Uranmaschinen und Atombombenpläne in Deutschland bis 1945 Physikalische und technische Aspekte

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Uranmaschinen und Atombombenpläne in Deutschland bis 1945 Physikalische und technische Aspekte Prof. Jürgen Eichler, TFH Berlin 1. Von der Kernspaltung zum Uranverein Entdeckung der Kernspaltung Ende 1938 bestrahlten Otto Hahn und Fritz Strassmann am Kaiser-Wilhelm-Institut für Chemie in Berlin-Dahlem das natürliche Element mit der höchsten Ordnungszahl, Uran, mit Neutronen (aus einer Radium-Beryllium-Quelle, Bild 1 zeigt eine moderne Ausführung). Danach analysierten sie chemisch die bestrahlte Probe und fanden zu ihrer Überraschung Barium, ein Erdalkalimetall etwa halb so schwer wie Uran. Sie veröffentlichten die Arbeit unter dem sehr vorsichtigen Titel Über den Nachweis und das Verhalten der bei der Bestrahlung des Urans mittels Neutronen entstehenden Erdalkalimetalle. Mit dieser Arbeit begann das Zeitalter der Kernspaltung mit der Entwicklung der Kernreaktoren und Atombomben. Hahn informierte seine langjährige frühere Mitarbeiterin Lise Meitner die als Jüdin kurz vor dieser Entdeckung vor den Nazis nach Schweden fliehen mußte über die Ergebnisse. Gemeinsam mit ihrem Neffen Otto Frisch gelang es ihr, den neuartigen Prozess der Kernspaltung theoretisch zu erklären. Sie veröffentlichten 1939 die Arbeit Desintegration of uranium by neutron: a new type of nuclear reactions. Die Entstehung von Barium ist einer von vielen Spaltprozessen bei der Kernspaltung von Uran (Bild 2). Freisetzung von Energie durch Kernspaltung Forscher in Schweden und Dänemark (Meitner, Frisch), Frankreich (Frédéric Joliot), Italien (Enrico Fermi) und Deutschland (Siegfried Flügge, Gottfried v. Droste) erkannten sehr schnell, dass bei der Kernspaltung Energie frei wird. Die Summe der Massen der Spaltprodukte ist nämlich kleiner als die Masse des Urankerns (sog. Massendefekt ). Nach der berühmten Gleichung E = mc 2 findet man, dass die Energie dabei um viele Zehnerpotenzen größer ist, als bei der Freisetzung von chemischer Energie, z. B. bei der Verbrennung. (Bild 3 zeigt die Bindungsenergie je Kernteilen, woraus die frei werdende Energie ermittelt werden kann. Das war damals schon bekannt.) Kettenreaktion Eine Analyse der Experimente von Hahn und Strassmann sowie von 11 anderen internationalen Arbeiten machte 1939 klar, dass bei der Spaltung von Uran durch Neutronen ungefähr 3 Sekundärneutronen entstehen (z. B. Reaktion nach Bild 2). Natürliches Uran besteht aus drei Isotopen: Uran-234 (0,005 %), Uran-235 (0,7 %) und Uran-238 (99,276 %). Isotope eines chemischen Elements mit gleicher Ordnungszahl (Kernladung) haben gleiche chemische Eigenschaften, aber verschiedene Masse (unterschiedliche Zahlen an Neutronen). Niels Bohr und John Wheeler stellten fest, dass nur Uran-235 durch Neutronen gespaltet werden kann und zwar durch langsame Neutronen. Dagegen bleibt ein einfallendes Neutron in Uran-238 stecken und eine Spaltung findet nicht statt. Pro Spaltung eines Uran-235- Atomkerns können 3 neue Neutronen entstehen und diese können ihrerseits neue Entwicklung_A-Bombe_in_Dtld.doc Seite 1 30. Oktober 2005

