3 Geologie und Tektonik der Ostalpen

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Transkript:

3 Geologie und Tektonik der Ostalpen Die Gebirgsbildungsprozesse, die zu den heutigen Alpen geführt haben, begannen bereits in der Trias. Damals befand sich im Gebiet des heutigen Gebirges noch ein submarines Ablagerungsbecken. Die Erhebung der Alpen über den Meeresspiegel bis in eine Höhe von rund 1000 m erfolgte in der Kreidezeit, und die Ausbildung zu einem echten Hochgebirge erst im Jung-Tertiär (Bögel und Schmidt, 1976). Die Alpen erstrecken sich in einem 1200 km breiten Bogen, der in west-östlicher Richtung von Nizza bis Wien reicht, und das Zusammentreffen der europäischen mit der adriatischen/afrikanischen Platte markiert. Abbildung 3.1: Tektonische Karte der Alpen. Die schwarze Box zeigt die Lage des Untersuchungsgebietes, die schwarze Linie die Lage der TRANSALP-Traverse (nach Berthelsen et al., 1992). Für Details und Legende siehe Abb. 3.2. 17

18 KAPITEL 3. GEOLOGIE UND TEKTONIK DER OSTALPEN Generell lassen die Alpen eine Zweiteilung in den Bogen der Westalpen und den breiteren Komplex der Ostalpen erkennen, zwischen denen eine Linie vom Bodensee über Rhein-, Hinterrheintal- und Splügenpaß bis zum Comer See gezogen werden kann. Die Ostalpen wiederum zeigen eine Dreigliederung in die nördlichen Kalkalpen, südlich davon die zentralen Ostalpen, und die Südalpen, zu denen die Dolomiten gehören. Getrennt werden diese drei Einheiten durch tektonische Störungen. Im Norden die Inntallinie und im Süden die Periadriatische (Insubrische) Linie (Bögel und Schmidt, 1976). Nördlich und südlich an die Alpen schließen sich die Molasse-Becken der bayrischen Molasse bzw. der Po-Ebene an. Umrahmt wird das Untersuchungsgebiet im Nord-Westen von moldanubischen Einheiten, im Nord-Osten vom Böhmischen Massif, im Osten von den Karpathen und im Süd-Westen von den Apenninen. Die Lagerungsverhältnisse sind insbesondere in den zentralen Ostalpen sehr kompliziert, da während der Orogenbildung verschiedenste Deckenpakete auf andere Gesteinsschichten geschoben wurden. Diese Deckenstrukturen (Nappes) bilden in den Ostalpen eine der größten bekannten Überschiebungen. Hier hat das Ostalpin die penninischen und helvetischen Deckenstrukturen überfahren, die aus den Westalpen bekannt sind. In den sogenannten geologischen Fenstern treten diese überschobenen Schichten auch in den Ostalpen noch an die Oberfläche. Als prominentestes gilt das Tauern-Fenster, wo Zentralgneise und Schieferhüllen des Penninikums anzutreffen sind, die dort durch Anhebungsprozesse das Ostalpin durchstoßen haben (Frisch, 1979). 3.1 Der Prozess der Alpinen Gebirgsbildung Die heutige Struktur der Alpen ist die Folge einer Reihe von tektonischen Prozessen, die sowohl Extensions- als auch Kompressionsregime, Subduktion ozeanischer Kruste und die Kollision kontinentaler Blöcke beinhalteten (Frisch, 1979). Im späten Paläozoikum entstand durch die Variszische Gebirgsbildung der Kontinent Pangäa, der teilweise von Schelfgebieten des im Südosten angrenzenden Tethys Ozeans überlagert wurde. Drei Hauptsedimentationsgebiete können von Nord nach Süd unterschieden werden: das Helvetikum, das Penninikum und das Austroalpin. Im frühen Jura entstand der südliche Penninische Ozean durch das Zerbrechen und das Öffnen von Pangäa und isolierte die austroalpinen Gebiete. Zwischen dem Helvetikum und dem Penninikum entwickelte sich in der unteren Kreide ein schmales Becken, dass den mittleren penninischen Kontinent bildete. Zugleich begann im Süden die Subduktion der südlichen penninischen ozeanischen Kruste. In der mittleren Kreide begann der Kollisionsprozess mit Aufschiebungen der austroalpinen auf die penninischen Einheiten (Pfiffner et al., 1990; Froitzheim et al., 1994; Eisbacher und Brandner, 1996; Kley und Eisbacher, 1999). Die Kompressionsbewegungen setzten sich bis in das untere Tertiär fort, als sich der penninische Ozean wieder schloss und die Decken-Strukturen nach Norden überschoben wurden, begleitet von Faltung und Störungen der Gesteine, woraus das charakteristische Bild der Ostalpen geprägt wurde (Abb. 3.2). Diese Bewegung endete erst während des Quartärs.

