Computerspiele omputerspiele: ine unheimliche 18 Computergames haben einen schlechten Ruf, aber sie faszinieren Kids wie Erwachsene. Fast unüberschaubar ist ihre Zahl, und sie zu spielen, ist meist zeitaufwendig. Dennoch sollten sich Eltern damit auseinandersetzen.
Gewalt? Ein ausbalancierter Alltag stärkt die Widerstandsfähigkeit gegen Gewalt.
20 Gamen macht auch zufrieden.
Computerspiele Text Matthias Vatter Bild Christine Bärlocher Judith Suter (Name geändert) aus Bern macht sich Sorgen. Seit Monaten verbringt ihr Sohn Leon jede freie Minuten zu Hause vor dem Online-Game RuneScape. Das Fantasy-Game wird von Millionen Gamern weltweit kostenlos im Internet gespielt. Sie folgen dabei keiner linearen Geschichte, sondern können sich, gemeinsam mit anderen Mitspielenden, eigene Ziele im Spiel setzen und diese zu erreichen versuchen. Computergames sind faszinierend: Die Möglichkeiten, eine Rolle allein oder in einem Team zu spielen, sich in der Spielwelt frei und selbstbestimmt zu bewegen und dabei spannende Aufgaben zu lösen, sind gerade für Jugendliche attraktiv. Aber unter anderem geht es auch bei RuneScape ab und zu darum, böse Dämonen zu bekämpfen und durchaus handfest und blutig zu töten. Muss sich Judith Suter nun deswegen Sorgen machen, dass ihr Sohn dieses Computergame spielt? Mediengewalt führt nicht zwingend zu Gewalt 21 «Nicht unbedingt», heisst die verwirrende Antwort. Der Medienpsychologe und Professor Daniel Süss vom Departement Angewandte Psychologie der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) meint dazu: «Wenn gewalthaltige Games ab und zu gespielt werden, aber auch andere Spiele, und die Freizeit vielfältig gestaltet ist, dann besteht kein Grund zur Sorge. Ich würde der Mutter raten, die Altersempfehlungen der Spiele abzuklären und die Kinder nur Spiele spielen zu lassen, die für ihr Alter geeignet sind.» Aber Süss betont auch: «Es gibt keine linearen und generellen Effekte von Mediengewalt, sondern spezifische Wechselwirkungen: Bereits bestehende erhöhte Aggressivität trägt dazu bei, dass Menschen eher gewalthaltige Medien auswählen und von diesen in ihren Einstellungen bestärkt werden. Kinder, die in der Schule von Gleichaltrigen ausgeschlossen werden, können sich in gewalthaltigen Spielwelten verlieren und dort als Ausgleich Stärke und Macht geniessen.» Der Experte Süss weist aber auch darauf hin, dass Personen, die in einem gut ausbalancierten Alltag leben und sozial integriert sind, von Gewalt in den Medien nicht negativ beeinflusst werden. Fachleute sprechen dann davon, dass diese Menschen über Resilienz verfügen. Übersetzen lässt sich dieser Fachbegriff am ehesten mit Widerstandsfähigkeit. Es geht beim Resilienz-Ansatz in Bezug auf Computerspiele also darum, eine gesunde Widerstandsfähigkeit gegen negative Auswirkungen dieser Mediennutzung zu entwickeln.
Computerspiele 22 Die Resilienzforschung versuchte ursprünglich herauszufinden, warum gewisse Kinder aus schlechten sozialen Verhältnissen (Armut, drogensüchtige Eltern, Verwahrlosung usw.) trotz allem einen erfolgreichen, gesunden Lebensweg mit einem sozialen Aufstieg beschreiten und andere nicht. Dies obwohl keine Unterschiede zwischen den Kindern hinsichtlich Intelligenz, Gesundheit oder Hilfe von aussen ge geben waren. Dabei hat man herausgefunden, dass die «erfolgreichen» Kinder eben gegenüber den vielen schlechten Einflüssen eine eigene, psychische Widerstandsfähigkeit entwickelt haben. Auch Süss betont: «Erst seit kurzem wird in der sogenannten positiven Psychologie untersucht, wie Zufriedenheit entsteht und wie Menschen ihre Ressourcen stärken können. Diese Perspektive sollte man auch beim Umgang mit Medien anwenden. Die meisten Menschen