DOI 10.1515/bd-2013-0069 Bibliotheksdienst 2013; 47(8-9): 619 623 Ulrich Hagenah und Annett Helm Hamburg Schlüsselwörter: Hamburg, Elektronisches Pflichtexemplar, Netzpublikation Keywords: Hamburg, digital legal deposit, E-legal deposit Ulrich Hagenah: hagenah@sub.uni-hamburg.de Annett Helm: helm@sub.uni-hamburg.de 1 Rechtliche Grundlagen Zwanzig Jahre nach dem letzten Hamburger Pflichtexemplargesetz1 begannen 2008 Vorüberlegungen für eine Erweiterung des Pflicht-Sammelauftrags der Staats- und Universitätbibliothek Hamburg (SUB)2 auf elektronische Publikationen. Die zuständige Behörde für Wissenschaft und Forschung entschloss sich im Jahr 2009 nach Abstimmung mit der SUB, das Gesetz von 1988 nicht komplett zu ersetzen, sondern lediglich zu erweitern: In 1 wird folgender Satz angefügt: Für digitale Publikationen gelten die Vorschriften dieses Gesetzes entsprechend. Und 2 definiert: (2) Digitale Publikationen sind alle Darstellungen in Schrift, Bild und Ton, die auf Datenträgern oder in unkörperlicher Form in öffentlichen Netzen dargestellt werden. 3 Die zustimmende Haltung der Verlegerseite war einer zügigen Gesetzgebung zweifellos förderlich: Die Einbeziehung digitaler Publikationen in den Sammelauftrag der SUB und die Neureg[e]lung des Ablieferungsverfahrens wurde von der SUB mit dem Börsenverein des Deutschen Buchhandels, Region Norddeutschland, eingehend erörtert. Der Börsenverein hat die vorgesehene Erweiterung der 1 Gesetz über die Ablieferung von Pflichtexemplaren (PEG) vom 14. 9. 1988. In: HmbGVBl 1988, Teil 1, Nr. 34, S. 180f.; Bibliotheksrechtliche Vorschriften. [ ]/ begr. von Ralph Lansky. Fortgef. von Carl Erich Kesper. 4., grundlegend überarb. Aufl., Nr. 552. 2 www.sub.uni-hamburg.de für alle im Text genannten Dienste und Produkte der Bibliothek; zur Pflichtexemplarsammlung vgl. auch http:// landesbibliothek.sub.uni-hamburg.de/ profil-bestaende-hh/ pflichtexemplare.html. Alle http:// landesbibliothek.sub.uni-hamburg.de/ profil-bestaende-hh/ pflichtexemplare.html. Alle hier und im Folgenden zitierten URLs geprüft am 8. 5. 2013. 3 Gesetz zur Änderung des Pflichtexemplargesetzes. In: HmbGVBl 2009, Nr. 41, 11.9., S. 330, URL: http:// www.luewu.de/ gvbl/2009/41.pdf. Vgl. auch http:// www.buergerschaft-hh.de/ parldok/, Drucksache 19/2990 vom 5. 5. 2009.
620 Ulrich Hagenah und Annett Helm Abgabepflicht auch auf elektronische und Netzpublikationen uneingeschränkt mit der Begründung befürwortet, dass eine möglichst vollständige Sammlung, Erschließung und Bewahrung des geistigen Schaffens der Region Hamburg auch im Interesse des herstellenden und verbreitenden Buchhandels liegt. 4 Eine Verfahrensanordnung vom 1. 12. 2010 zur Durchführung des Gesetzes trat rückwirkend zum 12. 9. 2009 in Kraft.5 Darin wurden u.a. begründete Ausnahmen von der Sammlung aus inhaltlichen oder technischen Gründen festgehalten. Hinsichtlich der körperlichen Medien wurde die Vorgängerverordnung vom 21. 9. 1989 fortgeschrieben. Für elektronische Publikationen wurde u.a. festgelegt: Sie sind in einer zur Anfertigung von Archivkopien geeigneten Form, d.h. unter Aufhebung technischer Schutzmaßnahmen und Zugangsbeschränkungen abzuliefern. An die Stelle der Ablieferung kann eine Bereitstellung zur Abholung durch die SUB treten. Im Jahr 2010 gab sich die Bibliothek schließlich ein detailliertes internes Sammelprofil. Es ähnelt formal dem der Deutschen Nationalbibliothek, nimmt inhaltlich aber die lokalen Sammlungstraditionen und landeskundlichen Bedürfnisse einer Regionalbibliothek auf. Definiert sind auch Spielräume für Einzelfallentscheidungen bei bestimmten Publikationsgattungen. Der Novellierung des Pflichtexemplargesetzes vorausgegangen war im August 2008 der Erlass einer neuen Anordnung über die Abgabe amtlicher Druckschriften an öffentliche Bibliotheken. Sie setzt die Vorgaben des KMK-Mustererlasses vom 7. 