Spaltprozesse auslösen damit kann eine Kettenreaktion entstehen (Bild 4). Das Prinzip einer Kettenreaktion war damals seit langem aus der Chemie her bekannt. Kernreaktoren und Atombomben Flügge veröffentlichte im Juni 1939 eine Arbeit Kann der Energieinhalt der Atomkerne technisch genutzt werden? Er kam zu dem Schluss, dass die Kernspaltung in Form einer Kettenreaktion in einer Uranmaschine, wie man damals die Kernreaktoren bezeichnete, zur Energiegewinnung ausgenutzt werden könnte. Dabei erkannte er, dass die Sekundärneutronen durch einen Moderator abgebremst werden müssen. Inzwischen waren etwa 100 Artikel über die Kernspaltung erschienen und in einem amerikanischen Review Artikel wurde auch über katastrophale Kettenreaktionen spekuliert also über die Atombombe. Der 2. Weltkrieg Vier Monate später, am 1. September 1939, begann mit dem Einmarsch deutscher Truppen in Polen der 2. Weltkrieg. Unter Geheimhaltung wurde nun in Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Japan, USA und der Sowjetunion über Kernenergie und Atombomben geforscht. Information der Wehrmacht durch Wissenschaftler Bereits im Frühjahr 1939 informierten Georg Joos und Wilhelm Hanle (Uni Göttingen) das Kultusministerium über wirtschaftliche und militärische Anwendungen der Kernspaltung. Zuständig war die Fachsparte Physik des Reichsforschungsrates unter der Leitung von Abraham Esau. Am 29. April 1939 wurde der sogenannte Uranverein gegründet, der sich mit der Kernenergie beschäftigen sollte. Parallel wandte sich Nikolaus Riehl von der Auer AG an das Heereswaffenamt der Wehrmacht, das zunächst kein Interesse hatte. Die Firma Auer beschäftigte sich kommerziell mit Uran und der Radioaktivität und Riehl wollte wohl das Geschäft ankurbeln. Auch Paul Harteck und sein Assistent (Uni Hamburg) informierten das Heereswaffenamt und wiesen auf die mögliche Anwendung der Kernspaltung von Uran zur Erzeugung eines Sprengstoffs hin. Sie unterstrichen die politische Bedeutung von möglichen Kernsprengstoffen. 1940 schrieb Carl Friedrich von Weizsäcker an das Heereswaffenamt über nichtmilitärische und militärische Möglichkeiten der Kernspaltung. Die obigen Herren waren keine Nazis. Riehl musste sogar seine nichtarische Abstammung verbergen. Möglicherweise war es Nationalismus, Patriotismus und beruflicher und persönlicher Ehrgeiz, der sie dazu trieb. Weizsäcker wurde später an die Ostfront eingezogen und kam erst durch die Anforderung von Werner Heisenberg wieder frei. Heereswaffenamt Nach dem Kriegsbeginn wird der Uranverein vom Heereswaffenamt dominiert und von Kurt Diebner geleitet, der Erich Bagge kennt, den Assistenten von Heisenberg. Entwicklung_A-Bombe_in_Dtld.doc Seite 2 30. Oktober 2005

