femininsuffix) Ableitungen von Adjektiven Blässe, Höhe, Breite (Eigenschaften oder Zustände) Ableitungen von Verbalstämmen Reibe, Liege, Leuchte (Sachbezeichnungen); Abreise, Aushilfe (Vorgänge, Tätigkeiten) 26

Fremdsuffixe: -age (Massage, Spionage, Vernissage - Nomina actionis 5 oder acti 5, Bezeichnungen für Veranstaltungen) -anz (Extravaganz, Arroganz, Alternanz - Eigenschaften, Vorgänge, Zustände) -enz (Abstinenz, Konkurenz - Nomina actionis 5 oder qualitatis 5 ) -erie (Koketterie, Bigotterie - Nomina actionis 5 oder qualitatis 5 ) -ie (Epilepsie, Photographie - Nomina qualitatis 5 oder acti 5 ), Demokratie - Institutionen und Regelsysteme ) -ik (Problematik, Hektik - Nomina qualitatis 5 ) -ion (Depression, Exekution, Konstruktion - Nomina qualitatis, actionis, acti 5 ) -i-tät (Agressivität, Festivität, Lokalität - Nomina qualitatis 5, Veranstaltungen oder Räumlichkeiten) Suffixe zur Bildung von Neutra /vgl. bei Uhrová, 2002, S. 108-109/ -nis Ableitungen von Verben Erzeugnis, Erlebnis; Gefängnis, Zeugnis (Resultat einer Handlung oder eines Geschehens) -tum Ableitungen von Substantiven Epigonentum, Junggeselletum; Bürgertum, Fürstentum (Eigenschaften, Kollektivbegriffe) Ableitungen von Verben Wachstum -chen, -lein (Diminutivsuffixe) Ableitungen von Substantiven - Beinchen, Wäldchen, Entchen, Väterchen, Äuglein, Täublein... -werk, -zeug, -gut, -wesen,... Heute werden immer mehr ursprünglich selbstständige Wörter zu Halbsuffixen (zur Problematik der Halbsuffixen siehe S. 15). Halbsuffixe finden sich in besondrem Ausmaß bei den Kollektivbildungen. 27

-werk Schuhwerk -zeug Spielzeug -gut Sprachgut, Konsumgut -wesen Schluwesen Dieser Tendenz folgen noch weitere Substantive: -körper, -kraft, -mann, -mittel, -stoff, -träger, -einheit, -maß (siehe Götze, 1993, S. 307) Fremdsuffixe: -at (Rektorat, Diktat - Institutionen oder Räume, in denen Institutionen untergebracht sind; Nomina acti 5 ) -ment, -ament (Bombardement, Egagement - Nomina Actionis 5, Einstellungen, Haltungen) -ing (kommt zunehmend mit eglischen Wörtern ins Deutsche - Camping, Training, Shopping...) Anm. Weiter zur Problematik der Ableitungssuffixe siehe Jung, W., Grammatik der deutschen Gegenwartssprache, 1985, S. 392-399 oder Fleischer, W., Barz, I., Wortbildung der deutschen Gegenwartssprache, S. 146-199. 2.2. Die implizite Ableitung beim Substantiv Die meisten substantivischen impliziten Ableitungen sind Deverbativa. Die Bedeutungen der impliziten Ableitungen sind verschieden von der Prozessbezeichnung mit Zeitcharakter (Wurf, Flug) bis zur Resultats- und Sachbezeichnungen (Biß, Zug) /vgl. Jung, 1985, S. 399-400/. Ein Sonderfall von der impliziten Ableitung ist die Konversion. Man unterscheidet Substantivierungen von Verben, Partizipien (am häufigsten), von Adjektiven, von Wortgruppen, Sätzen und einzelnen Wörter aller Wortarten (siehe S. 13-14). 28

