Buddhistische Praxis Themen aus Theravâda-Sicht

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Transkript:

Buddhismus-Seminar Drittes Semester Buddhistische Praxis Themen aus Theravâda-Sicht Aka55plus Darmstadt, SS 2010 Christoph Lübbert Copyright 2010, Dr. C. Lübbert elektronische Weiterverwendung nicht ohne Zustimmung des Autors

Übersicht Drittes Semester Praxis Vorbemerkung Thema 1: Buddhistische Meditationspraktiken (MED) Thema 2: Buddhistische Symbole, Feste und Feiertage (SFF) Thema 3: Buddhist. Mönchs-, Laien- und Andachtswesen (MLA) Jedes Thema wird präsentiert aus 3 Sichten: CL: Theravâda-Sicht (die hier dargestellte Sicht) KM: Zen-Sicht KF: Sicht des Tibetischen Buddhismus 2

Vorbemerkung Im 1. Semester haben wir die Grundlagen des Buddhismus zu vermitteln versucht. Das war ziemlich komprimiert und zum Teil etwas theoretisch und trocken: Die vier Edlen Wahrheiten / Die fünf Anhäufungen / Das Bedingte Entstehen / Die anattâ-lehre / Die Vier Herzensmerkmale / Der Achtfache Pfad erinnern Sie sich noch??? Im 2. Semester brachten wir ein paar Einzelheiten der buddhistischen Lehre Im Theravada-Teil lasen wir dazu einige Suttas (Sutren) aus dem Pâli-Kanon. Der Stil der Suttas vermittelte einen Eindruck, wie der Buddha zu Laien und Mönchen gesprochen haben mag. In diesem Semester geht es um die Praxis dieser fremden Religion: Da ist einmal die spirituelle Praxis jedes Einzelnen: die Meditation. Da ist aber auch die gesellschaftliche, kulturabhängige Praxis: Symbole, Feste, Feiertage. Andererseits ist da der Unterschied zwischen Mönchs- und Laienwesen und die gemeinsame Andacht. 3

Thema 1 - MED (1) Wozu Meditation? Fragen: Wozu Meditation? Was ist buddhistische Meditation? Warum erscheint Meditation des Einzelnen in der buddhistischen Praxis im Vordergrund gegenüber jeder Form von Andacht in der Gemeinschaft? In wie fern erscheint sie wichtiger als in der christlichen / islamischen Welt? Was in monotheistischen Religionen in die sogenannte Mystik abgedrängt ist, ist im Buddhismus zentral warum ist das so? Erste Antworten: Zentrales Anliegen im (Theravâda-)Buddhismus ist die Meisterung dessen, was der Buddha dukkha genannt hat, und was ins Deutsche (etwas einseitig und missverständlich) mit Leid übersetzt wird. Niemand will leiden. Alle wollen vom Leid erlöst werden. In der christlichen Religion soll es der Gottessohn sein, von dem man diese Erlösung erhofft. Und dafür wird gebetet. Im Theravâda-Buddhismus aber gibt es niemanden, der jemand anderen erlöst. Jeder muss es selbst tun. Man kann nicht zu jemandem dafür beten (auch nicht zum längst erloschenen Buddha!). 4

Thema 1 MED (2) Wozu Meditation? Und hier liegt die Bedeutung der buddhistischen Meditation: Nicht Buddha kann helfen, sondern nur seine Lehre (p: der Dhamma). Den Dhamma zu kennen, ihn auswendig zu lernen, seine Begriffe verstanden zu haben, ist aber zu wenig. Er muss von jedem einzelnen meditiert ( realisiert ) werden, um zu helfen. Der Dhamma verweist jeden auf sich selbst zurück: Was ist dukkha? Alle Formen meines Unbefriedigtseins und meiner Verzweiflung. Was sind die Ursachen meines dukkha? Sowohl meine Ablehnung (=meine Angst) gegen irgendwelche negativen Einwirkungen auf mich und meinen geistigen und materiellen Besitz und natürlich gegen meinen Tod einschließlich meiner Furcht vor einer jenseitigen Hölle. als auch das Gegenteil: Meine Wünsche nach allem, was ich als meines gerne möchte einschließlich meines Wunsches nach ewigem Glück im Paradies. Ursache des dukkha ist also letztendlich, dass ich im Unklaren bin über meine eigene Vorstellung von ICH und MEIN hier und danach. 5

