Lars Knopke Schulbücher als Herrschaftssicherungsinstrumente der SED
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Lars Knopke Schulbücher als Herrschaftssicherungs - instrumente der SED VS RESEARCH
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar. Dissertation an der Helmut-Schmidt-Universität / Universität der Bundeswehr Hamburg, 2011 1. Auflage 2011 Alle Rechte vorbehalten VS Verlag für Sozialwissenschaften Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011 Lektorat: Dorothee Koch Marianne Schultheis VS Verlag für Sozialwissenschaften ist eine Marke von Springer Fachmedien. Springer Fachmedien ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.vs-verlag.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbeson dere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-531-18220-9
Für Sandy Für immer 5
Danksagung Das Schreiben einer Dissertation ist keine Teamaufgabe, sondern findet vornehmlich in Auseinandersetzung mit dem eigenen Selbst statt. Gleichwohl kommt eine Aufgabe dieses Ausmaßes nie ohne Unterstützung (sei sie größer oder kleiner) aus. Der Rückblick erinnert an Einige, denen ich dankbar bin. Nur Wenige kann ich hier herausstellen stellvertretend aber für Alle. Vornehmlich danke ich meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Lutz R. Reuter, der stets jede Unterstützung gewährte. Als langjährigem akademischem Lehrer und Vorbild verdanke ich ihm den Großteil meiner wissenschaftlichen Prägung. Ich danke auch Frau Prof. Dr. Annette Scheunpflug, die mehr war als eine Zweitgutachterin. Vielmehr hat auch sie mich insbesondere im letzten Drittel des Promotionsverfahrens nach Kräften unterstützt. Außerhalb des universitären Umfeldes bedanke ich mich bei meinem ehemaligen Vorgesetzten, Herrn Bernd J. Henn, der dem nebenberuflichen Forschungsprojekt stets aufgeschlossen gegenüberstand durchaus keine Selbstverständlichkeit im beruflichen Alltag. Ich danke auch Herrn Michael Peter, dessen historische Privatbibliothek und dessen Sachverstand diverse Anregungen boten. Danken möchte ich auch den zahlreichen freundlichen Menschen, die mir meistens unentgeltlich die Schulbücher ihrer Kinder überließen hier stellvertretend ganz besonders herzlich der Familie Thorandt. Ich danke ganz besonders meiner Frau, denn ein langjähriges berufsbegleitendes Vorhaben dieses Umfangs fordert auch allerlei Unterstützung von familiärer Seite, derer ich mir stets sicher sein durfte. Schließlich danke ich meiner Tochter, meinem Sternchen, die mich stets nach vorne streben lässt. Hohenmölsen, im April 2011 Lars Knopke 7
Vorwort Es gibt kaum einen Gegenstandsbereich der deutschen Geschichte nach 1945, welcher so intensiv öffentlich diskutiert und wissenschaftlich untersucht worden ist wie die Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte der Deutschen Demokratischen Republik und das autoritäre SED-Regime. Dies gilt für die Phase bis zum revolutionären Systemwechsel gleichermaßen wie für die Zeit nach der Wiederherstellung der deutschen Einheit, als sich mit der Zugänglichkeit der Akten von Partei und Staat, der Öffnung der Archive und der Möglichkeit der Befragung von Zeitzeugen neue Forschungsmöglichkeiten ergaben. Es dürfte kaum einen Bereich von Staat und Politik, Gesellschaft, Wirtschaft und Kultur der DDR geben, zu denen in den vergangenen zwanzig Jahren keine neueren Studien durchgeführt und publiziert worden wären. Dies gilt nicht zuletzt für die Bildungspolitik und das Bildungssystem der DDR, zu denen heute eine Reihe von breit angelegten Untersuchungen ebenso wie viele Spezialstudien verfügbar sind. Auch zum komplexen Forschungsfeld der Politisierung und Instrumentalisierung vor allem der schulischen Bildungsstätten liegen inzwischen verschiedene Publikationen vor. Doch gleichwohl gibt es noch den einen oder anderen»weißen Flecken«in der Erforschung