Auf diese Art kommt Heisenberg per Verordnung (es ist Krieg) zum Uranverein. Das Kaiser-Wilhelm-Institut in Berlin kommt unter die Leitung des Heereswaffenamts und Diebner wird Verwaltungsdirektor. Hahn und Heisenberg unterstehen ihm im Rahmen des Uranvereins. Dieses Institut wird organisatorisches Zentrum der Uranforschung während des 2. Weltkrieges. 1942 zieht sich das Heereswaffenamt von der Leitung des Uranprojekts zurück, da es keine Ergebnisse erwartete, die den Verlauf des Krieges entscheiden könnten. Die Projektleitung geht wieder an die Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft und später an den Reichsforschungsrat. Die Entwicklung wird stark dadurch behindert, dass häufig Wissenschaftler aus den Projekten gerissen wurden und an die Front geschickt wurden. Bisweilen gelang es insbesondere Heisenberg, die Leute (z. B. Weizsäcker) wieder zurückzuholen, was vielen das Leben gerettet hat. 2. Kernreaktoren, Urananreicherung und Bomben Um zu verstehen, was in Deutschland bis zum Kriegende an Uranforschung durchgeführt wurde, ist ein Verständnis der technischen und physikalischen Grundlagen nützlich. Es können drei verschiedene Wege zur Atombombe führen: 1. Weg zur Atombombe (Uranbombe) Die Kernspaltung von Uran mit Neutronen ist nur mit dem Isotop U-235 möglich, welches nur mit einem Gehalt von 0,7 % im Natururan vorkommt (Bild 5). Der Rest von 99,3% ist das Isotop U-238, welches für Konstruktion einer Uranbombe ungeeignet ist und stört. Für eine Uranbombe muss das Uran fast vollständig aus U- 235 bestehen. Da beide Isotope chemisch völlig gleich sind, ist die Trennung schwierig. Das Isotop U-235 ist etwa 1,5 % leichter als U-238. Darauf beruhen verschiedene Trennverfahren. Das technisch wichtigste ist die Uranzentrifuge. Dieses Verfahren geht von dem Gas Uranhexafluorid (UF6) aus. Beim Zentrifugieren sammeln sich die schweren Moleküle etwas mehr am Außenrand. Für einen höheren Anreicherungsgrad muss man Hunderte von Zentrifugen hintereinander betreiben. Eine Urananreichungsanlage braucht sehr große Fabrikationsflächen, viel elektrische Energie und Personal. Die technische Entwicklung Anfang 1940 war ein sehr komplizierter Prozess. (Heute hat man Erfahrung und es ist etwas einfacher, wie es am Beispiel des Irans bekannt ist.) Ein anderes Verfahren beruht auf der unterschiedlich schnellen Diffusion von Uranhexafluorid durch Membranen. Schwere Moleküle sind etwas langsamer. Bild 6 zeigt eine historische Anlage in Oak Ridge, USA. Die deutschen Versuche zur Uran-Isotopen-Trennung waren weit davon entfernt, die notwendigen Uranmengen zu produzieren. Den USA gelang es 1945 eine einzige Uranbombe für die Zerstörung von Hiroshima zu produzieren. 2. Weg zur Atombombe (Plutoniumbombe aus einem Natururanreaktor) Bereits 1940 wusste man, dass die Herstellung einer Uranbombe wegen der Urananreicherung (Erhöhung des Anteils des spaltbaren Uran-Isotops U-235) langwierig, teuer und schwierig ist. International erkannte man, dass in einer Uranmaschine (Kernreaktor), die es damals noch nicht gab, aus U-238 ein Transuran entsteht, das eben falls wie U-235 spaltbar, also für eine Bombe geeignet ist. Es Entwicklung_A-Bombe_in_Dtld.doc Seite 3 30. Oktober 2005

wurde bereits erwähnt, dass U-238 Neutronen einfängt. Dabei entsteht das Transuran, das man heute Plutonium nennt (Pu-239). Der Prozess, der in einer Uranmaschine für die Umwandlung im Plutonium verantwortlich ist, zeigt Bild 7. In einer Uranmaschine entsteht also immer spaltbares Plutonium. Es handelt sich um ein Element mit der Ordnungszahl im Periodensystem von 94, während Uran 92 hat. Beide Elemente haben völlig verschiedene chemische Eigenschaften, so dass sie in benutzten Brennelementen chemisch leicht zu trennen sind. In der Praxis treten Probleme wegen der radioaktiven Strahlung und der extremen Giftigkeit von Plutonium auf. Dennoch ist die Gewinnung von Plutonium wesentlich einfacher als die von U-235. Heisenberg war der theoretische Kopf des Uranvereins und er erkannte im Februar 1940: (1) Man kann eine Uranmaschine mit Natururan bauen (Bild 8 und folgende). Zum Abbremsen der Neutronen kann nur schweres Wasser D 2 O oder superreiner Kohlenstoff (Graphit) als Moderator benutzt werden oder als Ersatz Parafin. (2) Mit angereichertem Uran kann die Uranmaschine auch mit normalem Wasser betrieben werden. Im Gegensatz zur Bombe muss die Anreicherung nur zu einigen Prozenten durchgeführt werden. (3) In einer Uranmaschine entsteht immer Plutonium, das für Bomben geeignet ist. Diese Ergebnisse seiner theoretischen Berechnungen teilte er bereitwillig dem Heereswaffenamt mit. Der einfachste Weg zur Entwicklung einer deutschen Bombe erschien damals die Entwicklung einer Uranmaschine mit Natururan und schwerem Wasser als Moderator oder reinem Kohlenstoff (Graphit oder auch Trockeneis). Der erste laufende Kernreaktor arbeitete mit Natururan und wurde von Fermi in Chicago am 2. Dezember 1942 in Betrieb genommen. Er bestand aus 380 t Graphit und 46 t Uran und Uranoxid. 3. Weg zur Atombombe (Plutonium aus einem Reaktor mit angereichertem Uran) Reaktoren mit angereichertem Uran und normalem Wasser als Moderator werden heutzutage in Kernkraftwerken benutzt. Auch dieser Weg wurde theoretisch in Deutschland durchdacht, aber dann fallen gelassen, da eine industrielle Urananreicherung nicht durchzusetzen war. 3. Entwicklungen in Deutschland bis Kriegsende Sowohl für die friedliche als auch die militärische Anwendung von Uran waren die Hauptaufgaben die Erzeugung von Uran und schwerem Wasser (als Moderator), die Entwicklung von Uranmaschinen und die Entwicklung der Isotopentrennung von Uran. Insgesamt arbeiteten in Deutschland daran etwa 40 Personen, während es in USA am Ende 160.000 waren. Im Jahre 1942 arbeiteten in Deutschland mehrere Institute eigenständig an verschiedenen Projekten: Walter Bothe (Heidelberg): 6 Physiker, Messung von Kerndaten Klaus Clusius (München): 4 Physikochemiker und Physiker, Isotopentrennung und schweres Wasser Entwicklung_A-Bombe_in_Dtld.doc Seite 4 30. Oktober 2005

