Predigt zu Matthäus 27, 51 ff. am Karfreitag 2013 Pfarrerin Katharina Falkenhagen LESUNG Matthäus 27, 51 Und siehe, der Vorhang im Tempel zerriss in zwei Stücke von oben an bis unten aus. 52 Und die Erde erbebte, und die Felsen zerrissen, und die Gräber taten sich auf, und viele Leiber der entschlafenen Heiligen standen auf 53 und gingen aus den Gräbern nach seiner Auferstehung und kamen in die heilige Stadt und erschienen vielen. 54 Als aber der Hauptmann und die mit ihm Jesus bewachten das Erdbeben sahen und was da geschah, erschraken sie sehr und sprachen: Wahrlich, dieser ist GOTTes Sohn gewesen! Liebe Gemeinde, der Friede unseres Herrn Jesus Christus und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen. Amen. GOTT sei Dank sind wir hier in Mitteleuropa von Erdbeben oder Vulkanausbrüchen weitestgehend verschont. Ich erinnere mich, dass es vor vielen Jahren mal eine kleine Erderschütterung hier gab. Dabei rutschten in manchen Wohnungen Gläser aus den Schränken aber sonst passierte nichts weiter Dramatisches. In Südeuropa sieht die Sache schon wieder etwas anders aus. Dort gehören Erdbeben durchaus zu den Ereignissen, von denen Menschen aller Generationen berichten können. Wenn die Erde bebt, werden alle Grundfesten des bisher sicher geglaubten Lebens erschüttert. Häuser fallen in sich zusammen, Wege sind nicht mehr passierbar, Flüsse bekommen plötzlich einen anderen Lauf. Nach einem Erdbeben müssen die Menschen oft ganz und gar von vorn beginnen, alles
wieder aufbauen. Das dauert oft viele Jahre. Die Erschütterung aller vertrauten Fundamente bedeutet schmerzvoller Abschied von liebgewonnenem und gleichzeitig Chance, ganz neu zu beginnen, etwas neues auf den Ruinen zu errichten. ERSCHÜTTERUNG I In der Passionsgeschichte des Matthäus wird von einem großen Beben berichtet, das sich unmittelbar nach dem Tod Jesu am Kreuz ereignete. Und die Erde erbebte, und die Felsen zerrissen, und die Gräber taten sich auf, erzählt der Evangelist ohne viele Ausschmückungen. Ob an diesem ersten Karfreitag tatsächlich solch ein Ereignis die Stadt Jerusalem erschütterte, wissen wir nicht mit Bestimmtheit zu sagen. Und das ist auch nicht so wichtig. Vielmehr ist dieses Beben, das verbunden ist mit der Öffnung der Gräber und dem Heraustreten der Toten ein Bild für die Bedeutung des Kreuzes. Das Kreuz Jesu ist nicht irgendein Kreuz wie sie damals von den Römern zu tausenden errichtet wurden. Nein, hier stirbt der GOTTessohn am Kreuz und damit wird die Welt und alles, was sie im Inneren zusammen hält, in den Grundfesten erschüttert. Ja, auch der Tod ist nicht mehr das, was er den Menschen bisher war: Ein endgültiges Abtreten aus dieser Welt ohne Wiederkehr. Nun ist alles anders. Das Kreuz Jesu Christi ist tiefste Erschütterung und Auftakt zum Neubeginn zugleich. ERSCHÜTTERUNG II Warum tiefste Erschütterung? Paulus sagt vom Kreuz Jesu, dass es den Heiden eine Torheit und den Juden ein Ärgernis ist. Wie widersinnig ist es doch nach menschlichen Maßstäben, dass der GOTTessohn, ja GOTT
selbst in ihm den Kreuzestod erleidet. Die Erwartung aller Frommen wäre gewesen, dass er seine Herrlichkeit und Macht gerade dort erweist indem er mit Glanz und Gloria vom Kreuz herab steigt. Doch nichts dergleichen geschah. Geschmäht und geschunden blieb Jesus am Kreuz und wurde zum Gespött der Menschen. Er blieb als GOTTessohn am Kreuz, das fortan zum Trost all derer wird, die sich absolut fern von GOTT wähnen. NEUANFANG I Und hier genau am tiefsten Punkt - verbirgt sich im tiefsten Elend der Neuanfang, den GOTT selbst wirkt. Hier wurde das Korn, aus dem alle neue Hoffnung wächst, in die dunkle Erde gesenkt. Matthäus