3. Die Präfixbildung beim Substantiv Die Präfixbildung ist beim Substantiv im Unterschied zur Komposition und Derivation weniger entwickelt. Präfixe ändern den Wortinhalt des Nomens. Fast alle präfigierten Nomina haben als Basis ein Nomen. Lediglich das Präfix Ge- (teilweise in Verbindung mit dem Suffix -e) tritt auch an verbale Basen und macht diese zu Nomina. Präfixe /vgl. bei Uhrová, 2002, S.110/ ge- (in der Bedeutung des Zusammenhangs, der Verbindung kommt es oft in Verbindung mit dem Suffix e; sg. kombinatorische Derivation) - die Zugehörigkeit Gefährte, Geselle - Kollektiva Gebirge, Gewölk - ein lästiges Geschehen und eine lästige Wiederholung Geheul, Gelaufe - konkrete Gegenstände Gebäude nicht-, un-, miß- (drücken die Negation aus) - Nichtschwimmer, Unschuld, Untiefe, Mißbrauch, Mißtrauen un- - Negation mit pejorativer Nuance Unart, Unzeit, Unmensch, Unwetter - Augmentativa 6 Unmasse, Unsumme ur- - Ursprünglichkeit Urtext, Urwald - Verwandschaftsbezeichnungen Urgroßvater, Urenkel Affen-, Bomben-, Mords-,... Heute werden immer mehr ursprünglich selbstständige Wörter zu Halbpräfixen (zur Problematik der Halbpräfixe siehe S. 15). - verstärkende Bedeutung Affen-, Bomben-, Mordshitze In neuerer Umgangs- und Zeitungssprache kommen diese weiteren Präfixoiden vor: Blitz-, Grund-, Haupt-, Heiden-, Höllen-, Pfunds-, Riesen-, Spitzen- 29

Die obengennante und ähnlichewortbildungsbedeutungen können auch viele Fremdpräfixe ausdrücken: - Negation: an- (Analphabet), in- (Invariante), non- (Nonstop), dis- (Disharmonie) - Augmentativa 6 : hyper- (Hyperkultur), super- (Supermarket), makro- (Makrostruktur), multi- (Multimillionär) - Kleinheit: mini- (Minirock) - Gegensatz: anti- (Antikritik) - Internationalität: inter- (Interwerbung) 30

4. Kurzwortbildung beim Substantiv Man unterscheidet Abkürzungen von Kurzwörtern. Abkürzungen sind eine Besonderheit der Schreibweise, sie sind nicht Gegenstand der Wortbildungslehre (z.b., usw., dgl....). Kurzwörter sind besondere lexikalische Einheiten und kommen auch in gesprochener Form vor. Kurzwortbildung ist heute in der deutschen Sprache sehr produktiv, besonders beim Substantiv. Nach der Struktur der Reduktion unterscheidet man unisegmentale und multisegmentale Kurzwörter. Unisegmentale Kurzwörter bestehen aus einem zusammenhängenden ein- oder zweisilbischen Segment des Originals, dieses Segment kann den Anfang (initial) oder das Ende (final) bilden, z.b. Laboratorium Labor, Omnibus Bus. Man spricht auch von Kopf- und Schwanzwörter /vgl. bei Uhrová, 2002, S. 111/. Multisegmentale Kurzwörter bestehen aus zwei oder mehr Segmente des Originals. Es handelt sich meistens um Anlautelemente von Bestandteilen. Zu dieser Gruppe gehören Initialwörter, Silbenwörter und Klammerwörter. Initialwörter bestehen aus aneinandergereihten Anfangsbuchstaben von Bestandteilen des Originals (GmbH Gesellschaft mit beschränkter Haftung, PKW - Personalkraftwagen...). Initialwörter können Zusammensetzungen und Ableitungen bilden: UV- Strahlung, CDU- Mitglied). Bei Silbenwörter besteht jedes Segment aus mehreren Anlautelementen (Kripo Kriminalpolizei). In Klammerwörtern werden erste und letzte Teile zu einem Wort vereinigt (Motel aus Mot/orho/tel, Bierdeckel aus Bier/glas/deckel). Eine besondere Art der Kürzung stellt die Univerbierung dar. Es entstehen Kurzformen von längeren Komposita (analogisch zu den Ableitungen auf -er) Dampfschiff Dampfer, Fußballspieler Fußballer...). Kurzwortbildung ist mit der Wortbildung in doppelter Hinsicht verbunden. W. Fleischer unterscheidet zwischen 1) Kurzwortbildung und 2) Kurzwort-Wortbildung /vgl. Fleischer, 1995, S. 218-221/. Kurzwortbildung beruht auf der Reduktion längeren Vollformen (Postleitzahl = PLZ). 31