Otto Hahn (Berlin): 6 Chemiker und Physiker, Transurane, Kerndaten, Spaltung Paul Harteck (Hamburg): 5 Chemiker und Physiker, Isotopentrennung und schweres Wasser, Hans Kopfermann (Kiel, später Göttingen):2 Physiker, Isotopentrennung Nikolaus Riehl (Oranienburg, Auer Gesellschaft): 3 Forscher, Uranerzeugung Georg Stetter (Wien): 6 Physiker und Physikochemiker, Messung von Kerndaten und Transurane Direkt an der Entwicklung von Uranmaschinen waren hauptsächlich 2 Gruppen beteiligt: Werner Heisenberg (Berlin als Berater, Leipzig): 7 Physiker und Physikochemiker, Uranmaschinen, Isotopentrennung, Messung von Kerndaten Kurt Diebner (Heereswaffenamt in Gottow): 5 Physiker, Uranmaschinen Uranmaschine Im Prinzip gab es zwei etwas rivalisierende Gruppen für die Entwicklung der Uranmaschinen: die von Prof. Heisenberg und die von Dr. Diebner. (Nur wenig Bedeutung haben die Entwicklungen der Reichspost, die auch an einer Uranmaschine arbeitete.) Die Entwicklung musste sich in auf Reaktoren mit Natururan beschränken. Als Moderator kam hauptsächlich schweres Wasser zum Einsatz. Es wurde jedoch auch mit Parafin (kohlenstoffhaltig) experimentiert, das es leichter zu beschaffen war und einfacher in der Handhabung. Es war bekannt, dass der Bau einer funktionsfähigen Uranmaschine aufgrund unzureichender Kenntnisse und fehlender Materialien zunächst nicht möglich war. Man beschränke sich daher bis Kriegsende auf Modellversuche. Die Vorstufe eines laufenden Reaktors ist ein kleiner Reaktor, der in der Lage ist, eingebrachte Neutronen zu verstärken. Es wurden also Neutronenverstärker gebaut. Wenn die Funktion so einer Maschine nachgewiesen ist, ist der wichtigste Schritt zu einer funktionierenden Uranmaschine getan. Gruppe Heisenberg: Heisenberg zog sich nach Abschluss seiner bahnweisenden Theorie weitgehend zurück und übergab die Arbeiten an Weizsäcker. Dieser widmete sich später auch ebenso wie Heisenberg hauptsächlich der Grundlagenphysik (Elementarteilchen), also arbeiteten andere Wissenschaftler als Leiter (Karl Witz) an der Uranmaschine. Dabei wurde auf Empfehlung von Heisenberg zunächst ein Schichtaufbau gewählt (Bild 8). Da schweres Wasser in ausreichender Menge zunächst nicht verfügbar war, wurde als Moderator Paraffin gewählt. Statt Uran als Spaltmaterial diente Uranoxyd. Das Ganze wurde von einem Mantel aus Wasser umgeben. In die Mitte der Uranmaschine wurde eine Neutronenquelle eingebracht, die aus einer Mischung aus Radium und Beryllium bestand. Eine moderne Radium-Berylliumquelle und entsprechenden Kernreaktionen zur Produktion der Neutronen zeigt Bild 1. Später wurde eine Anordnung nach Bild 9 gewählt, wobei Uranpulver verwendet wurde. Wie erwähnt handelte es sich um Modellversuche, die nur die Neutronen aus der Neutronenquelle vermehren sollte. Dieses Ziel wurde zunächst nicht erreicht. Entwicklung_A-Bombe_in_Dtld.doc Seite 5 30. Oktober 2005