der Geschichte der DDR. Dies gilt in besonderem Maße für die internen Verhältnisse und Abläufe in gesellschaftlichen und staatlichen Institutionen, etwa in Familien und anderen staatlich weniger leicht kontrollierbaren Gruppen, sowie in Jugendverbänden, Schulen, Hochschulen, Betrieben und Religionsgemeinschaften. Im vorliegenden Buch geht es um die Formen und Inhalte der Instrumentalisierung der Schule in der DDR über das Medium des Schulbuchs durch die Staatspartei SED. Es handelt sich durchaus nicht um eines der eher vernachlässigten oder gar unbearbeiteten Forschungsfelder. Diese Feststellung traf schon für die Zeit vor 1990 zu und gilt stärker noch für die zwei Jahrzehnte seither. Die Forschung über Schulbücher in der DDR hat sich mit Einzelthemen wie bspw. Afrika, Rolle der Frauen, Faschismus oder Amerikabild befasst und die Schulbücher einzelner Fächer untersucht. Was also rechtfertigt eine weitere Studie zur DDR-Schulbuchforschung? Gleich zwei Gründe lassen sich hierfür vorbringen: Keine der bisherigen Schulbuchanalysen rückt die Frage nach der politischen Instrumentalisierung des jeweiligen Stoffes für die Zwecke der Bildung und Erziehung allseitig und harmonisch entwickelter sozialistischer Persönlichkeiten im Sinne von Verfassung und Bildungsgesetz der DDR derartig in das Zentrum der Analyse und tut dies überdies ausdrücklich vor dem Hintergrund beobachtbarer Tendenzen der DDR-Verklärung in Ostdeutschland; und keine Unter- 9
suchung erfasst alle Schulbücher der Polytechnischen Oberschule der DDR, das heißt auch diejenigen der scheinbar nicht instrumentalisierbaren mathematischen, naturwissenschaftlichen und technischen Unterrichtsfächer. Der umfangreiche Untersuchungskorpus besteht aus insgesamt 72 Schulbüchern für zehn Schuljahrgänge und umfasst etwa zwölftausend Druckseiten. Als Dokumente, die in einem formalisierten staatlichen Verfahren zugelassen werden, normieren Schulbücher die Lerninhalte im Sinne der politischen, ökonomischen und gesellschaftlich-kulturellen Verfassung eines Staates. Schulbücher dienen der Umsetzung und Sicherung der Erziehungs- und Bildungsziele der Schule und ihrer einzelnen Unterrichtsfächer. Sie sorgen für eine Konformität der Lernprozesse in den öffentlichen Schulen und dienen der gesellschaftlichen Identität. In den Schulbüchern spiegeln sich die vorherrschenden gesellschaftlichen, bildungspolitischen und pädagogischen Ansichten wider. Wie die Lehrpläne, von deren Vorgaben sie abhängen, erlauben die Schulbücher allerdings wirkungsvoller als die ersteren Rückschlüsse auf die reale Unterrichtsund Lernarbeit in den Schulen. Sie informieren über die Themen, Werte und Sichtweisen, die zu einer bestimmten Zeit eine Gesellschaft und ihre Schulen prägen. Der Autor des Bandes ist sich bewusst, dass Schulbücher in offenen liberaldemokratischen Gesellschaften ebenso wie in totalitären Systemen politische Funktionen erfüllen. Er nimmt eine klare normative Position im Sinne des liberalen Verfassungsverständnisses für die Offenheit oder Vorläufigkeit zu vermittelnder Positionen in kontroversen Fragen ein und fragt vor diesem Hintergrund nach Formen, Inhalten, Reichweite und Intensität der politischen Instrumentalisierung der Unterrichts- und Lernprozesse durch die Schulbücher im Herrschaftssystem der SED. Er arbeitet nicht mit einem vorab definierten Instrumentalisierungsbegriff, sondern generiert im hermeneutischen Zirkel Themenfelder und Begriffe, anhand welcher schrittweise die Instrumentalisierung erfassbar und sichtbar gemacht wird. Dabei ist bemerkenswert, wie vorsichtig und sorgfältig der Autor bei der Präsentation und Analyse des umfangreichen Quellenmaterials vorgeht. Das Buch ist insofern eine Fundgrube ausführlicher Originalzitate aus den Schulbüchern. Der Band vermag uns nichts über die tatsächliche Wirkungsgeschichte der DDR-Schule und ihrer Schulbücher zu vermitteln; er öffnet aber den Blick für den insgesamt wohl eher als misslungen zu bewertenden Versuch des SED-Regimes, über die Institution der Schule die Köpfe der nachwachsenden Generationen im Sinne ihres doktrinären Staatssozialismus zu beeinflussen. Lutz R. Reuter und Annette Scheunpflug 10