Thema 1 MED (3) Was ist Meditation? Und was ist nun eigentlich Meditation im theravâdischen Sinne? Buddha selbst gibt die wichtigsten Hinweise in den Empfehlungen seines berühmten Achtfachen Pfades (p: atthangika magga) - dem Buddha-Weg zur Souveränität: Es ist die innere Arbeit (wie ich s nennen möchte); sie besteht aus Rechtem Bemühen (p: sammâ vâyâma) Rechter Achtsamkeit (p: sammâ sati) Rechter Sammlung (p: sammâ-samâdhi) Rechtes Bemühen ist die erste notwendige Voraussetzung: Das ist eigentlich trivial: Wer sich nicht selbst anstrengt, Unheilsames bei sich (und damit auch bei anderen) zu vermeiden und Heilsames bei sich (und damit auch bei anderen) zu fördern, der kommt erst gar nicht zur eigentlichen inneren Arbeit. Rechte Achtsamkeit ist das zentrale Mittel der inneren Arbeit. Es ist der Türöffner für beginnende Einsicht und es ist zugleich der geeignete Puffer gegen die Konvulsionen und Verwirrungen, die falsche ich-und-mein -Vorstellungen mit sich bringen. Rechte Sammlung schließlich ist eine erste Frucht: Hat man einmal rechte Sammlung erfahren, so weiß man plötzlich, wie s auf dem Buddha-Weg weitergeht: Man merkt, dass man in der Stille viel mehr, tiefer, wirksamer erfährt als mit den Aktivitäten des Geistes. 6

Thema 1 MED (4) Achtsamkeit Wegen ihrer großen Bedeutung im buddhistischen Leben gehen wir an dieser Stelle zunächst auf das Mittel der Achtsamkeit ein. Dazu wollen wir zuerst mal Buddha selbst zu Wort kommen lassen. An zwei Stellen im Korb des Sutta Pitaka geht Buddha besonders ausführlich auf das Mittel der Achtsamkeit ein: Im 10. Sutta des Majjhima Nikaya (der Mittleren Sammlung): M10 Im 22. Sutta des Digha Nikaya (der Großen Sammlung): D22 Beide Male heißt das Sutta: (mâhâ) satipatthana sutta d.h. (großes = mâhâ) Sutta von den Grundlagen der Achtsamkeit (sati). Der Text ist in vielen Teilen in M10 und D22 fast gleich. D22 ist etwas ausführlicher. Wir nehmen die etwas kürzere Fassung M10; und auch dort nur den wahrscheinlich ursprünglicheren Auszug über die achtsame Betrachtung des eigenen Körpers. 7

Thema 1 MED (5) Achtsamkeit Auszug aus M10, dem Satipatthâna Sutta des Majjhima Nikâya (Mittlere Sammlung) Übersetzung: Kurt Schmidt (Auf getrenntem Papier) 8

Thema 1 MED (6) Achtsamkeit Diese Körperbetrachtungen wurden im Sutta M10 später (aus anderen Suttas) ergänzt durch Anleitungen zur Achtsamkeit auf die andauernd auf- und abschwingen Emotionen (Gefühle) (p: vedanâ) auf jegliche Gedankenaktivitäten (p: sankhâra) und schließlich auf das Bewusstsein selbst (p: viññana / citta) Mit Befolgung dieser nüchternen und ziemlich radikalen Anleitung verspricht der Buddha seinen Mönchen Läuterung, Überwindung von Kummer und Jammer, Schwinden von Leid und Missstimmung, Gewinnung des rechten Pfades... und schließlich sogar: das Nirvana zu Lebzeiten. Das ist natürlich für heutige Laien besonders für nichtbuddhistische Normalbürger erst mal ziemlich unverständlich! Es bedarf einiger Kommentare aus der heutigen Praxis. 9

Thema 1 MED (7) Achtsamkeit Achtsamkeit in der Meditation ist nämlich nur der Anfang eines recht langen, oft zu wiederholenden und schrittweise zu intensivierenden Prozesses, der schließlich weit über das einsame Sitzen im Wald hinausgeht: nämlich um es vorsichtig auszudrücken in Richtung auf eine innere Souveränität die von den Unbillen des Lebens immer unabhängiger wird. Dies lässt auch einen Nicht-Erleuchteten mit der Zeit ahnen, was der Buddha etwa mit Nirvana zu Lebzeiten gemeint haben mag. Etwas, das mit unserem christlich-/islamischen Vorstellungen von Paradies und Hölle erst mal überhaupt nichts zu tun zu haben scheint, denn diese Vorstellungen werden ja im Christentum und im Islam von außen, d.h. von einer außerweltlichen Instanz versprochen bzw. angedroht, je nachdem ob man sich dieser abstrakten Instanz unterwirft oder nicht. So eine absolute, abstrakte, persönliche, außerweltliche Instanz gibt s aber im (Theravâda-) Buddhismus nicht. 10