Aufgrund der besseren Resultate der Arbeitsgruppe Diebner wurden später Versuche mit Uranwürfeln und schwerem Wasser als Moderator durchgeführt (Bild 10). Diese Experimente brachten tatsächlich eine Vermehrung der Neutronenzahl. Inzwischen war der Krieg jedoch weiter fortgeschritten und Berlin wurde heftig bombardiert. Daher zog die Urangruppe nach Haigerloch und Hechingen bei Stuttgart um. Dort wurde eine Vermehrung der Neutronenzahl um den Faktor 10 erreicht (Bild 10). Heisenberg berichtete im März 1945 nach Berlin, man steht kurz vor einer sich selbst erhaltenden Kettenreaktion. Man benötige nur mehr Uran und schweres Wasser. Weitere Erfolge wurden nicht erzielt, da der Krieg Anfang Mai 1945 verloren ging. Die wichtigsten Wissenschaftler dieser Gruppe wurden von den Amerikanern nach Farm Hall in England interniert. Gruppe Diebner: Obwohl das Heereswaffenamt die Leitung des Uranvereins aufgegeben hatte, arbeitete eine Gruppe um Diebner in Gottow bei Berlin. Statt der Schichtanordnung wählte diese Gruppe eine würfelförmige Anordnung des Urans. Außerdem setzte sie frühzeitig schweres Wasser als Moderator ein. Bild 11 zeigt eine Anordnung aus Uranwürfeln und schwerem Eis. In der folgenden Konstruktion wurden die Uranwürfel im schweren Wasser aufgehängt (Bild 12). Dadurch konnte relativ bald eine Neutronenvermehrung gemessen werden. Diese Arbeitsgruppe hatte keinen guten Theoretiker, so dass die Gruppe Heisenberg die Auswertung der Ergebnisse durchführte. Nur widerwillig übernahm Heisenberg auf den Druck in der eigenen Arbeitsgruppe hin, die Würfelanordnung (Bild 10), die seiner Schichtanordnung überlegen war. Bis Kriegsende haben einige Modelle tatsächlich Neutronen verstärkt allerdings mit einer sehr mäßigen Rate. Trotz erheblicher Bemühungen konnte jedoch keine Uranmaschine zum kritischen Betrieb gebracht werden. Die letzten Versuche in Haigerloch wurden unter Zeitdruck und etwas Leichtsinn bezüglich der möglichen Strahlenbelastung durchgeführt. Isotopentrennung Entwicklungen zur Isotopentrennung wurden von verschiedenen Arbeitsgruppen durchgeführt. Es wurden verschieden Verfahren für die Urananreicherung und Abtrennung von schwerem Wasser durchgeführt. Es handelte sich durchweg um Vorentwicklungen, die aus verschiedenen Gründen nicht in eine industrielle Fertigung übergingen. Bild 6 zeigt, welche Anstrengungen dafür notwendig wären. In Anbetracht der ständigen Bombardierung Deutschlands wäre ein möglicher Erfolg sehr fraglich. Schweres Wasser Schweres Wasser (D 2 O, siehe Bild 13) wurde hauptsächlich von der Firma Norsk Hydro in Rjukan (Norwegen) als Nebenprodukt bei der elektrolytischen Herstellung von Wasserstoff mit einer jährlichen Rate von 4 bis 5 t erzeugt. Die Menge reichte für die Versuche der verschiedenen Arbeitsgruppen nicht aus, insbesondere da die Produktion nach mehreren Sabotageakten, die jedoch nicht nachhaltig waren im November 1943 mit Bombardierung der Anlage in Rjukan durch US-Streitkräfte endgültig ausfiel. Entwicklung_A-Bombe_in_Dtld.doc Seite 6 30. Oktober 2005