3.2. DIE GEOLOGISCHEN EINHEITEN DER OSTALPEN 19 3.2 Die geologischen Einheiten der Ostalpen Im folgenden werden die tektonischen Einheiten vorgestellt, denen eine wichtige Rolle in der Dichtestruktur und dem Aufbau des Untersuchungsgebietes zufallen. Hierbei handelt es sich nicht nur um Einheiten der Alpen, sondern auch die nördlichen und südlichen Randbereiche werden mit eingeschlossen. Der geologische Aufbau in diesem Gebiet ist komplex, wie in Abbildung 3.2 zu erkennen ist. Da nicht alle lokalen Informationen in das spätere Modell aufgenommen werden können, wird die Erläuterung auf die Hauptelemente der tektonischen Situation beschränkt, die in einem späteren Dichtemodell (s. Abschnitt 6.2), das sich um eine regionale Darstellung bemüht, zu berücksichtigen sind. Abbildung 3.2: Tektonische Karte des Untersuchungsgebietes. Diese Karte zeigt einen Ausschnitt der Karte aus Abb. 3.1, der die tektonische Situation entlang der TRANSALP-Traverse darstellt. Im Norden der TRANSALP-Traverse befindet sich das bayrische Molassebecken des alpinen Vorlandes, das aus tertiären und quartären Sedimenten besteht (postglazialer Ablagerungsschutt). Die Basis der Beckenstruktur wurde durch eine Reihe von industriellen Tiefbohrungen und reflektionsseismischen Profilen bereits in den 60er und 70er Jahren bestimmt (z. B. Bachmann und Müller, 1981). Nach Süden hin reichen die Gesteine der Molasse bis unter die nördlichen

20 KAPITEL 3. GEOLOGIE UND TEKTONIK DER OSTALPEN Kalkalpen. Zwischen Molasse und Alpen befindet sich ein schmales Band der Voralpenmolasse und des Flyschs. Es besteht aus Wechsellagerungen meist weicher Mergel, Schiefertone und Kalken. Hieran schließt sich das Gebiet der nördlichen Kalkalpen (Oberostalpin) an, das im Norden dem Flysch überschoben ist. Struktur und Basis sind ebenfalls aus den alten Industrie-Experimenten bekannt. Aufgebaut sind die nördlichen Kalkalpen hauptsächlich aus Dolomiten des Trias. Man beobachtet hier dichte Flachwasserablagerungen und triassische Riffe, die von einem intensiven Schuppen- und Deckenbau tektonisch stark beansprucht wurden. Die Südgrenze der nördlichen Kalkalpen markiert den Übergang zum Zentralteil der Ostalpen. Hier befindet sich auch die Inntalstörung. Nach Süden schließt sich ein Grauwacken-Bereich an, der aus paläozoischen, schwachmetamorphen Sedimenten und vulkanischen Einlagerungen besteht, die zum Oberostalpin gerechnet werden. Weiter nach Süden entlang der TRANSALP-Trasse schliesst sich das Tauern-Fenster an, bei dem es sich um eines der geologisch interessantesten Teile des Messgebietes handelt. Aufgrund lokaler Aufwölbung des Untergrundes ist die Abtragung der höher liegenden Schichten der Schieferhülle und austroalpinen Decken so weit fortgeschritten, dass die penninische Basis wie in einem Fenster aufgeschlossen ist. Im Zentrum befinden sich die Zentralgneise mit ihren geringen spezifischen Dichten, die im Verlauf der der variszischen Gebirgsbildung entstanden sind. Durch die sogenannte Tauernkristallisation (vor etwa 37-17.5 Ma) wurden diese Gesteine metamorph beansprucht (Bögel und Schmidt, 1976). Die Zentralgneise gelten als relativ autochton, wohingegen die umrahmende Einheit, die Schieferhülle, eine allochtone Decke darstellt. Sie besteht im wesentlichen aus dichten, paläozoischen bzw. mesozoischen Gesteinen (Phyllite, Glimmerschiefer und Grünschiefer) und wird zum Penninikum gerechnet. Im Süden und und Osten verschwinden die Einheiten des Tauern-Fensters unter den austroalpinen Decken (oberostalpines Altkristallin), welche von hochmetamorphen paläozoischen Gesteinsserien gebildet wird. Die südlichen Kalkalpen, die in einem schmalen Streifen abgelagert wurden und den Decken- Strukturen zugeordnet werden, bilden die nächste tektonische Einheit. An ihrem Südrand befindet sich die Periadriatische (auch Pustertal-) Linie, welche als die Grenze zwischen den Ostalpen und den Südalpen bezeichnet wird. Sie ist eine der bekanntesten Störungen im alpinen Raum, wobei es sich in den Westalpen um ein Hauptelement der durch den Kollisionsprozess verursachten tektonischen Abläufe handelt (z. B. Pfiffner et al., 1990). Die Verbindung der Periadriatischen Linie mit dem Kollisionsprozess der europäischen und adriatischen ist noch nicht eindeutig geklärt (s. Lammerer et al., 2001; Castelarin et al., 2001). Eindeutig geklärt ist jedoch, dass die Periadriatische Linie mit dem Übergang zu den Dolomiten zusammenfällt, die die Haupteinheit der Südalpen bilden. Im Süden schließt die Po-Ebene an die Alpen an. Es handelt sich hierbei um ein Vorlandbecken, das in Verbindung mit südvergenten Überschiebungen in den Südalpen steht (Roure et al., 1990). Neben diesen Einheiten, die im gesamten Untersuchungsgebiet auftreten, besitzen weitere Einheiten lokalen Charakters einen Einfluss auf das Schwerefeld, die auch in einer regionalen Studie nicht vernachlässigt werden dürfen. Im Übergangsbereich der Po-Ebene zu den Dolomiten befinden sich Gesteine plutonischen/magmatischen Ursprungs. Diese bilden dort kleinräumige Einheiten und besitzen weder Ausdehnung und Dichte, noch einen Einfluss wie der Ivrea-Körper in den Westalpen, der dort ein wichtiges alpines Strukturelement bildet. Allein die magmatischen/plutonischen