7. 2007 um. U.a. legt sie fest, dass bei Erscheinen einer Publikation in elektronischer Form [ ] die Abgabe grundsätzlich nur in dieser Form zu geschehen habe. Die Abgabe erfolgt für alle Hamburger Empfangsberechtigten von Amtsdruckschriften an die SUB; diese ermöglicht dem Staatsarchiv, der Parlamentsbibliothek und den Behördenbibliotheken den Zugriff auf die elektronischen Dokumente. 6 2 Sammelpraxis und Workflow Anfang 2008 begann die SUB Hamburg mit der Sammlung freier Hamburger E-Publikationen als Geschenk. In technischer Hinsicht konnte auf Verfahren 4 Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Hamburgischen Pflichtexemplargesetzes Ausweitung des Sammelauftrags auf digitale Publikationen und Verfahrensanpassung, Abs. 1, URL: http:// www.buergerschaft-hh.de/ parldok/, Drucksache 19/2990 vom 5. 5. 2009. 5 Bibliotheksrechtliche Vorschriften (wie Anm. 1), Nr. 553. 6 Freie und Hansestadt Hamburg: Mitteilungen für die Verwaltung 2008, Nr. 5, 28.8., S. 60 62.
Elektronische Pflichtexemplare in der SUB Hamburg 621 zurückgegriffen werden, die bereits für die Sammlung von Hochschulschriften und freien Internet-Dokumenten der DFG-Sondersammelgebiete etabliert waren. Ein OPUS-Server der Version 3.2 stand hierfür zur Verfügung.7 Gleichzeitig lief in der Pflichtstelle, unterstützt von der Arbeitsstelle Hamburg-Bibliographie, die systematische Sichtung Hamburger Web-Adressen auf relevante Netzpublikationen von Behörden, Verbänden, Institutionen des Forschungs- und Bildungssektors, insbesondere Einrichtungen der Domain hamburg.de an. Im August 2008 begann dann rechtlich abgesichert die systematische Sammlung elektronischer amtlicher Publikationen. Nach der Gesetznovelle 2009 wurde das Sammelspektrum auf Verlags- und nichtamtliche Graue Literatur erweitert, soweit sie im PDF- oder vergleichbaren E-Book-Formaten zu erhalten waren. Aufgrund von technischen Beschränkungen werden derzeit Websites, veränderliche Dokumente, Film- und Rundfunkproduktionen, sonstige Audiodateien und Zeitungen (noch) nicht gesammelt. Die Sammlung von Tagesund Wochenzeitungen ist in Vorbereitung. Dem Einsammeln der Dokumente geht eine Klärung der vom Produzenten eingeräumten Präsentationsmöglichkeiten voraus, entweder für einzelne Dokumente oder pauschal für alle seine Produkte. 2008/09 musste sich die SUB Hamburg mangels adaptierbarer Vorbilder selbst ein Modell für das Rechtemanagement zurechtlegen, das in einer pragmatisch gestalteten knappen Zahl von Nutzungsvarianten die Bedürfnisse von Anbietern und Nutzern vermittelt. In einer E-Mail-Anfrage erhält der Produzent folgende Alternativen vorgelegt: unbeschränkte Freischaltung, campusweite Freischaltung einschließlich des Fernzugriffs für alle Angehörigen der Universität Hamburg, Einplatzlizenz in den Räumen der SUB Hamburg ohne Druck-, Kopier- und Speichermöglichkeit. Mit der Anfrage wird der Produzent zugleich informiert, dass das Pflichtexemplargesetz jeden Verleger, der Hamburg als Erscheinungsort im Impressum nennt, verpflichtet, innerhalb von zwei Wochen nach Beginn der Verbreitung seiner Publikation diese in der Bibliothek abzuliefern bzw. zur Abholung bereitzustellen. Die Anfrage enthält eine Verstreichungsfrist, nach deren Ablauf ohne erfolgte Reaktion des Produzenten die freie Nutzbarkeit des Dokuments unterstellt wird. Angeboten wird wahlweise die Zusendung des Dokuments als Datei an ein Funktionspostfach per E-Mail oder die Nutzung des FTP-Uploadbereichs der SUB. 7 Für das Jahr 2013 ist eine Evaluation der Serverlandschaft der SUB geplant. An OPUS 3.2 werden aus diesem Grunde keine Anpassungsarbeiten mehr vorgenommen.
