Können Haare schimmeln? Vorangehende Gedanken, These: Ob Haare, respektive Dreadlocks, schimmeln können, ist ungeklärt. Die bisherigen Beobachtungen sprechen dagegen; Schimmelbefall bei sauberen Dreads scheint nicht vorzukommen. Schimmel benötigt geeignete Nährstoffe, Feuchtigkeit und günstige Temperaturen (der Temperaturbereich für Wachstum liegt bei -10 bis 60 C, wobei die meisten Schimmelpilze bei 20-25 C optimal gedeihen). Meine Vermutung ist, dass dem Schimmel in sauberen Haaren die Nährstoffe fehlen, da die Haare aus schlecht aufschliessbaren organischen Materialien bestehen. Denkbar ist, dass lang anhaltende Feuchtigkeit die Haare aufweichen und dadurch ggf. Nährstoffe für Schimmel zugänglich machen könnte. Im folgenden Versuch will ich aber nachweisen, ob Schimmel ohne einen längeren vorangehenden Verrottungsprozess auf Haaren wachsen kann. Die laborübliche Zeit, um eine Prüfung auf Sterilität (also Abwesenheit jeglicher kultivierbarer Mikroorganismen) durchzuführen, beträgt 15 Tage. Diesen Zeitraum habe ich als Dauer für mein Experiment übernommen. In normalen Wachstumstests lässt sich Schimmel unter Optimalbedingungen innert 2-3 Tagen visuell nachweisen (deutlich sichtbare Kulturen) und innert 5 Tagen zur vollen Reife bringen (Fruchtkörperbildung, Sporenbildung). Über die Animpfung mit Schimmelsporen braucht man sich in einem normalen Haushalt keine Sorgen zu machen: Schimmelsporen sind allgegenwärtig; ich kann mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass sich auch Schimmelsporen in der Dreadverlängerung befinden. Sind die Bedingungen gut, wird Schimmel wachsen. Material: Saubere Haare (Herkunft: DreadFactory-Shop), zu einer Dreadlock-Verlängerung verhäkelt; Lagerung während mehrerer Monate in einem trockenen, zentral beheizten Raum. Wasser aus dem Wasserhahn Wasserglas, zugedeckt mit Klarsichtfolie Versuchsaufbau: Eine saubere Dreadlock-Verlängerung wird vollständig nass gemacht und in ein Wasserglas gestellt, in dem sich ca. 1cm hoch Wasser befindet. Das Wasserglas wird vollständig mit Klarsichtfolie bedeckt. Alle 3 Tage wird das Glas kurze Zeit geöffnet, die Dreadverlängerung herausgenommen, das Wasser abgeschüttet und neues Wasser eingefüllt. Die Dreadverlängerung wird jedoch nicht gewaschen. Im Glas herrscht dadurch eine konstante Luftfeuchtigkeit von annähernd 100% (erkennbar z.b. an der beschlagenen Innenseite des Glases und dem Kondenswasser an der Klarsichtfolie). Schimmel benötigt nur sehr wenig Sauerstoff; durch die Öffnung alle 3 Tage kommt genug Sauerstoff in das Glas. In der Dreadverlängerung bilden sich auf diese Art drei Zonen mit fliessenden Übergängen aus: Zuoberst eine relativ trockene Zone, wo das Wasser ablaufen kann (Zone 1). Die Haare halten hier kein Wasser, trocknen aber nie vollständig aus, weil über die Luft nach wie vor viel Feuchtigkeit zugeführt wird.
In der Mitte wird durch die Kapillarkräfte zwischen den Haaren ständig Wasser gehalten, ohne dass alle Haare vollständig im Wasser liegen (Zone 2). Die Haare sind konstant feucht. Ganz unten liegt die Dreadverlängerung im Wasser, so dass sich ca. 1-2cm der Haare konstant unter der Wasseroberfläche befinden (Zone 3). Der Wasserwechsel alle 3 Tage sorgt für frisches Wasser mit genug Sauerstoff. Leitungswasser enthält immer Bakterien, die den Versuch auf unvorhergesehene Art stören könnten. Sollten sich diese deutlich vermehren, werden sie durch den Wasserwechsel stark reduziert, wären aber am Ende des Versuches immer noch unter dem Mikroskop auffindbar. Die Bebrütung findet in der Küche meiner eigenen Wohnung statt; deren Temperatur liegt konstant im Bereich der gewünschten 20-25 C. Start: 14. Februar 2017. Tag 3: Die Haare zeigen keine erkennbare Veränderung. Die Verlängerung sieht an der Spitze trocken aus. Die Zone 2 beginnt ca. 2-3cm unterhalb der Spitze. Tag 6: Die Zone 3 wirkt etwas weicher; ein leicht unangenehmer Geruch tritt auf. Tag 9: Der Geruch ist etwas stärker. Tag 12: Der Geruch wird noch deutlicher. Tag 15 (01. März 2017): Ende der Bebrütung. Der Geruch ist jetzt sehr stark und unangenehm; er erinnert u.a. an nassen Hund. Die Haare werden visuell und mikroskopisch untersucht. Für die Untersuchung fertige ich mikroskopische Präparate aus allen 3 Zonen und aus dem Wasser, das aus der Zone 3 heraustropft, an. Die 3 Zonen untersuche ich auf Schimmel; das Wasser zusätzlich auch noch auf Bakterien. Ich färbe die Präparate mit etwas handelsüblicher Tinte an, um einen besseren Kontrast zu erzielen; das ist eine gängige Praxis bei der mikroskopischen Untersuchung von Pilzen. Im Bild oben sind die 3 Zonen markiert. Der farbliche Unterschied war im trockenen Zustand nicht vorhanden; er ist vermutlich aber nur auf die in den Haaren gehaltene Wassermenge zurückzuführen.