können nämlich durchaus einen Medienumgang entwickeln, der zu ihrer Lebenszufriedenheit einen Beitrag leistet, und daraus könnte man auch etwas lernen für die Prävention von Problemen!» Kinder stärken Computergames klären Diesen Sommer fand in Bern eine Fachtagung der Schweizerischen Fachstelle für Informationstechnologien im Bildungswesen (SFIB) zum Thema «Games» statt. Dabei hat der Leiter des Fachbereiches Medienbildung der Pädagogischen Hochschule Zürich, Professor Thomas Merz-Abt, die Frage gestellt: «Wie können wir Voraussetzungen schaffen, damit Kinder und Jugendliche trotz problematischer Nutzung von Computerspielen physisch und psychisch gesund bleiben?» Unter anderem gab er folgende Antworten darauf: Wir müssen dazu beitragen, dass Kinder Vertrauen in ihre eigenen Fähigkeiten haben, jedoch auch ihre Stärken und Schwächen kennen. Wir müssen dazu beitragen, dass Kinder optimistisch und konstruktiv an Probleme herangehen und Probleme oder Fehler als Herausforderung und nicht als Niederlage erleben. Wir müssen dazu beitragen, dass Kinder sich in andere Menschen und Situationen einfühlen können und die Wirkung ihres Verhaltens auf andere einschätzen können. Konkret bedeutet das also, genau das zu tun, was der deutsche Reformpädagoge Hartmut von Hentig Anfang der achtziger Jahre des letzten Jahrhunderts bereits empfohlen hatte: «Die Menschen stärken, die Sachen klären.» Wie man das auf Computergames anwenden kann, zeigt der Zwischentitel zu diesem Abschnitt. «Die Kinder stärken» kann man mit den oben aufge-
zählten drei Punkten, und «die Computergames klären» heisst konkret nichts anderes als das Lernen einer Medienkompetenz, die diesen Namen auch verdient. Sind Sie als Eltern oder Lehrperson medienkompetent? Wie nutzen Sie selbst als Erwachsene die verschiedenen Medien? Da fängt es an mit der Medienkompetenz: «Was Hans nicht kann, wird Hänschen nie lernen», könnte man in Abwandlung des bekannten Sprichworts auch sagen. Das heisst natürlich nicht, dass Sie immer alle neuen Medientrends mitmachen und jedes Medium technisch beherrschen müssen. Da sind Kinder und Jugendliche meist schneller. Aber Sie sollten beurteilen können, wann man welches Medium wie und wofür nutzen kann. Wie man mit den Informationen aus diesem Medium Neun goldene Regeln für den Umgang mit Computergames 23 1. Nehmen Sie sich Zeit für die Interessen Ihres Kindes und zeigen Sie Offenheit auch wenn es um Computergames geht. 2. achten Sie darauf, dass Ihr Kind Vertrauen in seine Fähigkeiten findet und sowohl seine Stärken wie auch seine Schwächen kennt. 3. Zeigen Sie Ihrem Kind, statt Fehler zu bestrafen, möglichst früh, dass es sich lohnt, Probleme als Herausforderung zu nehmen und aus Fehlern zu lernen. 4. Wenden Sie niemals verbale oder körperliche Gewalt an und lernen Sie mit dem Kind, Konflikte gewaltfrei zu lösen. 5. unterstützen Sie Ihr Kind beim Aufnehmen und Pflegen von Beziehungen zu anderen Kindern und geben Sie ihm Freiräume dafür. 6. stellen Sie mit Ihrem Kind Regeln für jeglichen Medienkonsum (auch Musik, TV, Internet, Hefte usw.) bezüglich Inhalten und Zeiten auf. Allzu starre Zeitlimiten sind dabei nicht immer sinnvoll gerade anspruchsvolle Computergames brauchen viel Zeit. 7. Beachten Sie beim Kauf von Computergames die Angaben zur Altersempfehlung auf den Packungen und informieren Sie sich über Art und Inhalt des Games. Denken Sie aber auch daran, dass man heute im Internet (und auf dem Handy) Games spielen kann. 8. Informieren Sie sich über Lernspiele und sogenannte «serious games»: Computergames können auch beim Lernen helfen und Spass machen. 9. Nehmen Sie sich Zeit für sich und Ihre Familie und unternehmen Sie Ausflüge in die Natur.