Thema 1 MED (8) Achtsamkeit und Sammlung All das versuche ich nun einmal mit meinen eigenen Worten zu beschreiben. Ziel der Meditation ist es, die eigene Anstrengung auf dem Weg zur Befreiung von den Zwängen des Begehrens und der Anhaftung zu unterstützen, sie intuitiv zu machen, zu vertiefen. Die Achtsamkeit ist dazu der Türöffner. Zugleich bewirkt Achtsamkeit, dass man die eigenen Zwänge des Begehrens, des Widerwillens und der Anhaftung also die Wurzeln allen dukkha s wie ein Beobachter wahrnimmt; dadurch verlieren sie ihre Unmittelbarkeit und Zwanghaftigkeit, und man kann sie untersuchen. Daher kann man die Achtsamkeitsübung nicht einfach als eine Selbstbeschäftigung im üblichen Sinne bezeichnen! Achtsamkeit (in der Meditation) ist aber auch kein Zwiegespräch des Praktizierenden mit einem Gott oder Heiligen, auch nicht mit dem verloschenen Buddha! Auf keinen Fall hat buddhistische Meditation etwas mit Trance oder gar Dösen zu tun, wie manche ignoranten, sich vor Abwerbung fürchtenden Vertreter der katholischen Kirche warnend behaupten. [13] Ihre Hauptmerkmale sind vielmehr das genaue Gegenteil: Achtsamkeit, Konzentration und schließlich wache Gedankenstille. Denn erst in der wachen Gedankenstille ist es möglich, zu buddhistischen Einsichten über sich selbst zu kommen. wache Gedankenstille aber heißt: man ist völlig wach, denkt jedoch nicht mehr über irgend etwas nach! Und gerade dies erscheint manchen Anfängern wie ein Paradox. 11

Thema 1 MED (9) Achtsamkeit und Sammlung Die vorhin im Satipatthâna Sutta zitierten Achtsamkeitsübungen, praktizieren die Theravâda-Buddhisten heute etwa so: In der einfachsten, auch für Laien nützlichen Achtsamkeitsübung konzentriert man sich auf Körperliches; am erfolgreichsten ist dabei die Atemübung: Man achtet (nur) auf den Atem, ohne ihn verändern oder kontrollieren zu wollen. Das entspannt zunächst und dient dazu, die Gedankenmaschine (p: ceto-khila) herunterzufahren und so störende innere Einflüsse zu minimieren. Solche aufkommenden Gedankenfetzen sind zum Beispiel: Hm, die Person neben mir macht Geräusche, die stören mich! Oh, ich darf nicht vergessen, morgen zum Arzt zu gehen! Hätte ich mir doch besser ein anderes Kissen unter den Po geschoben! Die Gedankenruhe kommt ja gar nicht! Wie lange soll ich denn noch warten?! Dabei werden aufkommende Gedanken nicht unterdrückt, sondern man lässt sie einfach vorbeifahren u. wendet sich wieder dem Atem zu. 12

Thema 1 MED (10) Achtsamkeit und Sammlung Unterdrückt man solche Gedankenfetzen, ist das meist mit Unwillen verbunden, und man erreicht das Gegenteil und wird auch noch müde dabei! Es kann eine ganze Weile dauern, bis solche Sprünge unseres unruhigen Gehirns weniger werden!!! (Vielleicht Stunden? Tage? Wochen?) Hat man gelernt, sich gedanklich etwas zu beruhigen, kann man mit der Atemübung alle möglichen Kontemplationen verbinden, z.b. über den Grund und die Wesenlosigkeit kürzlich aufgekommener unheilsamer Emotionen wie etwa Wut gegen jemand. Wichtig am Wut-Beispiel ist, dass ich die Wut erst mal als meine Wut akzeptiere, als reales psychisches Phänomen in mir. Sie auf den äußeren Anlass etwa eine unliebsame andere Person zu projizieren, bringt mich dabei nicht weiter. Die Wut hängt also mit meiner unreflektierten ich-und-mein Vorstellung zusammen. Ich untersuche also in der Meditation die inneren Gründe für meine Wut. Und ( oh Wunder!! ): Diese Untersuchung lässt die Wut abklingen, sie wesenlos werden!!! Wenn ich jedoch der anderen Person die Schuld für die Wut zuschreibe, bin ich der Befeiung von diesem Hindernis nicht näher gekommen und Samsara wird weitergehen. 13