Ich schneide die Verlängerung mit einer Rasierklinge auf und entnehme von Rand und Mitte jeweils einige Haare. Die aufgeschnittenen Stellen untersuche ich von blossem Auge. Die unterschiedlichen Wassermengen sind deutlich erkennbar. Die Zone 3 wirkt auf mich leicht aufgequollen. Ich habe von allen 4 Präparaten unter dem Mikroskop mehrere Fotos gemacht. Leider steht mir keine professionelle Möglichkeit zur Verfügung, Fotos durch das Mikroskop hindurch zu machen; mit dem Handy ist das zwar möglich, allerdings nur mit limitierter Bildqualität.
Fotos aus Zone 1, 100fache Vergrösserung: Ein offensichtlich gebrochenes Haar Im Gegensatz dazu: geschnittenes Haar Unter 400facher Vergrösserung: gebrochenes Haar
Diese spinnwebartigen Strukturen sind bei 100facher Vergrösserung für mich nicht klar einzuordnen, daher habe ich den rot markieren Bereich unter der 400fachen Vergrösserung angeschaut.
Auch bei 400facher Vergrösserung sind keine Zellen zu erkennen. Würde es sich um Schimmel handeln, müssten jetzt Zellen bzw. deren Wände zu erkennen sein. Wieder mit 100facher Vergrösserung: die Schuppenschicht des Haars ist auf beiden Bildern sehr schön zu erkennen.
In allen untersuchten Bereichen ist dieses Objekt das einzige, das auch nur annähernd nach Schimmel aussieht, daher habe ich ihn genauer untersucht (hier 400fach vergrössert). Es handelt sich allerdings um einen relativ geraden Stab, der am anderen Ende nach rechts aus dem Bild heraus nahezu identisch aussieht, keine Verzweigungen und keine zellartigen Strukturen aufweist. Es handelt sich deshalb vermutlich nur um einen Längssplitter eines Haars. Die Zone 1 ist nicht von Schimmel bewachsen.
Fotos von Zone 2, 100fache Vergrösserung: Es zeigt sich im Wesentlichen das gleiche Bild auch hier ist kein Schimmel erkennbar.
Fotos aus Zone 3, 100fache Vergrösserung: Wie unterschiedlich dick die Haare eines einzelnen Menschen sein können, zeigt vor allem das rechte Bild deutlich. Diese Bilder wecken in mir zuerst den Verdacht, es könnte sich doch Schimmel gebildet haben. Die Strukturen weisen aber weder erkennbare Zellen noch Verzweigungen noch andere typische Merkmale eines Mycels ( = Geflecht von Pilzzellen) auf. Die Haare der Zone 3 wirken unter dem Mikroskop genau gleich wie die der Zone 1. Der aufgequollene Eindruck bestätigt sich nicht.
Aufnahmen des Wassers aus Zone 3, 400fache Vergrösserung: Diese Strukturen sind ganz ähnlich wie die spinnwebartigen Strukturen, die sich in allen 3 Haarpräparaten finden. Deshalb habe ich den Verdacht, dass es sich dabei um sehr feine Staubpartikel handeln könnte. Mycel ist bereits bei 100facher Vergrösserung gut erkennbar und bei 400facher Vergrösserung kann Schimmel durch das Mikroskop bis auf Artniveau identifiziert werden, es kann sich also nicht um Schimmel handeln. Zur Sicherheit untersuche ich sie trotzdem noch einmal bei 1000facher Vergrösserung; dabei untersuche ich zugleich auch auf die Anwesenheit von Bakterien.
Aufnahmen des Wassers, 1000fache Vergrösserung: Es sind keine Zellen erkennbar; keine Wachstumsstruktur. Die Formen sind an vielen Stellen zu filigran und zu willkürlich, es handelt sich nicht um Schimmel. Vermutlich ein sehr feiner Splitter eines Haares.
Bakterien sind selbst bei dieser starken Vergrösserung nicht als Zellen erkennbar, sondern als winzige Stäbchen oder Kugeln, die, wenn sie leben, vibrieren und sich manchmal sehr schnell durch den sichtbaren Bereich bewegen können. Dieses Bakterium war eines von drei (!), die ich gefunden habe das ist extrem wenig. Das markierte Pünktchen war eines dieser drei Bakterien. Die anderen in den Bildern sichtbaren Punkte haben sich nicht bewegt, d.h. es handelt sich um nicht lebendige Partikel (entweder tote Bakterien oder aber, was deutlich wahrscheinlicher ist, einfach sehr feinkörniger Schmutz). Schlussfolgerung: Selbst unter extrem günstigen Bedingungen kann Schimmel nicht einfach so auf Haaren wachsen. Die Wachstumszeit war mit 15 Tagen sehr grosszügig bemessen; ich sehe durch diesen Versuch meinen Verdacht erhärtet, dass Schimmel nicht in der Lage ist, aus gesunden Haaren die notwendigen Nährstoffe zu beziehen. Die chemische (nicht die mechanische!) Struktur der Haare müsste zuerst durch andere Zerfallsprozesse aufbrechen; wie lange das dauert oder welche Bedingungen dafür gegeben sein müssen, bleibt noch ungeklärt. Falls also Dreads schimmeln, muss stark davon ausgegangen werden, dass sie verunreinigt sind, z.b. durch Lebensmittelreste. Iris Andres Dreadfactory Basel