Uran Am Anfang war die verfügbare Uranmenge nicht ausreichend. Später wurde dieser Stoff in den von Deutschland besetzten Gebieten besorgt. Insgesamt herrschte ein ständiger Mangel an Uran für die verschiedenen Forschungsgruppen. (Überhaupt waren die deutschen Wissenschaftler nicht besonders korrekt mit Geräten und Forschungsmöglichkeiten in den eroberten Gebieten. Beispielsweise wurden an das Pariser Zyklotron unter der Leitung von Joliot deutsche Gastwissenschaftler aufgezwungen, um für die Uranforschung interessante Projekte durchzuführen.) 4. Mythos zur deutschen Atombombe Farm Hall Nach Kriegsende wurden die zahlreiche Mitglieder des Uranvereins von den Amerikanern gefangen genommen. Manche waren kooperativ, andere arrogant. Die wichtigsten 10 Personen wurden in Farm Hall, England interniert, nämlich: Max von Laue, Werner Heisenberg, Otto Hahn, Carl Friedrich von Weizsäcker, Paul Harteck, Kurt Diebner, Karl Wirtz, Erich Bagge, Walther Gerlach und Horst Korsching. Ihre Gespräche wurden heimlich aufgezeichnet und sind ein wichtiges Dokument (die sog. Farm-Hall-Protokolle ). Nach den Atombombenabwürfen auf Hiroshima (Bild 14) und Nagasaki (Bild 15) im August 1945 waren die Deutschen im Farm Hall völlig überrascht. Sie glaubten, dass sie an der Spitze der Entwicklung gestanden hatten und merkten nun etwas erstaunt, dass die USA sie völlig an Wissen und Technik überholt hatten. Hahn, der ehrlich nie an die Möglichkeit einer Atombombe gedacht hatte, war geschockt. Er machte sich Vorwürfe und war kurze Zeit selbstmordgefährdet. Nach einigen Tagen wurden von allen eine Presseerklärung angefertigt und unterzeichnet. Die 10 Internierten versuchten ihre wissenschaftlichen Leistungen hervorzuheben und erklärten, dass sie nur an Uranmaschinen nicht aber an Bomben geforscht hätten. Damit wurde der Ursprung des Mythos der deutschen Atombombe gelegt. Mythos Die Wissenschaftler des Uranvereins bauten, möglicherweise unbewusst, aber vereint und systematisch folgenden Mythos auf: Sie wollten keine Kernwaffen herstellen. Sie hätten es gekonnt, aber die äußeren Umstände hätten es verhindert. Sie hätten den Nazi die Atombombe verweigert, wenn die Umstände es erlaubt hätten, sie herzustellen. Dagegen entstand eine zweite Version, die außerhalb Deutschlands kursierte: Die deutschen Wissenschaftler wollten Kernwaffen herstellen. Aber die fachliche Qualifikation und die äußeren Umstände verhinderten dies. Wenn die Wissenschaftler in Lage gewesen wären, die Bombe herzustellen, hätten sie diese auch den Nazis zur Verfügung gestellt, um den Krieg zu gewinnen. Auf Was-wäre-gewesen-wenn-Fragen gibt es keine zuverlässigen Antworten. In der historischen Literatur wird dargelegt, dass die deutschen Wissenschaftler national, konservativ und obrigkeitsgetreu waren. Sie wünschten, dass Deutschland Entwicklung_A-Bombe_in_Dtld.doc Seite 7 30. Oktober 2005