3.3. GEOLOGISCHE SZENARIEN 21 Körper im Bereich von Vicenza besitzen eine größere Ausdehnung. 3.3 Geologische Szenarien für Struktur und Aufbau der ostalpinen Lithosphäre Während für die Geologie an der Oberfläche klare Erkenntnisse vorliegen, gibt es für die Ableitung der Struktur im Untergrund verschiedene Ideen und Modelle. Ein geologisches Modell von Lammerer (1998), zu dem von den Ergebnissen aus den Westalpen angeregt wurde und das zu Beginn des TRANSALP-Experiments erstellt wurde, zeigt die Verbindung der an der Oberfläche auftretenden Strukturen mit dem Kollisionsprozess (Abb. 3.3). Im Laufe des TRANSALP-Experiments bildeten sich unter Berücksichtigung der neuen Ergebnisse zwei verschiedene geologische Vorstellungen des Kollisionsprozesses, die in Abb. 3.4 einander gegenüber gestellt werden. Das Crocodile-Model (Lammerer et al., 2001) und das Ductile Extrusion Model (Castelarin et al., 2001) entsprechen sich in weiten Teilen. Im Zusammenhang mit der Rolle der Periadriatischen Linie und ihrem Einfallen (nach Norden oder Süden?) ergeben sich im Zentralteil der Alpen, der für den Kollisionsprozess entscheidend ist, zwei verschiedene Vorstellungen. Das Crocodile-Model (Model A, Abb. 3.4) propagiert eine weniger entscheidende Rolle der Periadriatischen Linie für den Kollisionsprozess. Vielmehr ist hier der Bereich der Südalpen von der adriatischen unteren Kruste entkoppelt und formt eine Z-förmige Kollisionsfront, die einer doppelten Krokodilstruktur entspricht (Lammerer et al., 2001). Im Ductile Extrusion Model (Model B, Abb. 3.4) dagegen besitzt die Periadriatische Linie entscheidende Bedeutung. Castelarin et al. (2001) propagieren, dass die Periadriatische Linie, welche die Grenze zwischen den nordwärtsgerichteten Deckenstrukturen und dem südvergenten Störungsgürtel der Südalpen markiert, entscheidend für die Form der Kollionsfont ist. Das Herausragen nach Norden der adriatischen Lithosphäre erklärt somit die Exhumation des Tauern-Fensters durch duktile Extrusionsmechanismen. Ein Ziel der Studie ist es, wenn möglich, mittels der verwendeten Analysetechniken Hinweise oder Anhaltspunkte zu gewinnen, die stärker in eine der beiden Modellrichtungen deuten.

22 KAPITEL 3. GEOLOGIE UND TEKTONIK DER OSTALPEN N S Abbildung 3.3: Geologisches Profil durch die Ostalpen im Bereich der TRANSALP nach Lammerer (1998).

3.3. GEOLOGISCHE SZENARIEN 23 Abbildung 3.4: Strukturmodelle der Ostalpen. Zwei unterschiedliche geologischee Modellvorstellungen über die Struktur der Ostalpen im Vergleich. Das obere Bild zeigt das Crocodile-Model und darunter das Ductile Extrusion Model (nach TRANSALP Working Group, unveröffentlicht)