Thema 1 MED (11) Achtsamkeit und Sammlung Oder man kann die Gedankenstille steigern und kommt in einen sehr wohltuenden gedankenfreien aber völlig wachen (!) Ruhezustand, der unglaublich erholsam und stärkend ist. Dieser Zustand wird manchmal ausgelöst durch ein Buddhawort, das man erinnert, oder durch ein bildliches Symbol dafür. Erst mit diesen Ruhezustand tritt man in das ein, was Rechte Sammlung genannt wird. (Es mag auch als die erste Stufe der Vertiefung gelten davon gibt s bei den Theravâdim vier.) Alle Müdigkeit ist auf einmal verschwunden! Dann aber ist auch der Anlass z.b. das ober erwähnte Buddhawort, oder das Symbol dafür verschwunden. Dieses reine Gewahrsein ohne Inhalt ist, nach Buddha, Ausgangspunkt für unmittelbares Erkennen ( Hellblick p: vipssanâ). Bei Anfängern bricht jedoch die Freude über das Erreichte (p: pîti) nun den Prozess ab! Mit etwas fortgeschrittenen Achtsamkeitsübungen kann das intuitive Erkennen der Bedingten Entstehung alles Gewordenen (p: patticca-samuppâda) also modern gesprochen, die Prozesshaftigkeit an (möglichst allen) konkreten Lebenssituationen geübt werden und damit die Unbeständigkeit (aniccâ) aller äußeren Gegenstände des Begehrens und die Substanzlosigkeit (anattâ) der eine Person vortäuschenden inneren Prozesse erkannt werden. 14

Thema 1 MED (12) Achtsamkeit und Sammlung Eine gesteigerte Form dieser Achtsamkeitsübungen ist im Südbuddhismus die Vipassanâ-Meditation zur Erlangung des Hellblicks (= p: vipassanâ), das ist in den Anfangsphasen: das aufblitzende, beglückende, intuitive Erkennen der Vergänglichkeit aller körperlichen und (!!) geistigen Daseinserscheinungen; in den fortgeschrittenen Meditationsphasen: der wiederum intuitive, zunächst ebenfalls nur blitzartige Einblick in den Erlöschungszustand, also Vorgeschmack von der vollständigen Befreiung (nibbâna). Beide Erkenntnisstufen gehen (das sagen alle Übenden übereinstimmend) mit einem Glücksgefühl (p: pîti / später: sukkha ) einher, das so zu sagen grundlos und emotionsfrei ist, d.h. es hat zunächst nichts mit dem Befriedigungsgefühl bei Erlangung eines begehrten Gegenstandes zu tun (Wunscherfüllung). 15

Thema 1 MED (13) Achtsamkeit und Sammlung Die erstmalige Erfahrung dieses emotionsfreien Glücksgefühls ist auch für den Laien ein gewaltiger Ansporn, diese Übungen fortzusetzen. In der nächsten Stufe gilt es aber, auch dieses Glücksgefühl hinter sich zu lassen: Denn es kann das Verlangen bewirken, dieses pîti wieder haben zu wollen. Man begäbe sich wieder in eine Abhängigkeit: Das zunächst gundlose Glücksgefühl würde korrumpiert zu dem, was es anfangs nicht war: Befriedigungsgefühl bei Erlangung eines ersehnten Gegenstandes. Ziel aber ist nicht Glücksgefühl, sondern Souveränität (von Befreiung will ich dabei vorsichtshalber noch nicht reden!) 16

Thema 1 MED (14) Achtsamkeit und Sammlung So geht es nach alter Theravâda-Tradition mit den Meditationsstufen weiter..., bis zum Dauerzustand eines Edlen (p: ariya-puggala). Nach alter Auffassung erreichen die höheren Stufen meist (wenn überhaupt) nur Mönche, weil diese ihre Energie auf die Meditation konzentrieren können und weniger vom Alltag absorbiert seien. Laien müssen sich mit den niederen Achtsamkeitsübungen begnügen, die hauptsächlich die Umsetzung der Sîlas (Sittenregeln) unterstützen. Diese Einteilung in von Mönchen bzw. von Laien Erreichbares werfen z.b. einige Mahayana / Vajrayana- Vertreter den Theravâdim vor obwohl dazu bereits Gegebeispiele in Pali-Kanon berichtet werden. Mit diesen Beschreibungen ist noch längst nicht alles zur Meditation der Theravâda-Tradition gesagt!! Insbesondere bin ich nicht auf die wichtige Mettâ -Meditation eingegangen: In ihr versucht man, die Vier Herzensmerkmale (p: brahma vihara) der Güte (p: mettâ), des Mitgefühls (p: karuna), der Mitfreude (p: muditâ) und des Gleichmuts (p: upekkhâ) bewusst zu realisieren. Was mit Bemühung / Achtsamkeit / Sammlung im Zen und im tibetischen Buddhismus verstanden wird und erreichbar ist, werden wir in den folgenden 2 Sitzungen erfahren. Ich danke Ihnen 17

PAUSE nächste Sitzung weiter Pause Fragen Aussprache 18