Computerspiele umgeht und wie man den eigenen Umgang mit dem Medium kritisch reflektieren kann. Das alles gilt natürlich auch für Computergames. Sinnvoll ist es sicher auch, gemeinsam mit dem Kind Regeln für die Nutzung von Computergames zu vereinbaren. Allzu starr sollten diese, vor allem was zeitliche Limiten angeht, jedoch nicht sein. Denn ein anspruchsvolles Computergame wie das oben erwähnte Rune Scape braucht schnell einmal drei Stunden am Stück, damit man sinnvoll mitspielen kann. Aber täglich muss man das nicht tun. Auch die gerne postulierte Grundregel, der «Computer gehöre nicht ins Kinderzimmer», ist heute eher unsinnig: Einerseits ist der Computer zunehmend auch ein Arbeitsinstrument für die Schule nicht jede Familienwohnung hat ein separates Arbeitszimmer und zweitens müsste man dann konsequenterweise auch das Handy aus dem Zimmer der Kinder verbannen. 24 Medienauswahl kann Symptom für eine Krise sein Zu einer Computergame-Kompetenz bei Eltern gehören jedoch vor allem zwei Dinge: Interesse und Zeit. Nehmen Sie sich Zeit, sich über die entsprechenden Computergames zu informieren, und zeigen Sie Interesse dafür, was Ihr Kind denn da spielt. Dies unterstützt auch Süss, der selber Vater von zwei Töchtern ist: «Die Eltern sollen herausfinden, weshalb ihr Kind von einem bestimmten Game so fasziniert ist: Ist es die spezielle Spieldynamik oder Atmosphäre im Spiel, ist es ein Game-Clan, dem das Kind beigetreten ist, oder liegen vielleicht reale Konflikte im Hintergrund, welche das Kind durch actionreiche Szenarien zu vergessen versucht? Letzteres wäre sicher ein ungünstiges Zeichen.» Aber auch Süss meint: «Wichtig ist es, aufmerksam zu sein für die Befindlichkeiten des Kindes in seinem gesamten Alltag. Wenn man merkt, dass sich da etwas ins Negative verschiebt, dann sollte man dem Kind Hilfe anbieten, nicht nur auf den Medienumgang fokussiert, sondern viel breiter. Die Medienauswahl ist vielleicht nur ein Symptom dafür, dass sich woanders eine Krise anbahnt.» Zu einer echten Medienkompetenz gehört jedoch auch, dass neue Medien gerade Computergames auch in der Arbeit und der Schule genutzt werden können. Informieren Sie sich doch einmal über Online-Lernspiele und diskutieren Sie mit der Lehrperson Ihrer Kinder, ob und wie solche Medien für den Unterricht genutzt werden könnten. Verbote von gewissen Computergames bringen keine Lösungen das betonen auch Fachleute wie der Medienpsychologe Süss. Zumal Regulierungen und Verbote praktisch nur Computer-
Geschicklichkeit, Koordination, logisches Denken, Ausdauer und Geduld positive Eigenschaften werden mitgeschult.
Computerspiele games auf Datenträgern erfassen können und kaum jene Angebote, die es zunehmend im Internet gibt. Doch trotzdem kann die Schweizer Politik etwas tun. Es ist kein Zufall, dass vor wenigen Wochen die Stiftung Pro Juventute ihre Petition «Stopp der (un)heimlichen Gewalt» in Computerspielen mit 50 000 Unterschriften einreichte. Pro Juventute fordert darin eine nationale Zertifizierungsstelle für Computergames in der Schweiz, verbindliche Altersfreigaberegelungen für den Verkauf von entsprechenden Games und eine bessere Zusammenarbeit von Bund und Kantonen im Bereich der Medienkompetenz-Förderung. 26 Dieser Meinung ist auch Süss, der sagt: «Die Forderungen von Pro Juventute nach einer einheitlichen Handhabung des Jugendmedienschutzes in der Schweiz sind völlig berechtigt. Es ist für Eltern irritierend, wenn auf Computerspielen z.b. zwei verschiedene Altersempfehlungen stehen oder wenn derselbe Kinofilm im eigenen Kanton ab 9 Jahren und im Nachbarkanton ab 12 Jahren läuft.» Was die Zertifizierungsstelle betrifft, so hält es Süss aber für sinnvoller, bereits bestehende Systeme zu übernehmen, um mit den Marktentwicklungen Schritt halten zu können. Vor allem aber empfiehlt Süss die sogenannte «Positivprädikatisierung» die Empfehlung von «guten» Computergames also: «Es gibt in Österreich eine spezialisierte Bundesstelle für die Positivprädikatisierung von Computerspielen. Die ausgezeichnete Arbeit dieser Fachstelle ist noch viel zu wenig bekannt und wäre auch für die Schweiz spannend, weil dort Eltern, Lehrpersonen und Jugendliche wertvolle Hinweise auf spannende und anregende Spiele finden können.» Man darf gespannt sein, ob die Schweizer Politik diesem Rat folgen wird. Weiterführende Links www.gamerights.ch: Website einer Vereinigung von Computergamern in der Schweiz. http://bupp.at: Österreichische Bundesstelle für die Positivprädikatisierung von Computerspielen. www.lastexitflucht.org: ein Lernspiel zu Flucht und Migration. www.postfinance-eventmanager.ch: ein Lernspiel zum Thema «Umgang mit Geld», gesponsert von Postfinance. www.umweltspiele.ch: verschiedene Lernspiele zu Umweltthemen.