Kurzwort-Wortbildung beruht auf der Kombination von Kurzwörtern mit anderen Wörtern (PLZ-Verzeichnis). Meistens steht das Kurzwort am Anfang der WBK (KSZE-Schlußakte), seltener am Ende (Fußball-WM), vereinzelt in der Mitte bei okkasionellen Bildungen (1000- MW-Variante). Die verkürzten Benennungsstrukturen können Attributketten vereinfachen (Partner in der elektronischen Datenverarbeitung = EDV-Partner) und abgestuft verkürzen (Lehrgang in EDV = EDV-Lehrgang). 32

III. DIE WORTBILDUNG DES ADJEKTIVS Der größte Teil der deutschen Adjektive gehört nicht dem primären Wortschatz (gut, dunkel, dicht) an, sondern ist nach bestimmten Wortbildungsverfahren aus Basiswörtern gebildet worden. An der Bildung von Adjektiven haben vor allem die Komposition und Derivation Anteil 3. Die Präfixbildung ist nicht besonders produktiv. 1. Komposition beim Adjektiv Bei der Komposition werden zwei lexikalische Einheiten zu einem neuen Wort zusammengefügt. Im Bereich von adjektivischen Komposition sind vor allem Determinativ- und Kopulativkomposita vertreten. 1.1. Determinativkomposita In Determinativkomposita erläutert das vornstehende Bestimmungswort das hinterstehende Grundwort näher bzw. schränkt dessen Bedeutungsbereich ein. Adjektivische Determinativkomposita können verschiedene Strukturen haben: Adjektiv+Adjektiv; Adjektiv (Adverb) + Partizip I, II; Sustantiv + Adjektiv; Substantiv + Partizip I, II; Verb + Adjektiv; Verb + Partizip I, II; Pronomen/Numerale+Adjektiv; nichtflektierbare Wortarten + Adjektiv; Wortgruppe+Adjektiv /vgl. Götze, 1993, S. 312-315/. Adjektiv+Adjektiv/Partizip I, II hellgelb, rotgrün, naheliegend, gleichberechtigt Diese Gruppe enthält sowohl Wörter, die als Determinativ - als auch solche, die als Kopulativkomposita interpretiert werden können (rotgrün - Determinativkompositum (ins Rote gehende Grün); Kopulativkompositum (ein rotgrün gestreiftes Tischtuch). Substantiv+Adjektiv/Partizip I, II realitätsfern, blutrot, arbeitlos, chromblitzend, lawinenerprobt 33

Bei diesem Typ wird häufig Fugenelement benutzt (-/e/n - schokoladenbraun, - /e/s - hilfsbereit, siegesbewusst). Sehr produktiv sind vor allem Modelle mit Partizip I, II, die oft in der Mediensprache vorkommen (abendfüllend, parteischädigend; atomverseucht, eheerfahren, grundgesetzverpflichtet...). Zu dieser Gruppe kann man auch Komposita mit dem Kurzwort im ersten Glied zuordnen (PVC-beschichtet, EU-reif...). Verb+Adjektiv/Partizip I, II schreibfaul, dankenswert, lobenswert In dieser Gruppe können das erste Glied volle Infinitivformen oder endunglose Stämme bilden. In den Fällen, in denen das erste Glied einen Infinitiv enthält (z.b. nennenswert) könnte man das Adjektiv auch dem Typ S+A zuordnen, da der Infinitiv die Funktion der Verbonominalisierung übernimmt. Pronomen/Numerale + Adjektiv selbstsicher, selbsttragend, allbekannt; dreigestrichenes, vierkantig Nichtflektierbare Wortarten+ Adjektiv Adverb - ebensogut, wohlbedacht; Präposition - überernährt, vorschnell, mitschuldig Wortgruppe + Adjektiv halbmeter-dick, vielhundertmetertief W. Fleischer /vgl. Fleischer, 1995, S. 249/ spricht auch über die Komposita mit Konfix (zur Problematik des Konfixes siehe ausführlicher Kapitel Determinativkomposita beim Substantiv ). Adjektivische Konfixkomposita bilden vor allem Konfixe multi-, uni-, ähnlich mono-, poly-, allerdings vorwiegend mit Konfixen als Zweitgliedern in adjektivischer Funktion (unilateral, multilateral, multinational, monogam, polychrom...). Bei den Determinativkomposita kann man verschiedene semantische Untergruppen unterscheiden: - Vergleichsbildungen (bildschön, rabenschwarz...) 34