Inhalt Abkürzungen...13 1 Hinführung zum Thema...15 2 Forschungsstand...23 2.1 Forschung zur DDR und zum DDR-Bildungswesen...23 2.2 Forschung zum Schulbuch und zum DDR-Schulbuch...31 3 Erkenntnisinteresse und Herangehensweise...37 3.1 Schulbücher: zum Untersuchungsmaterial...37 3.1.1 Begriff und Funktion des Schulbuches...37 3.1.2 Gesellschaftliche Funktion des Schulbuchs...39 3.1.3 Schulbücher in der DDR...40 3.1.4 Untersuchte DDR-Schulbücher...44 3.2 Untersuchung von Instrumentalisierungsrealität: zum Erkenntnisinteresse...49 3.2.1 Möglichkeiten und Grenzen der Untersuchung von Instrumentalisierungsrealität...49 3.2.2 Präzisierung des Erkenntnisinteresses...53 3.3 Schulbuchinstrumentalisierung: zu Untersuchungsgegenstand und analytischer Basis...55 3.3.1 Weitreichende Herrschaft der SED als allgemeiner Bestimmungsfaktor der Schulbuchinstrumentalisierung...55 3.3.2 Auswirkungen der SED-Herrschaft im Schulwesen als spezifische Bestimmungsfaktoren der Schulbuchinstrumentalisierung...62 3.3.3 Zusammenfassung: zur analytischen Basis...74 3.4 Vorgehensweise...76 4 Schulbuchanalyse Teil I: Klassen- und unterrichtsfächerübergreifende Themen der Schulbuchinstrumentalisierung...87 4.1 Partei und Arbeiterklasse...87 4.2 DDR...103 4.3 Sowjetunion und andere sozialistische Staaten...111 4.4 Systemrelevante Personen...122 4.5 FDJ und Pionierorganisation...131 4.6 Militärische Inhalte...141 4.7 Kampf und Revolution...156 4.8 Sozialismus und Parteilichkeit...165 11
4.9 Kapitalismus...171 4.10 Bundesrepublik Deutschland...190 4.11 Faschismus...195 4.12 Marxismus-Leninismus...198 5 Schulbuchanalyse Teil II: Instrumentalisierung der Schulbücher in den einzelnen Unterrichtsfächern...205 5.1 Naturwissenschaftlich-technische Unterrichtsfächer...205 5.1 Deutsch...212 5.2 Musik...222 5.3 Geographie...226 6 Schulbuchanalyse Teil III: Instrumentalisierung der Geschichts- und Staatsbürgerkundeschulbücher...231 6.1 Geschichte...231 6.2 Staatsbürgerkunde...251 7 Analyse und Diskussion der Befunde...265 7.1 Zusammenfassung...265 7.2 Wirkung...276 7.3 Instrumentalisierungsrealität...280 7.4 Ausblick...281 Abbildungs- und Tabellenverzeichnis...289 Literatur und Dokumentenverzeichnis...291 Wissenschaftliche Literatur...291 Schulbücher...307 Quellen und Dokumente...309 12
Abkürzungen BRD CDU SSR DDR DSF EOS ESP FDJ FLN FRELIMO Gbl. GST IM KPD KPdSU LDPD LPG MfS MPLA NVA POS RGW SBZ SED UdSSR VEB VR ZK Bundesrepublik Deutschland Christlich demokratische Union eskoslovenská Republika (Tschechoslowakische Sozialistische Republik) Deutsche Demokratische Republik Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft Erweiterte Oberschule Einführung in die Sozialistische Produktion Freie Deutsche Jugend Front de Libération Nationale (Algerische Nationale Befreiungsfront) Frente de Libertação de Moçambique (Mosambikanische Befreiungsfront) Gesetzblatt Gesellschaft für Sport und Technik Inoffizieller Mitarbeiter (MfS) Kommunistische Partei Deutschlands Kommunistische Partei der Sowjetunion Liberal-Demokratische Partei Deutschlands Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft Ministerium für Staatssicherheit Movimento Popular de Libertação de Angola (Volksbewegung für die Befreiung Angolas) Nationale Volksarmee Polytechnische Oberschule Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe Sowjetische Besatzungszone Sozialistische Einheitspartei Deutschlands Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken Volkseigener Betrieb Volksrepublik Zentralkomitee der SED 13