beschreibt diesen Neuanfang mit zwei eindrucksvollen Begebenheiten. Der Vorhang im Tempel zerriss in zwei Stücke von oben an bis unten auf und das Beben erschütterte die Grundfesten des Allerheiligsten. Bis dahin hatte es eine unüberwindliche Grenze zwischen dem heiligsten Bezirk im Tempel und den einfachen Gläubigen gegeben. Nur der Hohepriester durfte an bestimmten Tagen dieses Allerheiligste betreten. Nach GOTTes Willen sollte diese Grenze, diese Ausgrenzung, nicht mehr sein. Das Allerheiligste stand offen. In Jesus Christus nahm GOTT menschliche Gestalt an. Wer ihn, den Gekreuzigten, sah und bekannte, der gehörte nun vollwertig zur Gemeinschaft der Kinder GOTTes. Wir sehen in Jesus Christus GOTT, den Allmächtigen und Barmherzigen unverhüllt. Nichts kann nun mehr trennen von der Liebe und Barmherzigkeit GOTTes. Ich bin dein und du bist mein. NEUANFANG II
Eine zweite Begebenheit, die sich um den Kreuzestod Jesu herum rankt beschreibt ebenfalls den grundsätzlichen Neuanfang. Der heidnische Hauptmann bekennt unter dem Kreuz Jesus als den GOTTessohn. Nach menschlichem Ermessen hätten ja eher die Jünger dieses Bekenntnis sprechen müssen. Sie waren doch Wissende. Sie waren Insider. Doch das erste Bekenntnis noch im Angesicht des Kreuzes spricht ein heidnischer Hauptmann. Der völlig Ahnungslose erkennt die Bedeutung Jesu. Er ist mit dem Geist GOTTes beschenkt. So ist unterm Kreuz einmal mehr klar: Um zu GOTT zu kommen, um ihn zu erkennen, um ihn zu bekennen, dafür bedarf es keiner besonderen Voraussetzungen. Und jede Grenze, die Menschen zwischen GOTT und seinen Geschöpfen setzen, ist willkürlich und kann nicht mit GOTTes Willen gerechtfertigt werden. Der Geist nimmt in seinen Dienst wen er will, ob uns das passt oder nicht. Die Verkündigung und der Kreuzestod Jesu brachten damals die Erschütterung aller vertrauten Glaubensfundamente. Den Pharisäern geriet der Tempelkult ins Wanken, die Jünger Jesu waren all ihrer Hoffnungen beraubt, Menschen wie der heidnische Hauptmann wurde die Lächerlichkeit ihrer bisherigen Kulte bewusst. Jesus Christus am Kreuz verstörte die Menschen zutiefst und brachte ihre bisherige Welt ins Wanken. Sehr viel geändert hat sich daran bis heute nicht viel. Um frei für GOTT, für Jesus Christus zu werden, muss ich eben Abschied nehmen von vielem, was mir bisher lieb und teuer war. Ich kann nicht sagen: Ja, Herr, ich will dir folgen und alles so lassen wie es ist. Ich kann nicht sagen: Ja, Herr, nimm Wohnung in mir und gleichzeitig alle möglichen Geister in meinem Herzen behalten und wohnen lassen. BEKENNTNIS
Die Ereignisse rings um den Kreuzestod Jesu: Das Beben, die Totenauferstehung, der zerrissene Vorhang und das Bekenntnis des Hauptmanns diese Ereignisse illustrieren die Kernbotschaft des Kreuzes. GOTT kommt uns Menschen durch Jesus Christus so nah, wie es näher nicht geht. Er hat sich ans Kreuz schlagen lassen, um jeden Einzelnen zu gewinnen. GOTT überwindet durch Jesus Christus die Grenze des Todes. Er ist bis in den Tod gegangen, um einem jeden die Gewissheit zu geben, dass sich seine Macht auch bis ins Reich der Toten erstreckt. GOTT beruft durch Jesus Menschen wie es IHM gefällt. So macht ER uns Kleingläubigen und Zweiflern Mut. GOTT ist am Werk und spannt den grünen Faden Hoffnung weiter und weiter. Nichts und niemand kann IHN daran hindern. In diesen wenigen Versen des Matthäusevangeliums steckt ein großartiges Bekenntnis. GOTT kommt, GOTT überwindet und GOTT ruft durch Jesus Christus, den Gekreuzigten. Und der Friede GOTTes, welcher höher ist als all unsere Vernunft bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn. Amen. GLAUBENSBEKENNTNIS