«Fritz+Fränzi»-Game-Tipps «Abenteuer Zeitmaschine Fred & Anni bei den Rittern» Hersteller: Tivola, Spielplattform: PC & Mac Für Kinder von 3 8 Jahren Diese Mischung aus Abenteuerspiel und Minispiel- Sammlung ist dank guter Sprachausgabe auch für Kinder geeignet, die noch kaum lesen können. Spielspass und positive Lerneffekte werden kombiniert, es fördert die Auge-Hand-Koordination, das logische Denken, Geschicklichkeit und auch etwas Wissen über Ritter. Positiv ist, dass das Kind sich zu Beginn aussuchen kann, ob es als Fred oder Anni spielt. «Prinzessin Lillifee» Lillifees Musikschule & Lillifee und der Zaubermeister Hersteller: Tivola, Spielplattform: PC & Mac Für Kinder von 3 7 Jahren Ideal für den ersten Kontakt mit Computerspielen. Trotz des Designs wären die Spiele für Buben genauso interessant. In ruhiger Atmosphäre eingebettet, wechseln aktive Sequenzen mit solchen, wo das Kind einfach mal zuschauen darf. Optisches und akustisches Unterscheidungsvermögen und Mustererkennung werden trainiert sowie Reaktion, Geschick lich keit und Genauigkeit. Zudem kann man selbst gespielte Musikstücke aufnehmen und wieder ab spielen. «Lauras Stern» Laura geht zur Schule Hersteller: Baumhaus Medien, Spielplattform: PC/Mac Für Kinder von 4 7 Jahren Ein Spiel zum «Schule-Ausprobieren»: Mit verschiedenen kleinen Games und Aufgaben wird die Schulwelt eingeführt. Mit dem schön und abwechslungsreich gestalteten Game lassen sich wissbegierige Vorschulkinder für Laura und vielleicht auch für die Schule begeistern. «Laura Jones 2» Hersteller: dtp Entertainment AG, Spielplattform: PC/Windows Für Kinder von 8 12 Jahren Ein abwechslungsreiches, aber ruhiges und farbenfrohes Spiel rund um eine knifflige Geschichte mit vielen Such-, Rätsel- und Problemlöseaufgaben. Diese trainieren viele Fähigkeiten, wie zum Beispiel logisches und räumliches Denken, Rechnen, Konzentration, optisches Differenzierungsvermögen sowie Auge-Hand-Koordination. Professionelle Sprachausgabe (Englisch mit deutschen Untertiteln). «Rhythm Paradise» Hersteller: Nintendo, Spielplattform: Nintendo DS Für Kinder von 8 13 Jahren Spannendes Spielkonzept, welches absichtlich mit minimalistischer Grafik voll auf Töne setzt. Das Spiel fördert das Rhythmus- und Taktgefühl spielerisch und sehr motivierend Spielende lernen vor allem auch aufmerksam hinzuhören. Die Minispiele sind abwechslungsreich gestaltet und bestechen durch ihren skurrilen Humor und verrückte Einfälle. «TAK Das Geheimnis des glühenden Kristalls» Hersteller: THQ Entertainment AG, Spielplattform: Sony Playstation 2 oder Wii Für Kinder von 8 13 Jahren Abwechslungsreiches und schön gestaltetes «Jump & Run»-Game, angelehnt an eine TV-Serie. Die einzeln vorhandenen Kampfsituationen im Spiel sind eher beeindruckend oder amüsant denn furchteinflössend oder ekelerregend. Zudem kann man sie durch clevere Routenwahl umgehen. Für bereits erfahrene «Jump & Run»-Spieler kann das Game etwas zu kurz und zu wenig herausfordernd sein. «The Beatles Rockband» Hersteller: Electronic Arts GmbH, Spielplattform: Playstation 3, Wii, Xbox360 Für Jugendliche von 11 16 Jahren Das ideale Spiel, wenn die Grosseltern den Enkeln ihre Jugendkultur und die Enkel den Grosseltern neue Medien näher bringen wollen! Das durchaus generationenübergreifende Musikspiel kann (auch über das Internet!) von mehreren Spielenden gespielt werden und fördert Musikalität und Rhythmusgefühl, die Feinmotorik, Auge-Hand-Koordination und Teamfähigkeit. «Anno erschaffe eine neue Welt» Hersteller: Ubisoft, Spielplattform: Nintendo DS, Wii Für Jugendliche von 11 16 Jahren Dieses Strategiespiel verfügt über eine solide Story mit spannendem, gut durchdachten Gameplay. Unterstützend ist das gelungene Tutorial. Kämpfe und Kriege sind zwar Elemente des Spieles, es wird jedoch klar der friedliche Weg der Konfliktlösung in den Vordergrund gestellt. Das Spiel fordert und fördert logisches, vorausschauendes Denken und es werden Werte wie Freundschaft und kulturelle Offenheit vermittelt. 27