den Krieg gewinnt. Viele lebten mit der ständigen Angst, an die Front abkommandiert zu werden, und versuchten daher, die militärische Bedeutung ihrer Forschungen hervorzuheben. Ein Teil war teilweise aus Karrieregründen in der Nazi-Partei (NSDAP), Nazis waren sie jedoch nicht, eher Mitläufer. Im übrigen wurden alle nach dem Krieg entnazifiziert und setzten dann ihre wissenschaftliche Karriere erfolgreich weiter. (Beispielsweise wurde Wirtz Leiter der Kernforschungszentrum Karlruhe.) Die deutschen Wissenschaftler haben Glück gehabt. Die Umstände haben tatsächlich die direkte Arbeit an der Bombe verhindert und damit sind sie im Wesentlichen schuldlos geblieben. Nachtrag: Kürzlich erschien das Buch Hitlers Bombe. Darin wird behaupt, die Deutschen hätten eine Art Fusionsbombe oder Wasserstoffbombe gebaut und halbwegs erfolgreich getestet. Es ist möglich, dass darüber nachgedacht und Versuche gemacht wurden, denn die wichtigsten Reaktionsgleichungen wurden bereits 1938 von Hans Bethe veröffentlicht, als er die Funktion der Sonne erklärte. Normalerweise werden Wasserstoffbomben mit Atombomben gezündet. Die Deutschen jedoch hätten dies mit konventionellem Sprengstoff erreicht. Technisch und wissenschaftlich erscheint das völlig absurd und es gibt keinerlei überzeugende Hinweise oder Beweise dafür. Literatur: Mark Walker, Die Uranmaschine, Mythos und Wirklichkeit der deutschen Atombombe, Siedler Verlag 1990 Entwicklung_A-Bombe_in_Dtld.doc Seite 8 30. Oktober 2005

Bild 1: Neutronenquelle Bild 2: Energiegewinn durch Kernspaltung eines Uran-235-Atomkerns Entwicklung_A-Bombe_in_Dtld.doc Seite 9 30. Oktober 2005

Bild 3: Bindungsenergien in Abhängigkeit der Massezahl Bild 4: Kettenreaktion bei Spaltung von Uran-235-Atomkernen Entwicklung_A-Bombe_in_Dtld.doc Seite 10 30. Oktober 2005

Bild 5: Anteil der Uran-Isotopen U-234, U-235 und U-238 im Natururan Bild 6: Uran-Anreicherungsanlage in Oak Ridge (USA) im 2. Weltkrieg Entwicklung_A-Bombe_in_Dtld.doc Seite 11 30. Oktober 2005

Bild 7: Die Kernspaltungs-Prozesse im Kernkraftwerk erzeugen u.a. waffenfähiges Plutonium Pu-239 Bild 8: Uranmaschine mit Natururan hier erster Aufbau der Gruppe Heisenberg, die Experimente B-I und B-II Entwicklung_A-Bombe_in_Dtld.doc Seite 12 30. Oktober 2005

Bild 9: Uranmaschine mit Natururan hier weitere Varianten der Gruppe Heisenberg, die Experimente B-III, B-V und B-V Entwicklung_A-Bombe_in_Dtld.doc Seite 13 30. Oktober 2005

Bild 10: Uranmaschine mit Natururan die letzte Variante der Gruppe Heisenberg, das Experiment B-VIII Entwicklung_A-Bombe_in_Dtld.doc Seite 14 30. Oktober 2005

Bild 11: Uranmaschine mit Natururan eine der ersten Varianten der Gruppe Diebner, das Experiment G-II Entwicklung_A-Bombe_in_Dtld.doc Seite 15 30. Oktober 2005

Bild 12: Die Uranmaschine der Gruppe Diebner in Gottow Bild 13: Uranmaschine mit Natururan schweres Wasser (D 2 O) wird als Moderator eingesetzt Entwicklung_A-Bombe_in_Dtld.doc Seite 16 30. Oktober 2005

Bild 14: Abwurf der Uran-Atombombe Little Boy über Hiroshima am 6. August 1945 Bild 15: Abwurf der Plutonium-Atombombe Fat Man über Nagasaki am 9. August 1945 Entwicklung_A-Bombe_in_Dtld.doc Seite 17 30. Oktober 2005