622 Ulrich Hagenah und Annett Helm Nach Recherche, Rechteklärung und Zugang des Dokuments wird die betreffende Datei mit den Metadaten zunächst in den temporären Bereich des OPUS-Servers geladen. Anschließend werden die Metadaten kontrolliert, nötigenfalls berichtigt und dann endgültig frei geschaltet. Bei der anschließenden Titelaufnahme in der GBV-Arbeitsdatenbank wird der beim Upload entstandene Link eingetragen. Im letzten Schritt überprüfen die Bearbeiterinnen die Funktionsfähigkeit des Links. Technische Basis ist das erwähnte Opus-Repository, allerdings in erheblich modifizierter Form, um z.b. mit Metadaten von Zeitschriftenheften korrekt umgehen zu können. Ferner hat die SUB Anstrengungen unternommen, das Repository gegenüber technischen Ausfällen möglichst weit abzusichern: Neben täglichen Backups existiert ein tagesaktueller Spiegelserver, auf den im Fall eines Hardwarefehlers binnen einer halben Stunde für die Nutzer unsichtbar umgeschaltet werden kann. Tab. 1: Zugangs- und Bestands-Statistik Pflichtexemplarstelle SUB Hamburg 2010 2012 2010 2011 2012 2010 2012 gesamt Pflicht konventionell 12.086 9.355 9.536 30.977 E-Pflicht (ohne E-Zeitschriften) 2.738 4.233 3.976 10.947 Gesamt 14.824 13.588 13.512 41.924 Lfd. Print-P- Zeitschriften 2012 2.025 Lfd. E-P- Zeitschriften 2012 555 Mit der Einführung des elektronischen Pflichtexemplars ist der Personalaufwand im Pflichtbereich deutlich gestiegen. Die Begründung des Gesetzes von 2009 deutete bereits an, dass sich mittelfristig [ ] durch den erweiterten Sammelauftrag für die Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg Carl von Ossietzky erhöhte Personalkosten im Umfang einer Stelle ergeben [können], über die dann im Rahmen der Ziel- und Leistungsvereinbarungen mit der Bibliothek zu verhandeln sein wird. 8 Diese neue Stelle im gehobenen Dienst konnte nach einer über einjährigen Testphase zur Erhebung des Mehraufwandes für die E-Pflichtbear- 8 Begründung, B., zu Nr. 2. URL: http:// www.buergerschaft-hh.de/ parldok/, Drucksache 19/2990 vom 5. 5. 2009.
Elektronische Pflichtexemplare in der SUB Hamburg 623 beitung eingerichtet werden. Weitere Personalressourcen wurden dem Bereich durch Umverteilung von Tätigkeiten zugeführt. 3 Nutzung der E-Pflichtexemplare Für den Zugang zu den E-Pflichtstücken soll es möglichst viele Optionen geben. Das E-Medien-Marketing der SUB9 bezieht sie in die ganze Breite der E-Medien- Angebote stets mit ein (u.a. freie SSG-E-Dokumente, E-Dissertationen, Openaccess-Produkte von Hamburg University Press, etc.). Die E-Pflichtstücke sind u.a. erreichbar über den GBV-Verbundkatalog, den Web-Auftritt der SUB Hamburg (lokaler Katalog Bibliothekssystem Universität Hamburg), den Regionalkatalog Hamburg, künftig zusammengeführt mit dem lokalen OPAC in beluga, Websuchmaschinen (z.b. Google), fachliche Portale, das Regionalportal HamburgWissen Digital (thematischer Ausschnitt: 7.000 relevante Dokumente, Stand April 2013), die Hamburg-Bibliographie (thematischer Ausschnitt). Ulrich Hagenah Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg Carl von Ossietzky Von-Melle-Park 3 20146 Hamburg Email: hagenah@sub.uni-hamburg.de Annett Helm Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg Carl von Ossietzky Von-Melle-Park 3 20146 Hamburg Email: helm@sub.uni-hamburg.de 9 Vgl. zum Jahr 2012 http:// blog.sub.uni-hamburg.de/?p=10245#1 (E-Pflichtstücke in Folge II: Dokumentenserver).